Ricardo Moniz und sein Asterix-Problem: welche Taktik für den FCZ?

„Der Trainer ist nicht so wichtig“ ist ein Satz den FCZ-Trainer Ricardo Moniz in den letzten Pressekonferenzen wiederholt geäussert hat. Was steckt dahinter? Bescheidenheit? Koketterie? Oder doch mehr? Die Story lässt sich mit zwei ungleichen Freunden als Protagonisten erzählen: Asterix und Obelix. Zwei Freunde mit der Mission die Römer zu ärgern – und dies als Fussballprofi. Dies gelang ihnen schon mehr als einmal. Im Cupfinal 2018 konnten sie den Römern zu Berna in Unterzahl das Tafelsilber unter der Nase wegschnappen. Und in der Saison 21/22 gelang es ihnen gar, den Cäsarenthron zwischenzeitlich aus der Bundesstadt zu entwenden. Asterix ist in Bellinzona geboren und musste von klein auf die geringere Körpergrösse beim Fussballspielen mit Technik und „Köpfchen“ wettmachen. Über Obelix wird erzählt, er soll als Kind einmal bei Vollmond in den Katzensee gefallen sein und sei in den Monaten danach enorm gewachsen. Er entschied sich dann aber später gegen eine Karriere als Steinstösser am Unspunnenfest, da dieses nur alle zwölf Jahre stattfindet – und er nicht nur Hinkelsteine, sondern auch Fussbälle weit und gleichzeitig präzise schiessen konnte.

Asterix und Obelix erobern Bern

Kennengelernt haben sich Asterix und Obelix aka Antonio Marchesano und Mirlind Kryeziu im Sommer 2015 beim FC Biel. Kryeziu kam als Leihspieler des FCZ vor allem in der Rückrunde zu erster wertvoller Spielzeit im Profibereich. Marchesano „explodierte“ gleich zum Saisonstart mit zehn Toren in den ersten sieben Runden. Sein damaliger Coach Patrick Rahmen beorderte den Mittelfeldspieler weiter nach vorne und liess ihn als 10er oder hängende Sturmspitze auflaufen. Der FC Zürich verpflichtete Marchesano noch vor Ende des Transferfensters, lieh ihn aber für die laufende Saison 15/16 zurück an den FC Biel aus, da man sich auf der Position mit Davide Chiumiento und Oliver Buff vorläufig gut genug aufgestellt sah. Marchesano und der Südkürvler Kryeziu (sowie Benjamin Kololli) wurden in Biel Kumpels – in einer Saison an deren Ende Biel Konkurs ging und der FCZ abstieg.

Nach einer erfolgreichen Challenge League- und Europacup-Saison (nicht gegen Römer, aber immerhin Rumänen) erreichte Marchesano im Alter von 26 Jahren endlich das gelobte Land der Super League. Ähnlich wie in Biel (zurückhängende Spitze im 4-4-2) wurde er von Uli Forte und danach Ludovic Magnin auf der 10er-Position eingesetzt – in der Regel in einem 4-2-3-1. Marchesano hatte in seiner ersten Super League-Saison manchmal noch etwas Mühe, sich an den höheren Rhythmus zu gewöhnen. Seine Züri Live-Note lag damals im Schnitt bei unspektakulären 5,4. In den Wochen vor dem Cupfinal spielte sich dann auch Mirlind Kryeziu in die Mannschaft. Beim Saisonhöhepunkt in Bern standen Kryeziu und Marchesano gemeinsam in der Startformation. Magnin überraschte YB mit der Umstellung auf die Dreierabwehr Thelander / Brunner / Kryeziu, welche er zwei Wochen davor bei einem 4:1-Heimsieg gegen den FC Basel erfolgreich getestet hatte (im letzten Spiel vor dem Cupfinal in Lugano liess Magnin als Ablenkungsmanöver wieder mit Viererabwehr spielen).

Breitenreiter richtet den FCZ an Marchesano aus, Foda nicht

Der Cupfinal 2018 war beim FCZ die Geburtsstunde des 3-4-1-2 Systems mit dem man in der Saison 21/22 sensationell den Meistertitel gewinnen sollte – mit Marchesano natürlich auf der 10er-Position und Kryeziu nun als unbestrittenem Abwehrchef in der Mitte der Dreierabwehr. Schnelles, direktes Spiel durch die Mitte ist der Fussball, welcher Marchesano am meisten liegt, und der den FCZ in jener Saison zum Meister machte. Der Tessiner kann dabei seine Technik, Spielintelligenz und Gedankenschnelligkeit optimal in die Waagschale werfen – und durch die entstehenden Räume im Umschaltspiel geht der 1,68m grosse Tessiner Zweikämpfen gegen schwergewichtigere Gegenspieler aus dem Weg. André Breitenreiter hatte damals vor der Saison das Gespräch mit den Führungsspielern gesucht, um die Spielphilosophie zu besprechen. Wofür dabei Marchesano plädierte, ist nicht schwer zu erahnen. Der Cupfinal 2018 war seine “Blaupause“. Angereichert wurde die Spielweise 21/22 durch Eins-zu-eins Deckung auf dem ganzen Platz in der Defensiven Phase nach dem Vorbild von Atalanta unter ihrem langjährigen Coach Gian Piero Gasperini (und FCZ-Junior Berat Djimsiti als einer der Führungsspieler).

Nach Breitenreiter kam Franco Foda. Die Züri Live-Notenentwicklung zeigt eindeutig, dass es die Teamleader Marchesano, Dzemaili, Brecher und Gnonto waren, deren Leistungsniveau unter Foda in den Keller rasselte. Im ersten Spiel bei YB liess Foda noch im Meister-System spielen. Der FCZ war gut in der Partie, aber Marchesano verschoss einen Penalty. Auch beim Stand von 0:1 war man nahe am Ausgleich dran, bis Foda mit seinen Wechseln zu früh zu viel Risiko nahm, was in einer 0:4-Klatsche endete. Das grosse Thema in der Mannschaft war damals aber die Champions League-Qualifikation. Gegen Qarabag Agdam in Baku begann Foda nochmal mit dem System und der Spielweise aus der Meistersaison. Qarabaq legte viel Energie in die ersten 20 Minuten. Der FCZ wurde überfahren und lag zur Pause 0:2 hinten. Da hatte Foda genug gesehen und wechselte von der Manndeckung im 3-4-1-2 auf Raumdeckung im 3-4-3 – mit Marchesano neu auf der Position rechts im Dreimannsturm. Der FCZ gewann so die 2. Halbzeit mit 2:1 (total nach 90 Minuten: 2:3). Von da an suchte Foda nach einem neuen System: 4-4-2, 3-4-3 und 4-2-3-1 waren die Startformationen der folgenden drei Partien. Marchesano wurde dabei nicht mehr auf seiner Lieblingsposition eingesetzt, und begann manchmal gar auf der Ersatzbank.

Henriksen ist erfolgreich mit Afriyie statt Marchesano auf der 10er-Position

Die Europacup-Resultate unter Foda waren gut, in Meisterschaft und Cup blieben sie aber schlecht. Unter Nachfolger Bo Henriksen änderte sich dies, nicht aber die persönliche Situation von Marchesano. Henriksen setzte Marchesano wie zuvor Kollege Foda als Stürmer ein – oder auf die Bank. Dies änderte sich auch nicht zu Beginn der Saison 23/24. Zwar hatte sich Henriksen nun wieder auf das 3-4-1-2 System aus der Meistersaison festgelegt, aber auf der 10er-Position liess er Daniel Afriyie auflaufen – und dies sehr erfolgreich. Mit einem personell ausgedünnten Kader waren die Resultate im ersten Saisonviertel sogar besser als in der Meistersaison. Gegen den Coach opponieren ging in dieser Situation nicht. Bis zur Winterpause war der FCZ in der Tabelle ganz vorne dabei. Als man aber in den letzten drei Partien vor der Winterpause vom (VAR-)Pech verfolgt wurde und trotz guten Leistungen gegen Luzern, in Winterthur und in St. Gallen insgesamt nur einen Punkt ergatterte, wurde es sofort unruhig. Marchesanos (und Kryezius) ehemaliger Berater Milos Malenovic reagierte als Sportchef öffentlich ziemlich heftig auf die unglücklich verlaufene Woche.

Der Start in die Rückrunde misslang, Henriksen kam in der Bundesliga unter und das Duo Murat Ural / Umberto Romano übernahm. Es folgten Wochen des Pröbelns mit unterschiedlichen Systemen. Zu Beginn lag der Fokus auf einer offensiven Spielweise und viel Goodwill für eigene Talente im Sinne von Murat Ural. Nach einem 2:2 zu Hause gegen Stade Lausanne-Ouchy setzte man dann aber stärker auf defensive Absicherung und Routiniers – was eher der Ausrichtung von Umberto Romano entspricht. Und nun sind wir in der Story bei Ricardo Moniz angelangt. In den letzten fünf Partien der alten und den ersten Wochen der neuen Saison switchte der Holländer zwischen dem Rhombus-System (4-1-2-1-2) und dem 4-3-3 hin und her. Häufig liess er sein Team im einen System beginnen – und während der Partie ins andere wechseln.

Das Holländische 4-3-3 ist auch New School

Als „Alter Holländer“ liegt Moniz natürlich das 4-3-3 am nächsten. Noch bis vor etwa zwei Jahren haben in der Eredivisie ausnahmslos alle Mannschaften so gespielt. Popularisiert wurde dieses System in den 70er-Jahren durch Johan Cruyffs Ajax und das Niederländische Nationalteam (als „besseres Team“ zwei Mal WM-Final Verlierer) in Kombination mit den Prinzipien des Total Voetbal (“Totaler Fussball“). Den Totalen Fussball verstanden im Rest Europas nicht alle, aber das 4-3-3 mit dem typischen Flügelspiel wurde auch in der Schweiz bis Ende der 80er-Jahre zur vorherrschenden Spielweise sowohl bei den Profis wie auch Amateuren und Junioren. Bis es hierzulande vom aus Schweden importierten 4-4-2 und der damals neuen Pressing-Philosophie inklusive Offsidefalle mit Protagonisten wie Sacchi, Hitzfeld oder Fringer abgelöst wurde.

Bevor das 4-3-3 aber aussterben konnte, exportierte es Cruyff als Trainer nach Barcelona. Dessen ehemaliger Spieler Pep Guardiola führte dann den vom ersten FCZ-Captain Hans „Joan“ Gamper gegründeten Klub in einem revitalisierten und modernisierten 4-3-3 mit Weltklasse-Talenten aus der eigenen Jugend zu neuen Höhenflügen. Ricardo Moniz redet zwar im Zusammenhang mit dem 4-3-3 von „Old School“, aber ausgedient hat dieses System noch lange nicht. Bis vor etwa vier Jahren spielten die Juniorenauswahlen des Schweizerischen Fussballverbandes und die meisten Spitzenjuniorenteams der Schweizer Klubs fast ausschliesslich mit diesem System. Dies einerseits inspiriert durch die Erfolge des Spanischen Nationalteams, andererseits aber auch da es als besonders ausbildungsfreundlich galt. Ausserdem passte es zum damaligen Talentpool und den Selektionskriterien, die eher kleine, technisch gut entwickelte Talente favorisierte. Bei Juniorenländerspielen waren die Schweizer regelmässig im Schnitt einen halben Kopf kleiner als viele europäische Gegner. Alain Geiger führte Servette im 4-3-3 zurück in die Super League und in die erweiterte Liga-Spitze. Der aktuell von vielen als heissester Meisterkandidat gehandelte FC Lugano spielt mit einer von der Körpergrösse her eher kleinen Mannschaft ebenfalls im 4-3-3. Und Jürgen Klopp’s Liverpool hat jahrelang bewiesen, dass man im 4-3-3 auch ein sehr effektives Pressing aufziehen kann.

Das grosse Dilemma des Ricardo Moniz

Als „Old School“ im positiven Sinne empfindet Moniz das Spiel über die Seiten und die Eins-gegen-Eins Situationen Flügel gegen Aussenverteidiger. Das sind Fussballprinzipien, die in Holland mehr als eine Philosophie sind. Es handelt sich eher um ein Glaubensbekenntnis der „Jünger Cruyffs“, das von Generation zu Generation weitergegeben wird. Das Oranje-Team wird dabei nicht nur als Repräsentant eines Landes, sondern fast noch mehr einer bestimmten Art von Fussball gesehen. Erdreistet sich ein Nationaltrainer davon abzuweichen, ist die Kritik riesengross. Vor diesem Hintergrund stellt sich die offensichtliche Frage, warum Ricardo Moniz beim FCZ nicht von Anfang an ausschliesslich aufs 4-3-3 gesetzt hat – und nun sogar davon abgekommen ist.

Den einen Grund hat er immer wieder erwähnt. Wenn man zwei Spieler für die offensiven Flügelpositionen opfert, die man auch zentraler einsetzen könnte, dann müssen diese Spieler die Qualität haben, sich häufig genug in Eins-gegen-eins Situationen durchsetzen können. Sonst geht die Rechnung unter dem Strich nicht auf. Positive News für Moniz: der FCZ hat im Juniorenbereich mittlerweile so viele starke Flügel und Eins-gegen-Eins Spieler wie wohl noch nie. Allerdings sind diese alle zwischen 15 und 17 Jahre alt und noch nicht ganz ready für das Profiteam. Einer von ihnen, der 15-jährige Dylan Munroe, wurde mittlerweile auf der FCZ-Webpage wieder von der Kaderliste der 1. Mannschaft gestrichen. Von den Flügel-Auftritten eines Oko-Flex, Emmanuel oder Chouiar zu Beginn der Saison war Moniz offenbar nur mässig begeistert, obwohl sie eigentlich nicht schlecht waren. Seine Erwartungshaltung scheint in diesem Bereich speziell hoch zu sein.

Das zweite Problem heisst Marchesano: im 4-3-3 gibt es seine Lieblingsposition der „Nr. 10“ nicht. Und damit sind wir wieder bei der anfänglichen Aussage von Ricardo Moniz: „Der Trainer ist nicht so wichtig“. Letztendlich entscheiden häufig die Profile, Qualitäten und Vorlieben der Schlüsselspieler wie gespielt wird – und nicht der Trainer.

Umstellung auf ein System ohne Flügel ausgerechnet mit der Ankunft von Ballet

Nach der schlechten 1. Halbzeit gegen Luzern mit Okita und Ligue auf den Flügeln sowie den sich nicht im Rhythmus befindlichen Denoon und Tosic als Aussenverteidiger fiel offenbar die Entscheidung zur Rückkehr zur Dreierabwehr. Obwohl das Problem beim Personal und nicht beim System lag. Mit dem sich vor allem als Pressing-System eignenden Rhombus hatte der FCZ zu Beginn der Saison mit schnellen Umschaltsituationen gegen Yverdon und Shelbourne „zu Null“ gewonnen. In Bern gegen YB erreichte man mit diesem System ein 2:2, worauf Moniz auch zu Hause gegen Vitoria Guimaraes auf das 4-1-2-1-2 setzte. Die Portugiesen waren aber in den meisten Belangen schlicht die bessere Mannschaft. Ob man mit einem anderen System da mehr hätte ausrichten können, ist fraglich. Der wichtigste Vorteil des FCZ wurde vom Schiedsrichter beschnitten, weil dieser bei den vielen taktischen Fouls der Gäste gegen den immer wieder entwischenden Emmanuel die Gelbe Karte jeweils in der Tasche stecken liess, wodurch dieser seine Schnelligkeitsvorteile nicht ausspielen konnte. In der Schlussphase nahm Moniz dann mit dem 4-2-4 zu viel Risiko, was zum schnell aufeinanderfolgenden 0:2 und 0:3 führte.

Ausgerechnet zeitgleich mit der Ankunft des Flügelspielers Samuel Ballet stellte man auf das Cup-Spiel in Le Locle hin auf Dreierabwehr um. Einzelne Schweizer Fussballjournalisten vertraten zuletzt die Meinung, dass beispielsweise ein 3-4-3 eigentlich gut für Flügelspieler sei, da mehr Seitenpositionen zur Verfügung stünden, auf denen diese eingesetzt werden könnten. Dies ist falsch. Die äusseren Stürmer in einem 3-4-3 spielen nicht auf dem Flügel (Aussenbahn), sondern auf den Halbpositionen. Dies verlangt nach einem anderen Stürmertyp – wobei es natürlich auch Stürmer gibt, die beides spielen können. In einem 3-4-3 spielen vorne eher drei „Mittelstürmer“ oder allenfalls „Halbstürmer“ – keine „Flügel“. Armstrong Oko-Flex oder Jonathan Okita sind allerdings sowieso eher für die Halbpositionen als für den Flügel geeignet. Samuel Ballet hingegen ist ein typischer Flügel.

Bizarrer Widerspruch: System auf die Mitte ausgerichtet, Spielweise auf die Seiten

Die sich daraus ergebende Situation wirkt bizarr. Im Gegensatz zu Foda und Henriksen hat Moniz nun sowohl das System wieder auf Marchesano ausgerichtet, als auch diesen als unbestrittenen Stammspieler auf der 10er-Position etabliert. Gleichzeitig redet er aber von Flügelspiel und Eins-gegen-Eins Situationen auf der Seite. Dabei bedeuten Dreierabwehr und Marchesano in einer zentralen Rolle beides zwingend, dass durch die Mitte gespielt werden muss. Dort findet man die Überzahlsituationen – bei insgesamt acht Feldspielern im Zentrum und auf den Halbpositionen – und nur je einem auf den beiden Aussenbahnen. Im Meisterteam sind selbst die Aussenläufer Boranijasevic und Guerrero in der Offensiven Phase mit ihren Diagonalläufen in die Mitte vor den gegnerischen Strafraum gezogen. Mit nur je einem Aussenspieler hingegen regelmässig an die Grundlinie kommen zu wollen, klingt nicht logisch und erfolgsversprechend. An der Pressekonferenz vor dem Derby nannte Moniz Vorbilder wie Marcelo, Roberto Carlos oder Jordi Alba. Das waren aber alles leichtgewichtige Aussenverteidiger mit viel Ausdauer, die aus einer Viererabwehr mit Flügelspielern davor agierten. Eine völlig andere Ausgangslage als die kräftigen Ballet und Ligue alleine auf der Aussenbahn. Man scheint die Quadratur des Kreises anzustreben.

Schnelligkeit ist immer ein Plus, aber Aussenläufer benötigen vor allem Ausdauer. Optimalerweise sollte ein Aussenläufer in einem System mit Dreierabwehr daher ein Leichtgewicht sein, mit einem Körperbau, der in Richtung eines Langstreckenläufers tendiert – wie bei einem Alejandro Grimaldo, Jeremie Frimpong, Adrian Guerrero, Rodrigo Conceição oder Doron Leidner. Ein kräftig gebauter Junge wie Samuel Ballet stösst hingegen bei dem Laufvermögen, welches auf dieser Position verlangt wird, an seine Grenzen. Sein Einsatzwille ist formidabel, aber damit allein schafft man es auf Dauer nicht.

Junior Ligue scheint die Position zumindest von seiner Spielanlage her besser zu passen. Er hat auch schon in einzelnen Spielen bei den Junioren oder Testpartien mit der 1. Mannschaft unter Bo Henriksen auf dieser Position gespielt und gezeigt, dass er es kann. Die Ausdauerfrage stellt sich letztlich aber wohl auch bei ihm. Das Problem mit Conceição oder Leidner wiederum ist, dass sie zwar sehr gut auf diese Position passen würden, leistungsmässig diese Saison bisher aber noch keinen vertrauenswürdigen Eindruck hinterlassen haben – auch wenn Leidner zuletzt etwas Aufwärtstendenz zeigte. Stattdessen sieht Moniz Emmanuel weiterhin als Alternative auf links, obwohl dies aufgrund dessen taktischer Unbedarftheit in St. Gallen kolossal schief gelaufen ist.

Vier Handlungsoptionen für den FC Zürich

Das treffende Bild für den inneren Widerspruch der aktuellen Taktik und Spielweise des FC Zürich sind ein Samuel Ballet und ein Junior Ligue, die in St. Gallen ganz auf sich allein gestellt gegen einen doppelnden Gegner über die Seiten immer und immer wieder erfolglos durchzukommen versuchen. Moniz ist 60 Jahre alt, hat aber in seiner ganzen Trainerkarriere noch nie mit Dreierabwehr spielen lassen. „Ein Abenteuer“ nennt er dies. Seine Mannschaft scheint personell und auch vom Team-Spirit her in einem guten Zustand zu sein. Um so mehr wäre es schade, wenn man sich im taktischen Bereich unnötig selbst Knüppel zwischen die Beine werfen würde. Dabei gäbe es durchaus mehrere stimmige Handlungsoptionen.

Variante A: Der FCZ setzt in der 1. Mannschaft voll auf 4-3-3 und Flügelspiel, der Wunschtraum von Moniz

  • Vorteil: Es ist das klassische System für den dominanten Fussball, den man spielen möchte. Das 4-3-3 steht für mutigen Fussball. Man hat speziell nach der Verpflichtung von Samuel Ballet auch die Spieler dafür, im Nachwuchs sowieso.
  • Nachteil: Für die formstarken (und einflussreichen) Marchesano und Chouiar ist es nicht das ideale System. Und es ist eine Abkehr vom Erfolgsrezept der letzten beiden Titel (Cupsieg 2018, Meistertitel 2022).

Variante B: Zurück zum Meistersystem mit Dreierabwehr und direktem Umschaltspiel durch die Mitte mit aller Konsequenz

  • Vorteil: Es hat 21/22 funktioniert und die Schlüsselspieler sind weitgehend dieselben. Das Kader ist zudem eher noch etwas besser besetzt als damals. Ideal auf Marchesano ausgerichtet.
  • Nachteil: Entspricht nicht der neuen Vereinsphilosophie und den Vorlieben von Trainer Moniz. Wenig passende Spieler für die Aussenpositionen und diese (Conceição, Leidner) wirken bei weitem nicht so verlässlich, wie es Boranijasevic und Guerrero waren.

Variante C: Wie bei Variante B Dreierabwehr und Spiel durch die Mitte, aber mit kontrolliertem Spielaufbau analog Bayer Leverkusen (Alonso) oder Schweizer Nationalmannschaft (Yakin)

  • Vorteil: Man kann das 3-4-2-1 auf das man eben gerade umgestellt hat, beibehalten – und dank der darin enthaltenen “Box“ im Zentrum trotzdem dominant auftreten.
  • Nachteil: Es braucht Zeit, um die Abläufe zu erarbeiten. Möglicherweise würden aktuell wichtige Spieler wie Marchesano oder Condé nicht optimal zu dieser Spielweise passen. Aussenläuferproblem analog Variante B.

Variante D: 4-2-3-1 als Kompromiss

  • Vorteil: Man kann mit je zwei Spielern auf der Aussenbahn spielen und gleichzeitig Marchesano auf der 10er-Position einsetzen – wie früher unter Forte und Magnin.
  • Nachteil: Ein eher “fauler“ Kompromiss. Tendenziell ein konservatives System, nicht ideal für dominanten Fussball. Zudem möglicherweise kein Platz für Chouiar.

Quo vadis FCZ? Die Formation vorne mit der Doppel-10 Marchesano / Chouiar und der Spitze Perea passt zu diesen Spielern, die aktuell aufgrund ihres Formstandes zu Recht den Offensivstamm bilden. Auch hat man mit dem neuen System trotz aller Ungereimtheiten in Basel überzeugend gewonnen und in St. Gallen in einem hochstehenden Duell in den ersten drei Vierteln der Partie gut bis sehr gut gespielt. Unmittelbar vor dem 2:1 des FCSG hatte der FCZ selbst eine Grosschance und diese Führung wäre verdient gewesen. Letztendlich entschieden der für einmal schlechte Auftritt Krasniqis und die Fehlbesetzung des taktisch noch unbedarften Emmanuels als Linker Aussenläufer die Partie. Beim Heimspiel gegen Sion lief daraufhin beim FCZ nicht viel zusammen und der 1:0-Sieg war glücklich – gegen Lugano konnte sich das Team wieder etwas steigern.

Profis hinken vereinsintern hinterher

Insgesamt hinkt die 1. Mannschaft vereinsintern in der Entwicklung hin zur neuen Philosophie noch etwas hinterher. Natürlich ist es bei den Junioren und Frauen einfacher eine neue Philosophie rascher konsequent umzusetzen, weil diese viel weniger unter öffentlicher Beobachtung stehen und kaum Feedback auf zwischenzeitlich schlechte Resultate erhalten. Auch bewegt sich die Konkurrenz auf einem tieferen Level. Um in der (Männer-)Super League erfolgreich bestehen zu können, muss jedes Detail stimmen. In der Anfangsphase in St. Gallen hatte der FCZ trotzdem bereits eine Ball- und Spielkontrolle wie man sie in der Super League selten sieht. Der Ausgleich zum 1:1 war Ausdruck davon, während das Gegentor kurz davor etwas aus dem Nichts fiel. Bayer Leverkusen und die Schweizer Nationalmannschaft zeigen, dass man in einem System mit Dreierabwehr durchaus die gewünschte Dominanz im Spiel entwickeln kann. Aber man muss dafür definitiv mehr durch die Mitte spielen, als dies der FCZ aktuell tut. Die Bilder eines Samuel Ballet, der in St. Gallen auf der Seite immer wieder gedoppelt wird und in der Schlussphase des Sion-Spiels nach Luft schnappt, sprechen Bände.

Nicht verschwiegen werden soll, dass es grundsätzlich in der heutigen Welt des Fussballs auch einen Pep Guardiola gibt, der mit Manchester City seit Jahren vorwiegend ein 3-2-5 oder 2-3 -5 praktiziert. Vincent Kompany lässt Bayern in einem 2-4-4 angreifen und Fabian Hürzeler Brighton in einer Art 3-1-6. Ricardo Moniz redet im Zusammenhang mit seinem Team auch häufig von einem 3-2-5. Die angesprochenen Teams schaffen es, sich über weite Strecken einer Partie in der gegnerischen Platzhälfte aufzuhalten. Es ist Ausdruck einer personellen und taktischen Exzellenz, die mit auf Super League-Niveau tätigen Spielern und Trainern schwierig umzusetzen ist – umso mehr wenn es in der Liga mehrere Klubs mit deutlich mehr finanziellen Mitteln gibt.

Ricardo Moniz an der Pressekonferenz vor seinem ersten Derby als FCZ-Trainer (fcz.ch)

Wegweisend für die Personalpolitik / Yverdon-Sport – FCZ in der Züri Live-Analyse

Der grösste Misserfolg einer ansonsten starken Vorrunde des FCZ war die Cup-Niederlage in Yverdon. Die Züri Live-Durchschnittsnote ist mit 5,4 die zweittiefste der Vorrunde ex aequo mit dem 2:2 zuhause gegen Servette – und nur um 0,1 besser als dem schlechtesten (wenn auch am Ende sehr glücklichen) Auftritt im ersten Derby. Wie in der 1. Cup-Runde gegen Solothurn setzte Trainer Breitenreiter auf ein 4-3-3 mit offensiver Ausrichtung, und gab Spielern aus der zweiten Reihe eine Chance. Diese konnten sie aber nicht nutzen. In den ersten sieben Minuten startete die ganze Mannschaft schlecht. Die etablierten Spieler konnten sich danach mehr und mehr fangen – im Gegensatz zu denjenigen aus der 2. Reihe (mit Ausnahme von Marc Hornschuh). Der Auftritt im Waadtland war dementsprechend richtungsweisend für die Personalpolitik der restlichen Vorrunde.

Rodrigo Pollero als „Chancentod“

Auch wenn es sich nach dem episch langen Penaltyschiessen so anfühlte, als habe Yverdon auf dem sandigen Platz verdient gewonnen, sammelte bei näherer Betrachtung der FCZ mehr Gründe für ein Weiterkommen. Erstmal: ein klares Chancenplus. Das Expected Goal-Verhältnis war 2,84 : 0,96 zugunsten des FCZ – das Resultat aber 2:2 statt 3:1 nach Verlängerung. Selbst auf 90 Minuten runtergerechnet hatte der FCZ nur gegen Solothurn, Luzern (4:0) und in den beiden Partien gegen Basel mehr Abschlüsse als in Yverdon. Speziell Rodrigo Pollero sündigte mit gleich acht ungenutzten Chancen – klarer FCZ-Saisonrekord. Zum Vergleich: den zweithöchsten Wert an ungenutzten Abschlusschancen hatte Blaz Kramer mit fünf beim 4:0-Heimsieg gegen Luzern. In der letzten Minute der Verlängerung parierte Mirko Salvi den Kopfball Bledian Krasniqis nach hervorragender Balleroberung und Flanke Fabian Rohners von rechts mirakulös.

Einwechselspieler bringen frischen Wind

Neben Krasniqi und Rohner brachten auch Aliti und vor allem Wilfried Gnonto nach ihren Einwechslungen viel Schwung und deutlich mehr Torchancen ins Zürcher Spiel, nachdem der FCZ in der 1. Halbzeit ziemlich schlecht in die Partie gestartet war. Rohner brauchte zwar zu Beginn seines Einsatzes etwas Anlaufzeit, drehte mit Verlauf des Spiels aber vor allem auch defensiv mit vielen Ballgewinnen und sogar gewonnenen Luftduellen immer mehr auf, und verwandelte auch seinen Penalty souverän. Zwar hatte Yverdon vor seinem 1:0-Führungstreffer in der 43. Minute keine Torchance gehabt, aber der FCZ lud den Gegner durch seine zu wenig konkrete Spielweise geradezu zu einer Überraschung ein.

FCZ war nach „Kriens“ gewarnt

In der 1. Cuprunde hatte man in Solothurn davon profitiert, dass der Gegner zu diesem Zeitpunkt noch keine Spielpraxis hatte und kam auch dank einer fokussierten Startphase zur schnellen Vorentscheidung. Die 2. Runde lief gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten der Challenge League, SC Kriens, bereits ziemlich harzig. Das Breitenreiter-Team kam dank einem der vielen direkt verwandelten Freistosstore in der Startphase der Saison und der durch den ehemaligen FCZ-Junior Albion Avdijaj vergebenen Topchance in der 86. Minute weiter.

Uli Forte sehr gut über FCZ-Aufstellung und -Taktik informiert

In Yverdon fiel auf, wie gut Ex FCZ-Trainer Uli Forte sowohl vor der Partie wie auch in der Halbzeitpause über die FCZ-Formation und -Taktik informiert war (beziehungsweise sie vorausgesehen hat). Sowohl zu Beginn der ersten wie der zweiten 45 Minuten war die Yverdon-Formation defensiv exakt auf den FCZ ausgerichtet. Dem Zürcher 4-1-2-3 begegnete Forte mit dem entsprechenden defensiv ausgerichteten Gegensystem, dem 4-2-3-1. Er erwartete den FCZ ganz offensichtlich mit jeweils zwei Spielern auf der Seite, was davor in dieser Saison einzig in Solothurn der Fall gewesen war.

Yverdon heimstark wie der FCZ

Yverdon hatte mit Toptorschütze Koro Koné und dem aus der Meisterschaft mit einer 5 Spiele-Sperre (doppelter Tritt gegen den Kopf von Roberto Alves in Winterthur) belegten Miguel Rodrigues die gewichtigeren Ausfälle zu verkraften, war dafür durch das abgesagte Spiel gegen Stade Lausanne-Ouchy vom Wochenende etwas erholter. Nach dem Amtsantritt von Uli Forte im August hat das Team vom Neuenburgersee die ersten zwei Heimspiele gegen Xamax und Aarau unentschieden gespielt und danach inklusive dem Cup-Spiel gegen den FCZ im Stade Municipal acht Mal in Folge gewonnen.

Malula und Silva eliminieren den FCZ zum zweiten Mal hintereinander

Das Hauptziel des Forte-Teams in der 1. Halbzeit war erstmal die linke FCZ-Seite mit Guerrero und Ceesay aus dem Spiel zu nehmen, was gut gelang. Forte setzt in solchen Fällen immer auf Physis. So stellte er den bulligen Zentralen Mittelfeldspieler Christian Zock an den Rechten Flügel, um die Kreise von Adrian Guerrero zu stören. Den von links häufig zur Mitte ziehenden Ceesay übernahm in der Regel der topmotivierte rechte Innenverteidiger Breston Malula. Der ehemalige YB-Junior hatte genauso wie der Brasilianer Silva bereits vor Jahresfrist mit Chiasso den FCZ aus dem Cup kegeln können. Malula hatte damals kurz vor Schluss mit einem Energieanfall im Mittelfeld gegen Simon Sohm den Freistoss herausgeholt, aus dem dann der entscheidende Handspenalty entstand. Auch Silva (damals allerdings noch nicht im Matchkader) erinnerte sich gut daran und provozierte während dem Penaltyschiessen die zahlreich mitgereisten FCZ-Fans. Von den YB-Leihspielern blieb der spielstarke Eberhard eher blass, Vladi spielte einen entscheidenden Pass in die Tiefe beim 1:0 und vor allem Blum, der gute Perspektiven auf die Super League hat, gelang eine formidable Leistung. Dem Führungstreffer Yverdons kurz vor der Pause ging einer von mehreren unnötigen Ballverlusten Gogias voraus, den das Heimteam zu einem erfolgreichen Konter nutzte bei welchem Kryeziu Nebenmann Guerreros Chancen den Torschützen Beleck noch einzuholen überschätzte, und deshalb falsch stand.

Andy Gogia nutzt seine Freiheiten nicht

U17-Weltmeister Sead Hajrovic hatte im ersten Durchgang Rodrigo Pollero weitgehend im Griff. Rechtsverteidiger Lewin Blum agierte vorwiegend als Feuerwehrmann. Das Thema Feuerwehrmann war ein weiterer wichtiger Baustein für Yverdons Erfolg. Blum, Malula, Ninte und Co. blockten enorm viele Zürcher Abschlüsse – mehrmals in höchster Not. Ausserdem machte die rechte Zürcher Seite, vor allem Andy Gogia, viel zu wenig aus den gewährten Freiheiten in den ersten 45 Minuten. Da Yverdon unter anderem mit einer leicht nach rechts verschobenen Viererkette sehr viel in die Blockade der linken Zürcher Angriffsseite investierte, hatte Zürich über rechts Platz und auch häufig den Ball. Mehrmals konnte der Deutsche Zuspiele aber nicht stoppen, wartete am Ball wahlweise zu lange oder zu kurz und ging im Spiel ohne Ball naiv ins Pressing und in die Zweikämpfe. Von den fünf Partien, in welchen Gogia in dieser Vorrunde in der Startformation stand, erhielt er von Züri Live vier Mal eine ungenügende Note.

Ante Coric zu passiv und unkonzentriert

Der viel zu passive und unkonzentrierte Ante Coric war ein weiterer Akteur, der sich mit einem ungenügenden Auftritt im Stade Municipal einen Ausbau seiner Einsatzzeiten im Verlauf der Vorrunde verbaute. Schon in den ersten Minuten unterliefen ihm zwei schwerwiegende Fehlpässe und er liess nach einem Hajrovic-Fehler alleine vor Salvi eine Topchance leichtfertig liegen. In der 2. Halbzeit regte sich Trainer Breitenreiter an der Seitenlinie lautstark über Coric auf, als dieser den richtigen Zeitpunkt verpasste, im Hohen Pressing Torhüter Salvi zu attackieren.

Kostadinovic schien fürs Penaltyschiessen nicht parat

Torhüter Zivko Kostadinovic vermochte sich ebenfalls nicht zu profilieren. In der regulären Spielzeit kriegte der Waadtländer kaum etwas zu tun und musste in der 92. Minute erstmals eingreifen. In der Verlängerung war sein Positionsspiel mehrmals ungenügend (ähnlich wie manchmal beim Nummer 1-Torhüter Brecher). Vor allem aber wiegt in seinem Fall das Penaltyschiessen schwer. Der 29-jährige hat vor und während dem Spiel die Gegenspieler ganz offensichtlich in ihrem Passspiel und Abschlussverhalten nicht gut studiert – sonst hätte er die richtige Ecke deutlich häufiger geahnt. Mit zunehmender Dauer des Penaltyschiessens wurde Kostadinovic immer verzweifelter und machte es dem gegnerischen Schützen mit zu frühem Bewegen in fast immer die gleiche Ecke zu einfach. So konnte selbst Gegenpart Mirko Salvi seinen schlecht gechossenen Penalty im Netz zappeln sehen. Der aus Yverdon stammende Salvi spielte in seiner bisher besten Karrierephase in Lugano, wo er im Cupfinal 2016 gegen den FCZ im Letzigrund den entscheidenden Fehler beging und einen Ball vor die Füsse von Torschütze Sangoné Sarr fallen liess.

Pollero, Krasniqi und Doumbia im Fokus

Antonio Marchesano und Rodrigo Pollero vergaben ihre jeweils ersten Penaltys deutlich. Davor hatte sich Pollero in der Luft nie durchsetzen können, war im Antritt immer langsamer als seine Gegenspieler und antizipierte darüber hinaus viele Situationen zu spät. Immerhin legte er beim 1:1-Ausgleich nach Idealzuspiel Kryezius gut mit der Brust für Gnonto auf. Bledian Krasniqi, welcher beim fünften Penalty Nerven aus Stahl bewiesen hatte und souverän verwandelte, verschoss seinen zweiten. Kurz vor diesem hatte die hinter dem Tor postierte Zürcher Kurve, die zuvor angespannt das Shootout mitverfolgt hatte, plötzlich zu singen und zu hüpfen begonnen. Krasniqi wurde vor diesem zweiten Schuss sichtlich aufgeregter, als vor dem ersten, und befasste sich damit, Dreck zwischen den Stollen wegzuwischen. Bezeichnenderweise traf nach diesem Fehlschuss auf Yverdon-Seite Ninte mit seinem zweiten Penalty, nachdem sein erster der einzige der 22 Schüsse in diesem Elfmeterschiessen gewesen war, der von einem der beiden Torhüter gehalten werden konnte. Ousmane Doumbia ist Yverdon bis heute dankbar, dass er nach dem Abgang bei Servette ein paar Monate in der Promotion League unter Trainer Anthony Braizat Spielpraxis erhalten konnte. Der Ivorer begann das Cup-Spiel bei seinem Ex-Klub stark, baute dann aber mit zunehmender Spieldauer ab und kam bis zur 100. Minute gar auf eine ungenügende Note.

Guerrero profitiert von Yverdons taktischer Umstellung zur Pause

Situativ positionierte sich der FCZ zwar schon in der 1. Halbzeit zwischendurch im Spielaufbau im üblichen 3-4-1-2 mit Marchesano als Aufbauer auf der rechten Innenverteidigerposition. Auf die 2. Halbzeit hin wechselte man dann definitiv wieder auf diese Formation. Yverdon hatte dies wie erwähnt schon antizipiert und lief nun dementsprechend in einem 3-3-2-2 auf. Ninte kam für Eberhard rein und Zock wechselte auf die zweite Achterposition neben Kabacalman. Vladi bildete mit Beleck ein Sturmduo. Das physische Element verlagerte sich mit Ninte und Zock nun stärker auf die linke Yverdon-Seite. Der in der 1. Halbzeit noch relativ blass gebliebene Adrian Guerrero blühte daher nach der Pause auf – Boranijasevics Leistungskurve verlief dementsprechend umgekehrt.

Dudic verwehrt dem FCZ zwei Penaltys

Letztendlich hatte neben all den anderen Faktoren auch die Spielleitung Einfluss auf den Ausgang der Partie. Yverdons Fouls von hinten wurden durch Ref Dudic lange Zeit etwas zu wenig strikt geahndet. Von drei heiklen Szenen im Yverdon-Strafraum hätte zudem zwei Mal auf Penalty für den FCZ entschieden werden müssen. In der 69. Minute, als Silva am nahen Pfosten den nach einem Guerrero-Corner aufsetzenden Ball mit dem Oberarm nicht nur berührte, sondern regelrecht spielte – und in der 99: Minute, als Malula Guerrero zu Fall brachte.

Telegramm

Yverdon- Sport – FCZ 2:2 (1:0, 1:1, 2:2), 11:10 i.P.
Tore: 43. Beleck (Vladi) 1:0; 71. Gnonto (Pollero) 1:1; 94. Beleck (Ninte) 2:1, 104. Hornschuh (Gnonto) 2:2.
Yverdon – Salvi; Blum, Malula, Hajrovic, Gétaz (101. Jaquenoud); Silva, Eberhard (46. Ninte); Zock (101. Fargues), Kabacalman (79. Lusuena), Vladi (79. Eleouet); Beleck.
FCZ – Kostadinovic; Boranijasevic (67. Rohner), Hornschuh, Kryeziu, Guerrero; Doumbia (100. Krasniqi); Marchesano, Coric (67. Leitner); Gogia (46. Aliti), Pollero, Ceesay (46. Gnonto).


Beinahe 1’000 Tage Magnin – die Analyse, Teil 1

Nach nicht einmal 100 Tagen Ludo Magnin erschien im Daléo eine erste Analyse seines Wirkens als damals neuer Cheftrainer beim FC Zürich. Nach beinahe 1’000 Tagen Magnin schauen wir nun zurück auf die von ihm getätigten Aussagen und prüfen mit Beobachtungen und Statistiken, ob und wie er seine damaligen Ideen umgesetzt hat. Und warum die sportliche Bilanz seiner Trainer-Ära in der 1. Mannschaft durchzogen ausfällt.

Das Team unter Uli Forte – anfänglich eine Defensivwand

Wie kam Magnin überhaupt zu seinem ersten Trainerjob im Profibereich? Wie die meisten Super League-Aufsteiger war auch der FCZ unter Uli Forte mit der Aufstiegseuphorie im Rücken gut in die Saison 17/18 gestartet. Das Team begann aber ab November stark abzubauen. Dies war bereits in der Vorsaison in der Challenge League passiert. Nun wirkte es sich aber aufgrund der stärkeren Gegner sofort auf die Resultate aus. Die Zitrone wirkte ausgepresst. Trotzdem lag man aufgrund der in der Anfangsphase der Saison erkämpften Punkte immer noch auf dem Dritten Platz, als im Februar der Trainerwechsel stattfand.

Eine klar positive Tordifferenz hatte der FCZ in der Super League 05/06, 06/07, 07/08, 08/09, 10/11 und 12/13, eine klar negative 15/16 und 19/20. Tendenziell war man gemessen an Toren und Gegentoren im Vergleich mit dem Ligaschnitt in den letzten zwei Jahrzehnten defensiv besser unterwegs als offensiv. Selbst in den drei Meistersaisons lag der Vorteil gegenüber dem jeweiligen Zweitplatzierten (Basel, YB) bei den weniger erhaltenen Gegentoren. Uli Fortes Aufsteigermannschaft ging in der Saison 17/18 diesbezüglich noch einen Schritt weiter. Es lief ein auf Physis, Kampf und Laufbereitschaft ausgerichtetes Team auf. Taktisch und von der Spielanlage her gings in erster Linie darum, Tore zu verhindern. Spielerische Elemente musste man mit der Lupe suchen.

Im Tor stand mit Andris Vanins an Stelle von Eigengewächs Yanick Brecher ein erfahrener Keeper mit bescheidenen fussballerischen Attributen. Davor wurde eine «Wand» gestellt – mit fünf zentralen technisch eher limitierten Verteidigungshaudegen in Dreierabwehr und Doppelsechs: Nef, Palsson, Brunner (oder Thelander), Sarr und Rüegg, flankiert auf der Seite von den ebenfalls vor allem kämpferisch mit Defensivaufgaben beschäftigten Pa Modou und Winter. Dazu vorne die lauffreudigen Frey und Rodriguez, die ebenfalls viel gegen den Ball arbeiteten. Mit Dwamena (oder Koné) stand üblicherweise nur ein Spieler mit gewissen defensiven Defiziten auf dem Platz. Das Zwischenresultat: nach einem Saisonviertel nur fünf Gegentore! Das war sogar deutlich besser, als in den drei Meistersaisons! Die defensive Stabilität bröckelte dann aber mit zunehmendem Saisonverlauf exponentiell, ohne dass dies offensiv kompensiert werden konnte. Zu Beginn der Rückrunde kassierte man in vier Partien elf Gegentore.

Magnin kriegt die Aufgabe, drei fundamentale Probleme zu lösen

Abgesehen davon, dass die Mannschaft unter Forte ab November zum wiederholten Male stark nachliess (man sei «zu ausrechenbar» geworden, liess Präsident Ancillo Canepa verlauten), entsprach Fortes Spielweise, Personalpolitik und Ausrichtung nicht der Vereinsphilosophie. Und drittens gab es unter anderem aus diesem Grund Probleme mit der Integration der besten Talente in die 1. Mannschaft. Der Fokus von Junioren-Scouting und -Ausbildung war mit «Forte-Fussball» unvereinbar. Das heisst: man befürchtete, dass ein Grossteil der Ausbildungsarbeit «für die Katz» sein würde.

Dies zeigte sich damals akut an der Situation des hoffnungsvollen 98er-Jahrganges. Vasilije Janjicic hatte schon zu Beginn der Forte-Zeit das Weite gesucht. Der grossgewachsene, aber eher schlanke Innenverteidiger Arbenit Xhemajli und der leicht ältere spielstarke André Ribeiro wechselten zu Xamax und Braga, als sie nicht in die 1. Mannschaft hochgezogen wurden. Maren Haile-Selassie blieb aussen vor und auch mit Toni Domgjoni konnte Forte gar nichts anfangen – für seine Vorstellungen eines Zentralen Mittelfeldspielers wohl zu schmächtig. Izer Aliu testete Forte eher alibimässig mal als linker Aussenläufer. Und Kevin Rüegg stellte er aufgrund dessen Physis ins Zentrale Mittelfeld, wo der später als Rechtsverteidiger zum U21-Nati Captain aufsteigende Jungspund wegen seiner beschränkten Technik auf engem Raum spielerisch wenig beitragen konnte – was für Forte ein sekundärer Aspekt war.

Für alle drei fundamentalen Probleme – die Ausrechenbarkeit, die abweichende Spielphilosophie und den ungenügenden Einbau der eigenen Talente versprach Magnin die richtige Trainerwahl zu sein. Und dies obwohl er damals im April 2018 gegenüber Daléo unter anderem äusserte:

«Ich habe überhaupt kein Problem, eine Mannschaft mit lauter Routiniers aufzustellen.»

Ludovic Magnin im April 2018

Letzteres ist schlussendlich nie passiert. Der von vielen befürchtete «Jugendwahn» allerdings auch nicht. Die jüngste von Magnin aufs Feld geschickte Mannschaft war in der Anfangszeit bei einem 1:1-Auswärtsunentschieden in Sion im Schnitt genau 23 Jahre alt. Mit Rüegg, Rohner, Domgjoni und dem trotz 99-er Jahrgang ebenfalls zu dieser Spielergeneration gehörenden Aliu setzte er gleich vier «98er» in der Startformation ein und äusserte sich nach der Partie dahingehend, dass dies wohl zu viele aufs Mal gewesen seien und der Punktgewinn nur mit Glück erspielt worden war. Zum Vergleich: Sowohl Lucien Favre wie auch Bernard Challandes, Urs Fischer, Urs Meier und Rolf Fringer schickten beim FCZ jüngere Startformationen auf den Platz. Im Vergleich zu Uli Forte hingegen, dessen Mannschaftsaltersschnitt sich häufig in Gilbert Gress-Sphären der Saison 00/01 bewegte, war die Verjüngung der Mannschaft eklatant. 

Entscheidende Rolle des 98er-Jahrganges

Dies bedeutet aber nicht, dass Forte grundsätzlich nicht mit jungen Spielern arbeiten kann. Der Brüttiseller gehört zu der Sorte Trainer, die sich den Prioritäten und Anforderungen eines Vereins anpassen können. Verlangt die Klubführung eine Jugendstrategie, dann arbeitet er mit Jungen – wie er dies bei GC und YB gemacht hat. Soll hingegen mit einer erfahrenen Equipe der sofortige Wiederaufstieg angestrebt werden wie beim FCZ, dann macht Forte auch das. Das Projekt Forte war beim FCZ aber von vornherein auf das kurzfristige Ziel Super League ausgelegt. Dies manifestierte sich spätestens, als man wieder zurück im Oberhaus war. Just zu diesem Zeitpunkt klopfte mit dem 98er-Jahrgang die stärkste FCZ-Juniorengeneration seit sechs Jahren (92er um Rodriguez, Buff, Drmic) vehement an die Türe zur 1. Mannschaft und Forte machte diese nur einen kleinen Spalt weit auf – weil er für seine Art von Fussball andere Spielertypen benötigt.

Ein Klub, der sich so stark in der Academy engagiert, kann sich sportlich, finanziell und ideell aber schlichtweg nicht leisten, eine solche Generation zu verlieren. Aus dieser Warte war es im Februar 2018 höchste Eisenbahn für einen Trainerwechsel. Denn schon wenige Monate später hätte es passieren können, dass auch noch der Rest der vielversprechenden Spielergeneration einen Wechsel anstrebt. Es ging im Frühling 2018 darum, einem Domgjoni, Aliu, Rohner oder Rüegg zu zeigen, dass man auf sie setzt – und dies vor allem auch auf denjenigen Positionen, auf welchen sie ihr grösstes Potential haben.

Die Aufgabe für Magnin gestaltete sich knifflig. Denn normalerweise nutzen Absteiger im Unterhaus die Gelegenheit für eine grosse Blutauffrischung. Servette, Lausanne, GC und selbst St. Gallen verjüngten ihr Kader stark und gaben in der Challenge League auch denjenigen Junioren eine Chance, die im Oberhaus nicht zum Zug gekommen wären. Sie nahmen dabei in Kauf, den Wiederaufstieg nicht im ersten Anlauf zu schaffen. Nicht so der FCZ! Der sofortige Wiederaufstieg hatte beim Stadtclub oberste Priorität. Das war die Vorgabe aus der Chefetage. Der Generationenwechsel wurde so vertagt. Als dieser dann aber ein Jahr später aufgrund der Inkompatibilität der 98er-Generation mit Fortes Spielstil und Personalpolitik immer noch auf sich warten liess, wurde die Vereinsführung schnell ungeduldig.

Dieser Artikel ist in voller Länge im aktuellen „Daléo“ unter dem von der Redaktion gesetzten Titel „Bilanz eines Versagens“ zu lesen. Hier auf Züri Live wird der zweite von vier Teilen kommende Woche publiziert.

Urs Fischer reloaded / vier Baustellen beim FCZ vor dem Start in den Frühling

Am Ende war er da, der schon gegen Luzern geforderte „dreckige“ Sieg. Mal so gewinnen, wie Spitzenteams es jeweils zu tun pflegen, wenn es ihnen nicht läuft – was dem FCZ in den letzten Jahren sehr selten gelungen ist. Aber die Freude über einen Halbfinal-Einzug war auch schon grösser, um es milde auszudrücken – so beispielsweise vor Jahresfrist nach dem 4:3 im damaligen Viertelfinal gegen den FC Thun nach 1:3-Rückstand, allerdings nicht wegen der Leistung (die damals über das ganze Spiel hinweg nicht wesentlich besser war), sondern in erster Linie wegen dem aufwühlenden Spielverlauf inklusive Last Minute-Siegtor.

Am Sonntag war mit dem FC Luzern eine relativ gute Super League-Mannschaft im Letzigrund zu Gast, welche aber momentan in einer kleinen Krise steckt. Gegen ein Luzern in dieser Verfassung hätte der FCZ gewinnen müssen – ein Punkt war zu wenig. Der SC Kriens im Cup-Viertelfinal war nun (zumindest aus Sicht und in der Berichterstattung von Züri Live) erwarteterweise der schwerere Gegner – sogar deutlich schwerer, wie sich herausstellen sollte. Mittelfeldspieler Marco Wiget bestand nach der Partie richtigerweise darauf, dass ein Erfolg seiner Mannschaft zwar eine Überraschung, aber keine Sensation gewesen wäre. Challenge League-Topskorer Nico Siegrist stellte die FCZ-Hintermannschaft von den Flügelpositionen aus wie befürchtet immer wieder vor Probleme. Die Innerschweizer, welche in dieser Saison überhaupt erst zwei Mal auswärts verloren hatten, waren heiss, und wuchsen im Letzigrund nochmal zusätzlich über sich hinaus – es war für alle das Spiel des Jahres – für Einzelne sogar das Spiel ihres Lebens. Ohne die über weite Strecken stark spielenden Andris Vanins und Mirlind Kryeziu im Defensiven Zentrum hätte es noch schwieriger werden können.

Zufrieden mit der Leistung war nach der Partie beim FCZ niemand. Was sind die Baustellen? Am eklatantesten ins Auge fällt zuletzt der eklatante Unterschied zwischen dem Start in eine Partie und dem weiteren Spielverlauf. Bei Ligadominator YB war die erste halbe Stunde sehr gut gewesen. Die Beobachter rieben sich die Augen, denn so stilsicher war der FCZ im Wankdorf in der Meisterschaft in den letzten Jahren kaum mal aufgetreten. Ab Minute 30 schien es aber, als habe jemand beim FCZ den Stecker gezogen und das Licht gelöscht. In Napoli: ein sehr mutiger engagierter Start in die Partie einer jungen Mannschaft, welche den Zweitplatzierten der Serie A immer wieder hinten reindrücken konnte. Kurz vor der Pause liess man erstmals etwas nach und musste prompt das 0:1 hinnehmen. Gegen Luzern: wieder ein sehr guter Start bis zum schönen 1:0-Freistosstreffer von Salim Khelifi, worauf man dann aber unerklärlicherweise einen Gang zurückschaltete. Und würde der FCZ während seiner Spiele vorwiegend so auftreten wie in den ersten 15 Minuten gegen den SC Kriens, könnte man in der Super League mit Thun oder sogar Basel Schritt halten. Spielerisch und taktisch war das FCZ-Spiel wie in Bern oder Napoli bis zu diesem Zeitpunkt formidabel. Stattdessen danach dann aber wieder das bekannte Nachlassen, welches den Gegner ins Spiel brachte.

Der FCZ geht sichtlich mit einer guten Einstellung und einem klaren Plan in die Partien und zwingt diesen jeweils dem Gegner auf. Ab einem Zeitpunkt X fällt dies dann aber alles zusammen, manchmal schrittweise, manchmal auch plötzlich wie ein Kartenhaus. Gegen Gegner wie Luzern oder Kriens kommt dieser Zeitpunkt X nach dem eigenen frühen Führungstor. Gegen Gegner wie YB oder Napoli hingegen eher dann, wenn man nach 30-40 Minuten trotz gutem Spiel sich nicht mit einem Treffer hat belohnen können. Ist es die (vor allem mentale) Müdigkeit nach dem von den Affichen und dem Spielrhythmus her speziellen Rückrundenstart? Oder eher eine Einstellungssache? Fühlt man sich zu sicher, wenn es zu Beginn gut läuft? Oder im Gegenteil zu unsicher, weil man mittlerweile weiss, dass ein guter Start in die Partie überhaupt nichts bedeutet? Auf die zweite Option deutet die Aussage von Hekuran Kryeziu vom zur Zeit fehlenden Selbstvertrauen nach dem Kriens-Spiel hin.

Eine weitere eklatante Schwäche sind Standards. Abgesehen von den direkt geschossenen Freistössen Khelifis und den Penalties Kolollis hat der FCZ bei Offensivstandards lange Zeit kaum etwas zustande gebracht. Dies hat sich nach der Winterpause aber geändert, denn beim Derbysieg entstanden alle FCZ-Tore direkt oder indirekt aus «Stehenden Bällen», und mit Grégory Sertic hat man einen sehr guten Standardschützen hinzubekommen, bei welchem ein daraus resultierendes Tor nur eine Frage der Zeit zu sein scheint. Wirklich schmerzhaft ist aber, dass man zuletzt national in jedem Spiel das wichtige erste Gegentor per Corner-Kopfball erhalten hat. In Bern und gegen Luzern hatte Umaru Bangura jeweils seinen Gegenspieler nicht genügend bedrängt. Gegen Kriens war es nun Kevin Rüegg, welcher Saleh Chihadeh aus den Augen verlor. Die Vermutung von Züri Live, dass zumindest in diesem Punkt der FCZ gegen Kriens die Sache besser im Griff haben sollte, als gegen die vielen grossgewachsenen Luzerner, war also falsch.

Die dritte Baustelle ist der Sturm. Eine Mannschaft, deren Stürmer kaum treffen, ja, sich nur wenige Torchancen erarbeiten können, strotzt selten vor Selbstvertrauen. Der Abgang von Michi Frey und Raphaël Dwamena im Sommer ist bis heute eine Hypothek für das Team und die Trainer. Stephen Odey hat sich lange Zeit wacker gehalten, läuft nun aber seit Ende Vorrunde meilenweit seiner Form hinterher. Assan Ceesay kam in dieser Super League-Saison vor allem auch verletzungsbedingt lange Zeit nicht zum Zug, hat bisher eine Quote von einem Skorerpunkt alle 176 Minuten (alle zwei Spiele einen). Der Gambische Nationalstürmer konnte nach starken ersten Teileinsätzen in Nikosia und Sion insgesamt bisher zu selten seine Stärken ausspielen. Ob es in erster Linie an ihm selbst liegt, an der noch fehlenden Abstimmung mit den Nebenleuten oder dass die richtige Rolle für ihn noch nicht gefunden worden ist? Wohl von allem ein bisschen. Von den neuverpflichteten jungen Stürmern ist Nicolas Andereggen verletzt. Salah Binous ist zur Zeit noch nicht ready für die 1. Mannschaft und grundsätzlich in dieser Rückrunde für die U21 vorgesehen. Yann Kasai könnte hingegen abhängig von den Trainingsleistungen eine Option sein, denn dessen grösste Stärke, das Ball halten, verarbeiten und direkt weiterleiten hat zuletzt im Zürcher Spiel in der vordersten Reihe zu häufig nicht wie gewünscht funktioniert.

Die vierte Baustelle ist Benjamin Kololli. Wie schon gegen Luzern war es vor allem der Waadtländer, der mit einer Reihe von unnötigen Ballverlusten nach rund einer Viertelstunde den Gegner zurück ins Spiel brachte. Kololli ist der Typ Spieler, der von fernen Beobachtern chronisch überschätzt wird, weil er während der ganzen Saison immer wieder mal spektakuläre Einzelaktionen im Programm hat. Wenn so einer dann in einer Abstiegssaison mit Lausanne 16 Skorerpunkte erzielt, sieht es auf den ersten Blick so aus, als seien die Waadtländer TROTZ Kololli abgestiegen. Diejenigen Beobachter, welche nahe dran an Lausanne-Sport waren, werden das aber anders sehen. Der Abstieg mit Lausanne ist ebenso kein Zufall wie dass der Waadtländer in seinem 27. Altersjahr erst 92 Super League-Einsätze auf seinem Konto hat. Etwas ähnlich, wenn auch nicht ganz gleich, sieht es bei dessen Kumpel aus der Jugendzeit, Salim Khelifi, aus. Der Einsatz des flinken Flügelspielers stimmt im Gegensatz zu demjenigen Kolollis immer. Trotzdem ist auch Khelifi nicht ganz zufällig von einem (doppelten) Absteigerverein zum FCZ gestossen, und es passieren ihm ebenfalls, wenn auch nicht im gleichen Ausmass wie bei Kololli, zu viele schmerzhafte Ballverluste. Noch nicht richtig angekommen ist Mittelfeldmann Grégory Sertic, der einerseits sehr gute lange Bälle spielt, gleichzeitig in verschiedenen Szenen auch gegen Kriens eher etwas teilnahmslos agiert. Dass der Franzose kein Leadertyp ist, hat Brice Chevenal im Le Matin vor zwei Wochen beschrieben: „Grégory Sertic, un soldat discret à Zurich“

Diese vier Baustellen müssen vom Trainerteam bearbeitet und dann abgeschlossen werden. Ludovic Magnins Verbindung zu Lucien Favre ist bekannt. Das Temperament der beiden ist aber sehr unterschiedlich, und Magnin hat seine Trainerzeit in der 1. Mannschaft des FCZ bei weitem nicht so schlecht gestartet wie damals Favre. Dafür sind er und sein Trainerteam jetzt ein Jahr nach Amtsantritt in einem Zwischentief angelangt. Vom Saisonverlauf her ähnelt die Formkurve des Magnin-Teams daher stärker derjenigen von Uli Forte – in dessen beider Saisons. Sowohl in der Challenge League-, wie auch in der Super League-Saison startete die Mannschaft unter Forte stark und begann dann ab Ende Oktober / Anfang November plötzlich enorm abzubauen. In der Challenge League-Saison konnte dies dank des Punktevorsprungs und der nach dem ersten Saisonviertel bereits etwas demoralisierten Liga-Gegner gegen aussen noch übertüncht werden. Trotzdem holten in der Rückrunde Xamax gleich viel, Schaffhausen gar mehr Punkte als der FCZ. In der Super League-Saison war dann der eklatante Leistungsabfall nicht mehr so einfach zu verbergen. Der Saisonverlauf nun unter Magnin ist ähnlich wie bei Forte, wenn auch sowohl im Positiven wie auch im Negativen etwas weniger extrem.

Ein klarer Vorteil von Magnin gegenüber Forte ist und bleibt, dass Magnins Art Fussball spielen zu lassen, dem Talentprofil der für die teure FCZ Academy selektierten und ausgebildeten Junioren entspricht. Der viel stärker physisch geprägte «Forte-Fussball» ist hingegen eindeutig besser GC-kompatibel. Dort werden die kräftigen Stürmer und Innenverteidiger ausgebildet, während im Heerenschürli in erster Linie technisch, spielerisch und taktisch starke Mittelfeldspieler entwickelt werden. Als Forte damals Kevin Rüegg aus der Academy empfohlen wurde, hat er diesen als einer der raren physisch starken Academy-Spieler gerne in die 1. Mannschaft eingebaut, setzte ihn aber im Zentralen Mittelfeld ein. Dort kommt aber eine der grössten Stärken Rüeggs, die Schnelligkeit, überhaupt nicht zum Tragen – dafür eine seiner grössten Schwächen: technisch hat der Zürcher Neo-Captain ausser seinem Rechten Innenrist nicht viel zu bieten und hat Schwierigkeiten sich auf Super League-Niveau auf engem Raum mit Ball am Fuss aus einer Drucksituation zu lösen, eine Qualität, die von einem Zentralen Mittelfeldspieler heutzutage unbedingt verlangt werden muss. Toni Domgjoni wollte Forte wie man hört aussortieren und den filigranen Spielmacher Izer Aliu testete er mit wenig Überzeugung als Linker Aussenverteidiger / Linker Aussenläufer. An Simon Sohm hätte Forte sicherlich seine Freude gehabt, aber Bledian Krasniqi oder Lavdim Zumberi wären unter ihm ohne Einsatzchancen geblieben.

Daher ist letztendlich auch die Vergleichbarkeit von Ludovic Magnin mit Uli Forte nur sehr beschränkt vorhanden. Nein, weder Favre noch Forte sind in ihrer Entwicklung als FCZ-Trainer am besten mit Ludo Magnin vergleichbar, sondern… Urs Fischer. Es fängt schon mal damit an, dass beide als Spieler emotionale Verteidigerhaudegen waren mit einer starken eigenen Meinung. Beide sind als Trainer beim FCZ in der Academy langsam, aber konsequent aufgebaut worden und hatten dort Erfolg. Beide waren zu Beginn in der 1. Mannschaft ebenfalls sehr erfolgreich. Fischer führte den FCZ zurück an die Liga-Spitze und beendete in einem engen Titelrennen die Saison auf dem Zweiten Platz – Magnin holte dank einem Derby-Halbfinalsieg gegen Yakin’s GC und dem Finalerfolg gegen Saisondominator YB den Cup nach Zürich. Beide bestritten danach eine für FCZ-Verhältnisse überdurchschnittlich lange Europacupsaison – bei Fischer wars nach dem Erfolg gegen Standard Lüttich und dem Ausscheiden gegen die Bayern in der Champions League-Qualifikation in der Europa League-Gruppenphase etwas weniger erfolgreich, als unter Magnin. Danach folgten im Winter in beiden Fällen für die Saisonhälfte aussergewöhnlich viele Spielerwechsel.

In beiden Fällen konnte sich die Mannschaft nach der Winterpause nicht gleich sofort wieder finden. Es waren gute Ansätze zu sehen, aber die Resultate stimmten (noch) nicht. Die zu grosse Ungeduld im Umfeld und der damals noch nicht von der Familie Canepa dominierten Führungsregie führte schliesslich zur viel zu vorschnellen Entlassung von Urs Fischer. Eine Entscheidung, die den FCZ auf Ebene 1. Mannschaft um Jahre zurückgeworfen hat. In der Folge hangelte man sich von Trainerwechsel zu Trainerwechsel und die ganze Entwicklung endete schlussendlich im Abstieg. Einen anderen Weg schlug beispielsweise der FC Thun ein. Als letzte Saison die Resultate nicht stimmten und die Tabellensituation prekär war, stärkte man Trainer Marc Schneider den Rücken. Als Resultat davon haben sich die Berner Oberländer enorm stabilisiert, liegen völlig verdient zur Zeit auf dem Dritten Platz und stehen im Cup-Halbfinal. Kontinuität ist das Zauberwort. Allerdings zeigt das Beispiel Thun, dass dies nicht nur auf Trainer-, sondern auch auf Spielerebene zu einem wichtigen Erfolgsfaktor werden kann. Letzteres ist für einen Klub wie den FCZ mit der Academy und deutlich häufiger ins Ausland wechselnden Spielern allerdings schwieriger zu erreichen als für den Klub aus der Stockhorn Arena.

Top 5 Züri Live-Audiobeiträge 2018

Das FCZ-Jahr 2018 war äusserst ereignisreich und emotional. Zum Jahresstart hier die bei den Hörern beliebtesten Audio-Beiträge von Züri Live des vergangenen Jahres.

5. Thomas Bickel: „Einer-Jahrgang wichtig für unsere Planung“Das Gespräch mit dem Leiter Sport wurde vor dem Rückrundenstart geführt. Damals war Uli Forte noch Trainer beim FCZ. Mittlerweile hat Simon Sohm als erster Spieler der Schweiz aus dem angesprochenen Einer-Jahrgang unter Ludo Magnin in der Super League débutiert und der noch um zwei Monate jüngere Bledian Krasniqi zwei ordentlich bis gute Europa League-Einsätze von je 45 Minuten bestritten. Von den damals erstmals ins Trainingslager mitgenommenen Talenten ist Toni Domgjoni seit der Amtsübernahme Magnins Stammspieler und Lavdrim Rexhepi hat zuletzt bei Rapperswil-Jona sowohl seine offensiven Qualitäten wie auch sein defensives Verbesserungspotential bei Trainer Urs Meier in der Challenge League unter Beweis gestellt. Der ebenfalls weitgehend als Stammspieler eingesetzte Izer Aliu hat ein auf Zypern erlittener Kreuzbandriss zurückgeworfen. Kilian Pagliuca scheint auch bei Halle in der 3. Liga wenig Fortschritte zu machen.

4. Weg in den Cupfinal 2018 – die Tore – aus der Cupfinal-Sendung

3. Cédric Brunner: „Wir reden immer noch über den Cupsieg“ – der Cuperfolg in Bern war auch immer noch eines der Themen, als Cédric Brunner Züri Live beim zweiten Saisonspiel gegen Thun einen Besuch abstattete.

2. Dani Gygax: „Yakin weiss nicht, was auf ihn zukommt“ – nichts von seiner Beliebtheit eingebüsst hat ganz offensichtlich Dani Gygax, im Gegenteil! Der zweitbeliebteste Beitrag des Jahres war die Vorschau des damaligen FCZ FE-14-Trainers vor den Februar-Derbies und seine Einschätzungen des Trainerduells mit dem damaligen GC-Trainer Murat Yakin.

1. Dani Gygax: „Der jüngere Haile-Selassie hat extremes Talent“ – Gygax zum Zweiten – nur zwei Wochen später war er beim Heimspiel gegen Lugano (3:0) zu Gast – und dies neu als U16-Trainer! Diese Stufe trainiert Gygax Stand Jahreswechsel 18/19 weiterhin. Allerdings ist es jetzt der 03-er Jahrgang. Der im Interview angesprochene Kedus Haile-Selassie (jüngerer Bruder von Maren) hat in der Zwischenzeit im Sommer zusammen mit vier anderen Spielern aus dem 02-er Jahrgang den direkten Sprung in die U18 geschafft.

Vor 4 Jahren auf Züri Live vorausgesagt: Ex FCZ-Stürmer Mario Frick startet seine Trainerkarriere im Profibereich

Mit einem 0:1 gegen Winterthur und einem 0:0 bei Leader Wil startet der ehemalige FCZ-Stürmer Mario Frick nach Stationen beim FC Balzers und verschiedenen Liechtensteinischen Juniorenmannschaften beim FC Vaduz in der Challenge League seine Trainerkarriere im Profibereich. Aufmerksame Hörer von Züri Live erinnern sich, dass Frick vor vier Jahren auf diesem Sender diesen Schritt klipp und klar als persönliches Ziel formuliert hat. „You can get it if you really want?“ – offenbar schon…

Schlusslicht Lausanne mit besserem Start und Ende der Partie / FCZ – LS 1:1

Der FCZ kommt gegen den Tabellenletzten Lausanne-Sport im Letzigrund nicht über ein 1:1 Unentschieden hinaus. Das Schussverhältnis war am Ende der Partie mit 15:14 ziemlich ausgeglichen. Die Gäste hatten den klar besseren Start und kamen innerhalb von rund sechs Minuten bereits zu rekordverdächtigen fünf Cornern. Im Verlaufe der Partie konnte der FCZ dann aber immer besser ins Spiel finden und seinerseits sich eine Reihe guter Torchancen erarbeiten (unter anderem ein Lattenschuss von Marchesano – und Frey sowie Rodriguez, die beide alleine vor Torhüter Castella auftauchten).

In der 53. Minute gelingt Michael Frey sein viertes Tor im zweiten Spiel hintereinander. Dies nachdem er zuvor fünf Monate nicht getroffen hatte. Dass Kevin Rüegg jeweils nach einem Offensiv-Rush sich nur sehr langsam zurück auf seine Position bewegt, kam dem FCZ für einmal zugute, weil der Aussenverteidiger immer noch vorne am gegnerischen Strafraum war, als Enzo Zidane zum wiederholten Male im Mittelfeld einen Ballverlust erlitt, und so bedient mit einem Diagonalball Domgjonis das 1:0 für den FCZ vorbereiten konnte. Gegen Ende der Partie liess der FCZ dann aber nicht zum ersten Mal in den letzten Wochen kräftemässig nach und musste so noch die Gelb-Rote Karte gegen Pa Modou und das Gegentor durch Elton Monteiro hinnehmen.

FCZ – Lausanne-Sport 1:1 (0:0)

Tore: 53. Frey (Rüegg) 1:0, 88. Monteiro (Margiotta) 1:1.

FC Zürich: Brecher; Rüegg, Nef (18. Kryeziu), Brunner, Pa Modou; Palsson; Winter, Domgjoni,  Marchesano (79. Dwamena), Rodriguez (89. Aliu); Frey.

Lausanne-Sport: Castella; Marin (76. Asllani), Loosli, Monteiro, Gétaz; Cabral; Geissmann, Zidane (64. Zeqiri), Fransson (84. Escorza); Margiotta, Kololli.

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