Nach der Partie meinte FCZ-Trainer Bo Henriksen in der Pressekonferenz: „Ich hätte zur Pause zehn Spieler auswechseln können“. Aus teampsychologischer Sicht macht die Aussage Sinn. Tatsächlich waren die Leistungen der Spieler aber sehr unterschiedlich. Krasniqi und Kamberi kehrten in die Startaufstellung zurück und beide spielten eine gute Erste Halbzeit, dasselbe gilt für Tosin. Schlecht spielten zwei Spieler in zentralen Positionen: Nikola Katic (Note „1“) und Antonio Marchesano („2“). Marchesano wurde ausgewechselt, Katic steigerte sich nach der Pause. Die Zweite Halbzeit des Innenverteidigers (Note „8“) war seine erste gute seit der Winterpause.
Züri Live-Leserfrage vor der Partie
Nach der Pause schneller, direkter und grossräumiger
Wie schon in der Anfangsphase gegen St. Gallen vermochte der FCZ mit dem Dreimannsturm Tosin / Simic / Okita viel mehr Druck zu entfachen, ohne dass dies auf Kosten der defensiven Stabilität ging: im Gegenteil. Es wurde schneller, direkter und grossräumiger gespielt – mit langen Bällen und vielen gelungenen Seitenwechseln. In der Züri Live-Statistik zeigt sich dies unter anderem daran, dass es auf 14 Abschlüsse nur 12 Pre-Vorlagen gab. Jonathan Okita und der eingewechselte Blerim Dzemaili schlugen zudem ausgezeichnete Standards. Ganz allgemein war die Offensivleistung gut – mit einer Offensivdurchschnittsnote von 6,7, die auf gleicher Höhe mit dem St. Gallen-Spiel liegt. Der FCZ hatte eindrückliche 34% seines Ballbesitzes im Angriffsdrittel des Platzes. Defensiv bekam man abgesehen von den Anfangsminuten gar nicht so viel zu tun, beging gemessen daran aber überdurchschnittlich viele Fehler – allen voran Nikola Katic mit einer Defensivnote „1“.
Personalien
Bledian Krasniqi: Da Cheick Condé immer mehr zur defensiven „Bank“ im Mittelfeld wird, kann sich Bledian Krasniqi nun häufiger seinem eigentlichen Spezialgebiet, dem kreativen Spiel nach vorne, widmen.
Jonathan Okita: An den gefährlichsten FCZ-Aktionen immer beteiligt. Zu Beginn noch etwas zögerlich, dann kommt er immer besser ins Spiel.
Aiyegun Tosin: Schiesst in der 2. Halbzeit seinen Doppelpack, insgesamt aber in der 1. Halbzeit mit der besseren Leistung.
Becir Omeragic: Nach seiner Einwechslung für den verletzten Adrian Guerrero in der 22. Minute halblinks in der Verteidigung, tauscht mit Lindrit Kamberi in der 55. Minute dann aber die Position.
Blerim Dzemaili: Wie schon im ersten Heimspiel gegen Luzern wieder MVP, spielt auf 10er-Position und trägt mit seiner Defensivarbeit viel zur Sicherung des Derbysieges bei. Sehr gute Standards. Wie im Kantonsderby Stephan Seiler sowohl offensiv wie defensiv mit Maximalnote „10“.
Randnotiz – Fidan Alitis wichtiger Beitrag zum Siegtreffer
GC-Trainer Giorgio Contini klagte nach dem Spiel in der Pressekonferenz: „Es ist jedes Mal ein Anderer, der den entscheidenden Fehler macht“. Tsiy Ndenge und Bendeguz Bolla gehören zu den konstantesten Akteuren in Continis Kader, aber ersterer verlor den Ball gegen Tosin vor dem Ausgleich und der Zweite liess die Flanke Okitas zu, die zum 2:1-Siegtreffer des FCZ führte. Entscheidend dafür war aber auch Fidan Alitis Lauf in die Tiefe ohne den Bolla und Ndenge Okita wohl hätten doppeln und die Flanke verhindern können.
Die 1:4-Niederlage im letzten Stadtderby vom 23. Oktober war der Tiefpunkt und gleichzeitig die Kehrtwende in dieser FCZ-Saison. Nach zwei starken Defensivleistungen gegen YB und in Basel präsentierte sich das Team das einzige Mal unter dem neuen Coach Bo Henriksen (wegen Sperre auf der Tribüne) über weite Strecken lamentabel. Dies zeigte sich unter anderem bei den Gegentoren. Beim ersten verschlief die halbe Mannschaft (speziell die Routiniers Katic und Selnaes) die schnelle Ausführung eines Eckballs, und beim zweiten in der 45.+4 Minute waren mehrere Spieler gedanklich schon beim Pausentee. Beim dritten Gegentreffer liess sich Kamberi von Morandi ziellos aus seiner Position locken und Selnaes von Bolla sehr einfach austanzen. Und auch beim vierten fehlte es an Gegenwehr.
Aussergewöhnlich: Dreimannsturm aus dem eigenen Nachwuchs
In der darauffolgenden Woche folgte dann aber die Reaktion mit den ersten Saisonsiegen in der Europa League-Gruppenphase und Super League gegen Bodö/Glimt und Sion. Nur beim 0:1 in London gegen Arsenal sowie weniger als drei Tage danach dem 0:2 in Lugano gab es in der Folge noch Niederlagen. In der Formtabelle seit diesem letzten Stadtderby liegt der FCZ auf dem 2. Platz hinter YB. Insgesamt reicht dies aber noch nicht, um vom Tabellenende (punktgleich mit dem FC Winterthur) wegzukommen. Dafür bräuchte es weiterhin hervorragende Resultate – und eine Leistungssteigerung im Vergleich zur Partie in Sion und dem Kantonsderby gegen Winterthur. Vor dem 1:4 Ende Oktober war der FCZ in elf Derbys in Folge ungeschlagen geblieben. Das dritte Direktduell gegen GC ist sehr wichtig im Kampf gegen den Abstieg. Ausserdem treffen mit Winterthur und Sion am Tag davor die zwei anderen direkten Konkurrenten aufeinander.
GC hat zuletzt zum zweiten Mal in dieser Saison den FCB mit 1:0 geschlagen, nachdem man wenige Tage davor gegen den gleichen Gegner im Cup 3:5 verlor. In dieser Partie trat das Team von Coach Giorgio Contini ersatzgeschwächt an und der eingewechselte Ergänzungsspieler Shabani verursachte mehrere Gegentreffer auf amateurhafte Weise. Beim 1:0-Heimsieg gegen den FCB wenige Tage danach startete GC mit dem aus dem eigenen Nachwuchs stammenden Dreimannsturm Pusic – Morandi – De Carvalho. So etwas kommt in der Super League höchst selten vor. Gegen den FCZ wird tendenziell diese Liga-Version von GC antreten, die zuletzt in Genf gegen Servette mit 1:2 verlor. Die Leistung des Contini-Teams im Stade de Genève war dabei nicht so schlecht, wie sie in einigen Medien gemacht wurde. Einfach wird es für den FCZ nicht. Mit Derby-Doppeltorschütze Schettine scheint GC wieder einen Brasilianer in seinen Reihen zu haben, der besonders gern gegen den FCZ trifft. Er ist aber diesmal gesperrt. Der Vorarlberger Innenverteidiger Georg Margreitter wurde in Genf in den Schlussminuten in diesem Kalenderjahr erstmals eingesetzt, wird aber fürs Derby als fraglich vermeldet.
Langzeitverletzte Qualitätsspieler als Transferziel GC’s
Im Vergleich zum Herbst hat Giorgio Contini die taktische Formation und die Spielweise wieder etwas umgestellt, aber immer noch mit dem gleichen Personal. Nur der Japanische Rechtsverteidiger Teruki Hara von Shimizu S-Pulse, der sich erst noch an den Super League-Rhythmus gewöhnen muss, ist dazu gekommen. Haras Position ist mit Bendegûz Bolla und Nadjack eigentlich die bereits am besten besetzte des ganzen Kaders. Nach zweieinhalb Jahren bei GC stand Nadjack vor zwei Wochen gegen Basel zum ersten Mal in der Super League in der Startformation. Er ist ein typisches Beispiel für die Transferpolitik eines Klubs wie GC, der gewisse Ambitionen und gleichzeitig ziemlich beschränkte Mittel hat.
Eine Gruppe von ausländischen Spielern sind die von den Wolverhampton Wanderers ausgeliehenen Super League-Topspieler Bolla und Kawabe, eine zweite Akteure aus Ostasien, die sich in Europa etablieren wollen. Die dritte Gruppe sind Spieler mit einer gewissen Qualität, die sich GC nur leisten kann, weil sie bei ihrer Ankunft eine längere Historie von Verletzungen oder disziplinarischen Problemen als Rucksack mit sich geschleppt haben. Dazu gehören Georg Margreitter, Tsiy Ndenge, Meritan Shabani, Renat Dadashov – und Nadjack.
GC-Pressing weniger intensiv, aber nicht weniger gefährlich
Dieser hatte früher mal bei Reus Deportivo in Katalonien gespielt (wie später Adrian Guerrero, heute ist der Klub Konkurs) und brauchte lange für seinen Durchbruch in der obersten portugiesischen Liga. Kaum wurde dieser im Alter von 25 Jahren bei Rio Ave endlich Tatsache, verletzte sich Nadjack am Knie und fiel eine volle Saison aus. GC verpflichtete den sich erst gerade wieder im Aufbau befindlichen Rechtsverteidiger im Sommer 2020. Er kam dann im Herbst zu drei überragenden Einsätzen in der Challenge League, bevor er sich erneut verletzte. In den zwei Jahren seither hatte er praktisch nur Einsätze im Reserveteam. Nun ist der mittlerweile 29-jährige also wieder zurück und hat vorläufig sogar Bendegûz Bolla von dessen Stammplatz verdrängt. Es gibt wohl selbst den ein oder anderen FCZ-Anhänger, der Nadjack zumindest gute Gesundheit wünschen würde.
Continis präferiertes System ist neu ein 4-3-3, das er nach dem 1:2-Rückstand in Genf auf ein 4-4-2 mit vier gelernten Stürmern auf dem Platz unstellte (in vielen Spielsituatonen daher eher ein 4-2-4). GC hat immer noch relativ wenig Ballbesitz, trägt dem Ball aber im Vergleich zum Herbst trotzdem etwas mehr Sorge und spielt gepflegter. Das Pressing und Gegenpressing ist ebenfalls nicht mehr ganz so intensiv wie noch vor der Winterpause, aber deshalb nicht weniger gefährlich. Der FCZ in der Person von Nikola Katic sollte sich hüten, so wie Servettes Steve Rouiller riskante flache Bälle durch die Mitte zu spielen. Tsiy Ndenge ist in solchen Situationen sofort zur Stelle und es braucht dann das Glück eines Tabellenzweiten, um nicht in Rückstand zu geraten.
Routiniers Abrashi und Loosli als Schwachpunkte
Auf der anderen Seite hat GC verschiedene vor allem individuelle Schwachpunkte, welche der FCZ ausnutzen kann. Dies sind aktuell vor allem die sehr fehleranfälligen Routiniers Amir Abrashi und Noah Loosli, der wohl den gesperrten Tomas Ribeiro ersetzen wird. Wenn GC im Spielaufbau zudem so unter Druck gesetzt wird, dass ein hoher Ball auf einen anderen Offensivmann als Dadashov gespielt wird, ist die Chance auf einen Ballgewinn und Umschaltmoment gross.
Mit Blerim Dzemaili ist nach dessen verletzungsbedingter Auswechslung nach zwei Grosschancen in Sion auch beim FCZ ein Routinier weiterhin fraglich für einen Einsatz. Im letzten Stadtderby hat dieser den einzigen FCZ-Treffer per Penalty zum zwischenzeitlichen 1:3 erzielt. Mit Daniel Afriyie (gegen Winterthur auf der Bank) und Ifeanyi Mathew hat Coach Bo Henriksen zwei weitere Alternativen in einem vergrösserten Kader zur Hand. Der dänische Coach setzt aber auf eine Stammelf und hält an dieser auch bei schlechten Leistungen fest. Schlechte Karten daher beispielsweise für Stephan Seiler, der gegen den FC Winterthur als Ersatz für die angeschlagenen Selnaes und Dzemaili sowie den gesperrten Krasniqi eine starke Leistung zeigte.
Condé als Staubsauger, Okita mit zu wenig Skorerpunkten
Die nächsten Partien werden zeigen, wo Afriyie und Mathew in Henriksens Hierarchie stehen. Wovon man ausgehen kann, ist, dass er bei diesen Transfers ein Wörtchen mitzureden hatte. Übernimmt Mathew den Platz von Condé? Kann Afriyie Okita verdrängen? Condé hat zuletzt eine sehr gute Entwicklung genommen und wird mehr und mehr zu einer „Lebensversicherung“ im Zürcher Mittelfeld, so wie er die Bälle des Gegners wie ein Staubsauger regelrecht anzuziehen scheint. Er nutzt dabei seine grosse Reichweite optimal aus und kann zudem immer wieder mit guten Zuspielen und Diagonalbällen im Umschaltspiel überzeugen. Condé ist ein wichtiger Faktor in der aktuell guten FCZ-Defensivbilanz mit weniger als einem Gegentor pro Partie in den letzten Runden.
Jonathan Okitas Bilanz ist bisher hingegen zwiespältig. Seine Qualitäten sind unbestritten und einen Offensivspieler muss man auch bis zu einem gewissen Grad sein Spiel spielen lassen. damit er seine Qualitäten abrufen kann. Man hat zudem bei Okita das Gefühl, dass jederzeit ein Ketchup-Flascheneffekt mit Toren in mehreren Spielen hintereinander bevorstehen könnte, wie dies bei Blaz Kramer oder Assan Ceesay der Fall war. Vorderhand ist seine Ausbeute aber ungenügend. Nicht nur Aiyegun Tosin, sondern auch Roko Simic, Donis Avdijaj, Fabian Rohner und Ivan Santini haben eine bessere Quote an Skorerpunkten.
Simic mit eigener taktischer Interpretation?
Henriksen hält sich wie André Breitenreiter an die Teamleader und deren präferierte taktische Formation mit einem 3-4-1-2, wenn Antonio Marchesano dabei ist. Ohne Marchesano agierte man zuletzt in einem 3-4-3, wobei dies nicht zwingend so geplant war. Es gibt Anzeichen dafür, dass Roko Simic zurückhängend auf der 10er-Position agieren sollte, seine Rolle im Offensivzentrum aber etwas anders interpretierte. Allerdings machte der FCZ in diesem 3-4-3 von der Positionierung her einen guten Eindruck und mit dem lieber von der Seite kommenden Afriyie ist nun ein weiterer Befürworter eines solchen Systems bereit für seinen ersten Einsatz im FCZ-Trikot. Am zur Zeit schlecht spielenden und ein Sicherheitsrisiko darstellenden Nikola Katic wird Henriksen ziemlich sicher festhalten. Blerim Dzemaili war seit seiner Rückkehr zum FCZ immer dann am besten, wenn er maximal eine Halbzeit eingesetzt wurde. Als Einwechselspieler könnte er auch im Derby eine gute Rolle spielen.
Blick ins FCZ-Leistungszentrum. Grosses Interview mit dem Leiter Academy, Heinz Russheim – TEIL 4 von 4
Züri Live: Heinz Russheim, wie kommt es überhaupt, dass Brüder in verschiedenen Nachwuchsabteilungen landen?
Heinz Russheim: Zum Beispiel weil der eine FCZ-Fan ist – und der andere GC.
ZL: Heute sind ja aber die Gebiete für Footeco aufgeteilt…
HR: Ja. Wenn nun aber ein Junge kommt und sagt: «mein Herz schlägt für GC», sage ich: «Dann geh ins Footeco von GC». Ich könnte ihm das theoretisch verbieten, da die Gebiete zwischen den Klubs aufgeteilt sind. Was passiert dann aber? Variante A: Er sagt kategorisch: «Das FCZ-Trikot ziehe ich nicht an». Solche Fälle gibt es. Der würde dann in Wiedikon bleiben und verzichtet aufgrund seiner Liebe zu einem Verein auf Juniorenspitzenfussball. Variante B: Er kommt mit Murren trotzdem, wird aber niemals sein Potential abrufen können, wenn er das Trikot nicht gerne trägt. Darum haben wir schon vor längerer Zeit mit dem Technischen Leiter von GC ein klares Gentlemen’s Agreement gemacht. Wenn ein Talent sagt, es sei ein eingefleischter Fan vom anderen Klub, dann lassen wir ihn dorthin ziehen.
ZL: Die Einteilung in der Region Zürich ist etwas speziell. Der FCZ hat aus der Vergangenheit das Image als «Arbeiterverein», aber beim Footeco-Einzugsgebiet ist es eher umgekehrt. Der FCZ hat die Goldküste, den Züriberg, die schönen Lagen – auch Pfnüselküste, Greifensee und so weiter. GC hingegen hat das Unterland, oder in der Stadt Altstetten und Affoltern, wo eher die «Arbeiter» von heute leben.
HR: Ja, das ist speziell.
ZL: Im Eishockey gibt es ein ähnliches Phänomen: ein teurer Sport, der daher tendenziell von den Kindern der oberen Mittelschicht gespielt wird. Aber die Fans sind eher vom Land. Beim FCZ kommt ein nicht unwesentlicher Teil der eigenen Spieler eher aus bevorzugten Wohngegenden, die Zuschauer hingegen vielfach nicht.
HR: Das war ja damals eine ganz harte Verhandlung. Man kann Fan sein von der beschlossenen Aufteilung oder nicht. Ich respektiere beides. Persönlich finde ich es gut. Denn wenn wir das nicht hätten, müssten wir in der ganzen Grossregion Zürich mit rund 150 Vereinen scouten. Nach Rafz, nach Bülach, überall. Jetzt sind es 42. GC und Winterthur haben die anderen Gebiete. Wir gehen nur noch schauen, ob es bei unseren Vereinen noch mehr Talente hat, die in einer 1. Runde nicht gesehen worden sind.
Die Anzahl Talente im Gesamtgebiet ist fix – obs aufgeteilt ist oder nicht. So ist es effizienter und wir sind näher bei den Leuten. GC und der FCZ haben plus/minus gleich viele Junioren zur Verfügung – gemessen auf Stufe E-Junioren. Die Anzahl Vereine ist nicht bedeutend, sondern die Anzahl E-Junioren. Man weiss: pro 1’000 Junioren gibt es so und so viele Talente. Wie hat man also die Aufteilung gemacht? Man ist zusammengesessen und hat sich gefragt: wo ist GC zuhause? Antwort: im Unterland. Also hat man dort einen Kreis gemacht. Um den FC Winterthur hat man ebenfalls einen Kreis gemacht. FCZ: ebenfalls. Dann fingen die Diskussionen an. Zum Beispiel kann man nicht die ganze Stadt Zürich einem Verein zuteilen. Sonst hätte beispielsweise GC zu wenig. Dann bleibt noch das Oberland, die Pfnüselküste und Goldküste. Da muss man dann die Zuordnung so vornehmen, damit es ein Gleichgewicht bei der Anzahl E-Junioren gibt.
ZL: Der Standort ist also in erster Linie entscheidend. Heerenschürli und Niederhasli.
HR: Genau. Dann muss man aber auch noch die Partnervereine berücksichtigen. Der Partner des FCZ war früher Rappi. Und Red Star war bei GC. Interessanterweise haben beide Vereine unabhängig voneinander das Gefühl gehabt, der andere Klub wäre der bessere Partner. Rapperswil-Jona ist also vor etwas mehr als zehn Jahren zu GC gekommen. Und Red Star zum FCZ. Wenn also Red Star der Partner ist, macht es ja Sinn, dass man auch gleich die nähere Umgebung als Partner beim Footeco hat. Weil es ein potentieller Standort ist. Und wenn der FCRJ Partner von GC ist, macht es natürlich Sinn, dass die Region rund um den Obersee mit Wangen, Lachen etc. zu GC geht. Die unmittelbar angrenzenden Gemeinden des Oberlands mit Wald und Rüti sind darum ebenfalls GC zugeteilt worden. Beide Vereine wollten eigentlich um keinen Preis zu GC. Das musste man ein bisschen erzwingen.
ZL: Ausgerechnet der Stammklub von Ancillo Canepa….
HR: Ja klar, auch meiner… Dann hat man geschaut, wie weit kann oder muss Winti Richtung GC- und FCZ-Gebiet vorstossen? Die Linie wurde dann bis Effretikon – Pfäffikon ZH gezogen. So ist das Ganze entstanden.
ZL: Aus Pfäffikon kommen doch aber die drei Kissling-Brüder beim FCZ?
HR: Ja, weil Pfäffikon zuvor mal im Einzugsgebiet des FCZ war. Dann hat man das mal bereinigt.
ZL: Für die Partnerklubs ist das Ganze ja auch ein grosser finanzieller Aufwand. Wie wird dies geregelt?
HR: Die erhalten Geld von uns. Für das Label gibt es Subventionen des Verbandes für die U16 und die U15 von Red Star. Das ist klar definiert. Ein U15-Trainer beispielsweise löst CHF 30’000.- aus. Der ganze Betrag, den wir wegen den Mannschaften von Red Star bekämen, gehen direkt zu Red Star. Das hat sich gut bewährt.
ZL: Wie viele Scouts sind insgesamt von Seiten FCZ für die Rekrutierung und Selektion für die Footeco-Stufen unterwegs?
HR: Wir haben einen Pool von 20-25 Leuten, die wir zu den uns zugeteilten Teams in der Region zu E-Junioren und D-Junioren- Spielen senden. Eher selten müssen wir auch noch C-Junioren anschauen. Denn es kann sein, dass ein eigentlicher D-Junior bereits bei den C-Junioren spielt. Diese Scouts sind nicht wirklich Angestellte.
ZL: Sie werden aber schon etwas entschädigt?
HR: Spesenaufwand. Und dann kann einer davon vielleicht noch einen Kaffee trinken, nachdem der Benzintank gefüllt ist. Auf höherer Stufe schauen wir uns dann natürlich die nationale Ebene an. Die harte Realität sieht so aus, dass ein U15-Spieler im Breitenfussball praktisch null Chancen hat, es noch zu schaffen.
ZL: Wobei ich das Gefühl habe, dass die Coca-Cola Liga an Qualität gewonnen hat in den letzten Jahren…
HR: Ja, aber die haben trotzdem praktisch keine Chance mehr. Es kann ausnahmsweise mal sein, da sind wir wieder bei den Beispielen Servette oder YB. Es gibt Spieler, bei denen kein Mensch weiss, warum die nie aufgefallen sind. Dann siehst du einen stämmigen Spieler und denkst: okay, für den Moment reicht es für ihn, es in den Kader zu schaffen. Er kann von der Physis her etwas bringen. Dann bringt er auch den Mitspielern was. Aber wenn es ein kleiner, filigraner ist, ist die Wahrscheinlichkeit sehr klein.
ZL: Weil er die technische Ausbildung nicht hat…?
HR: Ja. Es fehlt einfach das Trainingsalter. Ausnahmen gibt es, wenn einer zu einem frühen Zeitpunkt mental noch nicht bereit dazu ist, seinen Stammverein zu verlassen. Das gibt es ganz selten. Dass einer in der U12 noch nicht will und bis zur U13 wartet. Aber wenn er in der U14 nicht dabei ist, wird es ganz schwierig.
ZL: Nochmal zurück zu einzelnen Brüderpaaren. Die Haile-Selassies gehören zu denen, die zur Zeit auf dem Sprung sind wie ein paar andere Brüderpaare ebenfalls. Wir haben die Reichmuth-Brüder. Oder Hodzas. Was gibt es zu diesen Spielern zu sagen?
HR: Dass alle aufgezählten in dieser letzten Saison Freude gemacht haben. Bei den Reichmuths: einer ist ausgeliehen, der andere bei der 1. Mannschaft dabei. Es wäre sensationell, wenn es wieder einer packt für die 1. Mannschaft. Bei Haile-Selassie wurde der eine wegtransferiert, der andere stösst Richtung 1. Mannschaft. Ob er es schaffen wird, kann ich nicht beurteilen. Mirlind Kryeziu beispielsweise hatte lange Zeit Schwierigkeiten, sich zu etablieren. In der Meistersaison war er dann eine Säule der Mannschaft. Weil ein Trainer gekommen ist, der in ihn als Fussballer vernarrt war. Das gibt Rückenwind. Dass nicht alle Trainer gleich auf einen Spieler ansprechen, ist menschlich. Es soll keiner kommen und behaupten, er behandle alle gleich. Das gibt es nicht. Das Ziel muss sein, alle gleich FAIR zu behandeln. Das Potential haben alle. Von fünf bis sechs Spielern, die das Potential haben, wird am Ende nur einer oder zwei sich durchsetzen.
ZL: Mit Maren Haile-Selassie habe ich ein paar mal geredet und habe ihm gesagt, dass ich bei seinem jüngeren Bruder Kedus etwas mehr Talent sehe. Und er hat dies sicherlich nicht nur von mir gehört. Ich hatte schon das Gefühl, dass ihn das nochmal am Ehrgeiz gepackt hat. Zuvor hatte er etwas zu wenig aus seinen Möglichkeiten gemacht. Als dann der jüngere Bruder angefangen hat von unten Richtung 1. Mannschaft zu pushen, scheint Maren nochmal einen Schub bekommen zu haben.
HR: Die grosse Frage ist: «Was ist ein Talent?». Ein Talent ist ein Mensch, der in seinem Gebiet überdurchschnittliche Ansätze hat. Was braucht es für den Fussball? Man kann das anhand des aus Holland stammenden TIPS-Schemas evaluieren. «T» steht für Technik. Da sind fünf Elemente drin. Ich kann in einem Element top sein und in den anderen vier nicht. Da ist es dann fragwürdig, ob man von einem Talent sprechen kann. «I» steht für Intelligenz / Kognition / taktisches Verständnis, «P» für Persönlichkeit, «S» für Schnelligkeit. In Holland sind sie zum Schluss gekommen, dass für die Talentdiagnostik Schnelligkeit der entscheidende Faktor ist, «S» steht aber auch allgemein für Athletik.
Es reicht nicht, wenn ich in einem der Bereiche weit überdurchschnittlich bin und in einem anderen weit unterdurchschnittlich. Man darf keinen Bereich haben, der «unter die Tischkante fällt». Ein einziger leistungslimitierender Bereich kann den Weg in die Super League verbauen. Alle Bereiche «knapp über der Tischkante» nützt aber auch nichts. Dann bräuchte ich zwingend mindestens einen, in dem ich beinahe unwiderstehlich bin. Es gibt aber auch Talente, die haben keinen unwiderstehlichen Bereich, sind aber in allen Bereichen gut bis sehr gut. Dominant bei Spielern ist letztendlich der Faktor Mentalität – analog der Sozialkompetenz bei den Trainern. Ohne Mentalität nützt der ganze Rest nichts. In allen Bereichen muss man «über der Tischkante» sein und im Endeffekt hilft die Mentalität, all diese Bereiche auszuprägen. Und das ist eben auch ein Talent.
Der FCZ und GC waren zuletzt fussballerisch konträr zueinander unterwegs. Seit dem Stadtderby vor drei Wochen hat der FC Zürich sich in der Liga darauf fokussiert, sich erst mal defensiv zu stabilisieren und drei Mal in Folge 0:0 gespielt. Ganz anders GC: wenn das Team von Coach Giorgio Contini spielt, fallen in der Regel viele Tore. Ihr Spielstil ähnelt mittlerweile stark demjenigen von St. Gallen – direkt und mit viel Risiko. Die taktische Formation 4-1-2-1-2 ist ebenfalls dieselbe. GC hat dabei diese Saison die Ostschweizer auch schon mit deren eigenen Waffen geschlagen. Die letzten beiden Partien gegen Servette und Winterthur gingen verloren – aber GC hatte in beiden Partien die besseren Torchancen.
Gegen Servette sündigte vor allem Renat Dadashov im Abschluss. Ausserdem hatte GC Pech mit der Arbitrierung von Ref Horisberger (inklusive VAR Staubli): ein klarer Penalty nach Foul von Cognat an Schettine wurde ihnen verwehrt und vor dem 3:2-Siegtreffer der Genfer gab es gleich zwei Stürmerfouls. Die Partie davor in Winterthur (0:1) war das bisher einzige Spiel der Saison, in welchem den Grasshoppers kein Tor gelang. Im Gegensatz zu Servette, welches das offene, wilde, risikovolle Spiel in Zürich zuliess, liess sich Winterthur nicht aus der Reserve locken und bewahrte seine defensive Kompaktheit. Ein Beispiel, wie auch der FCZ GC besiegen könnte.
Was spricht im 280. Derby für GC?
Treffsicherere Stürmer
Rhythmuswechsel
Umschaltspiel
Mit Bolla und Kawabe zwei für Super League-Verhältnisse herausragende Akteure mit Premier League-Potential
GC hat in der Innenverteidigung einen Schwachpunkt
GC hat ähnlich wie St. Gallen durch ihr kräfteraubendes Spiel „Low Energy“-Phasen, die man ausnutzen kann
Gegen Servette hat GC ziemlich viel rotiert. Trotz Niederlage auf der Schützenwiese wird die Aufstellung GC’s gegen den FCZ wohl eher derjenigen in Winterthur ähneln. Abrashi wird aufs Derby heiss sein. Vorne haben zuletzt die Duos Morandi/Dadashov und Jeong/Schettine gespielt, aber Morandi und Schettine haben zur Zeit unter dem Strich die Nase wohl leicht vorne. Wenn Contini offensiv aufstellen wird, bringt er Morandi (oder Pusic) auf der 10er-Position. Schmid kann ebenfalls im Mittelfeld spielen.
Beim FCZ wird Fabian Rohner oder Selmin Hodza auf der Rechten Seite den gesperrten NIkola Boranijasevic (Reklamieren) ersetzen. Vyunnik wäre vom Spielertyp her der passendste Ersatz für den ebenfalls gesperrten Ivan Santini.
Bei GC ist die Aufstellung weitgehend wie erwartet. Tatsächlich stürmen Morandi und Schettine erstmals gemeinsam, da sie zuletzt vorne im Sturm die besten Leistungen gebracht haben. Eine Änderung im Vergleich zur Züri Live-Vorschau gibt es allerdings in der (wackelnden) Innenverteidigung. Dort erhält der Japaner Ayumu Seko wieder mal eine Chance für Tomas Ribeiro.
Beim FCZ fällt kurzfristig Marc Hornschuh aus, der wohl in der Startformation gestanden hätte. Für ihn kommt Cheick Condé zum Zug. Vorne im Sturm beginnt Aiyegun Tosin, der zuletzt in Basel nach seiner Einwechslung einen guten Auftritt hatte und auch defensiv viel mithalf.