Umaru «Zengalay» Bangura: «Der FCZ hatte sich in meinem Kopf eingenistet»

Er ist drei Jahre beim FCZ, hat in dieser Zeit nach Alain Nef und Adrian Winter am drittmeisten gespielt, und ist gerade eben für die neue Saison zum dritten Captain nach Yanick Brecher und Kevin Rüegg ernannt worden. Trotzdem ist recht wenig bekannt über Umaru Bangura. Wer ist der schnelle Mann in der Zürcher Abwehr? Woher kommt er? Was liebt er? Wie hat er nach Zürich gefunden? Züri Live hat sich zum Start in Bangura’s vierte FCZ-Saison mit dem langjährigen Captain der Nationalmannschaft Sierra Leones unterhalten und dabei festgestellt, dass der «Tag und Nacht nur ein Gedanke»-Virus auch gestandene Fussballprofis befallen kann.

Umaru Bangura, du bist jetzt drei Jahre beim FC Zürich und hast für den Stadtklub mittlerweile mehr Spiele absolviert als bei deiner letzten Station Dinamo Minsk. Wie fühlst du dich im Team?

Ich fühle mich sehr wohl. Ich bin ein vollwertiges Teammitglied. Wenn du zwei, drei Jahre in einem Verein bist, dann kennst du alles!

Ich würde gerne etwas mehr über dich und deinen Werdegang wissen. Du bist in Freetown (Hauptstadt, Sierre Leone: d. Red.) geboren, hast du immer dort gelebt?

Ja, ich habe immer dort gelebt.

Dort hast du dann auch für den «Mighty Blackpool FC» gespielt (Rekordmeister: d. Red.).

Ja, das ist meine Mannschaft, das ist mein «Family team».

Bist du bereits früh zu diesem Klub gestossen?

Ich habe dort nicht lange gespielt, nur acht Monate, das heisst, eine Saison. Dann habe ich die Chance erhalten, zu Watford in England zu gehen.

Und davor hast du auf der Strasse gespielt?

Ja, bevor ich zum Mighty Blackpool FC kam, habe ich hauptsächlich auf der Strasse gespielt. Jeder Junge in Freetown will Fussball spielen. Es ist schwierig, sich durchzusetzen, du musst Opfer bringen.

Haben dich deine Eltern ermuntert, deinen Weg im Fussball zu machen?

Ja, ich komme aus einer Fussballfamilie. Sie lieben alle Fussball.

Ich habe gesehen, dass es einen um ein Jahr jüngeren Fussballer aus Freetown namens Alhassane Bangura gibt, der ein Jahr vor dir nach Watford gewechselt ist. Seid ihr verwandt? Und hat er dich dort empfohlen?

Nein, wir sind nicht verwandt. Etwas übertrieben gesagt heisst in Sierra Leone und Guinea fast jeder Bangura. Wir kannten uns aber gut. Er hat mich tatsächlich bei Watford empfohlen.

Bei Watford warst du dann aber nicht so lange…

Ja, ich war 2005/06 dort, anderthalb Jahre, dann wurde ich nach Norwegen ausgeliehen.

Du kommst also aus der Hauptstadt von Sierra Leone, lebst anschliessend im Grossraum London und dann landest du plötzlich in einem kleinen Städtchen in der Norwegischen Provinz. Bist du eher der Stadt- oder Landtyp?

Ich bin natürlich ein Stadttyp. Ich habe immer in der Stadt gelebt. Aber es war trotzdem schön. Norwegen ist in vielem mit der Schweiz vergleichbar. Ein ähnliches System, sehr schönes Land. Und meine erste Station Hönefoss lag nur eine Stunde von Oslo, wo es eine grosse Sierra-Leone-Community gibt. So war ich fast die ganze Zeit dort.

Die zweite Station war dann aber weiter weg von Oslo…

Ja, nach Haugesund sind es etwa acht Stunden. Es ist aber sehr schön dort.

Dort hast du dann ja auch permanent in der Eliteserien (oberste Liga: d. Red.) gespielt. Woran erinnerst du dich aus der Zeit in Norwegen am meisten?

Für mich ist Norwegen speziell, weil es der Ort ist, wo ich richtig Profifussball zu spielen begonnen habe. Etwas schwierig waren die Distanzen bei Auswärtsspielen. Wir sind fast immer mit dem Bus rund acht Stunden gefahren, ab und zu auch mal mit dem Flugzeug. Und die Strassen den Fjorden entlang sind sehr eng. Da kann einem schon etwas mulmig werden… Und dann ist es auch kalt. Sehr kalt.

Hast du mal Wintersportarten ausprobiert?

Oh, nein, nein…. (nicht nur Uma selbst muss bei dieser Frage sehr schmunzeln, sondern auch der danebenstehende Leiter Kommunikation des FCZ)

Du hast in Norwegen erst im Zentralen Mittelfeld gespielt und dann in die Abwehr gewechselt…

Von Haus aus bin ich Verteidiger. Aber als ich zu Watford kam, wollte der Coach, dass ich im Zentralen Mittelfeld spiele. So habe ich dann diese Rolle für eine lange Zeit gespielt, auch in Norwegen. Bis es einmal personelle Probleme in der Abwehr gab – ich bin eingesprungen und seither in der Abwehr geblieben.

Deine grösste Stärke ist dein Speed, dafür musst du immer gut in Form sein. Hast du da einen Tipp, wie hältst du dein Gewicht?

Ich liebe afrikanische Küche. Ich esse normalerweise nicht so viel, aber bei afrikanischem Food bekomme ich grossen Appetit. Ich lebe allein, und gehe normalerweise in einem speziellen Laden hier in Zürich mein afrikanisches Essen einkaufen. Aber manchmal bin ich auch schlicht zu müde, dort hinzugehen, dann esse ich auch mal etwas, das man nicht zubereiten muss.

Neben dem afrikanischen Foodangebot, was magst du sonst noch an Zürich am meisten?

Ganz ehrlich, ich habe an vielen Orten gespielt, aber die Schweiz ist ein sehr spezielles Land. Ich fühle mich hier sehr sicher, weisst du… Und wenn ich nun jeweils anderswo hinreise, merke ich schnell – die Schweiz ist anders. Sehr ordentlich und korrekt. Jeder würde gerne hier leben. Ich liebe diesen Ort. Wenn du etwas länger in der Schweiz lebst, verändert sich deine Wahrnehmung. Ich ertappe mich nun im Ausland jeweils dabei, wie ich ständig denke: «seltsam, warum kann es hier nicht wie in der Schweiz sein?».

Du siehst die Welt bereits aus der Perspektive eines Schweizers…

Ja, genau. Die Dinge verändern sich.

Du warst auch in Weissrussland. Das war wohl auch wieder ganz anders…

Ja, in Weissrussland gibt es Minsk und den Rest des Landes. Minsk ist sehr schön. Ausserhalb der Kapitale hingegen ist es weniger angenehm. Im Allgemeinen hatte ich es gut dort. Alles war okay. Nur mit dem Essen hatte ich ziemlich zu kämpfen.

Es wird dort ziemlich fettig zubereitet…

Ja, das war dort ein ständiges Problem.

Und dann hast du mit Dinamo Minsk gegen den FCZ im Europacup gespielt…

Ja, ich erinnere mich gut daran. Wir haben 1:0 gewonnen! Und zurück in Minsk haben wir 1:1 gespielt. Das war ein gutes Gefühl.

Das Spiel fand damals in Brest statt, dasselbe Stadion wo Jahre später Diego Maradona seinen ominösen Auftritt hatte…

Ja, genau, es war in Brest.

Daran erinnere ich mich auch gut. Als du später zum FCZ gewechselt hast, hattest du damit etwas, womit du die neuen Mitspieler necken konntest….

Ja, und es war schön wieder im Letzigrund zu spielen. Zumindest zu Beginn habe ich mich da noch ein paar Mal gerne an diesen 1:0-Sieg zurückerinnert.

Wann hat dich der FCZ danach kontaktiert?

Der Kontakt kam irgendwann nach den Europacupbegegnungen und lange vor meinem tatsächlichen Wechsel zustande. Ich war zu dieser Zeit aber grundsätzlich zufrieden in Minsk und wollte eigentlich erst mal weiter bei Dinamo spielen und mir überlegen, ob ich vielleicht sogar langfristig bleiben will. Ein Agent war aber sehr hartnäckig und hat mich andauernd wegen dem Interesse des FCZ angerufen. Dadurch habe ich irgendwann begonnen, übers Internet den FCZ zu verfolgen. Und dies sehr intensiv. Wir waren mit der Mannschaft unterwegs irgendwo in Weissrussland und ich fragte mich: «Wie hat der FCZ gespielt?». Ich habe mich begonnen nach den Spielzeiten des FCZ auszurichten und wurde gar etwas süchtig nach Informationen über Zürich. Der FCZ hatte sich in meinem Kopf eingenistet. Ich hatte das nicht erwartet. Es ist einfach so gekommen.

Du warst Captain des Nationalteams, aber aktuell bestreitet ihr keine Spiele…

Ja, wir wurden von der FIFA suspendiert, aber jetzt ist alles wieder okay (Grund für die FIFA-Sperre: die Anti-Korruptionsbehörde des Landes hatte die Präsidentin und den Generalsekretär des nationalen Fussballverbandes des Amtes enthoben. Die FIFA toleriert aber keine Einmischung von Regierungsbehörden in die Angelegenheiten eines Mitgliedsverbandes: die Red.).

Sierra Leone ist in Afrika ein «kleines» Team, bisher habt ihr euch in deiner Aktivzeit noch nie für ein grosses Turnier qualifizieren können…

Ja, darum war es so schade, dass wir suspendiert wurden. Im ersten Spiel hatten wir Kenia zu Hause geschlagen. Wir hätten eine reelle Chance gehabt, für den Afrika Cup 2019 erstmals die Qualifikation zu schaffen (das Turnier, in dessen Final sich heute Freitagabend in Kairo Senegal und Algerien gegenüberstehen, fand erstmals mit 24 Teams, also fast der Hälfte der Afrikanischen Mitgliedsverbände statt: die Red.).

Viele Chancen, es an ein grosses Turnier zu schaffen, wirst du nicht mehr haben, das nächste Mal müsste es klappen…

Ja genau, das nächste Mal muss es klappen.

Hast du eine Leidenschaft neben dem Fussball?

Das fragen alle. Tatsächlich liebe ich Shopping. Das ist ein Teil von mir.

Hast du neben «Uma» noch weitere Spitznamen?

Ja, auf jeden Fall. In Sierra Leone nennen mich alle «Zengalay». Diesen Spitznamen hat mir ein Nachbar gegeben, als ich klein war. Er hat keine spezielle Bedeutung. Aber wenn heute in Sierra Leone von «Zengalay» die Rede ist, wissen alle, wer gemeint ist. Mittlerweile ist «Zengalay» zu einem Vornamen geworden – manche Eltern nennen ihren Sohn nach mir.

Wie ist dein Gefühl für die neue Saison mit der veränderten Mannschaft?

Mit der Vorbereitung bin ich ziemlich zufrieden. Vor allem mit der Art und Weise, wie wir spielen. Aber Vorbereitung und Liga sind zwei Paar Schuhe. Es ist immer schwierig, wirklich zu wissen, wo man steht, bevor es losgeht. In der Vorbereitung habe ich gesehen, dass wir Fussball spielen können, die Jungs haben Vertrauen. Ich hoffe, wir können das auch in der Liga auf den Platz bringen.

In der Abwehr hast du teilweise neue Partner, mit denen du zusammenspielst…

Ja, wir haben neue Spieler und einige Junge. Es ist ziemlich ausbalanciert. Einige der jungen Spieler haben in der Vorbereitung einen guten Eindruck hinterlassen. Ich hoffe einfach, dass wir gleich gut auftreten werden, wenn es richtig losgeht.

In der Vorbereitung schien es mir, dass du häufiger als sonst mit Ball am Fuss in die gegnerische Hälfte vorgedrungen bist – hat auch der Trainer gesagt, du sollst das häufiger machen?

Ja, der Coach sagt das immer. Es ist einfach etwas, was ich sehr gerne mache, aber nur wenn ich sehe, dass sich die Möglichkeit dazu bietet.

Was die Rückwärtsbewegung betrifft, bescherst du manchen FCZ-Fans aber auch Schweissausbrüche, wenn du dem Stürmer wieder mal grosszügig einen Vorsprung lässt, nur um ihn dann im letzten Moment noch einzuholen…

Ja, in diesen Situationen, weiss ich, dass ich die Kontrolle habe. Das ist einfach ein Gefühl in mir. Ich bin sicher, dass ich den Stürmer noch stellen werde. Das ist meine grösste Stärke.

Es ist auch eine etwas ökonomischere Spielweise, du verlierst nicht zu viel Kraft für den Rest des Spiels…

Ja, es ist wichtig, das Spiel lesen zu können.

Aber manchmal könntest du vielleicht trotzdem etwas mehr investieren…?

Ja, manchmal vielleicht schon. Aber manchmal ist die Situation einfach so.

Zum Abschluss: was sagst du zu den Fans des FCZ? Du kamst zum FCZ in der Challenge-League-Saison und sie waren immer da…

Ja. Ganz ehrlich, als ich zum FCZ gekommen bin, habe ich sofort gemerkt, dass die FCZ-Fans zu den besten der Schweiz gehören. Sie sind immer da für uns. Was wir tun können, ist unseren Job bestmöglich zu machen, sodass sie immer ein Lachen im Gesicht haben können. Sie sind fantastisch, immer im Stadion und geben immer 100%. Ich liebe das. Ich freue mich darauf, diese Unterstützung auch in Zukunft zu spüren und werde mein Bestes geben, damit sie sich immer gut fühlen können.