Kamberi erneut zum Start parat / FCZ – Yverdon-Sport Analyse

ERINNERUNGEN AN DEN 6. MAI 2006 / VORSCHAU FCZ – YVERDON-SPORT (Züri Live)

Yverdon-Captain William Le Pogam: „Alle aufgeregt, diese Welt zu entdecken“ (4-4-2 / Le Matin)

Diesmal verbreitet der «Y-Startgegner» weniger Schrecken (SRF)

FC Zürich – Canepa: Top 6 für gelungene Saison nötig (Nau)

FC Zürich: Tosin verhandelt mit Lorient – auch Aliti vor Wechsel? (Nau)

Was für ein Kontrast zum Saisonstart vor Jahresfrist! Anstatt als Meister in der 1. Runde zum zweiten Mal in zwei Jahren auswärts beim Ligadominator YB starten zu müssen, diesmal zum Auftakt ein Heimspiel gegen Aufsteiger Yverdon-Sport. Der FCZ war mental und taktisch parat und liess den nach einem relativ grossen Umbruch noch uneingespielten Liganeuling nicht ins Spiel kommen. Der für Tosin (Vertragsverhandlungen) zu seinem Startelfdébut kommende Daniel Afriyie (22) aus Kumasi heftete sich im Spiel ohne Ball meist an die Fersen von Yverdons “6er“ Boris Cespedes. In den letzten Testpartien hatte man vorne in der Tendenz noch Raumdeckung im 3-4-3 gespielt gehabt – so hingegen wurde es auch im Spiel mit Ball eher wieder das übliche 3-4-1-2, wobei Fabian Rohner und Jonathan Okita je nach Spielsituation durchaus auch mal über die Seiten kamen. Mit anderen Worten: es war eine hybride taktische Formation.

FCZ taktisch gut eingestellt

Der FCZ legte Wert darauf, im Spielaufbau eine klare Überzahl zu haben und die Ansätze des Yverdon-Pressings im Keim zu ersticken. Man profitierte dabei allerdings auch davon, dass die beiden Yverdon-Spitzen Beyer und Kevin Carlos wenig Defensivarbeit verrichteten. Im Vergleich zu den letzten Saisons befanden sich die FCZ-Akteure in der 1. Halbzeit viel in Bewegung und dies mit gutem Timing. Häufig hatte der Ballführende zwei Anspielstationen, die sich beide (in unterschiedliche Richtungen) in Bewegung befanden. Auch wurden im 3-4-1-2 häufig Positionswechsel vorgenommen. So tauchten abwechslungsweise Mathew oder Condé im Spielaufbau in der Dreierabwehrkette auf, Kamberi rückte auf die rechte Aussenbahn und Boranijasevic ins Mittelfeldzentrum. Auch die drei Stürmer tauschten flexibel ihre Positionen untereinander.

Kurze Anläufe mit Ball in der Mitte von Katic machten vor allem für LIndrit Kamberi über halbrechts nach einem diagonalen Rückpass Raum für Vorstösse in die gegnerische Platzhälfte frei. Dies vor allem auch, weil Yverdon sich aufgrund der Zürcher Dominanz bald mal in der eigenen Platzhälfte in ein 6-2-2 zurückzog. Die zentralen Abstände dieser Sechserkette waren aber aus lauter Vorsicht und Respekt vor dem Gegner so gering gehalten, dass der FCZ trotz allem über aussen mit einer fast unbedrängten Rohner-Massflanke hinter die Abwehr zum 1:0-Führungstreffer kam. Yverdon’s Innenverteidiger-Neuverpflichtung Mohamed Tijani wirkte während seines ganzen Einsatzes bis zu seiner verletzungsbedingten Auswechslung in der 53. Minute etwas überfordert, obwohl er sich aus der tschechischen Fortuna Liga einen ähnlichen Rhythmus wie in der Super League eigentlich gewohnt sein sollte. In der 28. Minute stoppte er als letzter Mann den schnellen Fabian Rohner mit einem Notbremsefoul, für das er eigentlich hätte vom Platz fliegen müssen. Ein weiterer Stoss in den Rücken von Afriyie an der Strafraumgrenze und von Rohner im Strafraum drin waren in der Tendenz ebenfalls regelwidrig. Ein etwas ähnlicher Fall auf Zürcher Seite war mit Fabio Daprelà ebenfalls eine Neuverpflichtung, die nach einer wenig überzeugenden 1. Halbzeit mit muskulären Problemen ausschied. Der FC Zürich legte einen Fokus aufs Gegenpressing. Wenn dieses mal unzureichend funktionierte, dann wegen individuellen Unzulänglichkeiten.

Wie üblich: mehr FCZ-Torchancen bei weniger Ballbesitz

In der 1. Halbzeit hatte der FCZ 60% Ballbesitz. Mit der Führung im Rücken überliess er Yverdon in der 2. Halbzeit das Spieldiktat. Die Waadtländer riskierten gezwungenermassen mehr, ihre Aussenmittelfeldspieler standen höher. Wie in den letzten Jahren üblich, kam der FCZ mit wenig Ballbesitz (38% in der 2. Halbzeit) zu deutlich mehr Torchancen. Über die gesamten 90 Minuten betrug der FCZ-Ballbesitz 48.4%, das Schussverhältnis 17:5 und die Expected Goals 1.79:0.23. Dazu passten die Einwechslungen von Bledian Krasniqi und Donis Avdijaj in der 69. Minute, die beide im Umschaltspiel ihre Stärken haben. Durch taktische Kniffe verschaffte der FCZ seinen Stürmern beim Kontern zusätzlichen Platz. Die Züri Live-Analyse der Tore und Gegentore hat ergeben, dass die starke Reduktion von Standard- und Kopfballtoren 22/23 im Vergleich zur Meistersaison das grösste Problem war. Gegen Yverdon nahm sich der FCZ diese Erkenntnis zu Herzen. Wie schon in den Testspielen angedeutet funktionierten die Standards wieder besser. Und man erzielte zwei Kopfballtore – eines davon nach einer Kopfballweiterleitung bei einem Eckball.

Personalien

  • Lindrit Kamberi: beim Saisonstart erneut parat. Wie schon beim Startspiel in Bern vor Jahresfrist ist der 23-jährige der beste Mann beim FCZ. Lässt im Gegensatz zu Katic oder Daprelà seinen Gegenspielern keinen Meter Raum, ist zudem in der Vorbereitung des 1:0-Fphrungstreffers entscheidend beteiligt. Nicht nur das: kein Spieler beim FCZ war an so vielen Abschlüssen beteiligt (11) wie der Volketswiler.
  • Nikola Katic: Ein Tor erzielt, aber in der defensiven Phase erneut Note “1“. Hatte als einziger Spieler der Startformation bis zur 63. Minute keine einzige Defensivaktion, die Pluspunkte verdient gehabt hätte.
  • Nikola Boranijasevic: Nach einem durchschnittlichen Start in die Partie sprudelte der Serbe in der 2. Halbzeit nur so vor Spielfreude und bot dem Publikum ein Schmankerl nach dem anderen.
  • Fabian Rohner: Offensiv mit seiner Monsterflanke zum 1:0 mitentscheidend. In der Anfangsphase der Partie war er aber vor allem im Gegenpressing sehr wichtig und verhinderte den ein oder anderen schnellen Yverdon-Gegenstoss. Baute in der 2. Halbzeit ab.
  • Daniel Afriyie: Die Bewertung „bemüht“ wird in Arbeitszeugnissen in der Regel eher negativ bewertet. Auf die 1. Halbzeit von Afriyie traf dieser Ausdruck sowohl im Negativen wie im Positiven zu. Mit dem Rücken zum Tor verlor der Ghanaer zu viele Bälle und leitete so den ein oder anderen Yverdon-Konter ein. Zudem stand er in einzelnen Situationen falsch. Er steigerte sich aber bereits nach der Pause.
  • Bledian Krasniqi: Schon letzte Saison fiel auf, dass seine Offensiv- und Defensivleistung häufig sehr unterschiedlich gut ist – wie wenn er sich in einem Spiel nur auf eines von beidem konzentrieren könnte. Krasniqi hat von Haus aus in erster Linie offensive Qualitäten. Letzte Saison fokussierte er sich als Teil seiner Entwicklung bewusst stärker auf die defensive Phase, und war dabei speziell bei gegnerischen Umschaltsituationen immer wieder wichtig. Nun werden von Krasniqi aber wieder mehr Assists und Tore erwartet. Nach seiner Einwechslung galt sein Fokus daher ganz offensichtlich diesem Ziel. Krasniqi war mehrmals nahe dran, dieses auch in die Tat umzusetzen. Seine Performance in der defensiven Phase litt aber darunter.

Randnotiz: Erste strittige Szene der Saison

Weitere Berichte und Highlights

FC Zürich – Yverdon-Sport (Bluewin Video)

Der FCZ hat gegen Yverdon die Lufthoheit (SRF Video)

Telegramm FCZ – Yverdon (transfermarkt live)

Aufsteiger Yverdon beim FC Zürich klar unterlegen (Südostschweiz)

Am Abend vor dem Spiel verliert der FCZ seinen Stürmer Nummer 1 (Tages-Anzeiger)

Zwei 37-jährige auf der Zielgerade ihrer Karriere / Servette – FCZ Vorschau

Der FCZ hat vor der letzten Direktbegegnung mit Servette in dieser Saison mit den Grenats eine ausgeglichene Punktebilanz – wie auch mit Luzern, Winterthur und GC. Das Team von Alain Geiger hat zuletzt YB zuhause mit 2:1 geschlagen – und drei Wochen später auswärts gegen den gleichen Gegner mit 1:6 verloren. Allerdings waren im Stade de Suisse Miroslav Stevanovic und Gaël Clichy nicht mit dabei – mindestens ersterer wohl als Schonung für das Heimspiel gegen den FCZ. In den letzten Monaten konnte sich Servette vorne in der Tabelle halten, obwohl man vorwiegend Unentschieden gespielt hat (insgesamt schon 14x in dieser Saison). Eigentlich müsste Servette in der Tabelle näher an YB dran sein, denn die letzten acht Partien hat man immer deutlich mehr und bessere Torchancen zu verzeichnen gehabt, als dann Tore daraus resultiert sind. Es fehlte also an der Abschlusseffizienz. Dies obwohl Servette vorne mit Chris Bedia einen Mittelstürmer von hoher Qualität in seinen Reihen hat.

Antunes bestimmt das Spielsystem

Miroslav Stevanovic wird mit grosser Wahrscheinlichkeit gegen den FCZ wieder in der Startformation stehen. Bei Gaël Clichy ist dies etwas weniger voraussehbar. Der Zahn der Zeit nagt am 37-jährigen. Auf der Linksverteidigerposition hat ihm zuletzt Anthony Baron auch qualitativ etwas den Rang abgelaufen. Beim Meisterschaftsspiel gegen Lugano (0:0) wurde Clichy in einem für Servette ungewöhnlichen Rhombus auf der Sechserposition eingesetzt. Hinten hatte der lange Zeit sehr konstant spielende Yoan Severin zuletzt etwas Probleme und könnte durch Steve Rouiller ersetzt werden, der nach einem entscheidenden Fehlpass in der Schlussphase im letzten Auswärtsspiel in Lugano in der Gunst von Alain Geiger gesunken war.

Wenn Alexis Antunes von Beginn weg aufläuft, spielt Servette eher in einem 4-2-3-1, da es diesen im Zentrum stark nach vorne zieht – und der zweite Achter (beispielsweise Cognat) daher mehr Absicherungsarbeiten verrichten muss. Das erfolgreiche Grundsystem Servettes bleibt aber das 4-3-3 mit zwei Achtern. Mit Douline fehlt aus dem französischen Mittelfeld-Triumvirat mit Cognat und Valls allerdings weiterhin der eigentliche Stammspieler auf der Sechserposition.

Die FCZ-Spielvorschau als Orakel der Aufstellung?

In der Spielvorschau des Klubs wurden Lindrit Kamberi und Nikola Katic interviewt und dies ist beim FCZ diese Saison nicht immer, aber häufig ein Zeichen, dass sie in der Startformation stehen. Nach dem guten Auftritt gegen St. Gallen gäbe es allerdings kaum Gründe, um an der Dreierabwehr Omeragic / Kryeziu / Aliti zu rütteln. Möglicherweise wird der wiedergenesene Guerrero physisch behutsam herangeführt und könnte daher unter der Woche eine kleine Zwischenpause einlegen. Ebenfalls auf der Ersatzbank beginnen könnte Blerim Dzemaili (gleiches Alter wie Clichy). Im Verhältnis zwischen Condé und Mathew feilt Bo Henriksen in den letzten Partien noch etwas an der Rollenverteilung. Diejenige des St. Gallen-Spiels mit Condé als Abräumer auf der Sechserposition und Mathew etwas weiter vorne hat sehr gut geklappt. Auf der Rechnung haben muss man auch, dass Selnaes wieder einmal von Beginn weg auflaufen könnte.

«Die Sozialkompetenz wird zu wenig berücksichtigt»

Blick ins FCZ-Leistungszentrum. Grosses Interview mit dem Leiter Academy, Heinz Russheim – TEIL 1 von 4

Wer ist das Herz eines Vereins? Einige würden sagen: die 1. Mannschaft. Für andere ist es die Vereinsführung. Die Dritten meinen: natürlich die Fans! Es gibt aber auch noch eine vierte Sichtweise: die Nachwuchsabteilung! In ihr entwickeln sich die zukünftigen Identifikationsfiguren und Botschafter des Klubs. Sie tragen schon seit früher Jugend das Vereinswappen auf der Brust und in jeder Altersstufe heisse Derbys aus. Sie sprechen die Sprache der Fans und können auswärtige Zuzüge in den Klub einführen. Die Juniorenabteilung bildet ausserdem die handfeste Verbindung zur aktiven Fussballfamilie der Region. Jeder Amateurverein ist stolz, wenn er einen eigenen Jungen in den Profiklub bringen kann.

Blerim Dzemaili (Oerlikon, Unterstrass, YF Juventus), Fabian Rohner (SV Höngg) und Gianni De Nitti (Red Star) stammen von Stadtvereinen. Lindrit Kamberi (Volketswil), Selmin Hodza (Uster), Ilan Sauter (Maur) und Yanick Brecher (Männedorf) aus der Agglomeration. Mirlind Kryeziu und Bledian Krasniqi können sich hingegen an ihr Leben vor dem FCZ fast nicht erinnern. Sie traten praktisch gleichzeitig in die Schule und den Stadtclub ein. Miguel Reichmuth kam mit 12 Jahren vom schwyzerischen Ibach. 

Leiter Academy Heinz Russheim vor dem Home of FCZ

Leiter Academy beim FC Zürich ist Heinz Russheim. Seit mehr als 11 Jahren im Verein, seit April 2013 als Technischer Leiter. Anders als die Mehrheit seiner Pendants bei Schweizer Klubs bringt Russheim einen fundierten pädagogischen Background mit: Sportlehrerstudium an der ETH, Tätigkeit als Lehrer und Ausbildner in der Allgemeinbildung an Berufsschulen, beim Bundesamt für Sport oder an der ETH. Bis 2009 hat er noch selbst Schule gegeben. Der FCZ gehört seit vielen Jahren im Nachwuchsbereich zu den besten Ausbildungsklubs der Schweiz und führt das Label des Schweizerischen Fussballverbandes als eines der Nationalen Leistungszentren. Russheim hat Heinz Moser als neuen Leiter Entwicklung zur Seite gestellt erhalten, der vom SFV kommend das Konzept gleich selbst in einem Klub in die Tat umsetzen kann. Moser ist zuständig für «den Roten Faden» durch den ganzen Klub inklusive Frauen und Profis und die langfristige Entwicklung. Russheim ist der Leiter des Nachwuchsbereiches der Jungs (Academy und Footeco), in welchem auch ein paar der talentiertesten Mädchen aktiv sind.

Züri Live: Heinz Russheim, wir befinden uns im dieses Jahr neu eröffneten «Home of FCZ». Der FC Zürich hat als erster von mehreren Vereinen das Zertifikat «Leistungszentrum» vom Schweizerischen Fussballverband erhalten. Muss man nun Jahr für Jahr «zittern», ob man das Label wieder erhält, oder ist dies mit dem aktuellen Angebot gesichert?

Heinz Russheim: Das ist zur Zeit ziemlich fix. Als wir uns 2015 beworben haben, konnten wir darlegen, dass wir alle Kriterien erfüllen. Wir erfüllten sie bereits, bevor es das Label überhaupt gab. Und es gibt nicht Jahr für Jahr wieder neue Kriterien. U16-, U18- und U21-Trainer müssen festangestellte Profis sein. Auch den Talent Manager, Leiter Goalies oder Leiter Athletik hatten wir schon vorher zu 100% angestellt. In einem Leistungszentrum darf man diese Rollen nicht auf verschiedene Personen splitten.  

ZL: Zuletzt wurde heiss über den Super League-Modus diskutiert. Für den Ausbildungsbereich scheint aber vor allem die Aufstockung der Super League auf 12 Mannschaften nicht ungefährlich zu sein. Das Geld für die Jugendakademien kommt ja letztlich aus dem Profifussball. Wenn Klubs wie Aarau, Thun, Xamax, Wil, Schaffhausen oder Vaduz durch das Fehlen der besten zwei Gegner weniger Einnahmen generieren, kriegen sie dann nicht Probleme mit der Finanzierung ihres Spitzenjuniorenbereiches?

HR: Da müsste man die Einnahmenstruktur analysieren. Wenn durch die zwei Top-Klubs, die in die Super League verschwinden, in der Challenge League die Zuschauerzahlen sinken, dann hätte das schon einen negativen Einfluss auf die Finanzierbarkeit der Nachwuchsabteilungen. Wenn aber die Zuschauereinnahmen keinen wesentlichen Teil des Budgets abdecken, sehe ich nicht einen riesigen Einschnitt – ausser die Sponsoren würden aufgrund des Zuschauerrückgangs und damit verminderter Attraktivität die zugesprochenen Gelder ebenfalls kürzen.  

ZL: Was hat sich für Dich persönlich mit dem Einzug ins Home of FCZ verändert?

HR: Die Wege sind natürlich wesentlich kürzer geworden. Bisher habe ich jeweils gependelt. Am Mittwoch bin ich beispielsweise um 8 Uhr im Heerenschürli ins Training, dann in die Geschäftsstelle im Stadtzentrum und dann um 13 Uhr wieder raus nach Schwamendingen fürs Nachmittagstraining. Auch die Kommunikation intern ist direkter. Wenn es etwas mit der Buchhaltung zu diskutieren gibt, kann man drei, vier Zimmer weiter schnell fragen gehen und muss kein Mail schreiben. 

ZL: Nicolas Chappuis hat den Sprung in den Staff der 1. Mannschaft geschafft – ein Verlust für die Academy?

HR: Ja klar. Einerseits ist jeder, der raufgeht, grundsätzlich ein Verlust. Andererseits ist es ein gutes Zeichen für die Academy. Ich mag mich noch erinnern, als Chappuis vor etwa acht Jahren von Etoile Carouge in die U14 gekommen ist. Er war Assistent von Magnin. 2018 als Magnin in die 1. Mannschaft befördert wurde, hatten Chappuis und ich zwei Wochen lang die U21 zusammen. Erst ich mit ihm als Assistent, dann er mit mir als Assistent. Dann war er Assistent bei Massimo Rizzo’s U18 und letzte Saison U17-Cheftrainer, dazu verantwortlich für das technische Equipment und die Spielanalysen. Wenn die 1. Mannschaft jemanden aus dem Academy-Staff «absaugt», ist das für mich nicht primär ein Verlust. Ich habe gegenüber Ancillo und Heliane Canepa immer betont, dass für jede Position in der 1. Mannschaft ein valabler Kandidat im Nachwuchs vorhanden sein sollte – egal ob Konditionstrainer, Cheftrainer oder Goalietrainer.

Nicolas Chappuis, Spielanalyst der 1. Mannschaft

ZL: Was sind die Kriterien, auf die beim FCZ bei der Trainerauswahl für die Academy am meisten geachtet wird?

HR: Die Diplome sind vorgegeben, da gibt es Mindestanforderungen: ab U16 aufwärts das A-Diplom. In den Stufen darunter gibt es ebenfalls die entsprechenden Auflagen (B-Diplom). Durch das Bestehen der Prüfung beweist ein Trainer, dass er die notwendige Fachkompetenz hat. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen «sehr gut» oder nur «knapp» bestehen. Aber die Prüfung ist nur eine Momentaufnahme. Ein Tag. Eine 5,5 ist zwar für den Moment besser als eine 4,5, aber der Kandidat hat vielleicht ein ganz anderes Prüfungsthema erwischt, als sein Studienkollege. Es heisst noch gar nicht, dass er dann auch der bessere Trainer sein wird. Für mich wird die Sozialkompetenz immer wichtiger. Der Umgang mit den Spielern ist zentral.

ZL: Und dies täglich…

HR: Ja. Ich hatte grad gestern ein Gespräch mit einem Gymischüler bei uns. Die haben über 30 Stunden Schule, dazu Hausaufgaben, Prüfungsvorbereitung. Und trainieren bei uns vier Mal abends. Wenn dann einer mal etwas müde ist, muss der Trainer die Empathie mitbringen, dafür Verständnis zu haben. Das hat man als Trainer und Mensch – oder man hat es nicht. Beim A-Diplom lernt man das auf jeden Fall nicht. Fordernd kann man trotzdem sein. Aber Verständnis für die Chancen, Gefahren, Freuden und Ängste der Jugendlichen muss vorhanden sein, und der Trainer muss damit umgehen können.

ZL: Bei einem Profiklub wie dem FCZ gibt es Legenden, Spieler mit Verdiensten, die man aufgrund der Klubpolitik gerne nach der Spielerkarriere in der Organisation halten möchte. Man kommt dann auf der Suche nach einer passenden Position schnell mal auf die Idee «Nachwuchstrainer» – obwohl der Ex-Profi möglicherweise nicht die beste Besetzung dafür ist. Hat sich in diesem Punkt mittlerweile etwas getan? Hat ein von der Sozialkompetenz und Pädagogik her starker Nachwuchstrainer eines kleinen Vereins aus der Region gute Chancen, sich in der Auswahl der Bewerber gegen einen Ex-Profi durchzusetzen?

HR: Wenn man keinen Hintergrund als Spielerprofi hat, ist es sehr schwer, bei den Grossvereinen reinzukommen. Wir hatten Fischer, Magnin oder Petrosyan. Colatrella hat ebenfalls in der obersten Liga gespielt, Romano war auch Profi.

ZL: Zumindest von der U15 an abwärts scheint es aber weniger Ex-Profis auf der Trainerposition zu geben…

HR: Ja, U15 kommt mir jetzt auch grad keiner in den Sinn. Der Einstieg ist aber meist in der U14 – und dann geht es direkt in das Leistungszentrum (U16). Man muss wissen: vor etwa 20 Jahren war die Philosophie des SFV, möglichst vielen ehemaligen Super League- und sowieso National-Spielern den Einstieg als Trainer zu ermöglichen. Denn diese haben die Erfahrung beispielsweise auch vor 50’000 Zuschauern zu spielen. Sie wissen, was auf dem Platz abläuft. Sie haben einen grossen Rucksack. Sie haben das Fachliche als Profispieler selbst erlebt und umgesetzt: «Was mache ich im Pressing? Wohin stehe ich? Wie verteidige ich?». Grundsätzlich alles. Das war die Stossrichtung.

Meines Erachtens hat man etwas zu wenig darauf geachtet, dass die Sozialkompetenz die dominante Qualität ist, die ein Nachwuchstrainer haben muss – ganz klar wichtiger als vieles andere. Diese Meinung wird nicht von allen geteilt. Natürlich muss ein Nachwuchstrainer im Spitzenjuniorenfussball eine Ahnung davon haben, was auf dem Fussballplatz abläuft. Aber das Pendel schlägt für mich zu stark in Richtung ehemalige Top-Spieler aus. Der Umgang mit einer U16 oder U18 ist nicht das Gleiche, wie mit der 1. Mannschaft. Sie trainieren zwar gleich viel, aber der Juniorenspieler macht nebendran noch eine Lehre, geht in die Schule, ist in der Entwicklung, in der Pubertät – das braucht vom Trainer spezielle Kompetenzen.

Thomas Tuchel oder Julian Nagelsmann waren als Spieler nicht auf dem Niveau ihrer jetzigen Mannschaften. Sie arbeiten erfolgreich, weil sie einen sehr guten Umgang mit ihren Spielern pflegen. Franz Beckenbauer vertraute als DFB-Teamchef fast ausschliesslich auf seine Sozialkompetenz. Das Training leitete ein Anderer.

ZL: Gut mit Jugendlichen umgehen zu können, ist eine spezielle Qualität… In gewisser Hinsicht schwieriger als mit Männern.

HR: Was heisst schwieriger? Das würde der Aufgabe der Eins-Trainer auch nicht gerecht. Dort kann man beispielsweise auch einmal eine «Diva» in der Mannschaft haben. Wie geht man damit um?

ZL: Im Nachwuchs hat man natürlich als Trainer etwas mehr Autorität und Möglichkeiten, Druck auszuüben. In der 1. Mannschaft ist der Trainer wohl das schwächere Glied im Mannschaftsgefüge. 

HR: Das ist zwangsläufig so. Wenn’s nicht läuft, dann muss bei den Profis immer wieder der Trainer gehen. Auch wenn es häufig nicht die richtige Entscheidung ist.

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Weiter Probleme mit gegnerischem Pressing / FCZ – Luzern in der Züri Live-Analyse

Nur für den FCZ ändert Luzern-Trainer Mario Frick bisher sein bewährtes Rhombus-System. Erstmals in der letzten Runde der abgelaufenen Saison im Letzigrund – und nun erneut. Luzern-Innenverteidiger Simani sprach nach dem Spiel davon, dass man zu Beginn zu viel Respekt vor dem Meister gehabt habe. Hätte Frick das System auch geändert, wenn er gewusst hätte, dass der FCZ nicht im üblichen 3-4-1-2 spielt? Dass beide Mannschaften in einem klassischen 4-4-2 antraten, trug auf jeden Fall seinen Teil dazu bei, dass die Partie letztendlich torlos blieb. Gemessen an den Züri Live-Durchschnittsnoten hat sich die Mannschaft von Franco Foda defensiv von Spiel zu Spiel gesteigert. Allerdings war gegen dieses Luzern zu verteidigen deutlich einfacher, als zuvor gegen Qarabag. Mit Andy Gogia war im Letzigrund nur ein einziger eingesetzter Akteur defensiv ungenügend. Der MVP des Qarabag-Auswärtsspiels, Cheick Condé, war diesmal hingegen vor allem offensiv stark.

Grund für Probleme mit gegnerischem Pressing wirklich nur vermeidbare individuelle Fehler?

Personelle Überlegungen werden auf Seiten von FCZ-Coach Foda ihren Teil dazu beigetragen haben, sich für ein 4-4-2 zu entscheiden. In dieser Formation konnte er Andy Gogia und Jonathan Okita von Anfang an eine Chance geben und dadurch andere Akteure schonen. Man sah in dieser Partie aber auch plastisch die Nachteile dieses Systems für die Mannschaft. Im 3-4-1-2 mit lauffreudigen Aussenläufern Guerrero und Boranijasevic hat der FCZ sowohl viel Breite wie auch viel Tiefe im Spiel. Breite: hinterste Reihe fünf, im Mittelfeld vier und vorne ebenfalls vier. Die Tiefe wird dadurch hergestellt, dass vier Reihen auf dem Platz stehen und nicht nur drei, was sowohl offensiv als auch defensiv Vorteile hat. Im 4-4-2 hingegen werden die beiden Schlüsselspieler Guerrero und Boranijasevic zurückgebunden und können ihre Qualitäten nicht voll einbringen. Für die Gegner eröffnet sich zudem die zusätzliche Option einen langen hohen Ball über die drei Reihen hinweg hinter die Abwehr zu spielen.

Den Spielaufbau hinten heraus bestritt der FCZ erneut vorwiegend flach und hatte wie in Bern mit dem Pressing des Gegners phasenweise grosse Probleme. Dies obwohl Luzern in diesen Situationen den Zürcher Sechser nicht in Manndeckung nahm und daher immer wenn Condé zurückkam und sich ausserhalb des Deckungsschattens der Stürmer anbieten konnte, das Frick-Team gezwungen war, zurückzuweichen. Captain Yanick Brecher sah nach der Partie im Interview mit Züri Live allein einfach vermeidbare individuelle Fehler als Ursache der Probleme. Schon vor der Breitenreiter-Zeit hatte die Mannschaft immer wieder etwas die Tendenz, die eigenen kollektiven und individuellen Fähigkeiten zu überschätzen und Niederlagen mit unerklärlichen Fehlern von einzelnen Spielern zu erklären – anstatt die Spielweise des Teams an die Realitäten und echten Kräfteverhältnisse anzupassen. Gegen Luzern war es viel eher so, dass sich der FCZ nur dank dem ungewöhnlich unpräzisen Passspiel Luzerns schadlos halten konnte.

Bessere Bank als in Bern – letztjährige Effizienz fehlt offensiv und defensiv

Der FCZ spielte wie sich das schon in der Vorbereitung angedeutet hatte, mehr über die Seiten. Man sieht mehr Flanken und Kopfbälle. Die letzte Viertelstunde vor der Pause war der FC Zürich aber völlig von der Rolle und gewann praktisch keine Zweiten Bälle im Mittelfeld mehr. Luzern kam zu Chancen beinahe im Minutentakt. Eine positive Veränderung zum YB-Spiel war, dass diesmal beim FCZ Einwechselspieler (namentlich Dzemaili, Rohner und Santini) einiges bewegen konnten und ihre Mannschaft nochmal in die Nähe des möglichen Siegtreffers brachten. Insgesamt hatte der FCZ mehr Ballbesitz und in der 1. Halbzeit ein Plus an Grosschancen. Ganz generell hätte das Spiel nach „Expected Goals“ tatsächlich ebenfalls Unentschieden enden müssen – allerdings 1:1. In Bern wäre nach diesem Kriterium ein 2:2-Unentschieden anstatt der 0:4-Niederlage korrekt gewesen und in Baku hätte man gar 2:1 gewinnen müssen. Dies vor allem auch, weil die Tore Qarabags aus Positionen erzielt wurden, die häufig nicht einen Torerfolg zur Folge haben. Torhüter Brecher konnte die wuchtigen Abschlüsse von Wadji und Kady aber jeweils nicht parieren.



Condé bereits MVP / Qarabaq – FCZ in der Züri Live-Analyse

Der FCZ kennt solche Spiele. Vor zwei bis drei Jahren lief es jeweils gegen St. Gallen so wie nun in Baku. Zu Beginn überrollt der Gegner den FC Zürich wie ein Tsunami, so dass man das Gefühl bekommt: diese zwei Mannschaften gehören eigentlich nicht in die gleiche Liga. Wenn die Kräfte des Gegners nach der anfänglichen Parforce-Leistung dann aber nachlassen, schlägt der FCZ zurück. Der Unterhaltungsfaktor solcher Spiele ist hoch. Da St. Gallen am Ende aber mehrheitlich auf der Verliererseite stand, sah dessen Coach Peter Zeidler irgendwann von solchen Matchplänen wieder ab. Sein Team hatte jeweils in der Hochenergiephase schlichtweg weniger Tore erzielt, als es danach im „übersäuerten“ Zustand kassierte. Im Unterschied zu St. Gallen vermochte Qarabaq auch in der 2. Halbzeit in vereinzelten Aktionen nochmal das Tempo zu erhöhen und Nadelstiche zu setzen, so dass der FCZ nach dem 2:3-Anschlusstreffer nicht mehr allzu viel riskieren wollte.

Qarabaq mit grosser taktischer Flexibilität

Wer die Leistung oder Taktik des FCZ in Baku beurteilen will, muss daher berücksichtigen, dass in den zwei Halbzeiten zwar personell der gleiche, vom Energie-Level her aber ein komplett unterschiedlicher Gegner auf dem Platz gegenüberstand. Natürlich hat der Auftritt des Letzigrund-Teams in der 2. Halbzeit optisch deutlich besser gewirkt, aber der Unterschied bezüglich Leistung war nicht so gross, wie es auf den ersten Blick scheint. In Problemen steckten in den besonders intensiven ersten 20 Minuten Qarabaqs beim FCZ viele. Bei Marc Hornschuh handelte es ich aber nicht nur um ein paar Probleme, sondern er war im Mittelfeldzentrum mit dem Tempo des Gegners überfordert. Und dass der sehr beständige Fidan Aliti in der Super League sein oberes Limit ausreizt und kaum Luft nach oben hat, war auch schon immer klar. Aber auch er machte natürlich sofort wieder eine bessere Figur, als Qarabaq die Puste ausging.

Dass die Aseris das Spiel schlussendlich gewannen, hat viel mit den Einzelleistungen von Ibrahima Wadji zu tun. Der 27-jährige Senegalese war vor einem Jahr als einer der besten Torschützen der Norwegischen Liga ans Kaspische Meer gezogen und in den Europacupduellen mit dem FC Basel die auffälligste Figur. In der 1. Runde der diesjährigen Saison gegen Lech Poznan lief das Spiel hingegen an ihm vorbei, auch weil Qarabaq jeweils über die Flügel spielte. Gegen den FCZ änderte Coach Qurban Qurbanov die Taktik. Das intensive Pressing / Gegenpressing aus dem Lech-Rückspiel wurde beibehalten, aber es wurde vorwiegend durch die Mitte angegriffen.

Selnaes-Début, Condé MVP, Marchesano und Guerrero steigern sich

In der 1. Halbzeit spielte der FC Zürich wie letzte Saison im 3-4-1-2 mit Manndeckung auf dem ganzen Platz. Der im Vergleich zum YB-Spiel verbessert auftretende Antonio Marchesano deckte im Spiel ohne Ball Jankovic, Dzemaili folgte Almeida auf Schritt und Tritt, und Hornschuh hätte Ozobic neutralisieren sollen. Die Lösung Qurbanovs gegen die Manndeckung: einer der beiden Flügel (Kady oder Zoubir) bot sich jeweils zusätzlich zentral an und trieb den Ball nach vorne, die Vier gegen drei-Überzahl ausnutzend. Nachdem der FCZ zur Pause auf ein 3-4-3 mit Raumdeckung umgestellt hatte, verlegte sich Qarabaq sofort darauf, die typischen Schwachstellen der Raumdeckung auszunutzen: die sich bietenden Lücken zwischen den Linien. Dazu stellte Qurbanov seinen besten Mann Kady vom Flügel auf die Zehnerposition, wo der Brasilianer nun häufig Raum vorfand und so das 3:1 vorbereiten konnte.

Der zur Pause für Hornschuh eingewechselte Cheikh Condé bestätigte die positiven Eindrücke seiner Spiele in Tschechien, der Vorbereitung und in Bern. Bereits in seinem zweiten Wettbewerbsspiel wird er zum Züri Live-MVP. Mit dem Guineer verbesserte sich schlagartig die Balance zwischen Offensive und Defensive. Mirlind Kryeziu und Blerim Dzemaili wirken (noch) fitter als letzte Saison. Als Qarabaq nicht mehr so intensiv ins Pressing ging, lancierte Kryeziu mit langen Bällen und Seitenwechseln das Zürcher Spiel und verwandelte den Foulpenalty zum 2:3 sicher. Offensiv war er der beste Spieler des FCZ in Baku. Bei Marchesano und Guerrero war bereits eine klare Steigerung im Vergleich zum Auftakt in Bern erkennbar. Fabian Rohner sorgte als Stürmer in der 1. Halbzeit immer wieder für Entlastung und provozierte Szenen, die zu einem Penalty oder Platzverweis des Gegners hätten führen können.

Ole Selnaes kam als Letzter der vier Neuzugänge und trotzdem überraschend früh zu seinem Wettbewerbsdébut für den FCZ – nicht überraschend mit guten Offensivaktionen und defensiven Defiziten. In der Match-Vorschau stand, dass das Duell zwischen Boranijasevic und Linksverteidiger Dzafarguliyev entscheidend werden könnte. Letztendlich führten zwei Fehler des für Dzafarguliyev eingewechselten Bajramov, der nach Krasniqi-Steilpass Boranijasevic im Strafraum zu Fall brachte, das späte 2:3. Insgesamt entsteht nach der Auswärtspartie in Aserbaidschan das Gefühl, dass die Mannschaft auf einem guten Weg ist und schon in den kommenden Partien die ersten positiven Resultate folgen werden.



Gleich viele Pressing-Gegentore wie die ganze letzte Saison / YB – FCZ in der Züri Live-Analyse

Einer der FCZ-Erfolgsfaktoren der letzten Saison war die äusserst hohe Pressingresistenz. Ganze drei Pressing-Gegentore kassierte gemäss Züri LIve-Auswertung das Breitenreiter-Team in 39 Wettbewerbspartien: eines gegen GC, eines gegen Sion und eines gegen YB (alle in der Rückrunde). Nun hat man in einer einzigen Partie zum Auftakt bereits die gleiche Anzahl Pressing-Gegentore hinnehmen müssen. Gelegen hat dies unter anderem an der veränderten Spielweise sowohl von YB, wie auch des FCZ.

Von der Politik der Fehlervermeidung abgewichen

Letzte Saison mit Ex-Trainer André Breitenreiter spielte der FC Zürich einen konservativen Fussball, ganz unter dem Motto: „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“. Es wurde alles unternommen, um mögliche Fehlerquellen von vornherein auszuschliessen: jeder Spieler fokussierte sich darauf, was er am besten kann, keine Wechsel bei System und Personal, Einsatzzeit für junge Talente aus dem eigenen Nachwuchs nur in homöopathischen Dosen – und aus der eigenen Zone wurden die Bälle vorwiegend im hohen Bogen nach vorne geschlagen. Auf diese Art und Weise hatten die Gegner kaum mal eine echte Chance, in der Nähe des Zürcher Tores einen Ballgewinn verzeichnen zu können. Unter Franco Foda wurde gegen YB im Aufbauspiel wieder viel mehr flach gespielt – wie in den Zeiten vor Breitenreiter. Die einstudierten Spielzüge vom Abstosspunkt funktionierten dabei gut – trotz äussert hohem Pressing von YB bis beinahe an die Grundlinie. Sobald aber Improvisation ins Spiel kam und sich einzelne Spieler zu viel zutrauten, konnten die Bundesstädter in der 2. Halbzeit mehrere Male die Zürcher erfolgreich in die Pressingfalle laufen lassen.

Auswärtsresultate des FCZ bei YB in den letzten vier Jahren

Die andere Seite der Gleichung ist YB – ebenfalls mit neuem Trainer, Spielweise und Taktik. Vor genau fünf Jahren hatte dieser zum Saisonauftakt mit dem FCB im Wankdorf mit 0:2 verloren. Am Ende jener Saison hatte Basel zwar in der Champions League sowohl Manchester United als auch Manchester City geschlagen – in der nationalen Meisterschaft war die Vorherrschaft aber gebrochen. Die entscheidenden Niederlagen passierten rund um den Start in die Champions League-Saison und den Achtelfinal gegen ManCity. Trotzdem verloren die Rot-Blauen in jener Saison in Super League-Partien auch die Dominanz auf dem Platz und erlangten sie in der Folge auch nach Wicky nicht mehr zurück.

Wicky mit neuer Version der Köbi Kuhn-Nati bei YB

Wie in der Vorschau zur Saisonauftaktpartie geschrieben, ist Raphaël Wicky bekannt dafür, seine Mannschaften auf direktes Spiel durch die Mitte auszurichten. Als Aktiver war er in der Nationalmannschaft jahrelang zusammen mit Ricardo Cabanas einer der beiden Achter in einem als Rhombus formierten Mittelfeld. Die gleiche Grundformation liess Wicky nun auch zum Meisterschaftsauftakt gegen den FCZ auflaufen – mit ebenfalls einem Walliser (Sierro) und einem Zürcher (Fassnacht) in der Rolle von Wicky und Cabanas. Auch die Handschrift des neuen YB-Trainers ist zu erkennen: im Aufbauspiel erst Ballkontrolle in der eigenen Hälfte und dann möglichst mit One Touch-Fussball durch die Mitte. Die jahrelang typische YB-Spielweise über die Seiten mit vielen Flanken in den Strafraum wird stark reduziert. Gegen den FCZ gab es so gut wie keine Angriffe über rechts – Rechtsverteidiger Lewin Blum schien zeitweise nur als Staffage auf dem Platz zu stehen. Und bei den Angriffen, die über links mit Garcia und Sierro eingeleitet wurden, zog es die Berner in der gegnerischen Hälfte mit Läufen und Passspiel ebenfalls zwischen Mittelinie und gegnerischem Strafraum schnell mal zur Mitte.

Defensiv praktizierte YB gegen den FCZ ein hohes Pressing ähnlich dem des FC St. Gallen. Offensiv zeichnete sich ihr Spiel durch eine äusserst grosse Variabilität aus, wie man sie in den letzten Jahren kaum mal von einer Mannschaft in der Super League gesehen hat. YB hatte sich auf diese Startpartie hin einiges ausgedacht und wechselte zu Beginn im Spielaufbau in virtuoser Weise die Positionierungen. Wicky rief dabei in der Anfangsphase fast ununterbrochen Anweisungen auf den Platz. Der FC Zürich war darauf aber vorbereitet. Die Spieler hatten so präzise Anweisungen mit auf den Weg mitbekommen, dass sie zumindest in den ersten 18 Minuten in der von Breitenreiter übernommenen Manndeckung trotz ständig wechselnder Konstellationen in jeder Situation defensiv optimal standen. Das war genauso beeindruckend zu beobachten wie die variablen Spielformen YB’s. Irgendwann wurde es dann aber zu viel. Zwischen der 18. und 22. Minute gerieten die Zürcher auf dem wild rotierenden Berner Karussell aus der Balance und vermochten sich nur noch notdürftig festzuhalten. Dann stoppte Schiedsrichter Schärer das Karussell durch die Anordnung einer Trinkpause. Genau im richtigen Moment für den Stadtclub!

FCZ nutzt Pausen und taktische Umstellungen, um besser ins Spiel zu finden

Durch die Trinkpause gerieten die Bundesstädter etwas aus dem Rhythmus und der FCZ konnte sich danach aus der Umklammerung lösen. Foda hatte seinem Team mit illustrativer Hilfe seines Tablets zusätzliche Anweisungen mit auf den Weg gegeben. Offensiv lief nun für die Gäste mehr – mit dem vorläufigen Höhepunkt in der 39. Minute, als nach einem Ballgewinn Krasniqis im Angriffspressing der zu Beginn neben seinen Schuhen stehende Gnonto mit einem starken Solo in den Strafraum vordrang. Mit einer kollektiven Meisterleistung verhinderten die Gelb-Schwarzen den Zürcher Führungstreffer. Zesiger blockte reaktionsschnell Krasniqis Abschluss aus kurzer Distanz. Der Nachschuss von Tosin hätte dann drin sein müssen. Garcia warf sich aber im letzten Moment so in den Ball, dass der Schuss in der Geschwindigkeit stark abgebremst wurde, so dass ihn Von Ballmoos gerade noch zwischen seiner Hüfte und dem Kunstrasen einklemmen und dann wegspedieren konnte. Die Grosschance für den FCZ war auch deshalb zustandegekommen, weil er defensiv von Manndeckung im 3-4-1-2 auf Raumdeckung in einem 3-4-3 umgestellt und den Gegner damit etwas verwirrt hatte. Beim Berner Konter mit einer Vier gegen drei-Situation parierte Brecher den Versuch Fassnachts aus spitzem Winkel. In dieser Phase enervierte sich der ansonsten ruhige Franco Foda ein paar Mal an der Seitenlinie, weil seine Mannschaft mehrmals vielversprechende Umschaltmomente wegen Missverständnissen oder verpatzten Zuspielen in den Sand setzte.

Mit Beginn der 2. Halbzeit verschoben sich die Kräfteverhältnisse noch stärker zugunsten des FC Zürich, der nun die bessere Mannschaft auf dem Platz wurde – dank kontinuierlicher Steigerung und optimaler Nutzung der Trinkpause und Halbzeitpause. In der 52. Minute parierte YB-Keeper Von Ballmoos ein weiteres Mal mirakulös einen Kopfball Kamberis nach Marchesano-Corner. Vincent Sierro, der Kamberi ungenügend gedeckt hatte, lenkte dann auch noch den Nachschuss Krasniqis mit dem ausgestreckten Arm ab – Penalty! Diesen setzte Antonio Marchesano aber über den Kasten. Er führte den Elfmeter dabei nicht wesentlich anders aus, als bei den vielen erfolgreichen Versuchen in den letzten Jahren. Im Gegensatz zum letzten Sommer, als der Tessiner in der bisherigen Form seines Lebens war und unter anderem mit seinen Standards einen wichtigen Grundstock zum späteren Meistertitel legte, hat er nun zum ersten Spiel hin noch nicht zu seiner Bestform gefunden. Seine häufig unglücklichen Offensivaktionen im Spiel selbst spiegelten sich auch in diesem Penalty. Einsatz und Körpersprache sind aber wie immer top. Daher muss man sich um Marchesano keine Sorgen machen.

Historische Parallele: Das Team von Trainer Urs Fischer hatte 10/11 eine starke Saison hingelegt. Mit den damaligen 72 Punkten wäre man 21/22 souverän Meister geworden, aber damals reichte es um einen Punkt nicht. Zum Auftakt der neuen Saison 11/12 verschoss Xavier Margairaz mit einem Panenka-Versuch seinen Penalty und der FCZ verlor in Sion 0:1. In der Folge kam man gegen das belgische Standard in der Champions League-Qualifikation eine Runde weiter, als Admir Mehmedi im Rückspiel ebenfalls einen Penalty verschoss – danach aber aus dem Spiel heraus traf.

YB nutzt durch riskante Zürcher Wechsel entblösste Defensive

Der verschossene Penalty weckte in Bern zwar das Publikum auf. Auf dem Platz änderte sich aber vorläufig noch nicht viel. In der 60. Minute haute Kanga zum dritten Mal innert 15 Minuten ungeahndet einem Zürcher den Arm ins Gesicht (1x Aliti, 2x Kamberi) – Gelb erhielt Kamberi wegen Reklamierens. In den folgenden zwei Minuten schlichen sich bei Aliti und Kryeziu kleine Unpräzisionen ein, die schlussendlich zum Fehlpass von Condé in der eigenen Platzhälfte führten, den YB in der Person von Fassnacht zur 1:0-Führung nutzte. Von allen Gegnern gegen die der ehemalige FCZ-Junior in seiner Profikarriere mindestens sieben Mal gespielt hat, hat er nur gegen Lausanne-Sport eine vergleichbare Bilanz an Skorerpunkten pro Spiel (0,65) wie gegen den FCZ.

In der Folge war die Partie ausgeglichen. Mit dem Dreifachwechsel in der 72. Minute ging FCZ-Trainer Foda dann relativ früh viel Risiko ein. Es standen nun mit Okita, Tosin, Gnonto, Rohner und Marchesano fünf Mann auf dem Feld, die in der Vorbereitung weitgehend im Sturm gespielt hatten. Vor allem das Mittelfeldzentrum mit dem nach vorne orientierten Marchesano und dem in der Vorbereitung auf dieser Position schlecht spielenden Hornschuh wurde sehr schnell löchrig. So konnten in der 77. Minute Niasse und Fassnacht locker mit Doppelpass durchs Zentrum durchkombinieren. Man kann dabei nicht mal den Vergleich „wie im Training“ verwenden, denn selbst im Training geht das nicht so einfach. So war für Niasse unbedrängt in zentraler Position 30 Meter vor dem Tor ein flaches Zuspiel nach rechts auf Itten möglich, welcher seinen Raum nutzte und den wie immer sehr lauffreudigen Guerrero im Stile eines Nationalspielers aussteigen liess. Nicht zwingend die Umstellung auf ein 4-4-2 aber in erster Linie die personelle Besetzung dieses 4-4-2 war für einen so frühen Zeitpunkt zu riskant. Dazu kam, dass Hornschuh seine Rolle als defensives Gewissen im Mittelfeld wie schon in den Testspielen überhaupt nicht wahrnehmen konnte. In der Phase davor hatte der FCZ eine Fifty-Fifty Chance auf den Ausgleich gehabt. Nach dem 0:2 hingegen war die Partie verloren.

Kamberi und Krasniqi mit reifer Leistung

Ein Teil des Problems wurde dabei mit der Transferpolitik in Kauf genommen. Man hat Spieler mit einer etwas höheren Qualität verpflichtet, als man normalerweise mit den finanziellen Mitteln des FCZ bekommen könnte, dafür brauchen diese Spieler aus unterschiedlichen Gründen alle noch etwas Anlaufzeit. Dies in Übereinstimmung mit der Kommunikation, dass man in erster Linie ein Kader „für die Super League“ zusammenstelle, also für den Zeitrahmen Juli bis Mai. Dadurch fehlen Foda zum Saisonstart teilweise etwas die valablen Alternativen. Im Gegensatz zu YB, wo die hochkarätigen Einwechselspieler die Entscheidung brachten, führten beim FCZ die Einwechslungen zu einem Leistungsabfall.

Grundsätzlich hat der neue Trainer Foda einiges von den Stärken des letztjährigen Teams übernommen. Man überliess dem Gegner weitgehend den Ball und setzte auf schnelles Umschaltspiel durch die Mitte – und nutzte dabei die Tatsache, dass YB nur mit einem Sechser und defensiv nicht so starken Achtern spielte. Die üblichen FCZ-Leistungsträger waren aber noch nicht in Form. Speziell beim Meisterspiel in Basel führten die immer volle Rückendeckung geniessenden Captains Brecher, Marchesano, Dzemaili die Mannschaft mit guten Leistungen an. Nun zum Saisonauftakt bei YB war Dzemaili nicht auf dem Platz, Marchesano und Brecher waren nicht in Bestverfassung. Dafür konnten Lindrit Kamberi und Bledian Krasniqi überzeugen. Beide lieferten ihre bisher wohl reifste Leistung im FCZ-Trikot ab und scheinen in kurzer Zeit einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht zu haben. Die Durchschnittsnote 4,9 ist allerdings so tief wie nur einmal letzte Saison: in der zweitletzten Partie in Lugano. Trotzdem wäre ein Punktgewinn durchaus verdient gewesen, angesichts des Expected Goals-Verhältnisses von 2,0 : 2,11 aus Sicht des FCZ. Speziell die Stürmer agierten aber im Vergleich zur letzten Saison vorderhand zu wenig effizient im Abschluss. Positiv zu bemerken ist, dass die Mannschaft auch gegen einen in dieser Disziplin sehr starken Gegner wie YB die Eckbälle wie in der Meistersaison weiterhin gut verteidigt.



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