FCZ dreht den Spiess um – und gewinnt erneut einen FIFA-Titel

Wie letztes Jahr kehrt der FC Zürich an Auffahrt 2023 erneut mit einem Turniersieg von der Buchlern nach Hause ins Heerenschürli. Nach den Juniorinnen 2022 sind diesmal die von den U21-Trainern Genesio Colatrella und Vincenzo Zinnà gecoachten Junioren erfolgreich – mit einem Finalsieg gegen Corinthians aus Sao Paolo. 2022 waren die Jungs Dritter geworden. Die Mädels platzierten sich diesmal im 4. Rang hinter Vancouver Whitecaps, FCB und YB. Resultatmässig schlecht schnitten die europäischen Grossklubs ab – Liverpool und Olympique de Marseille bei den Männern sowie Arsenal und Juventus bei den Frauen klassierten sich auf den hintersten Rängen. Die bei den Zuschauern beliebteste Mannschaft war das Männerteam der Académie Génération Foot aus Senegal (Dritter Platz). Die UEFA Youth League wurde dieses Jahr von AZ Alkmaar im Final gegen Hajduk Split gewonnen. Auch am FIFA Blue Stars Youth Cup bestätigt sich immer wieder, dass im Juniorenbereich Teams aus Ländern wie Kroatien, Holland, Portugal oder auch der Schweiz häufig besser arbeiten und sogar stärker spielen, als Gleichaltrige von Klubs deren 1. Mannschaft in einer Topliga engagiert ist.

Mehr Ausgeglichenheit und Konkurrenz im Männer-Turnier

Die FCZ-Teams und ihr Abschneiden stehen exemplarisch für die unterschiedliche Leistungsdichte der Blue Stars-Turniere bei den Frauen und Männern. 2022 dominierten die beiden damals 15-jährigen Leela Egli und Sydney Schertenleib dieses prestigeträchtige internationale U19-Turnier. Diesmal fehlten die beiden aufgrund ihrer Teilnahme mit der Schweizer U17-Nati an der EM-Endrunde in Estland (0:3-Niederlage gegen Spanien nach 4:0-Auftaktsieg gegen die Gastgeberinnen). Viele der älteren Spielerinnen aus der letztjährigen Siegermannschaft waren auch dieses Jahr wieder mit dabei, stellten aber ohne Egli und Schertenleib nur besseren Durchschnitt dar. Allerdings wurden verschiedene Zürcher Spielerinnen an diesem Turnier zu Ausbildungszwecken häufig nicht auf ihrer angestammten / stärksten Position eingesetzt. Trotzdem: YB hatte das fussballerisch deutlich besser entwickelte Team – und Basel landete mit dem Beinahe-Turniersieg (Ausgleich der Whitecaps in letzter Minute des Finals und anschliessende Niederlage im Penaltyschiessen) um ein Haar einen Coup.

Bei den FCZ Männern fehlten mit Léon Grando, Elohim Kamoko, Mattia Rizzo und Cheveyo Tsawa gleich vier Spieler aufgrund ihrer Teilnahme an der U17 EM-Endrunde (2:0-Sieg zum Auftakt gegen die Niederlande! Grando, Kamoko und Tsawa in der Startformation). Dies fiel aber nicht ins Gewicht, denn es wären wohl ohne EM höchstens zwei von ihnen überhaupt im FCZ-Aufgebot auf der Buchlern gestanden, und auch diese hätten im Turnierverlauf aktuell wohl noch kaum eine tragende Rolle gespielt. Im Männerturnier ist es für einen Spieler jüngeren Jahrgangs aufgrund der grösseren internen sowie auch externen Konkurrenz (speziell im physischen Bereich) deutlich schwieriger, einem solchen Turnier den Stempel aufzudrücken, als bei den Frauen.

Verdienter Turniersieg des FCZ

Speziell am diesjährigen Turnier waren die Resultate von Finalist Corinthians. Die Brasilianer entpuppten sich als defensives Bollwerk par excellence und kassierten in den fünf Partien keinen einzigen Gegentreffer. Ihr Innenverteidiger Moscardo wurde zum besten Spieler des Turniers gewählt – und ihr Torhüter Kaue zum besten Schlussmann. Allerdings trafen sie einzig in der Auftaktpartie gegen den alljährlichen Turnieraussenseiter Blue Stars ins Netz (3:0). Ihre vier weiteren Partien gingen alle 0:0 aus, wobei sie im Halbfinal das Penaltyschiessen gegen die Académie Génération Foot mit 4:3 gewannen und im Final dasselbige aufgrund von vier Fehlschüssen gegen den FCZ verloren.

Der FCZ war trotz des 2. Platzes in seiner Gruppe der verdiente Turniersieger. Der Stadtclub blieb als einziges Team ungeschlagen, erzielte die meisten Tore (7) und war sowohl im Halbfinalderby (2:0) wie im Final das bessere Team. Genesio Colatrellas Markenzeichen in der U21 ist, dass er grosso modo eine Stammformation die ganze Saison durchspielen lässt – Personal, Positionen und Spielweise werden kaum geändert. Und Standardsituationen sind jeweils ein wichtiges Offensivelement. Diese resultatorientierte Vorgehensweise wendete er auch in diesem Turnier an. Der Vorteil neben den Resultaten an und für sich ist dabei, dass die in der Stammformation eingesetzten Talente auf diese Art und Weise viel Erfahrung, Sicherheit und Selbstvertrauen sammeln können – und genug Zeit für ihre Entwicklung erhalten.

Sturmduo Ligue / Bajrami – die rare Spezies im FCZ-Universum

Schaut man sich die Siegermannschaft des Turniers 2023 genauer an, fällt sofort auf, dass gleich sieben der eingesetzten 15 Feldspieler Linksfüsser sind – in gewissen Partien traf dies gleich auf alle drei Zentralen Mittelfeldspieler auf dem Platz zu. Ein relativ hoher Anteil an LInksfüssern war auch ein Markenzeichen der FCZ-Meistermannschaft von 2022. Der FCZ spielte auf der Buchlern teilweise im 4-3-3 oder auch mal mit einem Zweimannsturm und Vierermittelfeld mit Rhombus. Der Kern der Mannschaft bestand aus der im Alltag von Umberto Romano trainierten U18. Dieses Team hat speziell im Mittelfeld, aber auch in der Abwehr eine aussergewöhnliche Anzahl an guten Talenten, die in der Meisterschaft durchaus jeweils noch deutlich mehr aus ihren Möglichkeiten herausholen könnten, und häufig etwas mit „angezogener Handbremse“ unterwegs zu sein scheinen.

Eigentlich müsste der FCZ aktuell auf dieser Altersstufe mit diesem Mittelfeld die Spiele deutlich mehr dominieren. Es ist unter Coach Romano auch wenig individuelle Entwicklung erkennbar. Allerdings fehlt es vorne auch etwas an Durchschlagskraft. Das für die U18 spielberechtigte Sturmduo Calixte Ligue und Labinot Bajrami spielt in der 1. Mannschaft und in der U21. Ein Sturmduo aus dem gleichen Jahrgang des eigenen Nachwuchses mit einer solchen Qualität hat der FCZ möglicherweise noch nie gehabt. Sturmtalente von diesem Niveau gibt es beim Stadtclub ganz allgemein selten, und wenn, dann ist es ein Einzelner pro Jahrgang. Während Ligue als Stadtzürcher früh zum FCZ gestossen ist, hat Bajrami das Fussball-ABC bei den Winterthurer Vereinen Veltheim und FCW gelernt und dann über einen kurzen Abstecher von 18 Monaten via Niederhasli in der U16 den Weg ins Heerenschürli gefunden. Die beiden ergänzen sich gut. Der dynamische Ligue hat unter Bo Henriksen schon neun Super League-Einsätze absolvieren können. Der klassische Strafraumstürmer und Torjäger (per Kopf und mit beiden Füssen) Bajrami scheint leistungsmässig ebenfalls nahe an der 1. Mannschaft dran zu sein.

Academy-Transfers: der FCZ dreht den Spiess um

Den gleichen Jahrgang wie Bajrami und Ligue hat Testspieler Joseph Sabobo Banda aus Sambia, der zu den grössten Offensivtalenten seines Landes zählt. Am Turnier benötigte er durchaus etwas Anlaufzeit, konnte dann aber sein Potential speziell in Sachen Antrittsschnelligkeit und Unberechenbarkeit am Ball andeuten. Noch ein halbes Jahr jünger ist der zum Saisonstart von Fiorentina in die FCZ U18 gewechselte Cosimo Fiorini. Zu dem Zeitpunkt war er Captain der italienischen U17-Nationalmannschaft. Fiorini schlägt gefährliche Standards und nimmt das Spiel in die Hand, scheint aber physisch ähnlich wie Becir Omeragic und anders als beispielsweise Landsmann Willy Gnonto etwas anfällig zu sein. Über viele Jahre waren externe Talente keine Erfolgsgeschichte im Zürcher Nachwuchszentrum gewesen. Viele Espoirs mit Vorschusslorbeeren kamen aus der Genfersee-Region nach Zürich Nord und schienen hier einfach nicht richtig gedeihen und sich entwickeln zu wollen. Im Endeffekt hatten jeweils die aus der Region Zürich stammenden Alterskollegen mehr Biss. Ausserdem gab es ausländische Youngster beispielsweise aus skandinavischen Ländern, die beim Stadtclub aufgenommen wurden, sich nicht durchsetzen konnten und schnell wieder weg waren.

Mittlerweile scheint sich der FCZ aber eine Position erarbeitet zu haben, in der man wählerisch sein kann und zu den in Zürich gut ausgebildeten Junioren von extern nur noch Talente dazuholt, die in ihren Juniorennationalteams bereits zu den Leistungsträgern gehören – wie Omeragic (Servette), Gnonto (Inter), Tsawa (St. Gallen), Fiorini (Fiorentina) oder Bajrami / Xhemaili (GC). Zuletzt war der Wechsel des Zürcher Talents Zidan Tairi nach Hoffenheim dem BLICK eine Schlagzeile wert. Zu Saisonbeginn wechselte bereits Niklas Sörensen zum gleichen Verein – und davor Filip Stojilkovic. Andi Hoti (Inter) ist ein weiteres kürzliches Beispiel. Im Unterschied zu früher sind mittlerweile aber die Zugänge in die FCZ Academy (U16, U18) und U21 mindestens so hochkarätig wie die Abgänge. Joseph Sabobo könnte ein weiteres Beispiel dafür werden. Kommt der Sambier nach Zürich, würde er analog dem Vorbild Willy Gnonto ziemlich sicher mit Einsätzen in der U21 starten. Er wäre damit nach Ligue und Bajrami der dritte hoffnungsvolle Stürmer mit 2005-er Jahrgang beim FC Zürich.

Promo für den Schweizer Fussball! Bilanz des ersten Jahrzehnts Promotion League und Bewertung der SFV-Spielklassen-Reform

Der Schweizerische Fussballverband hat entschieden, ab der Saison 2022/23 die Spielklassenstruktur von der Promotion League über die 1. Liga bis zur 2. Liga Interregional leicht anzupassen.

Neue SFV-LigastrukturQuelle: football.ch

Die U21 des FC Zürich ist seit dem Start der Promotion League 2012/13 in dieser eingleisigen „Dritten Liga“ des Schweizer Fussballs dabei. 16/17 und 17/18 erreichte das Heerenschürli-Team mit Izer Aliu, Toni Domgjoni, Kevin Rüegg, Fabian Rohner und Co. jeweils den 5. Platz. Die letzten drei Jahre war man eher im Abstiegskampf involviert.

U21-Kader sind zu 80-90% tatsächlich „U21“

Bisher war die Anzahl der U21-Teams in der Promotion League auf maximal vier limitiert. Tatsächlich waren zuletzt nach dem Abstieg von St. Gallen volle fünf Jahre durchgängig nur drei Reserve-Teams (FCB, FCZ und Sion) in der obersten Amateuerklasse gewesen. Basel war dabei der einzige Klub, der es in all den Jahren schaffte, mit einem (fast) reinen U21-Team jeweils die Klasse zu halten. Die Rotblauen setzten höchstens punktuell aus Verletzungen zurückkommende Kaderspieler der 1. Mannschaft in ihrer Zweiten Mannschaft ein – abgesehen von jungen Offensivtalenten, die formell zur Ersten Mannschaft gehörten, aber dort aufgrund der grossen Konkurrenz wenig Chancen auf Einsätze hatten.

YB hat beim Aufstieg diesen Sommer am Ende einer verkürzten Saison davon profitiert, dass die U21-Teams gegenüber den Amateurmannschaften aufgrund der Coronasituation einen klaren Vorteil hatten. Die Berner fahren diese Saison im „Oberhaus“ eine ähnliche Linie wie der FCB. Dass der FC Sion sich so lange in der Promotion League hat halten können, liegt vor allem an einer trotz tiefer Einwohnerzahl, grosser Distanzen und hoher Wintersportaffinität erstaunlich produktiven Walliser Nachwuchsarbeit. Gleichzeitig spielen aufgrund der überdurchschnittlichen Grösse des Profikaders einzelne Profis konstant in der Reserve.

FCZ: Rodriguez und Montolio als erfahrene Verstärkungsspieler

Der Weg des FCZ lag in den letzten Jahren irgendwo in der Mitte zwischen diesen Polen. Im Gegensatz zu früheren Zeiten hat man die U21 zuletzt nicht mehr so regelmässig wie früher zur Heranführung von Spielern aus dem Super League-Kader nach Verletzungen benutzt. Stattdessen wurde das U21-Kader mit ein bis zwei gestandenen Führungsspielern verstärkt – tendenziell ein Innenverteidiger und ein Mittelstürmer. Aktuell agiert in der Zentralen Abwehr der 25-jährige aus dem Villarreal-Nachwuchs stammende Genis Montolio (rund 75 Partien auf Drittliganiveau in Spanien) sowie weiter vorne der zurückgekehrte Schwamendinger Mittelfeldtechniker Roberto Rodriguez (31). Theoretisch gehört auch noch Stürmer Shani Tarashaj (26) dazu, aber dieser spielt ebenso zur Zeit keine Rolle wie José Gonçalves (36), welcher mittlerweile als Teammanager häufig für die 1. Mannschaft unterwegs ist.

U21-Teams im Spitzenamateurfussball mitentscheidender Faktor für Erfolg der Nati

Aus rein egoistischer Sicht hätte der FCZ eher gegen die Reform sein müssen, um den Vorteil der Höherklassigkeit gegenüber der Mehrheit der Konkurrenten beibehalten zu können. Was zählt ist aber die Nützlichkeit eines Ligasystems für den Schweizer Fussball insgesamt. In Sachen Schweizer Nachwuchsförderung ist die Anpassung der Spielklassenstruktur eine gute Sache. Die Schweiz hat in der Talententwicklung viele Nachteile, wie der aufgrund der geringen Bevölkerungszahl eingeschränkte Talentpool oder ein fehlender Titel auf A-Nationalteam-Stufe als Referenz. Der grösste Vorteil im Vergleich mit vielen anderen Ländern war in den letzten Jahren hingegen immer, dass die Schweizer Jungs dank der Integration der U21-Teams in den Spitzenamateurfussball in der Regel in jüngerem Alter zu regelmässigen Wettbewerbspartien gegen Männerteams kommen.

Zwei Wege führen nach Rom über den Spitzenamateurfussball

Ähnlich wie die besten Mädchen enorm davon profitieren, gegen Jungs spielen zu können, profitieren Jungs davon, schon früh gegen richtige Männer antreten zu dürfen. Kein Training und kein Test kann eine solche Wettkampferfahrung ersetzen! Dies zeigt sich immer wieder in den internationalen Vergleichen auf Junioren-Nationalteamstufe und später auch in der A-Nationalmannschaft. Die grosse Mehrheit der aktuell erfolgreichen Nati hat in jungen Jahren einen ganz entscheidenden Schritt in Richtung nationale und internationale Reife im Spitzenamateurfussball genommen – sei es innerhalb oder wie im Fall von Renato Steffen oder Christian Fassnacht gar ausserhalb einer professionellen Fussball-Akademie! So holt man sich schon früh die Wettkampfhärte und Frechheit, um einem Paul Pogba in einem EM-Achtelfinal in der entscheidenden Szene den Ball vom Fuss zu klauen. Der Vorteil eines Manuel Akanji, Yann Sommer, Denis Zakaria, Noah Okafor, Xherdan Shaqiri oder Djibril Sow gegenüber einem Steffen oder Fassnacht war, dass sie neben den wertvollen Einsätzen gegen Top-Amateurteams in den Akademien zusätzlich zahlreichere und in aller Regel bessere Trainings hatten.

Ewige Rangliste Promotion LeagueQuelle: Transfermarkt.ch, Stand: 2.12.21

Promotion League oder 1. Liga Classic?

Der grosse Vorteil einer U21 auf Stufe Promotion League ist sicherlich, dass diese im Vergleich zur 1. Liga Classic oder 2. Liga Interregional nicht nur physisch, sondern auch technisch und taktisch gefordert wird. Rund die Hälfte der Spieler der Promotion League-Teams hat zumindest Challenge League-Erfahrung. Vor allem ist der Schritt von der Promotion League in die Challenge League oder Super League weniger gross.

Welche Vorteile hat die 1. Liga? Die grössten Talente in einem U21-Team sind in der Regel nicht die am häufigsten sondern die jüngsten eingesetzten Spieler. Im Team von 12/13 (siehe Grafik weiter oben) also Nico Elvedi, Saidy Janko, Francisco Rodriguez oder der später verletzungsgeplagte Marvin Graf – oder heute Stürmer Labinot Bajrami (stammt ursprünglich vom FC Winterthur und ist über einen durch die „Malenovic-Affäre“ ziemlich kurzen Zwischenschritt bei GC im Heerenschürli gelandet).

Würden diese Top-Talente, um die es im Hinblick auf die 1. Mannschaft ja schlussendlich mehrheitlich geht, eine Stufe tiefer in der 1. Liga mehr zum Einsatz kommen? Antwort: ein bisschen ja. Das Hauptkriterium für den richtigen Zeitpunkt ihres ersten Einsatzes im Erwachsenenfussball ist allerdings der physische Entwicklungsstand und diesbezüglich gibt es zwischen der 1. Liga und der Promotion League keinen allzu grossen Unterschied.

Punkte pro Saison Promotion LeagueQuelle: Transfermarkt.ch, Stand: 2.12.21

Mehr als 40 Profiteams`! Die Schweiz am oberen Rand ihrer Möglichkeiten

Die in der Promotion League, 1. Liga und 2. Liga Interregional engagierten Männer sind genauso wie die Frauen der Women’s Super League Spitzenamateure und bewegen sich somit in einem gleichzeitig sehr abwechslungs- wie anforderungsreichen Alltag als ambitionierte Sportler mit Beruf, Ausbildung und teilweise auch schon eigener Familie. Das Zuschauerpotential reicht auf diesen Stufen nicht aus, um mit den geringen Einnahmen den Spielern und Spielerinnen echte Saläre bezahlen zu können. Dabei unterstützen die sportbegeisterten Schweizer ihre Lieblingsteams so treu in den Stadien, dass mehr als 40 Profimannschaften mit entsprechend Tausenden von Arbeitsplätzen in Fussball und Eishockey unterhalten werden können. Das ist sehr viel. Das deutsche Bundesland Niedersachsen beispielsweise (gleiche Einwohnerzahl wie die Schweiz) hat in Fussball, Eishockey, Handball und Basketball zusammengenommen rund 10-15 Profimannschaften. Auch wenn man berücksichtigen muss, dass Teile Niedersachsens zu den Einflussgebieten Hamburgs und Bremens gehören, steht die Schweiz im Vergleich sehr gut da.

Deshalb ist die Spitze der Schweizer Fussballpyramide mit zwei 10er-Ligen ideal. Da die Challenge League unter Profibedingungen betrieben werden kann, sind die Spieler und Klubs mit der Super League konkurrenzfähig und bieten daher das ideale Biotop für den letzten Schritt zum Spitzenniveau. Was passiert, wenn ein Land von der Grösse der Schweiz die obersten Ligen zahlenmässig verwässert, sieht man aktuell sehr schön am Beispiel von Österreich, wo das einst sehr ansehnliche sportliche Niveau der zweithöchsten Liga innert kürzester Zeit in den Keller gesunken ist. Was eine Ligavergrösserung in der Super League oder Challenge League alles für schädliche Auswirkungen auf Talentförderung, Zuschauerzahlen, Arbeitsplätze und den sportlichen Wettbewerb hätte, erklärt der folgende Artikel: Vergeudetes Talent, weniger Zuschauer, geschlossene Liga: Warum eine Aufstockung der Super League für den Schweizer Fussball gefährlich wäre.

Mehr regionale Derbies

Die Spitzenamateure bewegen sich im Spannungsfeld und Übergangsbereich zwischen der Profi- und der Amateurwelt und werden dies immer tun. Schon manch ein Spieler, Funktionär oder Zuschauer eines Klubs aus der 2. Liga Interregional hat sich die Frage gestellt, ob er nicht lieber ein Derby gegen das Nachbardorf in der 2. Liga oder 3. Liga Regional hätte, als in einen anderen Kanton zu reisen, um dort gegen einen wenig bekannten Gegner auf höherem Niveau anzutreten. Die grösste Änderung der aktuellen Reform der SFV-Spielklassenstruktur setzt genau an diesem Punkt an.

Auch wenn die Promotion League und die 1. Liga-Gruppen leicht vergrössert werden, wird der Spitzenamateurbereich insgesamt durch die starke Reduktion der Anzahl Teams in der 2. Liga Interregional massiv reduziert – zugunsten der regionalen Ligen. Einige regionale Derbies wie Rorschach-Goldach – St. Margrethen, Seuzach – Wiesendangen oder Schattdorf – Altdorf könnten wiederbelebt werden. Diejenigen, die sich aber für den Spitzenamateurfussball mindestens auf Stufe 2. Liga Interregional entscheiden, werden dafür noch etwas mehr investieren müssen. Es entsteht eine klarere Abgrenzung als bisher.

Spitzenamateurfussball profitiert von Nachwuchs-Akademien

Spitzenamateur-Teams wie Breitenrain, Köniz, YF Juventus oder SC Brühl bestehen zu grossen Teilen aus Spielern, die in den Jugendakademien der Profiklubs ausgebildet worden sind. Es trifft also in der Promotion League in gewisser Weise die ältere Generation auf die jüngere Generation der Akademien. Von den eigenen Nachwuchsspielern aus der weiter oben aufgelisteten FCZ U21-Generation der Saison 12/13 hat mehr als ein Drittel mehr oder weniger direkt den Weg in den Spitzenamateurfussball gefunden. Weitere sind nach zwei bis fünf Profijahren, in denen sie sich letztendlich nicht nachhaltig auf höchster Stufe etablieren konnten, später noch zusätzlich dazugestossen. Dazu kommen Spieler, die ihren Weg „von unten“ an die Spitze des Amateurfussballs geschafft haben. Sie alle haben mit den U21-Teams sowie vielen weiteren Spitzensportlern anderer Sportarten in der Schweiz gemeinsam, dass sie viel in ihren Sport investieren, ohne davon leben zu können. Und sie alle können Stolz darauf sein, dass sie in den Spitzenamateurligen einen ganz wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der künftigen Schweizer Nationalmannschaft beitragen.

„Wild Cards“? Wozu?

Zum Abschluss doch noch ein kleiner Kritikpunkt an der SFV-Reform: Wofür „Wild Cards“ in der ersten Saison? Und nach welchen Kriterien werden diese überhaupt vergeben? Das ist ein unnötiger Präzedenzfall. Die U21-Teams sollen sich wie alle anderen von Anfang an auf sportlichem Weg für eine höhere Liga qualifizieren. Dies bedeutet dann automatisch, dass sie für die höhere Liga auch wirklich sportlich bereit sind.