Rohner / Domgjoni / Koide machen Dampf, Kryeziu / Kramer sorgen für Ärger: Gewinner und Verlierer der Vorbereitung

Die Partie gegen den FC Winterthur im Letzigrund war nicht so, wie man sich eine Hauptprobe vor dem Meisterschaftsstart vorstellt. Aufgrund von Krankheit (gute Besserung Vasi!), Nationalteamaufgeboten (Gratulation Simon, Becir & Co.!) und dem gleichzeitigen Meisterschaftsauftritt der U21 gegen Brühl (2:3, zwei Sulejmani-Penalties), standen Trainer Ludovic Magnin mit Adrian Winter und Salim Khelifi gerade mal zwei Feldspieler als Reserve zur Verfügung. Und während das Spiel lief, wurde in den Sozialen Medien der neue Innenverteidiger Lasse Sobiech vorgestellt.

Beim FC Winterthur fielen gleich beide Torhüter aus und es standen mit Marzino und Scheithauer zwei Testspieler in der Startformation. In der ersten Halbzeit kontrollierte der FCZ weitgehend das Spiel und ging 2:0 in Führung. Die zweite Halbzeit war ausgeglichener. Nach einer Serie von Zürcher Topchancen gelang Adi Winter das 3:0 in der 80. Minute nachdem der andere Einwechselspieler Khelifi zuvor noch an Marzino gescheitert war. Die letzten zehn Minuten liess der FCZ dann aber stark nach und Winterthur drehte nochmal auf, ohne aber zu einem Torerfolg zu kommen. Am augenfälligsten ersichtlich war dies bei Stephan Seiler, der in der letzten Viertelstunde auf dem Zahnfleich lief und dem gar nichts mehr gelang.

Insgesamt wirkte in allen vier Vorbereitungsspielen weder der FCZ noch die jeweiligen Gegner auch nur annähernd auf Meisterschaftsniveau spielend. Im Normalfall nähert man sich gegen Ende der Vorbereitung diesem Niveau an. Eine Steigerung von Spiel zu Spiel war durchaus ersichtlich, aber ob es reichen wird, bereits in einer Woche in Chiasso im Cup das notwendige Niveau auf den Platz zu bringen – darauf darf man gespannt sein. Es wurde in allen vier Vorbereitungsspielen mit demselben System gespielt. Von den verschiedenen Phasen der letzten Saison orientierte sich das Zürcher Trainerteam dabei personell und taktisch stark am zweiten Saisonviertel, in welchem man ohne wirklich zu glänzen eine gute Resultatserie hatte hinlegen können.

Einzelne gute Automatismen in der Überwindung der Mittelzone des Spielfeldes waren zu sehen, sowohl mit schnellem Direktspiel, als auch mit geduldigem Aufbau – allerdings ohne auch nur annähernd die gleiche Gegenwehr auf dem Platz zu haben, wie sie den FCZ zum Meisterschaftsstart erwarten wird. Auch gegen Top-Gegner wird allerdings sicherlich Fabian Rohner eine Offensivwaffe sein. Immer wenn nach vorne nichts läuft, dann sorgt der Rechte Aussenverteidiger mit vertikalen oder diagonalen Läufen für Unruhe und Unordnung im gegnerischen Abwehrdispositiv. Rohner ist nicht nur nochmal eine ganze Spur schneller als Kevin Rüegg, sondern hat auch eine solidere Grundtechnik, als der Richtung Italien ziehende Captain der U21-Nationalmannschaft.

Ebenfalls Stammspieler in der U21-Nationalmannschaft ist Toni Domgjoni, der beim 4:1-Heimsieg gegen die Slowakei als Schaltzentrale und Wasserträger in einem im Schweizer Mittelfeldzentrum genauso eine gute Partie machte, wie weitgehend auch in den Vorbereitungspartien mit dem FCZ. Der dritte Gewinner der Vorbereitung ist Henri Koide, welcher nahtlos an die guten Leistungen der letzten Saisonphase 19/20 anzuschliessen scheint. Nicht nur gegen Schaffhausen gelang dem 19-jährigen Zürcher mit einer Klasse-Einzelleistung ein Treffer, sondern er erzielte auch das einzige Tor beim 1:0-Sieg mit der U19-Nationalmannschaft gegen Neuchâtel Xamax (mit unter anderem dem ehemaligen FCZ U21-Stürmer Eric Tia im Test).

Gegen den FC Winterthur an allen drei Treffern beteiligt war Assan Ceesay. Der Gambier hatte allerdings schon letzten Sommer in den Testpartien sehr gute Skorerwerte, welche anschliessend in der Meisterschaft wieder in den Keller sanken, als der FCZ mit einem anderen Spielstil auftrat. Auch wenn es immer noch der gleiche Assan Ceesay ist: ein gewisser Reifeprozess durch seine Zeit in Osnabrück ist ersichtlich – der 26-jährige Nationalstürmer wirkt etwas fokussierter, gradliniger und effizienter, als noch vor Jahresfrist. Und gleichzeitig versteht er sich auf dem Platz weiterhin sehr gut mit Antonio Marchesano – ein nicht zu unterschätzender Faktor. Zivko Kostadinovic schliesslich hat angedeutet, dass er in Bezug auf die Sicherheit, eine solide Nummer Zwei hinter Yanick Brecher zur Verfügung zu haben, im Vergleich mit vielen anderen Kandidaten der letzten Jahre wohl ein Schritt nach vorne für den FCZ ist.

Auf der Verliererseite der Saisonvorbereitung steht sicherlich an erster Stelle Mirlind Kryeziu: nach einem zu unkonzentrierten Auftritt mit zwei groben Schnitzern im ersten Testspiel gegen Schaffhausen vom Präsidentenehepaar ins Gebet genommen und seither im Kader der weiteren Testspiele nicht mehr aufgetaucht. Ebenfalls im wahrsten Sinne des Wortes wachgerüttelt wurde in der Pause des Testspieles gegen den FC Luzern Stürmer Blaz Kramer von Captain Yanick Brecher, nachdem der Slowene schon gegen Schaffhausen nicht mit dem Kopf bei der Sache zu sein schien.

Obwohl nicht eingesetzt als Verlierer vorkommen muss sich Michael Kempter, mit dem sich der FCZ nicht auf einen neuen Vertrag hat einigen können. Der Rudolfstetter war auf der linken Zürcher Seite nach der Coronapause endlich wieder einmal ein Spieler, der nicht nur im Spiel nach vorne eine der wichtigsten Zürcher Waffen in dieser Phase war, sondern obendrein auch noch so konsequent verteidigte, wie dies (mit Ausnahme phasenweise Pa Modou) schon seit vielen Jahren keinem FCZ-Linksverteidiger mehr gelungen war. Mit Tobias Schättin hingegen kommt von Winterthur ein Ersatz, der deutlich mehr Mängel im Spiel ohne Ball mitbringt und das Zürcher Defensivproblem auf links wohl kaum lösen wird. Auch das Testspiel gegen Winterthur bestätigte diesen Eindruck.

Lavdim Zumberi hatte in Basel mit der „U21 verstärkt“ einen zwar nicht fehlerfreien, aber trotzdem ziemlich guten Auftritt hingelegt gehabt. Mittlerweile findet er aber beim FCZ weder auf dem Matchblatt noch auf der Team-Seite (Webpage) noch Erwähnung. Mit seinen 20 Jahren muss er unbedingt im Profibereich zu mehr Spielzeit kommen – Vertrag hätte er noch zwei Jahre. Der FC Wil wäre für den Ostschweizer eine naheliegende Variante, aber auch ein Transfer zum FC St. Gallen oder FC Vaduz ist alles andere als undenkbar. Mit seiner direkten Spielweise und Stärke bei langen Bällen würde er ins Team von Peter Zeidler passen. Geschenkt wurde dem guten Distanzschützen beim FCZ in der 1. Mansnchaft in den letzten Jahren nichts – obwohl oder vielleicht gerade weil er zu Juniorenzeiten zu den Lieblingsspielern Ludovic Magnins gehörte.

Salim Khelifi schliesslich zeigte in der Vorbereitung dasselbe, was man schon von ihm kannte, als er vor einem Jahr nach Deutschland ausgeliehen wurde. Einzelne Highlights wie der Freistoss zu Nathans Kopfballtor, aber daneben auch (zu) viel Leerlauf, vergebene Top-Möglichkeiten und fehlende Defensivqualität. Mit Marco Schönbächler hat der FC Zürich bereits einen ähnlichen (aber insgesamt etwas besseren) Spieler im Kader. Ein zweiter solcher Mann ist tendenziell zu viel. Dann gibt es durch die Verpflichtung von Lasse Sobiech noch ein kleines Fragezeichen bezüglich der Rolle von Nathan. Sobiech ist ein ähnlicher Spielertyp, der aber mit mehr Ruhe und Souveränität agiert und die immer wieder von Magnin auf den Platz gerufene Vorgabe „ohne Foul“ wohl besser umsetzen kann, als der emotionale Brasilianer.

FC Zürich – Winterthur 3:0 (2:0)
Tore: 17. Ceesay (Marchesano) 1:0, 44. Ceesay (Marchesano) 2:0; 80. Winter (Khelifi) 3:0.
FCZ: Brecher; Rohner, Nathan, Bangura, Schättin; Schönbächler (64. Khelifi), Britto, Seiler, Gnonto (46. Winter); Marchesano; Ceesay.
Winterthur: Marzino; Gantenbein, Isik (46. Lekaj), Scheithauer, Schüpbach (64. Pauli); Arnold (46. Hamdiu), Pepsi (46. Doumbia); Callà (46. Ltaief), Ramizi (64. Rama), Mahamid (46. Alves); Buess.

Alte Muster, gleiches Bild: FCZ – YB 0:5 in der Analyse

Der Eindruck vor leeren Rängen im Letzigrund war von Trostlosigkeit geprägt. Nach dem 0:2 durch Jean-Pierre Nsamé kurz vor der Pause nach einem Fehlpass des ansonsten mit seiner Antizipation einige gegnerische Torchancen vereitelnden Ilan Sauter schien die Partie gelaufen. Der Rest zog sich zäh wie Gummi. Auf dem Metallzaun an der Herdernstrasse unterstützte ein kleines Grüppchen Fans die Mannschaft unentwegt von ausserhalb des Stadions. Die Transparente in der Südkurve hoben das gefühlte Niveau auch nicht wirklich. Da wird die SFL bezichtigt, sie sei auf „Profit“ fixiert. Eine Organisation zweier bescheidener Schweizer Profiligen, deren Migliedsklubs schon in „normalen Zeiten“ fast immer Verluste schreiben, und die alles versuchen muss, zu verhindern, dass es zu Konkursen kommt und hunderte Menschen in der Schweizer Fussballwelt ihren Job verlieren. Neben einigen Experten und Journalisten scheint auch ein Teil der Fans selbst nach bald fünf Monaten noch nicht in der Corona-Realität angekommen zu sein.

In den folgenden Tagen reift im Videostudium dann aber die Erkenntnis: der FCZ hat nicht ganz so miserabel gespielt, wie sich das live angefühlt hatte – und YB war zwar schlussendlich klar und deutlich, aber trotzdem nicht im Liegestuhl zum Sieg gekommen. Die Berner agierten stattdessen im Letzigrund deutlich besser, als noch bei ihrem 3:2-Heimsieg im Juni im Wankdorf (Link: „Nsamé trifft erstmals per Kopf – FCZ kann gute 1. Halbzeit nicht materialisieren“) und kamen vor allem auch deshalb zu über 30 Abschlüssen. Jean-Pierre Nsamé toppte mit sechs Rückrundentoren gegen den FCZ sogar noch die bereits schon unglaubliche Marke Fabian Freis von fünf Rückrundentreffern (Link: „FCB nutzt Schwachpunkte Schönbächler und Baumann konsequent, Best Player Zumberi mit Zukunft? Basel – FCZ in der Analyse) gegen den Letzigrundclub. Gleichzeitig hatte der FCZ während der ganzen Partie immer wieder den einen oder anderen gelungenen Angriff. Man steckte zumindest fussballerisch nie ganz auf und hatte mit einem Doppelpass von Kramer mit Koide selbst in der letzten Minute der Nachspielzeit noch einen guten Angriff über rechts, bei welchem aber der Slowene seine Flanke vor den Fünfmeterraum wahlweise etwas zu früh oder scharf spielte, so dass diese vom mit einem langen Sprint im Höchsttempo heranpreschenden Britto nicht mehr erreicht werden konnte.

Die Szene war typisch für Blaz Kramer, der in der Regel nur etwa zehn gute Minuten pro Spiel hat und in diesen fehlt ihm zudem aufgrund seiner Torflaute in den entscheidenden Situationen die Ruhe am Ball. Man hätte sich auf Seiten des FCZ zudem beispielsweise einen Toni Domgjoni auf dem Platz gewünscht, der zusätzlich zum spielerischen Ansatz mit Zweikämpfen und verbal für so etwas wie ein Aufbäumen gesorgt hätte. Was fehlte, war ausserdem, dass wie unter der Woche in Basel bis in die Nachspielzeit der Anschlusstreffer und damit Spannung noch in der Luft lag. Die Anzahl Züri Live Top-Offensivaktionen war so klein wie zuletzt nie mehr seit dem Saisonstart gleichenorts gegen den FC Lugano (0:4) und die Anzahl Top-Defensivaktionen am zweithöchsten nach dem 2:0-Heimsieg gegen Servette vor gerade mal zwei Wochen.

Positiv: Michael Kempter und Henri Koide sind zur Zeit beim FCZ das, was man allgemein „eine Bank“ nennt – konstant auf gutem Niveau. Beide sind hungrig, lassen sich auch von einem (klaren) Rückstand kein bisschen runterziehen. Mit elf solchen Spielern auf dem Platz hätte man diese Saison nicht so viele klare Niederlagen kassiert. Das Mittelfeldzentrum war hingegen gegen YB ungenügend. Der ruhige Simon Sohm agierte über die ganze Partie hinweg zu passiv. Der emotionale Hekuran Kryeziu lief deutlich mehr und stopfte Löcher, welche Sohm offen liess. In Abwesenheit der Aggressivleader Domgjoni, Rüegg und Nathan sowie der verletzungsbedingten Abwesenheit Tosins müsste speziell der Schwyzer in die Bresche springen. Kryeziu gerät aber weiterhin zu schnell in ein Fahrwasser, in welchem er sein Engagement nicht richtig zu kanalisieren weiss.

33. Minute: Hekuran Kryeziu will den Ball per Dropkick zu Yanick Brecher zurückspielen, Ilan Sauter verhält sich ungeschickt und lenkt den Ball in den Lauf von Jean-Pierre Nsamé. Kryeziu steht auf gleicher Höhe mit dem späteren Torschützen Miralem Sulejmani, dreht aber im Anschluss an diese Szene ab, schaut in Richtung des gegnerischen Tores und hadert, anstatt mitzuhelfen, seinen Fehler auszubügeln.

Eine typische Szene vor dem wegweisenden 0:1: zuerst kann „Heki“ gegen zwei attackierende Berner einen guten spielöffnenden Pass auf Simon Sohm spielen, dann erhohlt sich Kryeziu ein wenig. Der Ball kommt aber nach einer weiten Kopfballabwehr Camaras relativ rasch in die Nähe Kryezius an die Mittellinie zurück. Dieser reagiert deutlich schneller als Miralem Sulejmani und holt sich den Ball. Der Berner Offensivmann ist wenige Sekunden später aber trotzdem der lachende Torschütze, weil Kryeziu viel zu optimistisch den Ball per Dropkick zurück zu Yanick Brecher spielen will. Der Ball wird vom Rücken des sich ebenfalls nicht ideal verhaltenden Ilan Sauter so abgelenkt, dass Jean-Pierre Nsamé mit Ball Richtung Tor laufen kann. Entscheidend bei der ganzen Sache: Kryeziu ist im Moment des Fehlers auf gleicher Höhe mit Sulejmani und bestimmt nicht langsamer, als der 31-jährige Serbe. Anstatt aber sofort zurückzueilen, dreht sich der FCZ-Mittelfeldspieler hadernd ab. In einer anderen Szene reklamiert er heftig ein Handspiel von Nsamé im Zürcher Strafraum, anstatt sich auf den Ball zu fokussieren, der ihm direkt vor die Füsse fiel und einen schnellen Gegenstoss ermöglichte. Ein Freistoss im eigenen Strafraum hätte dem FCZ in dieser Situation rein gar nichts gebracht. Von zwei anderen „K’s“ im Team, Kempter und Koide, könnte Kryeziu noch einiges lernen.

Schönbächler zeigte sich im Vergleich zum insgesamt schlechten Auftritt in Basel verbessert und hatte deutlich mehr gute Defensivszenen, liess Kempter aber trotzdem noch zu häufig alleine gegen eine Berner Überzahl. Winter war sehr engagiert und es gelang ihm auch einiges, speziell in der gegnerischen Hälfte – in der eigenen Platzhälfte war er aber trotzdem immer wieder mal im Spiel ohne Ball etwas zu spät auf seinem Posten. Angefangen im Rechten Mittelfeld, spielte Winter nach der Pause und der Hereinnahme von Umaru Bangura als Rechter Aussenläufer im zuletzt immer häufiger gespielten und dem FCZ aktuell wohl am besten liegenden 3-4-1-2. Der zuletzt aussen vor gelassene Umaru Bangura erhielt nach der Pause wieder einmal 45 Minuten Einsatzzeit und machte seine Sache gut (Züri Live-Note „7“). Es war erst sein dritter Rückrundeneinsatz nach dem 1:1 in Sion (Note „10“, MVP, Link: „Umaru Bangura ist wieder da!“) und dem 0:4 gegen Basel (Note „8“, Link: „7% + 5% = 0:2! FCZ – FCB 0:4 in der ausführlichen Analyse.“).

58. Minute: Jean-Pierre Nsamé bringt Umaru Bangura im Zürcher Strafraum durch Beinstellen so zu Fall, dass dieser vornüberfällt, einen Salto schlägt und dann am Boden sitzend wiederum Nsamé zu Fall bringt.

Getrübt wurde das Spiel des Sierra Leone Nati-Captains von seinem Penaltyfoul gegen Jean-Pierre Nsamé, welchem ein glasklares Stürmerfoul seines Gegenspielers vorangegangen war. Die unglaubliche Serie der durch Stürmerfouls irregulären Treffer von YB gegen den FCZ setzt sich also fort. Auch wenn das 0:4 diesmal natürlich gar keinen Einfluss mehr auf die Punktevergabe hatte. Schon beim ersten Aufeinandertreffen der beiden Teams Anfang Saison war Bangura in der Rückwärtsbewegung vor Nsamé am Ball gewesen. Dieser hatte seinen Gegenspieler daraufhin mit einem Stoss in den Rücken auf den Boden gestossen, den deshalb frei liegenden Ball geerbt und das 2:0 in der 59. Minute erzielt: Link „Schlechter FCZ-Start in die Partie – erneut irreguläre YB-Treffer“. Diesmal kam der Franzose zu einem Penaltytreffer, weil er dem FCZ-Verteidiger wie in einem Ringkampf das Bein stellte. Der mit einem Salto auf den Boden fallende Bangura erinnerte sich wohl unterbewusst an die Szene von Anfang Saison und wollte Nsamé diesmal nicht ziehen lassen, stellte ihm reflexartig das Bein.

48. Minute: Benjamin Kololli springt hoch, obwohl er den Eckball von Miralem Sulejmani nicht erreichen kann. Blaz Kramer hinter ihm zögert dadurch, Jean-Pierre Nsamé köpft völlig freistehend zum 0:3 ein. Drei Mal der gleiche Fehler im selben Spiel.

Ebenfalls eine negatives Déjà Vu in doppelter Hinsicht erlebte man als FCZ-Beobachter bei drei gegnerischen Eckbällen, wovon einer zum 0:3 durch Jean-Pierre Nsamé führte. Dieser hatte beim Restart im Wankdorf gegen den FCZ beim siegbringenden 3:2 seinen ersten Kopfballtreffer der Saison erzielt und traf nun erneut mit dem Schädel. Die Szenen erinnerten vor allem aber auch an die 3. Runde der Saison, als der FCZ wegen zu hektischem Gebaren in Überzahl 1:2 verlor. Das Game Winning Goal erzielte Pajtim Kasami, weil Benjamin Kololli bei einem Eckball von Anto Grgic als vorderster Mann hektisch und alibimässig zum Ball hochsprang, obwohl er diesen gar nicht erreichen konnte. Der hinter ihm postierte Kramer, welcher zuvor in dieser Partie am nahen Pfosten jeden Cornerball weggeköpfelt hatte, wurde dadurch irritiert und so konnte Kasami erben. Das 0:3 gegen YB war identisch – wieder Kololli, der als vorderer Mann beim Eckball von Sulejmani zu einem Ball hochspringt, den er gar nicht erreichen kann – wieder wird der hinter ihm für den Raum rund um Jean-Pierre Nsamé verantwortliche Blaz Kramer dadurch irritiert und der Berner Stürmer kann völlig frei einköpfen. Der Kreis in dieser Saison schliesst sich – im negativen Sinne.

Im Züri Live Videopodcast der 3. Runde 2019/20: der Ausschnitt zu den Gründen der Niederlage in Sion mit dem Game Winning Goal Kasamis mit dem identischen Fehler von Benjamin Kololli wie jetzt wieder gegen YB im Zentrum der Diskussion.

Zuvor war bereits in der 30. Minute dasselbe Problem aufgetreten. Da war es Simon Sohm gewesen, der bei einem gegnerischen Eckball alibimässig hochsprang und damit den hinter ihm stehenden Hekuran Kryeziu irritierte. Das hätte man allenfalls in der Pause ansprechen und somit wohl den Gegentreffer zum 0:3 kurz nach der Pause verhindern können. Der dritte Fall war ein Eckball in der 75. Minute, als wiederum Benjamin Kololli alibimässig hochsprang und erneut Kramer hinter ihm dadurch nicht eingriff – Marvin Spielmann kam völlig frei zum Kopfball, brachte diesen aber nicht im Tor unter. Drei Mal der gleiche Fehler im selben Spiel, nachdem man dieses Problem seit Anfang Saison eigentlich abgestellt hatte! Man war irgendwie halt doch nicht so fokussiert, wie sonst. Stephan Seiler kam gegen YB zu seinem Startelfdébut und dieses ging fast komplett schief. Neben vereinzelten Situationen, wo seine Qualität in der Balleroberung aufblitzte, wies der 19-jährige eine enorm hohe Fehlerquote auf und hatte null Zugriff auf Meschack Elia. Auch unter Berücksichtigung des guten Formstandes des Kongolesen war das klar zu wenig. Und es ist nicht so, dass die Rechtsverteidigerposition für Seiler völlig ungewohnt war. Gerade in Testpartien mit der Ersten Mannschaft hatte Seiler diese Rolle schon häufig bekleidet.

FC Zürich – Young Boys 0:5 (0:2)
Tore: 33. Sulejmani (Nsamé) 0:1, 42. Nsamé (Elia) 0:2; 48. Nsamé (Sulejmani) 0:3, 59. Nsamé (Penalty, Nsamé) 0:4, 73. Spielmann (Moumi) 0:5.
FCZ – Brecher; Seiler (46. Bangura), Omeragic, Sauter, Kempter (75. Britto); Winter, H. Kryeziu, Sohm, Schönbächler (46. Koide); Marchesano (18. Kramer), Kololli (85. N. Reichmuth).
YB – Von Ballmoos; Janko, Camara (67. Bürgy), Zesiger, Lefort (59. Lotomba); Sulejmani (59. Gaudino), Aebischer, Sierro, Fassnacht (59. Moumi); Nsamé, Elia (67. Spielmann).

(Standbilder: Teleclub)

Eckbälle fast wie Penaltys: FCZ – Servette Analyse

Drei Corner = ein Penalty war jeweils die Regel auf dem Pausenplatz. Dabei war allen klar, dass in einem richtigen Wettkampf ein Penalty deutlich mehr wert ist, als drei Corner. Der FCZ scheint zur Zeit das Gegenteil beweisen zu wollen. In den fünf Partien seit dem Restart hat man vier Mal einen Treffer auf einen Eckball erzielt, drei Mal davon war es der erste Eckball! Das ergibt beim ersten Eckball aktuell eine Torwahrscheinlichkeit von 60%, was nahe an einem Penalty (76%) ist. Und wir reden hier von einer Mannschaft, die über viele Jahre bei Offensivstandards chronisch schlecht war. Diese Effizienz bei Standards ist aber auch notwendig, denn sie übertüncht, dass der FCZ in den fünf Partien mit Ausnahme des St. Gallen-Spiels jeweils weniger gute Chancen als der Gegner herausgespielt hat. Das Magnin-Team ist schon während der ganzen Saison das beste Konterteam der Liga gewesen (und bei Kontern ist die Effizienz im Abschluss meist relativ hoch) – jetzt sind als zweite „Waffe“ die Standards dazugekommen. Ausserdem hat man neu mit Michael Kempter einen Mann auf Links, dessen Vorstösse und Hereingaben für jeden Gegner schwierig zu verteidigen sind.

Toni Domgjoni zieht Timothé Cognat von der Zone an der Strafraumgrenze weg. Kololli-Bewacher Kastriot Imeri fällt die falsche Entscheidung und wählt den Weg innenherum, anstatt seinen Gegenspieler zu verfolgen.

Den ersten Eckball gegen Servette tritt für den Gegner überraschend nicht Benjamin Kololli, sondern Marco Schönbächler. Servette verteidigt in Manndeckung und da sind die Zuteilungen vor Spielbeginn gemacht. Die besten Leute decken den Zürcher Mittelstürmer und die Innenverteidiger. Auch Antonio Marchesano hat nach seinem Kopfballtor gegen Lugano mit Boris Cespedes einen bissigen Gegenspieler zugeteilt erhalten. Der schlechteste Eckballverteidiger, Kastriot Imeri, wäre dem auf erste Bälle ziemlich ungefährlichen Schönbächler zugeteilt gewesen, übernimmt nun aber natürlich automatisch Benjamin Kololli. Der FCZ räumt den Raum an der Strafraumgrenze, wo Kololli zum Abschluss kommen soll, frei, indem sich erstens Toni Domgjoni zum kurz gespielten Corner anbietet und somit den normalerweise den Raum an der Strafraumgrenze abdeckenden Timothé Cognat wegzieht, und zweitens die restlichen Spieler alle Richtung Tor laufen und somit ihre Gegenspieler „mitziehen“. Mit der guten Ausführung dieses Plans wird Kololli der freie Abschluss aus rund 14 Metern ermöglicht. Dass Kololli dann aber nach seinem ersten geblockten Schuss noch eine zweite und entscheidende Schusschance erhält, hat auch stark mit dem Verhalten seines Gegenspielers Imeri zu tun.

Der Ball und Kololli sind unterwegs, während Imeri in seinem Lauf innenherum vom Päärchen Sauthier / Kempter ein erstes Mal gebremst wird.

Anstatt Kololli zu verfolgen, wählte Imeri den Weg innenherum, weil er wohl damit rechnete, dass sein Gegenspieler Richtung Ersten Pfosten laufen und dort einköpfen wolle. Natürlich verlor Imeri Kololli so völlig ausser Kontrolle und blieb wegen der Bewegungen der anderen Zürcher Spieler unterwegs auch noch nacheinander an den beiden „Päärchen“ Sauthier / Kempter und Routis / Nathan hängen, und war somit selbst beim Nachschuss Kolollis nirgendwo auch nur annähernd in dessen Nähe.

Imeri bleibt beim zweiten Päärchen (Routis / Nathan) hängen, während Kololli zum Schuss kommt. Der freie Mann Maccoppi und Omeragic-Bewacher Ondoua können ihn nicht mehr daran hindern.

Die Szene illustriert sehr schön, warum Servette-Trainer Alain Geiger so zurückhaltend mit dem Einsatz von Kastriot Imeri und anderer Genfer Talente ist. Die Servette-Talentschmiede ist eine der produktivsten des Landes. Die Talente erhalten bei Geiger im Vergleich zu Klubs wie FCZ, FCB, Luzern oder St. Gallen aber kaum Einsatzchancen. Der Auftritt im Letzigrund war erst Imeris zweiter Saisoneinsatz in der Startformation! Dabei gilt der mittlerweile bereits 20-jährige als einer der talentiertesten Mittelfeldspieler der Schweiz und war letzte Saison Captain der U19-Nationalmannschaft. Abgesehen von Imeri gibt es gerade mal noch zwei Talente im aktuellen Kader, die bis zum FCZ-Spiel schon mal auf den Platz durften: Nicolas Vouilloz (19, bis dahin mickrige 134 Minuten) und Ricardo Alves (18, 78 Minuten). Beide kamen im Letzigrund zum Einsatz – und dazu auch noch Alexis Martial (19) zu seinem vierminütigen Début. Für Geiger-Verhältnisse war das aussergewöhnlich.

Servette lebt in dieser Saison von seiner Solidarität, Eingespieltheit und reifen Spielweise. Genau das Gegenteil von dem, was ein Grossteil der Genfer Talente verkörpern. Luzerner Eigengewächse machen auch Fehler bei ihren ersten Einsätzen, sind aber grundsätzlich bereit, schnell zu lernen und für die Mannschaft zu arbeiten. Der FCZ-Nachwuchs liegt im Schnitt bezüglich Mentalität irgendwo in der Mitte zwischen „Genf“ und „Luzern“. Dass Geiger nun auch mal Imeri für Stevanovic aufstellt, ist sicherlich grundsätzlich dem intensivierten Spielrhythmus zuzuschreiben. Aber warum ausgerechnet in Zürich? Und warum wechselt Geiger in der Zweiten Halbzeit nicht Imeri, sondern Cognat aus, worauf der Franzose ziemlich perplex und aufgebracht reagierte? Möglich, dass es ausgesprochen oder unausgesprochen gegen den FCZ bei Servette intern einen erhöhten Druck gibt, Talente aufs Feld zu schicken. Schliesslich steht auf der anderen Seite ein Becir Omeragic in der Startformation. Eines der grössten Servette-Talente der letzten Jahre, das man genau aus dem Grund an den FCZ verloren hat, weil in Zürich die Einsatzchancen speziell unter Trainer Ludo Magnin viel grösser sind.

Davor waren aus dem gleichen Grund auch schon andere Genfer Talente wie Maxime Dominguez, Yasin Maouche, Guillaume Furrer oder Kilian Pagliuca (letzterer nicht direkt) in die Limmatstadt gewechselt. Im Gegensatz zu Omeragic haben sich die erwähnten Genfer Talente in Zürich nicht durchgesetzt. Jedes Mal hatte dies mit fehlender Reife auf und teilweise auch neben dem Platz zu tun. Alain Geigers Weigerung auf Spieler wie Imeri zu setzen, so lange sie nicht reif genug auf dem Platz agieren, ist einerseits nachvollziehbar. An oberster Stelle stehen die Resultate und die Reetablierung Servettes in der Super League. Andererseits gehen mit jeder Saison, in welcher in Genf die Talente kaum zum Einsatz kommen, weitere Espoirs frühzeitig weg aus der Calvinstadt, darunter auch wirklich vielversprechende wie Lungoyi, Jankewitz oder eben Omeragic.

Auch gegen Servette zeigte sich einmal mehr, dass der FCZ als beste Kontermannschaft der Liga am erfolgreichsten spielt, wenn er wenig Ballbesitz hat (40%). Und dass diese Spielweise mit Dreierabwehr besser funktionieren könnte, als mit Viererabwehr, deutete sich nicht erst seit dem Auswärtsspiel in Thun hat. Servette hatte in der Ersten Halbzeit Mühe, sich auf das veränderte Zürcher System einzustellen. Die Partie konzentrierte sich stark im Zentrum des Letzigrundrasens. Aus Zürcher Sicht, weil man dort eine natürliche Überzahl hatte, aus Servette-Sicht, weil mit Imeri und Cognat zwei Zentrumsspieler die Aussenbahnen belegten, die es immer wieder nach innen zog. Die Partie war zudem ein Vorgeschmack auf das, was in den nächsten Wochen bis zum Saisonende noch folgen wird: ein Abnützungskampf. Immer wieder gab es Unterbrechungen aufgrund von Ermüdungserscheinungen oder Fouls, die eher eine Folge von ermüdungsbedingten Konzentrationsmängeln als bewusster Verteidigungstaktik waren. Es wird unter diesen Umständen noch wichtiger als sonst schon, jeweils das erste Tor zu erzielen.

Benjamin Kololli spielte fast eine Stunde lang wieder ausgezeichnet, baute dann aber die letzten 20 Minuten seines Einsatzes stark ab. Toni Domgjoni und Marco Schönbächler zeigten eine Steigerung. Hekuran Kryeziu blüht wie in der Vergangenheit schon einige Male angedeutet auf der Zentralen Verteidigungsposition auf, wo er sich gegen Servette fast ausschliesslich auf die Verteidigungsarbeit und das Zusammenhalten der Defensive konzentrierte – eine Rolle, die ihn im Kopf freier und auf dem Platz effektiver auftreten lässt. Gegen das nun durch Feuerwehrmann Stéphane Henchoz angeheizte Xamax muss der FCZ aber wieder über eine längere Zeitdauer des Spiels seine PS auf den Platz bringen. Seine Torchancen im Wesentlichen auf die zehn Minuten zwischen der 50. und 60. Minute zu fokussieren, wie dies gegen Servette der Fall war, reicht im Normalfall nicht zum Sieg. Kempter und vor allem Nathan haben viel Energie in die ersten Spiele des Restarts gesteckt und würden wohl bald mal ein Spiel Pause benötigen. Allerdings ist Pa Modou in Neuenburg bereits wieder gesperrt, womit Kempter nochmals auflaufen wird. Omeragic musste zudem gegen Servette erneut angeschlagen ausgewechselt werden. Es wird also nicht einfacher für Ludo Magnin. Für die anderen Trainer gilt aber dasselbe.

FC Zürich – Servette 2:0 (1:0)
Tore: 19. Kololli (Schönbächler) 1:0; 50. Rüegg (Kempter) 2:0.
FCZ – Brecher; Nathan, H. Kryeziu, Omeragic (81. M. Kryeziu); Rüegg, Domgjoni, Kempter (71. Pa Modou); Marchesano (74. Seiler), Schönbächler (46. Sohm); Kololli (81. Winter), Kramer.
Servette – Kiassumbua; Sauthier, Rouiller, Routis, Vouilloz (69. Alves); Imeri, Ondoua (86. Martial), Maccoppi (46. Schalk), Cognat (69. Cespedes); Koné, Tasar (60. Stevanovic).

(Standbilder: Teleclub)


Warum der FCZ in zehn Minuten drei Gegentore kassiert. Das Spiel Thun – FCZ (3:2) in der Analyse.

Kommt eine Mannschaft nicht ins Spiel, wie der FCZ in Thun, dann sind die Erklärungen in der Live-Berichterstattung schnell zur Hand: „Sie sind nicht wach“, „Es fehlt der Biss“, „Mit den Gedanken irgendwo anders“. Die Züri Live-Übertragungen sind da keine Ausnahme. Da keiner von uns Lucien Favre heisst, erkennen wir manchmal nicht auf den ersten Blick, was tatsächlich falsch läuft. Dazu ist dann die ausführliche Match-Analyse da, für die wir uns nach jedem Spiel die nötige Zeit nehmen. Diese fördert immer interessante Aspekte zutage: manchmal sind es Details, manchmal stellt sie die LIve-Einschätzung des Spiels aber auch so ziemlich auf den Kopf.

Dass der FC Thun in den ersten 20 Minuten scheinbar mühelos gleich mit 3:0 in Führung gehen konnte, hatte zu grossen Teilen taktische Gründe, wobei „Taktik“ nicht nur die entsprechenden Vorgaben, sondern auch deren Umsetzung auf dem Platz beinhaltet. In der 29. Minute reagierte der FCZ und stellte seine ursprüngliche Taktik um. Ab da bekam man die Partie sofort deutlich besser in den Griff. Schon zwei Minuten später führte dies zum ersten Eckball, ersten Torschuss und Tor zum 1:3. Was war also das Problem der ersten 28 Minuten?

Dafür muss man erstmal etwas Ausholen: Kompakt stehen und dem Gegner wenig Raum zum Spielaufbau geben ist schon seit Jahrzehnten das A und O des modernen Defensivfussballs. Gewisse Abweichungen davon gibt es seit ein paar Jahren mit dem ultraschnellen Umschaltfussball à la St. Gallen und dessen Vorbildern, bei welchem die Reihen automatisch weiter auseinanderrücken, als dies in Partien mit Beteiligung von anderen Teams der Fall ist. Diese grösseren Räume kommen speziell dem FCZ und dessen Qualitäten entgegen, was mit ein Grund ist, warum das Magnin-Team zur Zeit gegen St. Gallen so viele positive Resultate liefert. Unabhängig davon, ob man das Pressing hoch, im Mittelfeld oder tief ansetzt, und ob man schnell in die Offensive umschaltet oder nicht (wie schnell man in die Defensive umschalten muss, hängt im Wesentlichen vom Gegner ab), ist schon seit langer Zeit das Essenzielle jeder Defensivarbeit, den jeweils ballführenden Gegner mit unterschiedlichen Mitteln so unter Druck zu setzen, dass dieser keine gefährlichen Pässe spielen kann, eben, zu „pressen“. Freies Spiel lassen kann man gegnerischen Verteidigern und dem Torhüter höchstens in einer Zone, in welcher unmittelbar gefährliche Pässe in die Tiefe, auf welche die eigenen Verteidiger allenfalls nicht mehr schnell genug reagieren können, nicht möglich oder zumindest sehr unwahrscheinlich sind.

„Die Verteidigung beginnt vorne“ ist nicht nur ein Spruch. Qualitätsunterschiede zwischen der Verteidigungsarbeit der Stürmer sind heutzutage in einer Liga beispielsweise im Vergleich der Mittelfeldteams häufig wegweisender für die defensive Stabilität, als die meist etwa ähnlich guten Verteidigungsreihen. Der FCZ hatte hier lange ein grosses Problem. Kaum ein anderes Team der Liga hatte so schwach verteidigende Vorderleute wie Kramer, Ceesay, Mahi, Kololli, Schönbächler oder Marchesano. Nun ist der FC Zürich auch heute in dieser Kategorie noch nicht top, es ist aber in dieser Saison eine klare Verbesserung festzustellen – angeführt vom sich enorm entwickelnden Antonio Marchesano, welcher das Pressing im 4-4-2 vorne (abgesehen von ein, zwei Momenten pro Spiel) mittlerweile sehr gut steuert. Marchesano sorgt dafür, dass der Zweierblock gut funktioniert, wobei es da je nach Partner noch Unterschiede gibt. Blaz Kramer hat sich zwar auch etwas entwickelt, nimmt sich aber immer noch zu viele defensive Auszeiten. Marchesanos Copain aus Bieler Zeiten Benjamin Kololli erweist sich hingegen speziell seit der Corona-Pause wie ein umgekehrter Handschuh.

Foto: Moritz Wolf

In Thun hatte der FCZ in der ersten halben Stunde nun in der vorderen Reihe zwei entscheidende Probleme. Erstens: Marchesano war abwesend. Die Personaldecke speziell in den vorderen Reihen ist zur Zeit dünn. So kam Adrian Winter im offensiven Zentrum neben Benjamin Kololli zu seinem Startelf-Comeback ausgerechnet in dem Stadion, wo er sich vor mehr als einem Jahr seinen Kreuzbandriss zugezogen hatte. Winter vorne zentral einzusetzen, ist grundsätzlich ein logischer Schritt, denn die auf dem Flügel so entscheidende Antrittsschnelligkeit hat er altersbedingt auf Super League-Niveau nicht mehr in entscheidendem Masse. Im Offensivzentrum für Unberechenbarkeit sorgen, ist hingegen eine Rolle, die ihm auch als Charakter liegt und in der er der Mannschaft immer noch helfen kann, wie dies die Tessiner TV-Kommentatoren Cerone / Tarchini (Ex-FCZ) zuletzt richtigerweise bemerkt haben.

Zweitens wurde gegen den FC Thun von der bisherigen standardmässigen Verteidigungsformation des flachen 4-4-2 leicht, aber entscheidend abgewichen. Thun spielt wie der FC St. Gallen mit einer Raute im Mittelfeld, dies aber mit mehr Präzision / langsamerem Umschalten. In diesem Zusammenhang wurde offenbar vom FCZ der auf der Sechserposition spielende Thun-Captain Leonardo Bertone als entscheidende Relais-Station im Spielaufbau ausgemacht. Adrian Winter und Benjamin Kololli standen daher nicht auf der gleichen Höhe, um auf der ganzen Breite des Spielfeldes Störarbeit verrichten zu können, sondern einer von beiden nahm jeweils auf der 10er-Position Bertone in Deckung und diesen somit aus dem Spiel. Dies bedeutete für den jeweils Anderen (in der Regel Kololli) lange Laufwege, ohne die beiden Innenverteidiger Stillhart und Havenaar wirklich entscheidend beim Spielaufbau behindern zu können. Der Gedankengang aus FCZ-Sicht lässt sich nachvollziehen. Bertone gilt als einer der Liga-Spezialisten für lange Bälle auf der Sechserposition, während die Innenverteidiger Stillhart und Havenaar nicht den gleichen Ruf geniessen. Allerdings: beide haben sich in letzter Zeit in spielerischer Hinsicht klar verbessert und Stillhart, welcher durchaus das Potential hat, zumindest teilweise in die grossen Fussstapfen des zurückgetretenen Thuner Captains Dennis Hediger zu treten, gelang zudem just gegen den FCZ eine der besten Halbzeiten seiner bisherigen Karriere. Aus diesem Grund ging die Rechnung des FCZ trotz Unterzahl in der vordersten Pressing-Reihe gleichzeitig mit der Viererabwehr relativ hoch stehen zu können, nicht auf.

Nikki Havenaar kann ungehindert mit Ball in die Zürcher Hälfte vordringen und hat mit Aussenverteidiger Sven Joss und dem Achter Matteo Tosetti zwei Anspielstationen in kurzer Passdistanz, um einen gefährlichen Angriff über die rechte Seite zu lancieren.

Den Schuss vor den Bug bezüglich der taktischen Marschroute gab es für den FCZ in der 6. Minute. Weil Winter strikt bei Bertone blieb, musste der fleissige Kololli einen sehr langen Weg gehen und konnte Havenaar nicht hindern, mit Ball am Fuss mehr als fünf Meter in die Zürcher Hälfte vorzudringen (siehe Standbild oben). Dies brachte aufgrund der nun kurzen Passwege des Gegners die kompakt im Raum stehenden beiden Zürcher Viererreihen in Verlegenheit und verschärfte zwei zusätzliche Probleme. Einerseits das geschickte sequentielle Positionsspiel Thuns, in welchem die „Achter“ Tosetti und Hasler in der Angriffszone auf den Flügel ausweichen und dann beim Zurücklaufen den gegnerischen Aussenverteidiger Richtung Mitte mitziehen, um dem eigenen Aussenverteidiger Raum nach vorne zu verschaffen. Andererseits die in Thun nach längerer Zeit wieder aufgetretenen Probleme einer hoch stehenden Zürcher Viererabwehrkette mit der Offsidefalle. Das Duo Mirlind Kryeziu / Kempter stand mehrmals deutlich höher als auf rechts Nathan / Britto.

Die Szene endete mit einer gefährlichen scharfen Hereingabe von Joss von der rechten Seite, die Brecher knapp vor Hassane Bandé am nahen Pfosten wegfausten konnte. Die Zürcher Forwards lernten daraus: über Havenaar kann Thun gefährliche Vorstösse lancieren. Fünf Minuten später lief Adi Winter daher den ballführenden Basil Stillhart von der Mitte an, um den Pass zu Havenaar zu verhindern oder zumindest zu erschweren – und gleichzeitig machte sich sogar Kololli noch zusätzlich für den Fall eines Querpasses auf den Weg Richtung Havenaar und liess dafür sogar Bertone vorläufig stehen (siehe Standbild unten).

Adrian Winter läuft Basil Stillhart von der Mitte aus an, um den Querpass auf Nikki Havenaar zu erschweren. Stillhart nutzt den Raum und Platz, um den Angriff über links selbst zu lancieren.

Stillharts Reaktion darauf ist logisch: er macht rechtsumkehrt, nutzt den sich durch die Fokussierung der Zürcher auf Havenaar bietenden Raum selbst und spielt unbedrängt auf seiner Seite einen Traumpass in die Tiefe für Nias Hefti. Der Ball driftet dabei auf seiner Bahn auf dem Thuner Kunstrasen stabil und präzise wie eine Bowlingkugel in den Lauf des offensiven linken Aussenverteidigers. Rapp verwertet dessen ideale Hereingabe zum Thuner 1:0.

Ein Bild des Grauens: Winter und Kololli kriegen vorne in Unterzahl keinen Zugriff auf die Angriffsauslösung, Britto lässt sich von Hasler zu stark nach innen ziehen, Mirlind Kryeziu und Kempter stehen zu weit vorne, um gegen Rapp und allenfalls Bandé noch effektiv eingreifen zu können.

Man kann in der ganzen Szene Willie Britto nicht zum Vorwurf machen, dass er sich in der Nähe von Nicolas Hasler aufhält und nach innen ziehen lässt, aber er müsste aufgrund der Angriffsauslösung auf seiner Seite sich mindestens zwei bis drei Meter weiter nach rechts begeben, um die Distanz zur Aussenbahn nicht zu gross werden zu lassen. Wohlgemerkt: Thun macht es in dieser Situation richtig gut. Die Spielsituation ändert sich enorm schnell. Zu behaupten, Britto würde „schlafen“, wäre ungerechtfertigt. Er ist durchaus aufmerksam und bemerkt Heftis Lauf nur eine Zehntelssekunde nach obigem Standbild. Das Problem des Ivorers wie auch einiger anderer Zürcher Spieler in ähnlichen Situationen ist aber: er ist noch am „bouncen“. Der trabende, leicht hüpfende Schritt hilft Energie und Kräfte sparen, ist aber komplett ungeeignet, wenn Gefahr im Verzug ist, und verhindert die notwendige ultraschnelle Richtungsänderung. Da muss man stattdessen „auf den Zehenspitzen stehen“.

Stillhart leitet mit ähnlichen weiten Bällen auch das zweite und das dritte Tor ein, wobei er bei letzterem den Ball tief aus der eigenen Hälfte in Bedrängnis durch Kololli mit dem linken Fuss spielt – sein Meisterstück. An diesem Abend schien dem Ostschweizer bis zu seinem Ausschluss alles zu gelingen. In der 29. Minute dann die taktische Änderung des FCZ auf eine Dreierkette, die das Spiel veränderte. Man wollte dabei weiterhin Bertone aus dem Spiel nehmen und stellte daher auf ein 3-4-1-2 um. Nun waren die Zürcher vorne im Dreieck des Thuner Spielaufbaus zwischen Havenaar, Stillhart und Bertone nicht mehr die ewig zu spät kommenden Unterzahlspieler. Der linke (Mirlind Kryeziu) und rechte Innenverteidiger (Willie Britto) vermochten zudem sowohl das Mittelfeld gegen die beiden Thuner Achter Tosetti und Hasler, als auch die Aussenspieler besser zu unterstützen. Vorne führte die Präsenz des zentralen Offensivtrios Kololli – Schönbächler – Winter sofort zum ersten Corner und Tor. In der Zweiten Halbzeit rückte Hekuran Kryeziu zurück auf die mittlere Position der Dreierabwehrkette, was für ihn durchaus eine Position mit Zukunft sein könnte.

Sieht viel besser aus! Durch das Pressing im 3-4-1-2 wird der Thuner Spielaufbau empfindlich gestört.

Leider griff das 3-4-1-2 Pressing auch nicht immer ganz reibungslos, dies aber nicht aus taktischen, sondern aus personellen Gründen – Marco Schönbächler erwischte nach einigen guten Leistungen in Thun einen schlechten Tag. Ganz anders Benjamin Kololli, dem trotz Niederlage möglicherweise gar seine bisher beste Leistung im FCZ-Dress gelang. Zu seiner allgemeinen Aufwärtstendenz nach der Coronapause (bisher in jedem Einsatz ein Tor und ein Assist, wichtige Rolle in der Sturmspitze, deutlich verbesserte Defensivleistung) kam die Erholungspause gegen Lugano und der Fakt hinzu, dass die Berner Oberländer sein klarer Lieblingsgegner zu sein scheinen – bei bisher schon sieben Treffern und zwei Assists in elf Begegnungen.

Mirlind Kryeziu gelang in der Stockhorn Arena per Kopf endlich sein erstes Super League-Tor. Auch dies hatte seine Vorgeschichte in den Testspielen, wo er in Schaffhausen ein identisches Tor nach Corner Kolollis von rechts erzielt hatte – ebenfalls via Lattenunterkante. Nathan und Kempter spielten in Thun zwar immer noch solide, aber nicht mehr so zwingend, wie noch in den Partien davor. Rüegg und Winter zeigten grosses Kämpferherz, begingen aber auch viele Fehler. Willie Britto fühlte sich in der Viertelstunde vor der Pause in der Dreierabwehr deutlich wohler als zuvor und war für wichtige Spielauslösungen über rechts zuständig, die über Standards zu den beiden Anschlusstreffern führten. Die Erste Halbzeit bestätigte die aktuell hohe Effizienz und Standardstärke des Letzigrund-Clubs. In der Zweiten Halbzeit war die Mentalität der Mannschaft stark und man spielte deutlich besser, als in vielen Überzahlsituationen der gleichen Saison. Dass man in extremer Weise aufs Tempo drückte und den Gegner kaum noch verschnaufen liess, war richtig, aber es fehlte ein Quäntchen mehr Ruhe und Geduld zwischendurch. Auf jeden Fall bleibt wie schon in den vorangegangenen Partien die halbe Stunde nach der Pause die beste Phase im Zürcher Spiel. Der Energiehaushalt ist auf diese Phase ausgerichtet, während beispielsweise ein Team wie St. Gallen die Entscheidung in der Regel bereits in den ersten 30 Minuten der Partie sucht – und danach abbaut.

Vor der Pause hatte der FCZ etwas Glück, dass Ref Tschudi nach einem Tackling von Basil Stillhart gegen den ballführenden Benjamin Kololli auf Freistoss und Gelb entschied. Das hätten nicht alle Schiedsrichter so gesehen. Der anschliessende Penaltyentscheid und die zweite Gelbe Karte gegen Stillhart war dann aber korrekt. Bei einem leichten Halten von Kempter gegen Bandé und auf der anderen Seite einem unabsichtlichen Ellbogenschlag von Havenaar gegen Kololli im Strafraum war es zudem jeweils nachvollziehbar, dass nicht auf Penalty entschieden wurde.

Thun – FC Zürich 3:2 (3:2)
Tore: 11. Rapp (Hefti) 1:0, 14. Tosetti (Hefti) 2:0, 21. Karlen (Stillhart) 3:0, 31. M. Kryeziu (Kololli) 3:1, 45+5 Kololli (Penalty, Nathan) 3:2.
Thun – Faivre; Joss, Havenaar, Stillhart, Hefti; Bertone; Tosetti (46. Sutter), Hasler; Karlen; Bandé (61. Fatkic), Rapp.
FCZ – Brecher; Britto (46. Domgjoni), Nathan, M. Kryeziu, Kempter (81. Pa Modou); H. Kryeziu, Janjicic (46. Sohm); Rüegg, Winter, Schönbächler (72. Koide); Kololli.

(Standbilder: Teleclub)

Emblematisches Duell Rüegg vs. Yao: FCZ – Lugano Analyse

Am Wochenende hatte St. Gallen eine halbe Stunde lang gegen den FCZ das Spiel so dominiert gehabt, dass sich manche fragten, wie die Ostschweizer diese Partie verlieren konnten. Am Ende verzeichnete der FCZ aber ein klares Chancenplus und aus dieser Warte war der Auswärtssieg logisch. Analog erlebten die Zuschauer im Letzigrund eine intensive Zürcher Druckphase in der halben Stunde nach der Pause, welche den FCZ am Ende als logischen 1:0-Sieger erscheinen liess. Nur: gemäss Expected Goals-Statistik hatte Lugano in dieser Partie insgesamt die besseren Torchancen gehabt. Der FCZ konnte zwar doppelt so viele Abschlusschancen zu verzeichnen, wie in St. Gallen, als man 4:0 gewann, aber die Chancen waren in der Summe viel weniger vielversprechend. Nun fliessen im Ansatz hervorragende Möglichkeiten, die nicht zu einem Abschluss führen (wie beispielsweise die Szene, in welcher Lugano-Keeper Baumann den Ball fallen lässt) nicht in die Expected Goals-Statistik ein. Ebensowenig „Fahrradkette“-Diskussionen wie „hätte er doch Schönbi angespielt, der war links ganz frei“. Substanziell ändert dies aber nichts am Befund.

Die 0:4-Heimniederlage im Letzigrund gegen den gleichen Gegner zum Saisonauftakt lief in vielerlei Hinsicht ähnlich. Nur traf damals Aratore mit einem Sonntagsschuss ins Netz und diesmal Sabbatini nur die Latte. Der FCZ erzielte zudem auf einen Standard das erste Tor, während damals Lugano in grosser Hitze von einem geschenkten Penalty zum 0:1 profitierte. Gravierende Fehler im Zürcher Spiel gab es auch diesmal. So leitete beispielsweise Kevin Rüegg mit einem Fehlpass in der 28. Minute die Szene zum Pfostenschuss von Eloge Yao ein. Bei diesem machte sich Yanick Brecher im Eins gegen Eins nicht wirklich breit und hatte Glück, dass Yao durch die entstehende Lücke nicht das Tor traf. In der 77. Minute war Yanick Brecher gegen Yao ein zweites Mal bereits geschlagen, aber diesmal rettete an Stelle des Pfostens Becir Omeragic vor der Linie (Michael Kempter wäre dahinter ebenfalls noch bereitgestanden). Auch in dieser Szene hatten beim FCZ unverständlicherweise Sohm, Janjicic und allen voran Rüegg „geschlafen“, als Lavanchy mit einem Bogenball von Lovric gefährlich hinter die Abwehr angespielt worden war.

Rüegg, Janjicic und Sohm schalten ab, während Lavanchy einen Ball quer durch den Fünfmeterraum spielt

Omeragic musste nach der Kopfballabwehr angeschlagen ausgewechselt werden. Zuvor hatte bei einem Freistoss Tosin einen schärferen und aus kürzerer Distanz geschossenen Ball von Gerndt in der Mauer mit der Stirn geblockt. Kevin Rüegg ist aktuell der Spieler mit den grössten Leistungsschwankungen innerhalb eines Spiels. Er setzte gleich zu Beginn mit seinem Engagement und Kampfgeist wichtige Zeichen. In der Rückwärtsbewegung konnte er hingegen immer wieder froh sein, dass Nathan ihm in vielen Situationen tatkräftig zur Seite stand. Das Duell Rüegg gegen Yao war emblematisch für die Partie. In der Ersten Halbzeit standen die Lugano-Aussenspieler, speziell Yao, sehr hoch, und banden Rüegg und Kempter etwas zurück. In der Zweiten Halbzeit war es dann eher umgekehrt. Luganos situativ ständig zwischen 3-5-2 und 4-4-2 hin- und herwechselnde Formation vermochte im zweiten Durchgang die Räume nicht mehr so konsequent zu schliessen, auch weil beim FCZ in der ganzen Mannschaft mehr Bewegung im Spiel war.

Das Duell Rüegg gegen Yao war emblematisch für die Partie

Wie schon in Bern und St. Gallen ersichtlich, hat der FCZ die Corona-Pause ganz offensichtlich genutzt, um das Pressing zu verbessern und die Gegenstrategien gegen die stärksten Waffen der Ligagegner zu verfeinern. Ein Beispiel dafür war das Verhalten der Innenverteidiger Omeragic und Nathan in der Angriffsauslösung Luganos. Die beiden Stürmer Gerndt und Janga beteiligten sich nicht am kompakten Defensivblock der Tessiner und warteten an der Mittellinie auf Gegenstossmöglichkeiten. Der FCZ nahm dabei das potentielle Risiko eines zwei gegen zwei auf sich. Omeragic und Nathan antizipierten Luganos Konterauslösungen speziell über den Schlüsselspieler Gerndt gut und folgten in diesen Situationen den beiden Stürmern in enger Manndeckung, um zu verhindern, dass diese sich drehen und einen entscheidenden Steilpass oder Seitenwechsel spielen konnten.

Zu den Zürcher Offensivwaffen gehören nach der Corona-Pause neuerdings die Standards. Nachdem der FCZ jahrelang bei den „Set pieces“ so gut wie nichts zustande gebracht hatte, erzielte man nun schon zum dritten Mal in Folge ein Standardtor. Marco Schönbächler, der für den gesperrten Benjamin Kololli fast alle Stehenden Bälle trat, brauchte bei Eckbällen neun Versuche, aber einer davon, der spielentscheidende, kam ideal auf den Kopf von Marchesano, nachdem die Haupttribüne mit „Schönbi! Schönbi!“-Rufen just vor diesem Corner den Zürcher Flügelspieler aufgemuntert hatte. Es war das erste Tor gegen Lugano nach mehr als zehn Stunden Spielzeit. Ein weiterer Trumpf ist aktuell Michael Kempter, welcher sich gegen Lugano im Vergleich zum St. Gallen-Spiel noch weit häufiger offensiv einschalten konnte und zur Zeit einfach „funktioniert“.

Am anderen Ende der Skala befindet sich unter anderem Blaz Kramer, welcher in allen Rückrundenspielen eine ungenügende Züri Live-Note erhalten hat. Mit seinen vielen Ballverlusten und verlorenen Zweikämpfen, gerade auch in der Luft, ist er eher eine Hypothek im Zürcher Aufbauspiel, und wenn der Slowene dann zusätzlich auch noch seine eine Topchance, die er pro Spiel bekommt, nicht nutzt, wird es schwierig. Tosin liess so viele Chancen ungenutzt wie noch nie. Ähnlich wie bei Rüegg war sein Auftritt gegen Lugano ein grosses Auf und Ab. Am Ende liess man den Nigerianer minutenlang hinkend weiterspielen, bevor es mit seinem Rechten Knie überhaupt nicht mehr weiter ging. In der 78. Minute kam der 19-jährige Henri Koide zu seinem Super League-Début. Die Einwechslung hätte schon in der 73. Minute erfolgen sollen, wurde dann aber durch Marchesanos Tor um fünf Minuten verschoben. Das Team insgesamt kommt auf einen Notenschnitt von 6.0, womit zum ersten Mal in dieser Saison in drei Spielen hintereinander „die Sechs steht“ (YB 6.1, FCSG 6.3).

78. Minute: Henri Koide kommt zu seinem Super League-Début

FC Zürich – Lugano 1:0 (0:0)
Tore: 73. Marchesano (Schönbächler) 1:0.
FCZ – Brecher; Rüegg, Nathan, Omeragic (78. M. Kryeziu), Kempter; Sohm (78. H. Kryeziu), Janjicic; Tosin (90.+2 Domgjoni), Marchesano (78. Koide), Schönbächler; Kramer (60. Winter).
Lugano – Baumann; Kecskes, Maric, Daprelà; Lavanchy, Selasi (78. Lungoyi), Yao (90. Jefferson); Lovric (90. Covilo), Sabbatini; Janga (78. Holender), Gerndt (67. Bottani).

(Bilder: Züri Live, RSI Standbild)


Saisonstatistik: FCZ schraubt Testspielskore auf 61

Rekordverdächtige 21 Testspiele hat der FCZ in der Saison 19/20 mittlerweile gespielt. Und damit beinahe gleich viele Freundschaftspartien, wie solche um Punkte in der Super League (23). Die Gegner bewegten sich dabei in einem weiten Feld von Borussia Dortmund und RB Leipzig bis Wettswil-Bonstetten. Gegen Vaduz, Wil und Halle wurde dabei je zwei Mal, gegen den letzten Gegner Schaffhausen (6:0) gar drei Mal gespielt. In der ersten Saisonhälfte waren die Testresultate ausgewogen – seit dem 14. Januar hat der Letzigrund-Club aber neun Testspielerfolge in Serie hingelegt. Zugegebenermassen ist dies im Hinblick auf die anstehenden Wettbewerbsspiele jeweils nicht aussagekräftig.

Zumindest werden Tore erzielt. In allen sechs „Corona-Testspielen“ landete der Ball vier bis sechs Mal im Netz des jeweiligen FCZ-Gegners. Zuletzt in Schaffhausen trafen mit Pa Modou Jagne (Foulpenalty), Nils Reichmuth und Mirlind Kryeziu gleich drei Spieler erstmals in der laufenden Saison in einer Testpartie. Für den 18-jährigen Reichmuth, der mit seinem beinahe zwei Jahre jüngeren Bruder Miguel in der U18 spielt, und zudem zum erweiterten U21-Kader gehört, war es das Jungferntor in der Ersten Mannschaft. Und Mirlind Kryeziu (1,98m) gelang seit langer Zeit wieder einmal ein Kopfballtor – genauso wie Antonio Marchesano (1,68m), welcher mit Kopfbällen in den letzten Jahren deutlich häufiger erfolgreich war. Bei beiden Treffern hatte Benjamin Kololli mit jeweils einem Standard seinen Rechten Fuss im Spiel. Der wie schon in Vaduz als Stürmer auflaufende Kosovarische Nationalspieler ermöglichte zudem bereits in der 17. Minute Marchesano das 1:0, als dieser dank dem guten Laufweg Kolollis nach einer Kempter-Flanke fast unbehelligt zum Abschluss kam. Das vierte Tor erzielte Kololli per Handspenalty gleich selbst. Zu einem ersten Teileinsatz in der Super League-Equipe kam dabei der von Ajax zurückgekehrte Filip Frei. Er war in der für ihn verkürzten Saison in Holland in der U19 unter dem ehemaligen Elftaal-Haudegen Johnny Heitinga der älteste Spieler gewesen und auf allen Aussenpositionen (rechts-links, vorne-hinten) eingesetzt worden.

Antonio Marchesano war im Spiel davor gegen Aarau (5:1) wie gegen Schaffhausen an zwei Toren beteiligt – genauso wie Adi Winter und Stephan Seiler mit seinen Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte. Seiler (19) hat in seinen ersten Einsätzen im „Eins“ unter anderem aufgrund von Absenzen auf den Aussenverteidigerpositionen ausgeholfen. Zuletzt wurde er nun aber immer auf seiner angestammten Position im Mittelfeld eingesetzt, wobei dies aktuell auch durch den Ausfall von Simon Sohm bedingt ist. Der klare Sieg des FCZ im Letzigrund gegen Aarau kam erst in der Schlussphase zustande. Die Aargauer stellten in der Zweiten Halbzeit ein Juniorenteam mit einem Durchschnittsalter von 18 Jahren auf den Platz, wenn man von den beiden Routiniers Jérôme Thiesson und Elsad Zverotic absieht. Der FCZ seinerseits hat in dieser Partie mit einem 3-4-3 wieder einmal ein System mit Dreierabwehr getestet, nachdem ein solches in Wettbewerbsspielen letztmals vor Jahresfrist in der Saisonschlussphase unter anderem bei den wichtigen Siegen gegen Sion, Xamax und Thun erfolgreich zum Einsatz gekommen war.

Im ersten Test in Vaduz war der in dieser Saison mit wiedergewonnener Spielfreude offensiv eine wichtige Rolle einnehmende Marco Schönbächler an vier der fünf Treffer direkt beteiligt gewesen (ein Tor, drei Assists). Insgesamt erzielte der FCZ in dieser „Testspielsaison“ 61 Treffer – umgerechnet 2,9 pro Spiel. Davon gingen zwölf auf das Konto von Benjamin Kololli, der in Tests häufig als Sturmspitze eingesetzt wurde. Blaz Kramer erzielte sieben Tore und ist gleichzeitig der erste Spieler seit Beginn der Aufzeichnung der Testsspielstatistiken durch Züri Live vor vier Jahren, welcher in einer einzigen Saison eine vierstellige Minutenzahl im Einsatz war. Dementsprechend ist der Slowene bei der Statistik „Minuten pro Skorerpunkt“ auch „nur“ an siebter Position hinter Assan Ceesay (zuletzt mit muskulären Problemen, nachdem er davor in drei Spielen ebenso viele Skorerpunkte im Abstiegskampf Osnabrücks beigesteuert hatte), Lavdrim Rexhepi, Mimoun Mahi, Benjamin Kololli, Marco Schönbächler und Antonio Marchesano. Betrachtet man die gesamten Testspieleinsatzminuten der Saison, so liegen auf den Positionen Torhüter, Defensiv-Zentrum, Offensiv-Aussen und Offensiv-Zentrum grosso modo die Stammspieler an der Spitze, während Defensiv-Aussen sowie im Mittelfeld-Zentrum eher Spieler aus der zweiten Reihe / im Aufbau zur grössten Anzahl Spielminuten kamen.

Zu den erinnerungswürdigsten Partien gehörten das 3:1 gegen Rapperswil-Jona in der unbarmherzig brennenden Sonne von Eschenbach sowie das 4:1 in der RBL Akademie zu Leipzig, als der FCZ in der Saisonvorbereitung schnellen, direkten Konterfussball auf den Platz brachte. Dazu das 40 Jahr-Jubiläum mit Platzeinweihung des FC Wettswil-Bonstetten, als auf FCZ-Seite aus Personalnot sehr viel improvisiert werden musste. Insgesamt konnten sich 63 Spieler präsentieren. Henri Koide und Kedus Haile-Selassie haben mittlerweile einen Profivertrag beim FCZ unterschreiben dürfen. Von den anderen eingesetzten Talenten vermochten der spielerisch gute „Mittelfeldterrier“ Arlind Dakaj (18) sowie der grossgewachsene Innenverteidiger Andi Hoti (17) am meisten zu überzeugen, wobei letzterer mittlerweile zu Internazionale gewechselt ist. Vom gleichen Klub hat der FCZ umgekehrt im Frühling Wilfried Gnonto (16) verpflichtet, welcher bisher aber noch nicht zu einem Einsatz gekommen ist – genauso wie der beim Berater, Fussball-Accessoires-Händler und ehemaligen Winterthur-Idol Patrick Bengondo unter Vertrag stehende Tessiner Torhüter Thomas Candeloro (20), der seit Januar Teil des U21-Teams ist. Matteo Di Giusto (19) hat mittlerweile den Sprung in die Challenge League zu Vaduz geschafft. Es kamen auch Nachwuchsspieler wie Tanzillo, Fuchs oder Corvalan zum Einsatz, die realistischerweise wenig Chancen haben, sich wirklich aufzudrängen – oder andere wie Catari, Arghandewall oder Rexhepi, die aus unterschiedlichen Gründen stagniert haben.

Wer kann sich noch erinnern, dass William Le Pogam vor der Reaktivierung von Pa Modou Jagne als Linksverteidigerkandidat zu einem Testspieleinsatz (in Leipzig) kam? Heute spielt der ehemalige Servette- und Xamax-Linksverteidiger bei Stade Lausanne-Ouchy. Die Einsätze von Augsburg-Leihspieler Pedersen auf der gleichen Position waren auch in den Testpartien wenig erspriesslich. Levan Kharabadze vermochte verletzungsbedingt in der Rückrunde nicht mehr einzugreifen. Der im Sommer wenig überzeugende Testspieler Erdem Sen hat mittlerweile in der Winterpause beim Türkischen Zweitligisten Istanbulspor angeheuert. Nicht mehr beim FCZ sind mittlerweile neben Andi Hoti auch Denis Popovic (Krylia Sovetov Samara, Premier Liga), Nicolas Andereggen (CA Alvarado, Primera Nacional) und Stephen Odey (KRC Genk, Jupiler Pro League). Hadzikic, Kamberi, Rohner, Aliu, Khelifi und Ceesay sind verliehen. Die „auf dem Abstellgleis“ stehenden und teilweise in der U21 eingesetzten Sangoné Sarr und Yassin Maouche kamen ebenfalls zu wenigen Testeinsätzen in der Ersten Mannschaft. Und dann sind da noch Marvin Graf (24) und Michael Kempter (25). Zwei Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, die sich den grössten Teil ihres längerfristigen und diesen Sommer dem Vernehmen nach auslaufenden Profivertrages mit hartnäckigen Verletzungen herumschlugen. Graf kam neben sechs Teileinsätzen in der U21 diese Saison auch im Test in Wettswil-Bonstetten als Rechtsverteidiger zum Einsatz, holte dabei mit einer Flanke einen Handspenalty heraus, und verursachte gleichzeitig das Kontergegentor des FCWB durch seinen ehemaligen U21-Teamkollegen Philipp Allemann. In der Rückrunde hat er beim FC Kosova Spielpraxis sammeln wollen. Der Philippinische Nationalspieler Michael Kempter hingegen rannte seit der Winterpause auf der „Problemposition“ links hinten während 511 Spielminuten und hat durchaus Einsatzchancen in den kommenden „Englischen“ Super League-Wochen.

1 2 3 6