„Business as usual“ genügt im Derby nicht / FCZ – GC 0:4 Stats & Spielinfos

Der FCZ verzeichnet im Derby gegen GC ein Chancenplus und verliert trotzdem 0:4. Erstmals in dieser Saison kann das Forte-Team damit mit mehr als 10 Torchancen in einem Spiel kein Tor erzielen. Ein Drittel aller 12 Torchancen hatte Raphael Dwamena. Roberto Rodriguez ist sogar an drei Vierteln aller Tormöglichkeiten beteiligt. Der FCZ agiert im Abschluss zu unpräzise und zielt fast immer direkt auf GC-Torhüter Lindner, welcher in der Anfangsphase allerdings beim Drehschuss Freys auch einmal eine aussergewöhnliche Parade zeigte.

Die FCZ-Gegner bereiten sich gut auf die Zürcher Standards vor. Eine Zeit lang war Rodriguez bei den Standards sehr effektiv – dies hat jetzt aber bereits wieder etwas nachgelassen. Die gleiche Entwicklung war zuvor zu beobachten, als Sarr die Stehenden Bälle trat. Die Lösung wäre: noch mehr investieren und jede Woche neue Varianten einstudieren. Wenn der FCZ neue Standardvarianten umsetzt, dann ist er damit erfolgreich. Bringt man hingegen die gleichen Varianten wie in den letzten Partien, dann haben sich die Gegner bereits darauf eingestellt.

Insgesamt gab es im Derby vor gut gefüllten Rängen beim FCZ nur 15 Top-Defensivaktionen, wobei Rüegg mit vier im Spiel ohne Ball noch am meisten hervorstach. Insgesamt war Michi Frey bester Mann im Forte-Team, knapp vor Roberto Rodriguez. Bei GC agierten viele Akteure im Vergleich zum ersten Derby der Saison (2:0-Sieg FCZ) deutlich verbessert, beispielsweise Spielmacher und 1:0-Torschütze Lucas Andersen oder auch der vor einem Vierteljahr noch «wacklige» linke Aussenläufer Doumbia. GC-Trainer Murat Yakin hatte die rechte Zürcher Abwehrseite als Schwachstelle ausgemacht und  liess immer wieder gezielt über diese Seite und allgemein über die Seiten bis an die Grundlinie angreifen.

Von dort aus konnten die Grasshoppers gefährliche Aktionen heraufbeschwören. Alain Nef und Cédric Brunner erwischten nicht ihren besten Tag. Ganz schlecht agierte zudem Kay Voser: gegen seinen Jugendklub war die Fehlerquote des 30-jährigen sehr hoch. Es fehlte grossen Teilen des Teams von der ersten Sekunde an auch etwas an der Einstellung. Die Mannschaft wirkte, als würde sie glauben, ein solider Auftritt à la «Business as usual» würde gegen GC  genügen.

Forte’s Experiment geht schief: FCZ – Schaffhausen 2:1 Highlights

Das seit Mitte November den FCZ heimsuchende Leistungstief hält weiter an. Trainer Uli Forte versuchte es zu Hause gegen Schaffhausen mit einer sehr offensiven Aufstellung mit zwei Sturmspitzen (Raphael Dwamena, Moussa Koné) und zusätzlich dem fast ausschliesslich mit offensiven Qualitäten ausgestatteten Antonio Marchesano im Zentralen Mittelfeld neben Sangoné Sarr. Das Experiment ging schief.

Vom Sturmduo Dwamena/Koné kam insgesamt zu wenig. Die Defensivarbeit der beiden Forwards war ungenügend, und die Offensivaktionen meist zu überhastet und unkontrolliert. Im Mittelfeld entstanden durch die offensive Ausrichtung zu grosse Lücken, die Schaffhausen nutzte, um das Spiel in die Hand zu nehmen und über weite Strecken zu kontrollieren. Dazu kamen speziell in der 1.Halbzeit potentiell entscheidende Fehler des eigentlich als defensive Absicherung gedachten Sangoné Sarr, der sich Mal für Mal überschätzte und in Ballbesitz auf Zweikämpfe mit dem deutlich robusteren Christian Zock einliess.

Dass es trotzdem zu drei Punkten reichte, lag daran, dass der Gegner nicht seinen besten Tag erwischte, und zusätzlich beim letzten Pass ungewöhnlich häufig zu unpräzis agierte. Kurz: es war wieder mal eines jener Spiele, wo der FCZ vom «Letzigrund-Bammel» des andere Kulissen gewohnten Challenge League-Gegners profitierte.   

Dazu kam ein kurzes Zwischenhoch in den zehn Minuten nach der Pause, als nach nur 35 Sekunden das 2:0 durch Moussa Koné fiel. Ausgehend von einem weiten Ball von Andris Vanins konnte Roberto Rodriguez die «Kopfballablage» Muhamed Demiris aufnehmen und die Lücken in der an diesem Tag häufig ebenfalls zu offensiv stehenden Schaffhauser Mannschaft nutzen, durchs Mittelfeld spazieren und Raphael Dwamena lancieren, der mit dem Querpass vor dem Tor seinen Sturmpartner fand. Es war kein Offside, wie von André Luis Neitzke reklamiert. Der Schaffhauser Captain liess sich in der Szene von der Schnelligkeit des Senegalesen düpieren. Und Demiri, der als der kleinere Spieler im Mittelfeld noch das Kopfballduell mit Koné gewonnen hatte, war ironischerweise genau aus diesem Grund wenige Sekunden später beim Abschluss des Zürcher Stürmers im Strafraum zu spät.

Auch beim frühen, entgegen dem Spielverlauf gefallenen Führungstor hatte der FCZ von sehr weit aufgerückten Schaffhausern profitiert. Die Gäste wurden in ihrer anfänglichen Druckphase übermütig und konnten nach einem eigenen Eckball durch Bunjaku an der Mittellinie gerade noch in höchster Not einen alleinigen Durchmarsch Moussa Konés Richtung Tor verhindern. Diesser zog aber richtigerweise durch, und setzte den von Bunjaku mit einem Rückpass angespielten Schaffhausen-Keeper Ilija Kovacic unter Druck. Die Verteidigung der Schaffhauser war immer noch entblösst, und so konnte Marchesano den Befreiungsschlag Kovacics abfangen und Roberto Rodriguez im Strafraum bedienen, dem sein zweites Rückrundentor gelang.

Erst in der 90. Minute dann der mehr als verdiente Schaffhauser Anschlusstreffer durch Lang, nachdem Brunner durch Nachlässigkeit seinem Gegenspieler Tranquilli auf der Seite zu viel Raum liess, und auch Torhüter Vanins seinen Arm zur Abwehr des Abschlusses zu wenig schnell hochbrachte. Es läuft nicht beim FCZ. Und in so einer Situation ist es angebracht, aus einer soliden Defensive heraus zu agieren, und aus dieser Position heraus die Offensive und das Selbstvertrauen Step by Step zu entwickeln. Der Versuch von Forte mit einem offensiv ausgerichteten 4-4-2 ging daneben, weil die gegen Schaffhausen auflaufende Mannschaft nicht die entsprechenden Qualitäten hat, und ausserdem zu diesem Zeitpunkt das Team insgesamt auch nicht in der Verfassung ist, um so auftreten zu können.

FCZ – Schaffhausen 2:1 (1:0)

Tore:  8. Rodriguez (Dwamena) 1:0; 46. Koné (Dwamena) 2:0, 90. Lang (Gül) 2:1.

FCZ: Vanins; Brunner, Nef, Kecojevic, Kempter; Winter, Sarr, Marchesano (68. Yapi), Rodriguez; Dwamena (68. Schönbächler), Koné (84. Rohner).

Schaffhausen: Kovacic; Lekaj (54. Gonçalves), Neitzke, Demiri, Mevlja; Bunjaku (54. Gül), Zock; Lang, Taipi, Mikari; Demhasaj (77. Tranquilli).

Testspielbilanz – Was macht die Konkurrenz?

In der Winterpause erfuhren einige Super League-Klubs am eigenen Leib, dass die Rede von der erhöhten Qualität der Challenge League nicht nur leeres Geschwätz ist. St.Gallen wurde nicht nur vom FCZ 2:3 geschlagen, sondern von Schaffhausen gleich mit 1:5. Auch wenn die Ostschweizer dabei mit ihrer Ersatzbank antraten, ein sehr hohes Resultat. Es passt aber ins Bild des «neuen» FC Schaffhausen der Wintervorbereitung. Er tritt neu mit Dreierabwehr an, und besiegte im Stade de Suisse YB mit 4:3. Sieben neue Spieler wurden verpflichtet, und vor allem Trainer Murat Yakin, der 2009 in Thun ein mittelmässiges Challenge League-Team übernahm, und innerhalb von einer Saison (zurück) in die Super League führte.

Der neue LIPO-Park liegt direkt oberhalb einer ebenfalls neuen S-Bahnstation. Der FCZ konnte in der Wintervorbereitung schon zwei Mal da spielen. Es heisst immer, Tribünen sollen so nah wie möglich am Spielgeschehen sein. Schaffhausen hat das auf die Spitze getrieben. So konnte Cavusevic nach seinem Tor gegen St.Gallen nicht mehr schnell genug abbremsen, und prallte gegen die Betonwand direkt hinter dem Tor, und wenn ein Verteidiger den Ball ins Seitenaus spediert, prallt dieser schnell mal gegen die Scheibe des VIP-Bereiches.

Der hartnäckigste FCZ-Verfolger Xamax lässt ebenfalls mit Top-Resultaten aufhorchen: zwei Siege und ein Unentschieden in den drei Duellen mit Super League-Klubs – 2:0 gegen Lugano, 4:1 gegen Lausanne und 1:1 im Wankdorf gegen YB. Das sollte für den FCZ und seine Anhänger genug Warnung sein. Le Mont verlor in einem ausgeglichenen Spiel in Basel in der Nachspielzeit unglücklich 1:2 und war beim 0:0 in Thun auf Kunstrasen die klar überlegene Mannschaft, und vergab dabei «hundertprozentige» Torchancen gleich im „Six Pack“.

Eher durchschnittlich waren die Resultate von Wohlen, Winterthur, Wil, Servette, Chiasso und Aarau. Die Aargauer Kantonshauptstädter verloren zum Auftakt grippegeschwächt mit 1:5 in Thun und in der Folge auch Stéphane Besle, der länger ausfällt und die Personalsorgen in der Hintermannschaft der Aarauer verschärft. Auftaktgegner Servette hatte ebenfalls keine sorgenfreie Vorbereitung. Zwei von fünf Testspielen wurden abgesagt und von den restlichen resultierte nur ein Sieg (1:0) gegen Etoile Carouge.

 

Family Business im FCZ

Die Tinte ist trocken, die ersten neuen Verträge ab Saison 2016/2017 sind unterschrieben. Robi Rodriguez kommt vom Serie B-Playoffteilnehmer Novara. Armin Alesevic verlängert bis 2020. Michael Kempter erhält seinen ersten Profivertrag mit derselben Laufdauer und wird Teil der 1.Mannschaft. Drei Mal eine emotional gute Story. Auch der dritte Rodriguez ist nun endlich beim FCZ angekommen! Der von Verletzungspech gebeutelte junge Alesevic wird nicht fallen gelassen, sondern im Gegenteil gleich mit einem langfristigen Vertrag ausgestattet! Und mit Kempter schafft ein weiterer Absolvent der FCZ Academy definitiv den Sprung ins Profiteam!

Aber wie sieht es nüchtern betrachtet aus? Am einfachsten präsentiert sich die Personalie „Kempter“. Der Verteidiger bringt auf jeden Fall Super League-Potential mit, spielte in der 2.Mannschaft in der Regel als Linksverteidiger in der Viererkette oder halblinks in der Dreierabwehr. Er besitzt zudem die seltene Kombination von Offensivdrang und gleichzeitig ausgeprägtem defensivem Gewissen. Kempter hilft immer wieder solidarisch, und bügelt Fehler von Nebenleuten unprätentiös aus. Kempter ist nicht das grösste Talent aus dem Nachwuchs, aber auf seiner Position hat die 1.Mannschaft nach den Abgängen von Vinicius und Koch grossen Bedarf. Kempter in die 1.Mannschaft zu nehmen und mit einem Profivertrag auszustatten, ist durch und durch logisch. Bei der Auswärtsreise nach Brest war der U20-Nationalspieler im letzten August erstmals im Kader der 1.Mannschaft dabei, und hatte dann seine ersten Einsätze unter Trainer Sami Hyypiä mit einem Teileinsatz in Bern und einem Spiel über die volle Distanz in Thun (0:4) im April.

Obwohl Kempter sich wohl durchaus Chancen auf einen Stammplatz ausrechnen kann, muss er in der kommenden Saison als Schweizer mit 95-er Jahrgang von Trainer Uli Forte nicht auf die Kontingentsliste gesetzt werden. Letzte Saison stellte die bereits beinahe ausgeschöpfte Kontingentsliste der Liga für den neuen Trainer Sami Hyypiä ein wesentliches Hindernis bei der Umsetzung seiner Vorstellungen von Fussball dar. Verschiedene Spieler mussten immer wieder auf Positionen eingesetzt werden, die nicht ihren Stärken entsprachen. In der Challenge League ist diese Liste für die ganze Saison sogar noch mehr begrenzt und umfasst noch 23 statt 25 Spieler. Armin Alesevic muss als 94-er Jahrgang darauf aufgeführt werden,
bevor er zum ersten Mal eingesetzt wird.

Nach Verletzungen an beiden Knien und mehr als einem Jahr Pause mit einem kurzen Unterbruch im Herbst, ist bei einem Spieler wie Alesevic die Wahrscheinlichkeit von Folgeproblemen und Komplikationen nach einer Rückkehr in den Ligaalltag natürlich gegeben. Lohnt es sich also, einen potentiellen Kontingentsplatz für einen aus einer langen Verletzung kommenden Spieler zu benutzen, der zudem noch nie Stammspieler war? Dies vor allem auch, weil der sympathische Glarner vor seinem in einem Training zugezogenen Riss in der Quadricepssehne nicht hat nachweisen können, dass er langfristig zu einer festen Grösse reifen könnte. Alesevic hat beträchtliche technische Mängel, welche im heutigen Profifussball selbst bei einem Torhüter nicht mehr akzeptabel wären. Auch in Cupspielen gegen unterklassige Teams wie beispielsweise die Old Boys oder Cham hatte Alesevic im Herbst 2014 Mühe, richtig mitzuhalten. Dass man gegenüber dem vom Verletzungspech Verfolgten ein Zeichen setzt, und gleich bis 2020 verlängert, kommt herzerwärmend und familiär daher, aber macht es auch wirklich Sinn?

Endgültig zum Family Business werden die Kaderpersonalien mit Roberto Rodriguez. Der in Gehdistanz zur FCZ-Basis Heerenschürli aufgewachsene Schwamendinger ist der einzige der drei Rodriguez-Brüder, welcher nicht in der FCZ Academy ausgebildet wurde. Der 25-jährige hat nach seiner Zeit im GC-Nachwuchs unter Murat Yakin mit Wil und Bellinzona vier Jahre in der Challenge League gespielt. Im Sommer 2013 folgte nach aufgrund der finanziellen Situation im Verein schwierigen Monaten im Tessin unter Trainer Martin Andermatt der Wechsel in die Super League zum FC St.Gallen. Nach nur zwei Monaten in der Ostschweiz folgte die Partie, welche den bisherigen Höhepunkt in Rodriguez‘ Karriere darstellt: der 4:2-Auswärtssieg beim Russischen Rekordmeister Spartak Moskau in der Europa League-Qualifikation. Rodriguez lieferte die Vorlage zum 1:1 und erzielte das 3:1 noch in der Ersten Halbzeit selbst. Der Begriff „St.Gallen“ ist noch heute unter Russischen Fussballfans und Journalisten Synonym für „Blamage“.  Die Ostschweizer spielten anschliessend in der Gruppenphase gegen Valencia, Swansea und Kuban Krasnodar, und landeten dabei zwei weitere Siege.

Roberto Rodriguez ist technisch stark, ein Standardspezialist, kann mit beiden Füssen im Abschluss reüssieren und auch auf allen Offensivpositionen hinter der Spitze, speziell auf den beiden Flügeln, eingesetzt werden. Wie seinen beiden jüngeren Brüdern fehlt es ihm nicht am Selbstvertrauen in Bezug auf den Fussball. Ein Selbstvertrauen, das, wenn man dem ein oder anderen ehemaligen Trainer glauben mag, in jungen Jahren auch mal in Selbstüberschätzung umschlagen konnte. Was Rodriguez seit Beginn seiner Karriere und bis heute gefehlt hat, ist Konstanz in seinen Leistungen. Auch in der abgelaufenen Saison in der Italienischen und Deutschen Zweitklassigkeit in Novara und Fürth konnte er sich nicht zum Stammspieler mausern. Vor allem aber ist Rodriguez ein Spielertyp, welchen der FCZ so oder so ähnlich bereits mehr als genug in seinen Reihen weiss: Buff, Chiumiento, Marchesano, Dominguez und Simonyan verkörpern alle genau wie Rodriguez den eher kleineren, nicht allzu schnellen und wenig zweikampfstarken Techniker mit guter Übersicht. Um eine erfolgreiche Balance im Team zu bekommen, sollte normalerweise nicht mehr als EIN solcher Spieler in der Startaufstellung stehen – sonst leiden Tempo, Wasserverdrängung und Stabilität.

 

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