FCZ Kaderplanung 21/22, Teil 3 – knifflige Seitenpositionen

Talabidi, Wetz, Okoh – Physis und Talent für die Hinterreihe

Mehr Qualität als defensiver Leistungsträger würde hingegen der eine oder andere im Ausland engagierte Schweizer Spieler mitbringen. An erster Stelle sollte diesbezüglich das grosse Schweizer Talent Bryan Okoh (18) genannt werden, von dem erwartet werden kann, dass ihn Salzburg kommende Saison ausleihen möchte – warum nicht zum FCZ, statt wie Adamu letzte Saison nach St. Gallen? Der ehemalige FCZ-Junior Martin Angha (27) hat sich bei Fortuna Sittard in der abgelaufenen Saison gut entwickelt und ist erstmals in seiner Karriere zu einem echten Leistungsträger gereift. Allerdings wird ihn genau dies wohl einen Wechsel ausschliessen lassen, jetzt wo er sich endlich mal richtig etablieren konnte – zumal sein Vertrag erst im März um ein weiteres Jahr verlängert worden ist. Auch Allrounder Simone Grippo (32) schaut auf eine persönlich gute Saison bei Real Oviedo in der LaLiga2 zurück und wäre in seiner aktuellen Verfassung in der Lage, bei einem Super League-Klub eine defensive Führungsrolle einzunehmen. Der Zeitpunkt für eine Rückkehr in die höchste Schweizer Liga wäre auch ideal. Gaetano Berardi (32, Leeds United) ist eher der Typ erfahrener Ergänzungsspieler und möchte wahrscheinlich noch nicht aus England wegziehen. Und dann wäre da mit Michael Lang (30) noch ein Mann mit Vergangenheit beim Stadtrivalen, der in der Bundesliga noch ein Jahr Vertrag hat, aber dort schon länger aussen vor ist.

Auf der Rechten Seite braucht der FCZ unbedingt einen Backup und/oder physisch stärkere Ergänzung zu Fabian Rohner und hier gibt es aus der Challenge League durchaus interessante Kandidaten. An erster Stelle der in der abgelaufenen Saison beim FC Wil seit November unter anderem krankheitsbedingt kaum noch eingesetzte Malik Talabidi (19). Der deutsche U20-Nationalspieler hat mit seiner Kombination aus Schnelligkeit, Physis und Technik die Voraussetzungen, nächste Saison zu „explodieren“ – und zwar auch auf Super League-Niveau. Ihn erst in einigen Monaten in Betracht zu ziehen, könnte zu spät sein. Ebenfalls ein guter Kandidat wäre mit seinen physischen und technischen Qualitäten Noël Wetz (20) vom FC Thun. Der Schweizer U20-Nationalspieler (Spielertyp: Michael Lang) ist gelernter Innenverteidiger, hat sich aber im Profibereich rechts etabliert und schlägt ansprechende Flanken. Ein Flankenspezialist ist Pius Dorn (24), der 20/21 zu den besten und konstantesten Akteuren beim FC Vaduz gehörte: ein solider Rechter Aussenläufer / Aussenverteidiger für die Super League.

Kandidaten für die linke Seite wie üblich schwieriger zu finden

Nikola Boranijasevic (29, Lausanne), lebt stark von seinem Laufpensum und seinen Sprints, die er aber mit zunehmendem Alter nicht mehr so konstant wie zuletzt auf den Platz wird bringen können – und unter anderem deshalb möglicherweise seinen Vertrag in Lausanne nicht verlängert erhält. Nach Anfangsschwierigkeiten hat sich der von Stade Olympique Choletais gekommene Moussa Diallo (24) bei Servette in kurzer Zeit auf Super League-Niveau verbessert. Allerdings ist die Verfügbarkeit von Diallo für einen Klub wie den FCZ im Gegensatz zu einem Boranijasevic ziemlich unwahrscheinlich – zumal das auch finanziell ganz ordentlich aufgestellte Servette wohl nicht mehr lange auf den unter akutem Leistungsabbau leidenden Captain Anthony Sauthier setzen wird. Ebenfalls ein Super League-Kandidat ist Schaffhausens Jetmir Krasniqi (26), dem allerdings neben seiner Dynamik und guten Vorlagen in die gefährliche Zone etwas die benötigten Defensivqualitäten abgehen.

Auch auf der linken Seite benötigt der FCZ unbedingt eine bessere Alternative zu Fidan Aliti als Tobias Schättin. Zwei der drei passendsten Kandidaten aus den Schweizer Ligen stammen aus dem YB-Nachwuchs: Linus Obexer (23) von Absteiger Vaduz bringt seit mehr als drei Jahren eine hohe Konstanz in der Super League und Challenge League auf den Platz und ist trotz seinem Fokus auf Offensive auch defensiv kein schlechter Mann. Der schnelle Pascal Schüpbach (21) ist die noch talentiertere Variante, die allerdings nach seiner verletzungsgeplagten Leihsaison in Winterthur noch einen langfristigen Vertrag (2024) in Bern besitzt und in ein bis zwei Jahren durchaus Chancen auf den Durchbruch im gelb-schwarzen Trikot mitbringt. Der dritte im Bunde ist Dylan Tavares (24) von Stade Lausanne-Ouchy – technisch mit gewissen Defiziten im Vergleich zu den ersten beiden Kandidaten, dafür physisch stärker und in einem zweikampforientierten Vertikalspiel à la St. Gallen wohl der passendere Mann.

Flügel: die komplizierteste Position für die Kaderplanung

Die Flügelposition ist wohl die komplizierteste für die Kaderplanung, wenn eine Mannschaft nicht mit einer konstanten taktischen Formation spielt. Wie für jede andere Position braucht es für eine gute Besetzung natürlich Spieler mit ganz spezifischen Qualitäten. Die meisten echten Super League-Flügelspieler können auf keiner anderen Position das gleiche Niveau erreichen. In mehreren taktischen Formationen existiert die Flügelposition aber gar nicht. Gleichzeitig: falls man (unter anderem) taktische Formationen mit Flügeln benutzt, dann muss man diese Position personell in der Regel etwas mehr als „doppelt“ besetzen, da aufgrund der besonderen Wichtigkeit der Frische auf dieser Position besonders viele Wechsel während und zwischen den Spielen vorgenommen werden.

Aus dem aktuellen Kader des FCZ haben Wilfried Gnonto (17), Assan Ceesay (27) und Henri Koide (20) ihre Stärken auf dem Flügel. Salim Khelifi (27) hat sich nicht für eine weitere Saison empfehlen können (hat aber noch Vertrag). Und sein Kollege Benjamin Kololli (29) hat der Mannschaft in seiner FCZ-Zeit als einer der Führungsspieler mehr geschadet als genützt. Aiyegun Tosin (22) und Marco Schönbächler (31) wiederum spielen im Offensivzentrum besser, als auf der Seite. Valable und gleichzeitig realistische Kandidaten für diese Positionen aus den Schweizer Ligen sind eher rar gesät. Nicht unmöglich, aber eher unwahrscheinlich wäre nach unserer Einschätzung eine Leihe mit Kaufoption des dynamischen Thurgauers Julian Von Moos (20) gewesen, der aufgrund der grossen Sturmkonkurrenz und dementsprechend wenig Spielzeit am Rheinknie in seiner Entwicklung stagniert hat. Mittlerweile hat dieser „nach Redaktionsschluss“ dieses Textes zu Vitesse Arnhem gewechselt – mit Kaufoption!

Fehlende Spielzeit müsste eigentlich auch YB’s Marvin Spielmann (25) zu einem Wechsel bewegen. Neben seinen Verletzungen ist vor allem Spielmanns Problem, dass seine Qualitäten nicht zu YB’s Spielweise passen. Zu einem wie in der abgelaufenen Saison vorwiegend Konterfussball und Pressing praktizierenden FCZ würde der Oltner hingegen sehr gut passen. Sein Vertrag bei YB dauert allerdings noch volle zwei Jahre, was eine Anstellung zu einem tieferen Lohn schwierig zu bewerkstelligen macht. Sicherlich eine potentielle Verstärkung wäre der in der Rückrunde von Juve an Sion ausgeliehene Brasilianer Wesley (21), welcher aktuell an einer Adduktorenverletzung laboriert. Auf der linken Seite könnte man je nach Kontellation auch beim von Fiorentina zu Lausanne verliehenen Rafik Zekhnini (23) versuchen, dessen Leihe nach Zürich „umzuleiten“ – noch interessanter wäre auf rechts Lubomir Tupta (23. Sion), der schon in der U21 EM-Qualifikation gegen die Schweiz aufgefallen ist. Von Challenge League-Absteiger Chiasso sind sicherlich der dynamische Sebastian Malinowski (22) und der wirblige Techniker Sofian Bahloul (21) ins Auge zu fassen. Bei beiden Linksfüssern aus dem „Riva IV“ gibt es allerdings wesentliche Vorbehalte bezüglich ihrer Defensivqualitäten, und ob sie dem FCZ unter dem Strich wirklich mehr bringen könnten als ein Salim Khelifi.

FCZ Kaderplanung 21/22, Teil 1 – Trainer und Spielidee

FCZ Kaderplanung 21/22, Teil 2 – das Abwehrzentrum

FCZ Kaderplanung 21/22, Teil 1 – Trainer und Spielidee

Für die Klubs ist Kaderplanung ein rollender Prozess, welcher das ganze Jahr hindurch betrieben wird. Für die externen Beobachter hingegen wird sie speziell in der Sommerpause jeweils zu einem heissen Thema. Züri Live nimmt daher aus diesem aktuellen Anlass den Kader des FCZ unter die Lupe, analysiert die Entwicklung der ausgeliehenen Spieler und liefert einen kompletten Überblick über potentiell für den FCZ interessante und gleichzeitig realisierbare Zuzüge aus der Challenge League und Super League. Der internationale Spielermarkt wird dabei bewusst aussen vor gelassen (mit Ausnahme von Schweizer Spielern im Ausland) – dafür würde eine einzelne Artikelserie nicht reichen, es bräuchte ein ganzes Buch.

Weiter Umschaltfussball oder Ballbesitz?

Erstmal ist für die Kaderplanung entscheidend, wie der FCZ in Zukunft spielen will. Der Kader der letzten Jahre ist für temporeichen Konterfussball am besten geeignet. Die Mannschaft hat unter Trainer Massimo Rizzo zudem im Pressing und Gegenpressing von einem tiefen Niveau aus wesentliche Fortschritte gemacht. In einem einzigen Transfersommer lässt sich dieses Stärke- / Schwächeprofil sicherlich nicht komplett auf den Kopf stellen, selbst falls dies ein Ziel sein sollte. Umschaltfussball sollte daher sicherlich weiterhin ein wichtiges Element des FCZ der kommenden Saison sein, wenn man sich seiner Stärken nicht künstlich berauben will. Die Frage ist: soll die erste gegnerische Linie vorwiegend mit hohen Bällen überspielt werden wie bei Rizzo und dabei auf die leicht verbesserte Kopfballstärke von Kramer oder Ceesay zur Weiterleitung der Bälle gesetzt werden? Oder findet man bessere Lösungen, um dies wieder flacher zu praktizieren, wie unter Magnin? Und soll mittelfristig der Übergang zu einem stärker ballbesitzorientierten Fussball angestrebt werden?

Wenn auch aktuell nicht mehr in Mode, so zeigen Mannschaften wie beipielsweise Ajax oder in der Schweiz Servette, dass man auch heutzutage mit einer modernen Version des kontrollierten, Zweikämpfe vermeidendem Aufbauspiels erfolgreich sein kann. Ausserdem bringen gerade junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs wie Bledian Krasniqi, Fabian Rohner, Stephan Seiler oder Nils Reichmuth zusammen mit einem Antonio Marchesano oder Marco Schönbächler eine gute Basis fürs erfolgreiche Passspiel in den Zwischenräumen von massierten gegnerischen Linien mit. Selbst in diesem Fall braucht es aber unbedingt ein deutlich besseres Umschalten in die Defensive, als noch zu Magnin-Zeiten – sei es durch weiter verbessertes Gegenpressing wie unter Rizzo, oder einen schnelleren Rückzug in die Defensivformation.

Ein Trainer aus der Rangnick-Schule?

Das Gegenstück zum „Servette“-Modell wäre St. Gallen mit seinem zu besten Zeiten der Saison 19/20 schnellen direkten Spiel mit vielen Hohen Bällen durch die Mitte (modernes „Kick and Rush“) – sehr sprint- und zweikampfintensiv, wofür man eine entsprechend junge und willige Mannschaft braucht. Gerade in deutschsprachigen Ländern haben im letzten Jahrzehnt die Trainer aus der Rangnick / Hoffenheim / Red Bull – Schule einen wahrhaften Siegeszug angetreten und die traditionelle Trainergilde deutlich auf die hinteren Plätze verwiesen. Nicht alle Trainer aus dieser Schule spielen den genau gleichen Fussball, aber alle gehen sie mit einer neuartigen deutlich konsequenteren und systematischeren Methodik an Taktik, aber auch Teamführung und Trainingsgestaltung heran.

Es bietet sich für einen Klub wie den FC Zürich geradezu an, bei einem Neuanfang, wie er für diesen Sommer ausgerufen worden ist, auf einen Trainer mit dem entsprechenden modernen Background à la Peter Zeidler zu setzen. Dieser müsste dann allerdings zu Beginn sein Konzept mit einem in weiten Teilen nicht auf seine Bedürfnisse zugeschnittenen Team umzusetzen versuchen, wie dies bei Lucien Favre in der Anfangszeit ebenfalls der Fall gewesen war – mit den vermutlich entsprechend bescheidenen kurzfristigen Resultaten, bis schlussendlich über mehrere Transferperioden hinweg das Kader der angestrebten Spielweise angepasst werden kann. Die starke SFV-Vertretung (Heinz Moser, Marinko Jurendic) im FCZ könnte aber auch dazu führen, dass ein Trainer aus diesem Umfeld ganz oben auf der Liste steht. Unter Reto Gertschen beispielsweise haben SFV-Auswahlen fast immer ein Maximum aus ihren Möglichkeiten herausgeholt, was beim zuletzt in den Medien gehypten Mauro Lustrinelli trotz Qualifikation für die U21-EM meist nicht der Fall war.

Match-Vorschau: Jürmala im Cornaredo, oder: welchem Zürcher Helden gelingt ein Tor?

Jedes Mal, wenn es gegen Lugano geht, stellen sich immer wieder die gleichen Fragen: gelingt dem FCZ endlich wieder einmal ein Tor gegen die Tessiner? Und wie viele Jahrhunderte dauert es noch, bis man im Cornaredo über einen Sieg jubeln kann? In der direkt danebenliegenden Resega klappt es doch auch! In der Länderspielpause hat Assan Ceesay immerhin in der Afrika Cup-Qualifikation gegen Djibouti in einem Penaltyschiessen, in welchem die Hälfte der Schützen scheiterte, in einem psychologisch wichtigen Zeitpunkt seinen Elfmeter souverän verwandelt. Blaz Kramer traf im Test gegen das in diesem Zeitpunkt allerdings nur bedingt kompetitive Spartaks Jürmala im Heerenschürli zwei Mal. Bisher hatte der Slowene aber Mühe, sich abgesehen von hohen Bällen gegen Super League-Teams  überhaupt Chancen zu erarbeiten. Ausser Thun hat keine Mannschaft bisher so wenig Tore erzielt, wie der FCZ. Das Problem ist, dass die Stürmer und Offensiven Mittelfeldspieler des FCZ nicht nur wenig treffen, sondern auch im Spiel gegen den Ball im Vergleich zu den Vorderleuten anderer Super League-Teams weniger diszipliniert, lauffreudig und kompakt agieren. Das trägt wesentlich zu den vielen Gegentoren bei. Rund um den gegnerischen Strafraum müssen die Offensivspieler noch viel hungriger und geduldiger agieren: auch wenn die erste, zweite oder dritte Gelegenheit zum Abschluss nicht kommt, sich sicher zu sein, dass es das vierte Mal klappt.  Gestern abend erging es Xamax gegen YB ähnlich wie zwei Wochen zuvor dem FCZ: gutes Spiel, über weite Strecken die bessere Mannschaft, aber beste Torchancen ausgelassen – und dann vier kassiert.

Es ist trotzdem zu erwarten, dass Ludovic Magnin im Duell zweier Waadtländer Coaches an der Startformation gegen YB wenig bis nichts ändert. Lugano-Trainer Fabio Celestini muss auf den verletzten Stürmer Nicola Dalmonte verzichten. Für ihn könnte der Sonntagsschütze aus der ersten Direktbegegnung, Marco Aratore, zum Zug kommen. Linus Obexer wird wohl den ebenfalls angeschlagenen Numa Lavanchy ersetzen. Im Mittelfeld wird sich Celestini zwischen den beiden spielerischen Elementen Lovric und Custodio entscheiden müssen, wobei die bessere Physis und Vielseitigkeit den Ausschlag für den Österreichischen U21-Nationalspieler Lovric (zuletzt drei Tore gegen Albanien und die Türkei) geben könnte.

 

Frage zum Spiel: Welcher Zürcher trifft in Lugano?

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