Russischer Nati-Physio beim FCZ
Seit Sonntag hat die zweite Etappe der Rückrundenvorbereitung für den FCZ in Lara begonnen. Die durch Spielerabgänge frei gewordenen Plätze wurden im Flieger durch eine verstärkte medizinische Abteilung kompensiert. Zu dieser Verstärkung zählt auch ein auf einem Schnappschuss jovial lächelnder „Brummbär“ im FCZ-Gewand flankiert von Aleksandr Kerzhakov und Artjom Simonyan.
Es ist Sergey Kolesnikov, seines Zeichens langjähriger Physiotherapeut von Zenit St.Petersburg und der Russischen Nationalmannschaft. Nach dem Transfer von drei Stürmern, die den FCZ in diesem Winter verlassen, ein weiteres glasklares Zeichen, dass man an der Werdstrasse für die kommenden Monate auf Kerzhakov baut, und diesem die bestmöglichen Bedingungen bieten will. Kolesnikov ist kein Wintertransfer des FCZ. Er hat sich spontan und auf Initiative seines langjährigen „Kunden“ für die Zeit des Trainingslagers dem FCZ angeschlossen. Und scheint sich im Kreise der Zürcher pudelwohl zu fühlen.
Vor dem Abflug in die Türkei hat sich der ehemalige Zenit-Bomber Kerzhakov gegenüber der Sport-Tageszeitung „Sovetskij Sport“ über seine ersten Eindrücke in Zürich geäussert. Züri Live liefert das Interview nach:
Sovetskij Sport: Wenn Sie mit einem Wort die erste Woche in Zürich beschreiben müssten, welches Wort wäre das?
Kerzhakov: Positiv. Es ist ein gutes Kollektiv. Und mit der Klubführung herrscht ein sehr warmes Verhältnis. Mit einem Wort kann ich das alles gar nicht beschreiben.
SS: Bei Zenit gibt es eine Tradition: ein neuer Spieler muss einen Spiessrutenlauf absolvieren bei welchem ihm die Mitspieler auf den Hinterkopf schlagen. Wie werden die Neuen beim FC Zürich begrüsst?
Kerzhakov: Ich würde nicht sagen, dass dies bei Zenit wirklich eine Tradition ist. Vor der Ära „Villas Boas“ gab es das nicht – das hat er eingeführt. Und beim FC Zürich verhält man sich Neuen gegenüber easy und relaxed. Ich musste auch keine Reden halten.
SS: Nach all den Russischen Wintertrainingslagern sind für Sie die Schweizerischen wohl eher putzig?
Kerzhakov: Nein, in Bezug auf die Belastung ist es das Gleiche wie damals im ersten Zenit-Wintertrainingslager 2003 mit Trainer Vlastimil Petrzela. Jeden Tag zwei Trainings und sehr viel Laufarbeit. Dann geht es für 10 Tage in die Türkei und bereits am 7. Februar haben wir das erste Meisterschaftsspiel.
SS: Die Trainingsplätze sind gut?
Kerzhakov: Ja, die sind hier gut. Allerdings, nun regnet es bereits 24 Stunden am Stück, und heute konnten wir deshalb nicht auf dem Platz trainieren, damit dieser nicht zerstört wird.
SS: Es heisst, Sie hätten vier Konkurrenten im Sturm. Läuft der Konkurrenzkampf schon heiss?
Kerzhakov: Zuerst einmal reisen wir ins Traininglager und dann spielen wir das erste Testspiel. Erst dann werde ich ein Gespür für die Situation bekommen können. Alle Fragen bezüglich Konkurrenten und Anzahl Spieler pro Position müssen Sie dem Trainerstab stellen. Ich bin nicht dafür da, um die Anzahl Stürmer oder Verteidiger zu zählen.
SS: Der Präsident Ihres neuen Klubs hat gesagt, dass Sie sehr viel über Zürich wissen. Wussten Sie auch, dass in der Stadt mehr als ein Jahr lang Lenin gelebt hat?
Kerzhakov: So wie ich herausgefunden habe, hat hier nicht nur Lenin gelebt, sondern es leben in Zürich auch heute viele berühmte Leute – Celebrities und Geschäftsleute. Zum Beispiel hält sich hier auch (Margarita) Louis-Dreyfus, die Besitzerin von Olympique Marseille, häufig auf.
SS: Ein interessanter Ausschnitt aus der Biografie Lenins über das Leben in Zürich: „Ein Grossteil seiner Zeit hat er in der Stadtbibliothek verbracht, und in der Freizeit liebte er mit seiner Partnerin auf den Zürichberg zu gehen, im Gras zu liegen, und Schweizer Schokolade zu essen“. Was denken Sie, werden die Historiker über Ihre Zeit in Zürich einmal schreiben?
Kerzhakov: Ich glaube, dass ich viel weniger Freizeit haben werde, als Lenin. Ich habe hier ein bisschen andere Aufgaben und Ziele…
SP: Und weiter: „Das Ehepaar Ulyanov hat seine Zürcher Wohnung im Frühling 1917 verlassen, als sie von der beginnenden Revolution in Russland erfahren haben, und haben sich in den Zug nach St.Petersburg gesetzt“.
Kerzhakov: Ich empfinde hier überhaupt keine Parallelen. Und ausserdem mag ich es nicht, mit Lenin verglichen zu werden.
SS: Dann wenigstens dies: Schweizer Schokolade oder Russische?
Kerzhakov: Wenn ich mir vorstelle, dass vor mir eine Tafel Russische und eine Tafel Schweizer Schokolade hingelegt würde, dann würde ich unsere essen. Ich habe seit meiner Kindheit Sowjetische Schokolade gegessen und finde nicht, dass sie schlecht ist, oder schlechter als Schweizer Schokolade. Dies obwohl Schweizer Kühe das frische Gras der Alpenwiesen essen und ihre Milch daher eine bessere Qualität hat.
SS: Zudem ist die Schweizer Schokolade deutlich teurer.
Kerzhakov: Ja, die Preise sind in Zürich deutlich höher, als in St.Petersburg. Wenn man es in Rubel umrechnet, so sind die Preise hier etwa doppelt so hoch.
SS: Haben Sie gelesen, was die Schweizer über Sie schreiben?
Kerzhakov: Ich kann kein Deutsch.
SS: Im „Blick“ gab es einen Artikel mit dem Titel: „Neuer Zar von Zürich“
Kerzhakov: Eine übertriebene Einschätzung. Viele Journalisten schreiben um einer heissen Schlagzeile willen Dinge, die keine wirkliche Grundlage haben. Gebt mir doch wenigstens erst mal ein paar Minuten Spielzeit mit dem FC Zürich in der Meisterschaft! Danach gibt es dann zumindest etwas, worüber man sprechen kann. Aber so: ich habe kaum ein bisschen trainiert – und bin bereits der Zar! Wenn sie das gleiche immer noch schreiben, wenn die Rückrunde voll im Gange ist, ist das eine andere Sache.
SS: Der Untertitel im „Blick“ ist noch interessanter: „Putin ist sein Freund“. Wir, so scheint es, haben etwas nicht mitbekommen?
Kerzhakov: Um ehrlich zu sein, weiss ich selbst nichts davon. Ich verstehe nicht, woher sie das haben. Wenn es in diesem Artikel Aussagen von mir persönlich gehabt hätte, dann würde ich das jetzt kommentieren, Aber Sie wissen ja selbst am besten, was manchmal alles in den Zeitungen geschrieben wird. In dem Sinne ist es ja eigentlich ganz gut, dass ich kein Deutsch verstehe.
SS: Im gleichen Artikel wird der Präsident des FC Zürich, Ancillo Canepa, zitiert, dass die Verhandlungen mit Ihnen nicht mehr als 10 Minuten gedauert hätten. „Mich hat die Sachkundigkeit Kerzhakovs über den Klub und die Stadt positiv überrascht. Ich musste ihn nicht überzeugen.“
Kerzhakov: Und wozu hätte er mich denn überzeugen müssen? Als ich in die Schweiz zum Treffen mit Canepa geflogen bin, wusste ich genau warum ich dahin gehe und was ich dort tun werde. Das ist eine bewusste Entscheidung, ich hatte schon zuvor alle Pluspunkte und Minuspunkte abgewägt. Bei diesem Wechsel gab es für mich deutlich mehr Pluspunkte, als bei einem Wechsel zu irgendeinem anderen Verein. Und Minuspunkte habe ich eigentlich überhaupt keine dabei gesehen.
SS: Sie haben gesagt, sie hätten auch zu einem Premier League-Klub wechseln können, aber es hätten Ihnen drei Länderspiele gefehlt. Wer von den Russischen Spielern kann denn diese Anforderungen überhaupt erfüllen?
Kerzhakov: Derjenige, welcher für die Nationalmannschaft mindestens 75% aller Spiele der letzten zwei Jahre absolviert hat.
SS: Aber Sie sind doch ein verdienstvoller Spieler? Erhält man da kein Gehör?
Kerzhakov: Im Prinzip hätte man da wohl schon etwas machen können. Irgendwohin eine Anfrage machen, damit Sie meinen Fall genauer anschauen. Aber dann hätte ich die Leute vom FC Zürich hinhalten müssen. Sie haben mir eine konkrete Offerte gemacht, die mir gefallen hat. Es wäre nicht fair gewesen, das ganze erst mal „on hold“ zu stellen. Ich wollte wissen, woran ich bin, und nicht irgendwelche eventuell besseren Offerten abwarten.