Transferspekulationen – die Kandidaten des FCZ Forums im Überblick

Vorfreude ist die schönste Freude. Und zur Zeit der Vorfreude gehören im Fussball unabdingbar die Transferperioden. Es wird über Zu- und Abgänge spekuliert, diskutiert. An diese personellen Rochaden knüpfen sich die Hoffnungen der Fans auf eine bessere Runde – diesmal die um zwei Spiele verlängerte Frühlingssaison. Zusätzlich befeuert wurde die Diskussion im FCZ-Umfeld durch Aussagen des Trainers und des Präsidenten nach dem Ende der in den nationalen Wettbewerben enttäuschenden Herbstrunde. 

Von Wohlen bis Hoffenheim – breite Palette an Wunschspielern

Es werden fortlaufend Namen in den Ring geworfen, so dass man sich manchmal an die noch vor ein paar Wochen heiss diskutierten Kandidaten kaum mehr erinnert. Züri Live schafft Abhilfe mit einem Überblick über alle vom 1. November bis heute im FCZ Forum diskutierten Transferkandidaten. Die Spekulationen und Vorschläge stammen dabei teilweise aus Drittquellen, teilweise aus dem Forum selbst. Auf Züri Live-Vorschläge oder vermutete Transferziele des Klubs soll dabei weitgehend verzichtet werden. Der Überblick fokussiert sich auf die Kandidaten aus dem FCZ Forum.

Das Feld der vorgeschlagenen Neuverpflichtungen ist breit gefächert. Es reicht von einem Spieler aus dem Schweizer Amateurbereich bis zu Bundesliga- und Serie A-Akteuren. Von einem Marktwert von Null bis vier Millionen Franken. Letzteren Betrag sind Jacob Bruun Larsen (Hoffenheim) sowie Josh Maja (Bordeaux, Ligue 2) gemäss “Transfermarkt“ wert. Der Amateurspieler ist der 17-jährige Alessandro Vogt vom FC Wohlen. Nur wenige der aufgeführten Kandidaten sind keine Offensivspieler, mehr als die Hälfte sind Mittelstürmer.

Eingrenzung des Kandidatenkreises durch die Kriterien „Kurzfristiger sportlicher Nutzen“ und „Realisierbarkeit“

Gruppiert werden die Kandidaten nach den Kriterien «Kurzfristiger sportlicher Nutzen» und «Realisierbarkeit». Das Kriterium «Realisierbarkeit» zeigt die Wahrscheinlichkeit nach Einschätzung von Züri Live, dass der FCZ oder ein mit dem FCZ vergleichbarer Klub den entsprechenden Spieler in dieser Winter-Transferperiode verpflichten könnte – vorausgesetzt der Spieler ist wechselwillig. Der Wechsel von Stephan Seiler von Winterthur zum FCZ wurde bereits bekannt gegeben. Daher liegt die Realisierbarkeit für Seiler bei 100%. Die vom FCZ in die Challenge League verliehenen Wallner, Koide und Nils Reichmuth haben mit 80% ebenfalls eine hohe Realisierbarkeit. Will der Spieler und will der FCZ, dann würde der Leihklub Wil oder Xamax einer vorzeitigen Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls zustimmen – oder müsste möglicherweise sogar aufgrund einer Klausel.     

Eine Realisierbarkeit von 0% hat der Schwedische Mittelfeldspieler Darijan Bojanic von Hammarby, dessen Wechsel nach Südkorea bereits in trockenen Tüchern ist. Ebenfalls eine äusserst tiefe Realisierbarkeit sieht Züri Live bei Bruun Larsen, Dawid Kownacki (Düsseldorf) oder Maja. Stürmer dieses Kalibers würden in der Super League wie Formel 1-Maschinen bei einem Bergrennen auf einer Schweizer Passstrasse wirken. Sie sind für eine andere Umgebung gemacht und werden sich auch weiterhin auf Top-Niveau bewegen.

Neuverpflichtung, die im ersten Halbjahr nicht einschlägt, als Normalfall

Eine immer noch sehr tiefe, aber aufgrund von Sonderfaktoren trotzdem leicht höhere Realisierbarkeit haben Spieler wie Ricardo Rodriguez (Torino), Mark Uth (1. FC Köln), Smajl Prevljak (KAS Eupen), Simone Zaza (vereinslos), Andrea Compagno (FCSB) oder Yacine Brahimi (Al Gharafa). Prevljak und Compagno spielen bei Klubs, die nicht viel höher als der FCZ einzustufen sind, Brahimi in Saudi Arabien, Uth und Zaza hatten zuletzt Verletzungsprobleme und brauchen eventuell einen neuen Anlauf und Rodriguez möchte zum FCZ zurückkehren – wenn auch wahrscheinlich nicht schon jetzt. Würde Rodriguez seinen Platz in der Nationalmannschaft nicht mehr haben, wäre dies aber sicherlich ein Faktor, der die Rückkehr zum FCZ beschleunigen würde.

Das zweite Kriterium zeigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Spieler dem FCZ kurzfristig (im Frühling) einen sportlichen Nutzen bringen würde. 100% beträgt diese Wahrscheinlichkeit bei keinem Spieler, Bruun Larsen oder Rodriguez erhielten einen sehr hohen Wert. Bei Uth ist nicht sicher, wie schnell er nach seinen körperlichen Problemen wieder in Form kommt. Und Kownacki hat ein paar wenige Schwachpunkte im Kurzpassspiel sowie in der Luft. Typischerweise sind diejenigen Spieler, die den FCZ praktisch sicher verstärken würden, für diesen kaum realisierbar. Alle Spieler, die mit mehr als 60% Wahrscheinlichkeit kurzfristig dem FCZ helfen können, sind zu höchstens 10% realisierbar. Dies offenbart die Schwierigkeit der Aufgabe des Sportchefs – und dass unter diesen Bedingungen ein Spieler, der im ersten Halbjahr nicht gleich einschlägt, eher der Normalfall, als ein Spezialfall ist. Dies gilt dementsprechend auch für die Neuverpflichtungen des Sommers 2022.

Moussa Konaté – abgetaucht nach Siegtor im Türkischen Cupfinal

Die Trendlinie ist in der Grafik gestrichelt eingezeichnet. Spieler, die sich oberhalb dieser Linie befinden, kommen für den FCZ zum jetzigen Zeitpunkt tendenziell in Frage. Diejenigen, die sich darunter befinden, tendenziell nicht.  In der linken unteren Ecke anzutreffen und damit am wenigsten in Frage kommt Yacine Brahimi. Er verdient in Saudi-Arabien sehr gut und hat gleichzeitig unter den dortigen Bedingungen bereits ziemlich stark an Qualität eingebüsst, so dass er dem FCZ kaum mehr helfen könnte. Ebenfalls kaum in Frage kommen Moussa Koné, Milan Pavkov, Christoffer Nyman, Moussa Konaté, Nikola Stulic, Nikola Krstovic, Matej Vydra, Mario Gavranovic und Simone Zaza. Gründe dafür gibt es verschiedene – beispielsweise finanzielle. Selbst der zur Zeit arbeitslose Vydra oder der in der Slowakei bei Dunajska Streda engagierte Krstovic könnten für den FCZ bereits zu teuer sein. Nyman hat beschränkte Fähigkeiten und lebt stark von seiner Mentalität und Captain-Rolle bei seinem Stammverein IFK Norrköping. Er würde in der Schweiz nicht so gut funktionieren. Vydra kommt zusätzlich aus einem Kreuzbandriss. Bei Zaza (ohne Klub) gibt es ebenfalls relativ grosse gesundheitliche Fragezeichen (Rücken, Knie). Stulic und Krstovic sind Vollblutstürmer mit Abschlussqualitäten, die mit ihrer etwas rudimentären Ballführung sowie Beweglichkeit aber gegen die relativ flinken und schnellen Super League-Verteidiger Probleme bekämen – speziell Stulic. Sie haben ihre Tore bisher gegen Gegner auf tieferem Niveau erzielt. 

Pavkov ist wie Brahimi in Saudi-Arabien sportlich in eine Negativspirale geraten. Koné (Nîmes) und Gavranovic (Kayserispor) sind Umschaltfussballer, die von ihren Qualitäten her nicht zum Fussball von Bo Henriksen passen. Moussa Konaté ist sowieso eine Story für sich: immer haarscharf an der Grenze zum Offside – auf dem Platz, und manchmal auch daneben. Beim für das Wallis legendären Cupfinal 2015 im St. JaKob Park hatte er so für Sion gegen den FCB das frühe 1:0 erzielt (Endresultat: 3:0). Im Mai dieses Jahres wurde Konaté nun zum zweiten Mal in seiner Karriere Cupsieger. Ausgeliehen zu Sivasspor hatte der Senegalese fast ausschliesslich Kurzeinsätze gehabt und dabei kein einziges Mal das Tor getroffen. Dann wird er im Türkischen Cupfinal iin der 111. Minute eingewechselt und erzielt auf Zuspiel des Ex-Luzerners Olarenwaju Kayode nur zwei Minuten später das Siegtor für Sivasspor zum 3:2. Mario Gavranovic (Kayseri) hatte nach einer Stunde mit einem Ballverlust im Mittelfeld Sivas zurück ins Spiel gebracht. Nach diesem Triumph sollte Konaté wieder zu seinem eigentlichen Arbeitgeber Dijon zurückkehren. Wie schon zuvor in Amiens wollte er aber auch in Dijon nicht in der Ligue 2 antreten und tauchte nach seinem Leihjahr in Tunesien und in der Türkei zum Trainingsstart einfach nicht mehr auf. Der 29-jährige Senegalese soll sich beim Sporting Club Gagnoa in der Elfenbeinküste aufhalten. Dijon überlegt sich rechtliche Schritte.        

Die Leistungsträger der Meistermannschaft 21/22 wurden alle in der Challenge League geformt

Generell kommen Kandidaten, die nicht einen höheren kurzfristigen sportlichen Nutzen als die FCZ-Leihspieler bringen, eher nicht in Frage. Matteo Di Giusto blüht bei Aussenseitern auf, die auf Umschaltspiel setzen. Er braucht Platz für sein Spiel und ist kein Ballbesitzfussballer. Linksfuss Sofian Bahloul (Wil) ist für die Super League wohl zu wenig widerstandsfähig. Das gleiche gilt noch stärker ausgeprägt für Camilo Mena (Valmiera). Die Durchsetzungsfähigkeit auf Super League-Niveau geht zumindest kurzfristig auch den beiden aus dem Rückraum torgefährlichen Mohamed Dhaoui (von Chikhaoui-Klub Etoile Sahel) und Shkelqim Vladi (Aarau) etwas ab, wobei beide sich mittel- bis langfristig diesbezüglich noch entwickeln können. Sie liegen auf jeden Fall knapp über der Trendlinie. Klar darüber liegen Alessandro Vogt (Wohlen) und Rayan Philippe (Hesperingen). Der 17-jährige Vogt ist ein Stürmertyp à la Cédric Itten und wäre sicherlich schon heute ein Spieler für die U21 in der Promotion League . Rayan Philippe ist bereits 22 und stärkt aktuell in Luxemburg mit mehr als zwei Skorerpunkten pro Spiel sein Selbstvertrauen. Dort kann der grossgewachsene Dribbler auch mit einer nicht allzu engen Ballführung reüssieren. Er wäre erstmal für einen (ambitionierten) Challenge League-Klub ein interessanter Mann. Natürlich wäre es grundsätzlich eine Option für den FCZ, einen Spieler wie Dhaoui oder Philippe erstmal zu übernehmen und in die Challenge League oder eine vergleichbare Liga auszuleihen. Das wäre aber ein finanzielles Risiko.

Die aus dem eigenen Nachwuchs stammenden Leihspieler Nils Reichmuth, Henri Koide und Silvan Wallner profitieren auf jeden Fall von ihren Einsätzen in der Challenge League. Die Leistungsträger der Meistermannschaft 21/22 haben gemeinsam, dass für sie alle die Challenge League ein wichtiger Entwicklungsschritt in ihrem Werdegang war: Yanick Brecher, Mirlind Kryeziu, Ousmane Doumbia, Antonio Marchesano, Assan Ceesay. Kryeziu, Doumbia und Marchesano hatten gar mehrere Stationen in der zweithöchsten Schweizer Liga. Auch Bledian Krasniqi und Lindrit Kamberi trugen einen wesentlichen Anteil zum Titel bei. Sie sind die aktuell positiven Beispiele des Challenge League- Werdegangs. Beide wurden zwei Jahre dahin ausgeliehen, bevor sie den Schritt in den erweiterten Kreis der Stammkräfte (erste 16 des Kaders) beim FCZ schafften. Rohner war ein Jahr in Wil. Kostadinovic bringt ausgiebig Challenge League-Erfahrung mit. Dass einen zwei Jahre in der Challenge League nicht automatisch in den engeren Kreis der 1. Mannschaft bringt, zeigt das Beispiel Ilan Sauter. Er wurde von Anfang an beim FCZ etwas überschätzt. Einzelne glanzvolle Auftritte bei den Junioren täuschten über seine allgemeinen Schwachpunkte hinweg.

Silvan Wallner und Nils Reichmuth brauchen noch Zeit

Stephan Seiler (22) wurde von Winterthur zurückgeholt. Mit seiner Explosivität kann er im Gegenpressing ein wichtiger Faktor werden. Allerdings muss er sich in der Rückwärtsbewegung und bezüglich Standfestigkeit noch steigern – so wie Bledian Krasniqi (21), der sich in dieser Hinsicht in den letzten ein, zwei Jahren deutlich verbessert hat. Nils Reichmuth (20), Henri Koide (21) oder Silvan Wallner (20) jetzt zurückzuholen, würde wenig Sinn ergeben. Sie können aktuell alle drei der Mannschaft wenig helfen.  Wallner spielt in Wil wieder auf seiner angestammten Innenverteidigerposition. Ob dies langfristig so bleiben wird, ist fraglich. Wallner war auch schon im Spitzenjuniorenbereich ein überdurchschnittlich fehleranfälliger und unkonstanter Spieler. Dies hat sich in seiner ersten Saison in Wil nicht geändert.

Die Äbtestädter profitieren neben der guten Arbeit des Trainerteams in dieser bisher erfolgreich verlaufenen Saison stark davon, dass neben Mittelfeldspieler Muntwiler und Stürmer Silvio mit dem Spanier Genis Montolio von der FCZ U21 nun auch noch ein Leader für die Hintermannschaft dazugekommen ist. Die Mischung stimmt. Wallner braucht für seine Entwicklung sicherlich nicht nur die folgende Rückrunde, sondern danach wie Krasniqi und Kamberi auch noch eine zweite Saison in der Challenge League. Bereits in seiner zweiten Saison in Wil befindet sich Nils Reichmuth. Die erste war durch die späte Ankunft und die Krankheit zum Ende der Saison faktisch auf ein halbes Jahr verkürzt. Er ist etwas weiter in seiner Entwicklung als Wallner. Aber auch Reichmuth benötigt im Minimum noch diese Frühlingsrunde im Bergholz.

Koide, Mehmedi, Sohm, Janko: Rückkehrer-Optionen mit Mankos

Der ältere der beiden Reichmuth-Brüder zeichnet sich durch sein gutes Raumverständnis, Positions- und präzises Passspiel aus – und ist im Strafraum torgefährlich, weshalb er in der Vergangenheit auch schon als hängende Sturmspitze eingesetzt wurde. Der Linksfuss muss aber analog Bledian Krasniqi in Wil noch zu einem kompletteren Spieler reifen. Denn auf den aktuellen Qualitäten alleine lässt sich noch keine Profikarriere aufbauen. Henri Koides Skorerpunkte pro Einsatzminuten sind gut, aber es unterlaufen ihm wie Silvan Wallner noch zu viele für sein Team schmerzhafte Fehler. Xamax läuft es diese Saison sportlich erneut nicht und Koide war an den beiden bisher einzigen Saisonsiegen nicht entscheidend beteiligt, was seine Position nicht stärkt.  Er ist zudem ein Umschaltspieler, der wohl nicht optimal zur aktuellen Spielweise des FCZ in der Nach-Breitenreiter-Ära passt.

Knapp unter dem Strich in der Züri Live-Grafik liegen auch Admir Mehmedi (Antalyaspor), Simon Sohm (Parma), Ivan Prtajin (SV Wehen) und Saidy Janko (Vfl Bochum). Mehmedi hat zuletzt zwar in einem Test gegen Napoli ein Tor erzielt, würde nach seinen vielen Verletzungspausen trotz seiner Erfahrung und dem FCZ-Herz dem Stadtclub wohl kurzfristig wenig helfen können. Die zuvor schon international unterdurchschnittliche Handlungsschnelligkeit ist noch weiter reduziert, was auf seiner Position ein entscheidender Faktor ist. Simon Sohm hat speziell im Spiel mit Ball herausragende Qualitäten, gerade in defensiver Hinsicht fehlt ihm aber wie schon zu seiner Zeit in der 1. Mannschaft des FCZ weiterhin die Konstanz. Janko ist ein kräftiger Rechtsverteidiger mit Schwächen im Passspiel. Er wäre die Variante mit stärkerem Fokus auf defensiven Qualitäten im Vergleich zu Boranijasevic. Es ist aber nicht die Position, auf der beim FCZ am meisten Bedarf herrscht. Der ehemalige Schaffhausen-Stürmer Prtajin schiesst in der 3. Liga Deutschlands viele Kopfballtore, ist beidfüssig und glänzt mit präzisen Weiterleitungen von hohen und tiefen Bällen im Spielaufbau. Gegen die taktisch gewiefteren und schnelleren Super League-Verteidiger würde er allerdings weniger häufig so frei zum Abschluss kommen, wie dies zur Zeit der Fall ist.

Der Favorit: Djibril Gueye

Nachdem wir die Kandidaten mit sehr tiefer Realisierbarkeit und zu tiefem kurzfristigem sportlichen Nutzen abgehakt haben, kommen wir nun zum Kreis der vielversprechendsten der FCZ Forum-Transferkandidaten. Als Favorit kristallisiert sich dabei Djibril Gueye vom Lettischen Überraschungsmeister Valmiera heraus. Die Mannschaft aus der Kleinstadt im Norden des Landes hat vor einem Monat zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte den nationalen Titel geholt. Gueye machte dabei im Fernduell mit dem FC Riga am letzten Spieltag mit einem Kontertor zum 2:0 in der Nachspielzeit in Liepaja alles klar.

Gueye weist gewisse Ähnlichkeiten aber auch Unterschiede zu Assan Ceesay auf. Ebenfalls grossgewachsen und «schlaksig», kann der Senegalese mit seinen langen Beinen im Rücken einer gegnerischen Abwehr entwischen. Seine Abschlussqualitäten sind etwas schlechter als bei Ceesay in der Saison 21/22, aber besser als bei Ceesay in den Saisons davor. Im Gegensatz zu Ceesay bringt Gueye zusätzlich Defensivqualitäten mit. Er kann als Alternative auch im Zentralen Mittelfeld eingesetzt werden und ist in der Lage, gute lange Bälle zu spielen. Gueye ist bereits 26 Jahre alt, was viele potentielle Interessenten abschreckt und daher die Realisierbarkeit eines Transfers erhöht. Nach vier Jahren bei zwei Erstligisten aus Dakar hat er erst vor etwas mehr als zwei Jahren den Schritt nach Europa zu Valmiera gemacht. Er scheint mittlerweile gut adaptiert an den europäischen Fussball und bereit, den nächsten Schritt zu machen. Gueye wirkt wie ein reifer Spieler, der Verantwortung übernimmt und nun in seine beste Karrierephase kommt. Diese Aspekte erinnern wiederum an Ousmane Doumbia, der im noch reiferen Alter von 28 Jahren erst den Schritt in die Super League zum FCZ geschafft, und dann in der Meistermannschaft auch neben dem Platz eine wichtige Rolle eingenommen hat.  

Baltikum bleibt für den FCZ interessant

Bei Valmiera sind insgesamt vier Senegalesen engagiert. Als Ausnahme von der Regel nur im FCZ Forum erwähnte Spieler zu besprechen sei hier noch Linksverteidiger Pape Fall (22) erwähnt. Ebenfalls grossgewachsen, mit guter Technik und verwertbaren Flanken, aber auch diszipliniert in der Rückwärtsbewegung, scheint der Linksfuss als Alternative für Adrian Guerrero als Linker Aussenläufer fast ideal geeignet.  Einzig seine ungestümen Tacklings müsste Fall noch zu reduzieren und dosieren lernen. Bezüglich sportlichem Nutzen auf gleicher Stufe aber wohl schwieriger zu realisieren ist Gueye’s lettischer Teamkollege Raimonds Krollis. Mittelstürmer Krollis ist mit 21 Jahren Captain des neuen Lettischen Meisters und mit 2,5 Millionen Euro auf Transfermarkt aktuell der wertvollste Spieler aus dem Baltikum. Er wirkt nach aussen fast wie eine Kopie von Bohdan Vyunnik, ist aber etwas weniger lauffreudig, dafür eher ein typischer Strafraumstürmer. Krollis hat als erster Spieler überhaupt seines kleinen Stammklubs Metta den Sprung in die Lettische Nationalmannschaft geschafft. In der Liga hat Krollis in der abgelaufenen Saison 24 Tore erzielt. Allerdings muss dabei klar herausgestrichen werden, dass er weder im Nationalteam noch im Klub bisher jemals ein Tor gegen einen Gegner erzielt hat, der sich auf Super League-Niveau bewegt. Gelegenheiten dazu gab es auch noch kaum.

Ebenfalls mit 60% Wahrscheinlichkeit bezüglich sportlichem Nutzen für den FCZ und wohl ein klein bisschen einfacher zu realisieren als Krollis sind die Sturmkandidaten Mathias Oyewusi (23) und Nicolai Jörgensen (31). Oyewusi ist in der Schweiz bekannt durch seinen Doppelpack gegen Basel mit dem Oli Buff-Klub Zalgiris aus Litauen. Drei Monate vorher hatte Oyewusi in der Champions League-Qualifikation auch schon gegen Malmö getroffen (Zalgiris gewann 1:0 und 2:0), konnte dann aber gegen den späteren FCZ-Gegner Bodö/Glimt nicht nachlegen (0:5, 1:1). Seine zwei Treffer im St. Jakob Park täuschen ein wenig darüber hinweg, dass der grossgewachsene Nigerianer kein klassischer Vollstrecker ist, sondern auf Super League-Stufe wohl als Flügelstürmer besser aufgehoben wäre.

Teddy Okou – Schrittfrequenz wie eine Nähmaschine

Der 31-jährige Nicolai Jörgensen ist ein Landsmann von FCZ-Coach Henriksen. Dies und das Timing könnte dazu führen, dass der FCZ diesen normalerweise für die Zürcher nicht erschwinglichen Stürmer zumindest mal für das nächste Halbjahr engagieren könnte. Jörgensen ist seit ein paar Monaten vereinslos, weil der deutlich über dem FCZ einzustufende FC Kopenhagen keine Verwendung mehr für ihn hatte. Gespräche mit Ligakonkurrent OB hätten sich gemäss Jörgensen zerschlagen. Er tendiert zu einem Wechsel ins Ausland und wäre unter anderem offen für die USA. Jörgensen ist ein technisch und taktisch sehr gut ausgebildeter 1,90m-Mann mit Vergangenheit bei Leverkusen, Kaiserslautern und Feyenoord, wo er vor allem in der ersten von fünf Saisons seine beste Zeit hatte. Jörgensens Spiel kann auch etwas zu lehrbuchmässig daherkommen – es fehlen die für einen Mittelstürmer nicht unwichtigen Haken, Ösen und Überraschungsmomente. Für eine Mannschaft, die Ballbesitz haben will, aber sicherlich auf Super League-Niveau eine gute Lösung.

Teddy Okou ist ein kleingewachsener Forward aus der Region Paris mit der Schrittfrequenz einer Nähmaschine. Im FCZ Forum wurde über den Einsatz des Linksfusses als Aussenläufer und damit Alternative zu Adrian Guerrero debattiert. Auf dieser Position wäre Okou aber sicherlich Fehl am Platz. Er kann hingegen auf allen Positionen vorne eingesetzt werden, am ehesten Flügelstürmer oder Mittelstürmer. Nachdem der heute 24-jährige in Frankreich vom Talentkarussell abgeworfen worden ist, hat er im Januar bei Stade Lausanne-Ouchy unter den Coaches Meho Kodro und Anthony Braizat einen Neustart machen können. Die grosse Frage ist, ob Okou auch in der Super League reüssieren könnte, oder ob die körperlichen Nachteile zu schwer wiegen. Am Einsatzwillen würde es sicherlich nicht mangeln. Okou scheint bereits jetzt in der Challenge League seinen Körper immer wieder ans Limit zu treiben, was nach speziellen Sprints jeweils zu leichten muskulären Problemen auf dem Platz führt.

Iker Pozo – möglicher FCZ-Ergänzungsspieler von Manchester City

Ebenfalls über dem Strich liegt in der Züri Live-Grafik schliesslich Iker Pozo von Manchester City. Die Realisierbarkeit sollte bei ihm das kleinere Problem sein. Der Zentrale Mittelfeldspieler ist teilweise ein ähnlicher Fall wie Arnau Comas vom FC Basel. Im Alter von zwölf Jahren wechselte der 22-jährige Spanier von Real Madrid zu Manchester City und verbrachte dort fast das ganze letzte Jahrzehnt in der Akademie. Bei einer Leihe vorletzte Saison zum holländischen Zweitligisten FC Eindhoven spielte Pozo zum bisher einzigen Mal im Männerfussball. Technisch, taktisch und im Passspiel muss man Pozo sicherlich nicht viel erklären oder vormachen. Ob er sich allerdings auch auf Super League-Niveau durchsetzen könnte, ist unklar. Eine Leihe nach Rijeka ist dieses Jahr im Sand verlaufen. Im Zentralen Mittelfeld hat der FCZ mit Krasniqi / Condé bereits ein talentiertes Duo mit Potential, das sich auch gut ergänzt. Dazu möchte Ole Selnaes trotz bisher durchzogenen Leistungen eine wichtige Rolle einnehmen. Stephan Seiler ist zurück. Pozo könnte da erstmal allenfalls als zusätzliche Alternative fungieren. Zum Ballbesitzfussball würde er passen.

Halbzeitanalyse 21/22

Der Klassenerhalt des FCZ ist bereits zur Winterpause so gut wie gesichert! Eine höhere Punktzahl zu diesem Zeitpunkt der Saison hatte der Stadtclub letztmals vor 13 Jahren unter Trainer Bernard Challandes gesammelt! Und ist am Ende jener Saison mit einem Aegerter, „Tico“ Okonkwo, Abdi, Leoni, Tihinen und Djuric auf dem Platz tatsächlich nicht abgestiegen! Erklärungen für die ersten 18 Runden wurden in den letzten Tagen in allen sich mit der Super League befassenden Medien (und auch in einigen, die dies normalerweise nicht tun) gesucht und gefunden. Trainer Breitenreiter habe „fast jeden Spieler besser gemacht“. Der FCZ spiele den „schönsten und erfolgreichsten“ Fussball, „mutig, offensiv, mit viel Drang zum Tor“, die Spiele seien „ein Spektakel“. Die Jungs hätten einen „super Team-Spirit“. Assan Ceesay oder Mirlind Kryeziu hätten eine fast schon „wundersame Wandlung“ genommen. Der Kader sei ausbalanciert und die individuelle Qualität „so gross wie schon lange nicht mehr“.

Was davon stimmt tendenziell? Was nicht? Was muss man relativieren? Und vor allem: welche Gründe wurden vergessen? Zum Start der Halbzeitanalyse nennen wir die aus unserer Gesamtsicht wichtigsten Erfolgsfaktoren der FCZ-Vorrunde. In den kommenden Tagen und Wochen werden wir mit Hilfe von Zahlen und Analysen unsere Einschätzungen und diejenigen der anderen Medien überprüfen und zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen versuchen.

1. Physis

Dieser Punkt wurde in keinem anderen Medium genannt, ist aus Züri Live-Sicht aber der wichtigste Fortschritt im Vergleich zu den letzten Saisons. Mehrere FCZ-Schlüsselspieler sind auf einem physisch deutlich besseren Niveau als noch in der Saison davor. „Marche sano in corpore sano!“ möchte man da ausrufen. Am augenfälligsten sieht man dies bei Assan Ceesay. Viele dachten, der Gambische Stürmer habe einen „Holzfuss“, wenn er wieder mal zehn Meter am Tor vorbeigeschossen hat. Dem ist aber nicht so. Mit einem „Holzfuss“ schiesst man üblicherweise einen Meter daneben, nicht zehn. Ceesay hat grundsätzlich ein gutes Ballgefühl in beiden Füssen. Seine Probleme waren nicht feinmotorisch, sondern grobmotorisch. Es fehlte die Rumpfstabilität und damit die optimale Koordination seiner grossen Bewegungen. Bereits mit einer leichten Berührung konnte man ihn zudem jeweils aus dem Gleichgewicht bringen. Neuerdings wirkt Ceesay wie ein echter Athlet. Die verbesserte körperliche Stabilität hat insbesondere seine Präzision im Passspiel und Abschluss innert kurzer Zeit stark verbessert.

Zweites Beispiel: Adrian Guerrero. Auch der Neuzugang hat sich im physischen Bereich im Vergleich zu seiner Saison bei Lugano enorm verbessert. Seine spielerischen Qualitäten und guten Standards waren schon im Tessin ersichtlich, aber er verlor letzte Saison noch so gut wie jeden Zweikampf. Nun kann der Spanier nicht mehr so einfach zur Seite gedrückt werden und seine Laufleistung nicht nur vorwärts, sondern vor allem auch im Umschalten in die Defensive ist bisher phänomenal. Drittens: Mirlind Kryeziu. Aus physischen Gründen hatte er in der Vergangenheit immer wieder grosse Leistungsschwankungen gehabt. In den letzten sechs Monaten wirkte er erstmals in jedem Spiel topfit und seine Leistungen waren somit sehr konstant.

Etwas erstaunlich sind diese eklatanten Verbesserungen weil es im FCZ-Staff abgesehen von Trainer und Assistent keine wesentlichen Änderungen gegeben hat. Clichés erweisen sich halt eben doch manchmal als wahr. So das Cliché von den typisch deutschen Tugenden. Den stärkeren Fokus auf Physis und stabile Defensive kann man nicht nur im Breitenreiter-Team, sondern auch bei den ebenfalls von einer deutschen Trainerin gecoachten FCZ Frauen-Mannschaft beobachten. Schweizer Trainer und Ausbildner gewichten diesen Aspekt traditionell weniger stark – ganz speziell Trainertypen wie Ludovic Magnin oder Fabio Celestini. Was passiert, wenn man diese Faktoren zu sehr ausser acht lässt, sieht man aktuell beim FC Luzern, welcher in den letzten Monaten in Sachen Wucht und physische Präsenz eine gegenläufige Entwicklung zum FCZ genommen hat und nun mit dem Trainerwechsel diesbezüglich das Ruder wieder herumreissen will. Man kann auch zu viel davon haben, aber nach den letzten Jahren hat dem FCZ dieses „deutsche“ Element auf jeden Fall schon mal gut getan.

2. Taktik

Auch wenn es unpopulär klingt und einige in und ausserhalb des FCZ nicht gerne hören: der Stadtclub spielt nun schon seit rund vier Jahren immer dann am erfolgreichsten, wenn er tief steht und wenig Ballbesitz hat. Ganz speziell gegen die besten Teams der Liga. Ludovic Magnin hat diese Erkenntnis nur in relativ begrenzten Saisonphasen beherzigt und war dann jeweils auch erfolgreich. Zum Beispiel vor der Winterpause vor zwei Jahren, als man sich mit nur noch acht Punkten Rückstand auf Leader YB auf den 4. Platz vorgekämpft hatte. Als Magnin danach wieder auf Ballbesitz spielen wollte, setzte es vorwiegend Niederlagen. Dasselbe bei Massimo Rizzo: mit tief stehen und wenig Ballbesitz konnte er bis zur Winterpause letzte Saison den FCZ stabilisieren und einige schöne Siege einfahren. Nach der Winterpause wollte er schrittweise seinem Team wieder etwas mehr Ballbesitz verpassen, was unter dem Strich zusammen mit den unglücklichen Personalien Sobiech (verletzt) und Dzemaili (nicht parat für die Super League) erneut zu einer Abwärtstendenz führte.

André Breitenreiter erkannte dies und sein FCZ stand daher zu Saisonbeginn noch tiefer und hatte noch weniger Ballbesitz, als unter Massimo Rizzo ein Jahr zuvor. Aber auch der deutsche Trainer konnte der Versuchung nicht widerstehen und liess sein Team Mitte Vorrunde schrittweise immer höher stehen und mehr Ballbesitz übernehmen. Die Resultate wurden auch bei ihm dadurch sofort etwas schlechter. Der Unterschied zu den Vorgängern war dann aber, dass Breitenreiter schnell die Handbremse zog und die taktischen Änderungen rückgängig machte. So kommt es, dass zur Winterpause 21/22 mit dem FCZ das Team mit dem tiefsten Ballbesitz der Liga mit sieben Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze steht.

Starker Start in die Vorrunde mit unter 30% Ballbesitz. dann mit zunehmendem Ballbesitz (bis zu 55% in Runde 12) eine Baisse. Die besten Leistungen gab es in den letzten drei Spielen der Vorrunde mit wieder gesunkenem Ballbesitz von um die 45% (gleitender Durchschnitt).

Dass der FCZ im Vergleich zu den anderen Teams speziell „mutig, offensiv, mit viel Drang zum Tor“ spiele, ist bei ehrlicher Betrachtung falsch. YB, Basel, Servette und aus dem Spiel heraus auch St. Gallen hatten in der Vorrunde mehr Abschlüsse, als der FCZ, welcher vor allem von seiner Effizienz und Standardqualitäten profitierte. Breitenreiter spricht in seinen heimischen Medien davon, dass der FCZ ein sehr Hohes Pressing betreibe und vom Spielstil mit Atalanta oder Leipzig vergleichbar sei. Davon kann aber auch keine Rede sein. Sein Team liegt statistisch beim Hohen Pressing im Mittelfeld der Liga – nicht nur hinter St. Gallen, YB und Basel, sondern auch GC. Zudem wurde unter Ludovic Magnin beim FCZ mehr Hohes Pressing betrieben, als unter Breitenreiter, wenn man die dafür relevante Kennzahl der „Passes Per Defensive Action“ (PPDA) zu Rate zieht. Dessen Mannschaft hat zudem erst drei Tore aus einem Hohen Pressing erzielt, was selbst unter dem Schnitt der Rizzo-Zeit liegt, wo der FCZ weniger Pressing betrieb, dafür sehr effektiv. Mittlerweile hat Ludo Magnin übrigens seine Amtszeit als Trainer der 1. Mannschaft des FCZ analysiert und kommt in einem Interview mit „24 heures“ zum Schluss, dass der Aufschwung unter Breitenreiter in erster Linie damit zu tun habe, dass dieser auf Umschaltspiel setze, was besser zur Mannschaft passe, als Ballbesitz.

Mit Ausnahme der Cupspiele in Solothurn und Yverdon liess André Breitenreiter seinen FCZ immer in einem 3-4-1-2 oder dem sehr ähnlichen 3-3-2-2 auflaufen. Ob man mit zwei Sechsern oder zwei Achtern / Zehnern spielte, hing dabei natürlich immer auch etwas von der Mittelfeldzusammensetzung des Gegners ab. Nicht nur bei der Formation, sondern auch bezüglich Personal setzte Breitenreiter stark auf Kontinuität. Ein eiserner Kern von neun Spielern spielte praktisch die Vorrunde durch. Deutlich variabler war man hingegen bezüglich Spielweise mit unterschiedlicher Spielauslösung, Positionierung, Pressing und Umschaltintensität. Speziell gegen Basel muss man sich für die Rückrunde etwas überlegen. Beinahe hätte der FCZ gegen die Rotblauen nach dem Hinspiel im St. Jakob Park auch noch das Rückspiel im Letzigrund verloren, weil man zu hoch stand. Der Spielweise und den Qualitäten des FCB kam dies schon in den letzten Jahren immer entgegen und es hat sich auch diese Saison nicht geändert, zumal Torhüter Heinz Lindner mit den Füssen gewisse Fortschritte gemacht hat und Akteure wie Tavares, Millar, Kasami, Frei, Zhegrova, Stocker, Males, Ndoye oder Cabral für Angriff- und Konterspiel gegen einen hoch stehenden Gegner prädestiniert sind. Bei allen sonstigen positiven Entwicklungen muss man sagen: in der Art und Weise wie man gegen den FCB spielen muss, war man letzte Saison unter Massimo Rizzo schon mal einen Schritt weiter.

3. Erfolgsorientiertheit

Eigentlich im Profifussball eine Selbstverständlichkeit, aber nicht unbedingt immer beim FCZ in den letzten Jahren. Unter Trainer Breitenreiter ist der Erfolg das oberste Ziel. Man wählt dementsprechend die erfolgsversprechendste Taktik, Spielweise und Personal. Vor allem werden Ideen, die sich nicht bewährt haben, sofort korrigiert. Der schnelle Lern- und Adaptionsprozess ist eine der grössten Stärken dieses Trainerteams und sicherlich ein Faktor, der zu Optimismus für die kommende Zeit berechtigt. Auch der Aspekt, dass unabhängig von Namen, Alter, Nationalität oder Rendement aufgestellt wird. Eine kleine Ausnahme gibt es dabei mit Blerim Dzemaili. Dieser wird trotz seiner immer noch offensichtlichen Mankos für die Hierarchie im Team ganz offensichtlich als unverzichtbar angesehen und deshalb von Breitenreiter und Co. stark geredet und häufig eingesetzt.

4. Automatismen

In einer Studie des CIES Sports Observatory Neuchâtel vor einigen Jahren wurde herausgefunden, dass personelle Kontinuität bei den Spielern als Erfolgsfaktor eines Fussballteams gelten kann. Der FCZ hatte in dieser Vorrunde eine sehr hohe Kontinuität und damit konnten sich Automatismen etablieren. Dies hat dem FCZ sicherlich im ein oder anderen Spiel gegen einen Gegner mit mehr personellen Wechseln einen mitentscheidenden Vorteil verschafft. Dazu ist der Team-Spirit dieser Mannschaft tatsächlich offensichtlich.

5. Transfers

Seit Sommer 2020 ist die Kaderentwicklung grundsätzlich positiv einzustufen. Spieler, welche die Entwicklung der Mannschaft gebremst haben, konnten abgegeben werden. Gleichzeitig wurden vorwiegend Spieler dazugeholt, die das Team weiterbringen. Eine hundertprozentige Trefferquote hatte man aber auch in dieser Zeit nicht. Namen wie Schättin, Dzemaili, Gogia, Leitner, Buschman oder Pollero sind zumindest mit Fragezeichen zu versehen. Schon seit 2018 hatte sich Auswahl, Qualität und Entwicklung der Leihen von Talenten in die Challenge League stark verbessert und funktioniert seither tadellos. Der FCZ war der erste Super League-Klub, der diesbezüglich das richtige Rezept gefunden hat. Mittlerweile hat YB nachgezogen.

Züri Live-Durchschnittsnoten in der Saison (Sommertransfers) oder Halbsaison (Wintertransfers) vor dem Abgang / nach dem Zugang

6. Abschlusseffizienz

Weiter verbesserte Abschlusseffizienz (der FCZ war letzte Saison schon effizient gewesen) hat einen grossen Teil zu den 40 Punkten der Vorrunde beigetragen. Pro Partie hat der FC Zürich ein halbes Tor durch Abschlusseffizienz erzielt – 2,4 Tore pro Spiel statt der erwartbaren 1,9 Treffer. Ein Teil der Abschlusseffizienz hat mit der Spielweise zu tun: kommt man durch einen Konterangriff vors gegnerische Tor, hat man mehr Platz und Zeit für den Abschluss. Ein weiterer Aspekt speziell im Fall des aktuellen FCZ ist die Torquote bei Standards. Dazu kommt die oben erwähnte verbesserte Physis (Kondition, Rumpfstabilität), die für einen präziseren Abschluss sehr hilfreich ist. Wie wichtig eine gute Abschlusseffizienz ist. zeigt der Vergleich mit den Saison-Rangierungen in untenstehender Grafik.

7. Detailarbeit

Die Analyse der FCZ-Partien der letzten Monate vermittelt den Eindruck, dass noch mehr als früher an Details gearbeitet wird – von Einwürfen über ballferne Bewegungen bis zur Schusshaltung und verfeinerten Zuteilungsregeln bei Defensivstandards.

Folgerungen und Ausblick

Während man beim Ausscheiden im Cup auch Pech hatte, ist in der Meisterschaft einiges für den FCZ gelaufen. Partien, die normalerweise Unentschieden ausgehen, kippten häufig noch auf die Seite des FCZ – dank Mentalität und (erarbeitetem?) Glück. Der erste Meisterschaftssieg seit Jahren gegen YB war ein Meilenstein – trotz Personalsorgen beim Gegner. Der FC Zürich hat denselben Personalaufwand und etwas tiefere Erträge wie der FC St. Gallen und ist wie dieser vor zwei Jahren zur Halbzeit vorne sehr gut mit dabei. Wie damals trafen diese beiden Teams im letzten Spiel vor der Winterpause aufeinander – beide Male gewann der FCZ. In der Anfangsphase waren die vielen direkt verwandelten Freistösse (in erster Linie von Marchesano) ein wichtiges Element, gegen Ende der Vorrunde die Rückkehr von Tosin und Leistungsexplosion Wilfried Gnontos. Letzteres kompensierte die schon seit Jahren traditionelle Ladehemmung Assan Ceesays in den Wintermonaten. Die nach dem Züri Live-Notenschnitt des Teams besten Spiele der Vorrunde waren die Heimsiege gegen Luzern und YB gegen Ende der Vorrunde und die beiden „Dreier“ gegen Lausanne. Das „schlechteste“ Spiel war der glückliche Heimsieg im ersten Derby.

Nach dem guten Start gegen die drei „L“ (Lugano, Lausanne, Luzern) kam eine Baisse. Angefangen bei der Auswärtsniederlage in Basel gings wieder aufwärts.

„Angesichts der Voraussetzungen das Maximum herausgeholt“ klingt im ersten Augenblick etwas nach: „besser kanns gar nicht mehr werden“. Dem ist nicht so. In verschiedenen Bereichen sind in den letzten ein bis zwei Jahren Prozesse in Gang gesetzt worden, bei deren Stossrichtung man sich heute noch nicht mal auf halbem Weg der Entwicklung befindet. Zum Beispiel bei der Kaderentwicklung, den Verbesserungen im physischen Bereich, den Automatismen, der Taktik oder der Detailarbeit auf verschiedensten Gebieten. Der FCZ hat in all diesen Bereichen braches Potential und die Entwicklungsprozesse gehen in die richtige Richtung. Und man lässt sich nicht durch kurzfristigen Aktionismus oder dem Schielen auf die Konkurrenz vom Weg abbringen. Dies alles stimmt zuversichtlich. Dazu kommt der Bezug des neuen „Home of FCZ“ im Heerenschürli.

Sehr gute Vorrunde in der Challenge League 16/17, deutlich schlechtere Rückrunde – trotzdem aufgestiegen. Gutes erstes Saisonviertel 17/18 und 18/19. Dazu gab es im letzten Saisonviertel 18/19 und 19/20 eine Leistungssteigerung. Stark sinkender Notenschnitt 20/21, vor allem in der Rückrunde. In der ersten Saisonhälfte 21/22 geht der Notenschnitt wieder stark rauf in Richtung der Challenge League (und Europa League) Vorrunde 16/17.

Im Sturm hat der FCZ neuerdings wieder Alternativen auf der Bank, was gerade auf dieser Position unabdingbar ist. Die Stürmer „Nummer 5 und 6“ Pollero und Koide haben ihre Super League-tauglichkeit bisher allerdings noch nicht nachweisen können. Das 3-4-1-2 nutzt die Laufstärke und Polyvalenz von Nikola Boranijasevic und vor allem Adrian Guerrero optimal aus, denn es ermöglicht immer wieder Überzahlsituationen im Zentrum, sowohl in der Spielauslösung wie in der gegnerischen Platzhälfte. Fabian Rohner, der Alternative zu Nikola Boranijasevic auf rechts ist durch die Detailarbeit unter Breitenreiter durchaus eine interessante Entwicklung zuzutrauen. Seine Einsätze in der Vorrunde waren allerdings noch nicht immer eine Empfehlung. Links steht als Alternative der offensiv von vielen unterschätzte Fidan Aliti bereit. Bezüglich Spielweise bietet sich an, weiterhin tief zu stehen mit wenig Ballbesitz und schnellem direktem Umschaltspiel – gepaart mit situativem Hohen Pressing und Gegenpressing, um den Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen. Breitenreiter bringt zudem gerade gegen Gegner aus der hinteren Tabellenhälfte immer mehr Rhythmuswechsel und Ballbesitzphasen ins Zürcher Spiel ein. Speziell in den Partien gegen Basel sollte man die Lehren aus den Vorsaisons aber beherzigen und wieder tiefer stehen, als man dies in der Vorrunde praktiziert hat.

Die grösste Problemzone der Vorrunde war in einigen Spielen das Zentrale Mittelfeld. Und dies obwohl man hier quantitativ sehr gut bestückt ist. Neben den gesetzten Ousmane Doumbia und Antonio Marchesano kam in diesem Mannschaftsteil Bledian Krasniqi am meisten zum Einsatz. In seiner Entwicklung scheint dieser nun langsam aber sicher bereit zu sein, als echter Stammspieler Verantwortung zu übernehmen. Blerim Dzemaili hat auf der 6-er Position deutlich besser gespielt, als weiter vorne. Er könnte typischerweise bei Rückstand oder unentschiedenem Spielstand für Ousmane Doumbia hereinkommen und mit seinen langen Bällen und Seitenwechseln von hinten heraus für verstärkten Druck sorgen – während weiterhin Marc Hornschuh bei einer Führung als zusätzliches defensives Gewissen einen Bledian Krasniqi ersetzten würde. Moritz Leitner ist aus seiner nach unten zeigenden Leistungskurve der letzten Jahre nicht herausgekommen, Ante Coric hat grosse Schwankungen – beide sind für das Team bisher in der defensiven Phase tendenziell eine Hypothek. Vasilie Janjicic wird wohl auch in der Rückrunde physisch noch nicht bereit für die definitive Rückkehr in die Super League sein. Stephan Seiler und allenfalls Miguel Reichmuth aus der U21 bieten sich hingegen immer mehr als valable Alternativen an.

Wichtig in der Rückrunde kann auch werden, dass man intern auf Eventualitäten der Pandemie-Entwicklung gefasst und vorbereitet ist. Angefangen von der Teilnahme von Assan Ceesay am Afrika-Cup bis zu Entwicklungen mit möglichen vielen Quarantänen und improvisierten Teamzusammenstellungen beim eigenen Team und/oder den Gegnern, die andere Ligen aktuell durchmachen. Einerseits muss man auf der administrativen Ebene im direkten Zusammenspiel mit der Liga und anderen Klubs natürlich versuchen, das Beste für das Team herauszuholen, während man in der Kommunikation nach aussen und die Mannschaft selbst vor allem bereit sein muss, jede Situation als sportlichen Challenge und Chance wahrzunehmen.

FCZ Kaderplanung 21/22, Teil 1 – Trainer und Spielidee

Für die Klubs ist Kaderplanung ein rollender Prozess, welcher das ganze Jahr hindurch betrieben wird. Für die externen Beobachter hingegen wird sie speziell in der Sommerpause jeweils zu einem heissen Thema. Züri Live nimmt daher aus diesem aktuellen Anlass den Kader des FCZ unter die Lupe, analysiert die Entwicklung der ausgeliehenen Spieler und liefert einen kompletten Überblick über potentiell für den FCZ interessante und gleichzeitig realisierbare Zuzüge aus der Challenge League und Super League. Der internationale Spielermarkt wird dabei bewusst aussen vor gelassen (mit Ausnahme von Schweizer Spielern im Ausland) – dafür würde eine einzelne Artikelserie nicht reichen, es bräuchte ein ganzes Buch.

Weiter Umschaltfussball oder Ballbesitz?

Erstmal ist für die Kaderplanung entscheidend, wie der FCZ in Zukunft spielen will. Der Kader der letzten Jahre ist für temporeichen Konterfussball am besten geeignet. Die Mannschaft hat unter Trainer Massimo Rizzo zudem im Pressing und Gegenpressing von einem tiefen Niveau aus wesentliche Fortschritte gemacht. In einem einzigen Transfersommer lässt sich dieses Stärke- / Schwächeprofil sicherlich nicht komplett auf den Kopf stellen, selbst falls dies ein Ziel sein sollte. Umschaltfussball sollte daher sicherlich weiterhin ein wichtiges Element des FCZ der kommenden Saison sein, wenn man sich seiner Stärken nicht künstlich berauben will. Die Frage ist: soll die erste gegnerische Linie vorwiegend mit hohen Bällen überspielt werden wie bei Rizzo und dabei auf die leicht verbesserte Kopfballstärke von Kramer oder Ceesay zur Weiterleitung der Bälle gesetzt werden? Oder findet man bessere Lösungen, um dies wieder flacher zu praktizieren, wie unter Magnin? Und soll mittelfristig der Übergang zu einem stärker ballbesitzorientierten Fussball angestrebt werden?

Wenn auch aktuell nicht mehr in Mode, so zeigen Mannschaften wie beipielsweise Ajax oder in der Schweiz Servette, dass man auch heutzutage mit einer modernen Version des kontrollierten, Zweikämpfe vermeidendem Aufbauspiels erfolgreich sein kann. Ausserdem bringen gerade junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs wie Bledian Krasniqi, Fabian Rohner, Stephan Seiler oder Nils Reichmuth zusammen mit einem Antonio Marchesano oder Marco Schönbächler eine gute Basis fürs erfolgreiche Passspiel in den Zwischenräumen von massierten gegnerischen Linien mit. Selbst in diesem Fall braucht es aber unbedingt ein deutlich besseres Umschalten in die Defensive, als noch zu Magnin-Zeiten – sei es durch weiter verbessertes Gegenpressing wie unter Rizzo, oder einen schnelleren Rückzug in die Defensivformation.

Ein Trainer aus der Rangnick-Schule?

Das Gegenstück zum „Servette“-Modell wäre St. Gallen mit seinem zu besten Zeiten der Saison 19/20 schnellen direkten Spiel mit vielen Hohen Bällen durch die Mitte (modernes „Kick and Rush“) – sehr sprint- und zweikampfintensiv, wofür man eine entsprechend junge und willige Mannschaft braucht. Gerade in deutschsprachigen Ländern haben im letzten Jahrzehnt die Trainer aus der Rangnick / Hoffenheim / Red Bull – Schule einen wahrhaften Siegeszug angetreten und die traditionelle Trainergilde deutlich auf die hinteren Plätze verwiesen. Nicht alle Trainer aus dieser Schule spielen den genau gleichen Fussball, aber alle gehen sie mit einer neuartigen deutlich konsequenteren und systematischeren Methodik an Taktik, aber auch Teamführung und Trainingsgestaltung heran.

Es bietet sich für einen Klub wie den FC Zürich geradezu an, bei einem Neuanfang, wie er für diesen Sommer ausgerufen worden ist, auf einen Trainer mit dem entsprechenden modernen Background à la Peter Zeidler zu setzen. Dieser müsste dann allerdings zu Beginn sein Konzept mit einem in weiten Teilen nicht auf seine Bedürfnisse zugeschnittenen Team umzusetzen versuchen, wie dies bei Lucien Favre in der Anfangszeit ebenfalls der Fall gewesen war – mit den vermutlich entsprechend bescheidenen kurzfristigen Resultaten, bis schlussendlich über mehrere Transferperioden hinweg das Kader der angestrebten Spielweise angepasst werden kann. Die starke SFV-Vertretung (Heinz Moser, Marinko Jurendic) im FCZ könnte aber auch dazu führen, dass ein Trainer aus diesem Umfeld ganz oben auf der Liste steht. Unter Reto Gertschen beispielsweise haben SFV-Auswahlen fast immer ein Maximum aus ihren Möglichkeiten herausgeholt, was beim zuletzt in den Medien gehypten Mauro Lustrinelli trotz Qualifikation für die U21-EM meist nicht der Fall war.

Dr Summer isch vrbii – die grosse Super League-Transferbilanz

Die Internationale Transferperiode ist zu Ende. Auch wenn national noch der eine oder andere kleinere Transfer getätigt werden könnte, ein guter Zeitpunkt, über diese „Saison vor der Saison“ Bilanz zu ziehen mit ein paar Stichworten zu jedem Super League-Klub.

Basel – Stürmerwechsel

Der FCB hat im Sturm Marc Janko, Seydou Doumbia und Andraz Sporar durch Ricky Van Wolfswinkel und den ehemaligen FCZ-Junior Dimitri Oberlin ersetzt. Matias Delgado ist zurückgetreten. Die neue Offensive ist etwas weniger namhaft und erfahren als zuvor und hat ihre Stärken vor allem in anderen Bereichen. Die ganze Mannschaft muss sich im Spielaufbau daher stärker auf Van Wolfswinkel und Oberlin ausrichten. Gerade in der Offensive werden talentierte Spieler, die bisher auf der Tribüne sassen, endlich eine Chance erhalten. Dazu gehören auch solche aus dem eigenen Nachwuchs wie Manzambi, Pululu oder Schmid. Taktisch hat die Mannschaft weiter Fortschritte gemacht, die Identität und lokale Verwurzelung hat aber tendenziell weiter abgenommen.

YB – Transfersieger

Die Zuzüge von YB diesen Sommer lesen sich wie eine Hitparade der begehrtesten Talente aus der Schweiz und näheren Umgebung: Christian Fassnacht, Jordan Lotomba, Nicolas Moumi, Jean-Pierre Nsamé, Djibril Sow, Pedro Teixeira. Jedes Toptalent, das nicht bei „drei“ auf den Bäumen war, landete bei YB. Das Ergebnis liest sich zusammen mit der bereits bestehenden prominent besetzten Equipe wie eine Mannschaft, die in zwei, drei Jahren Meister werden kann, wenn sie zusammenbleibt. YB ist der klare Transfersieger und profitiert dabei von einer gewissen Passivität des FCB auf dem diesjährigen Transfermarkt und den Millionen aus den Transfers von Zakaria, Mvogo und Ravet.

Lugano – Europa-Offensive

Die Tessiner haben im Hinblick auf die Europa League-Gruppenphase aufgerüstet wie noch selten zuvor in den letzten Jahren. Alexander Gerndt ist für Schweizer Verhältnisse ein Topstürmer, Bnou Marzouk, Bottani, Manicone, Yao oder Daprelà bringen einiges an Potential mit. Mit Pierluigi Tami und diesem Personal tritt Lugano spielbestimmender auf, als letzte Saison mit den Konterfussballern Alioski und Sadiku. Die hinteren Reihen (Verteidiger, Torhüter) sind personell etwas dünn besetzt. Aber im allgemeinen hat Lugano den letztjährigen dritten Platz genutzt, um nachhaltig einen Sprung nach vorn zu machen.

Sion – Ab durch die Mitte

Qualitativ haben FCB und YB die noch etwas besseren Spieler geholt, und quantitativ waren die Transferaktivitäten von Lugano vergleichbar. Multipliziert man aber Quantität mal Qualität, dann ist Sion ganz oben zu finden. Präsident Christian Constantin wechselte die Cupfinal-Verlierermannschaft praktisch komplett aus und verpflichtete dabei Top-Shots wie Kasami, Adryan, Di Marco, Uçan, Schneuwly oder Lenjani. Der Schwachpunkt: abgesehen davon, dass sich das neue Team erst finden muss, ist es nicht wirklich ausgewogen besetzt. Gerade aus der prominent besetzten Mittelfeldzentrale werden immer wieder Spieler auf der Bank oder gar Tribüne Platz nehmen müssen. Auf den Seiten ist die Mannschaft hingegen quantitativ eher dünn besetzt, und im Abwehrzentrum qualitativ eher Super League-Durchschnitt.

Lausanne-Sport – Waadtländer Identität weg

Falls in Lausanne die Strategie gewesen wäre, durch eine identitätsstiftende Waadtländer Achse ein Team für die Zukunft aufzubauen und die Zuschauer wieder zurück ins Stadion zu locken, hätte man Jordan Lotomba (zu YB), Olivier Custodio (zu Luzern) und Nassim Ben Khalifa (zu St. Gallen) unbedingt halten müssen. Mit Zeqiri kam zwar eines der besten Sturmtalente der Schweiz von Juventus zurück und Joël Geissmann ist ein interessanter Mittelfeldspieler, aber der Schwachpunkt, die fehlende individuelle Defensive Qualität wurde nicht behoben. Bei Lausanne denken auch Innenverteidiger bereits an den Spielaufbau bevor überhaupt der Ball erobert worden ist.

Luzern – Jugendpolitik

Auch wenn das Kader insgesamt nicht jünger geworden ist, kommen die Nachwuchsleute noch mehr als zuvor konsequent zum Einsatz. Kein anderes Team hat eine so junge zentrale Achse mit Knezevic, Schulz, Custodio oder Ugrinic, dazu Torhüter Omlin. Zur Zeit gibt es noch etwas viele Fehler im Spiel, die der FCZ zuletzt in der Swissporarena nur teilweise hat ausnutzen können. Die Verantwortung liegt noch stärker als zuvor auf erfahreneren Spielern wie Claudio Lustenberger, Christian Schwegler oder Tomi Juric.

Thun – Fragezeichen

Nicht jede Thuner Transferkampagne ist erfolgreich. So zum Beispiel der Sommer vor drei Jahren, als Andres Gerber Spieler wie Lotem Zino, Andrija Kaludjerovic, Christian Leite, Alexander Gonzalez, Gianluca Frontino oder Marco Mangold verpfichtete. Ist es diese Saison wieder ähnlich? Zwar wurden für die Lücke im Abwehrzentrum richtigerweise mit Gelmi, Rodrigues und Alessandrini gleich drei Alternativen geholt. Aus unterschiedlichen Gründen brauchen diese aber noch Zeit, um auf die volle Leistungsfähigkeit zu kommen. Nicolas Hunziker enttäuschte bisher ebenso wie zuvor bei GC. Am ehesten positiv aufgefallen ist bisher Nuno Da Silva (Breitenrain) als Joker. Eine Wundertüte wird Moreno Costanzo sein. Grundsätzlich wird das Spiel der Berner Oberländer aber von früheren Verpflichtungen wie Spielmann, Tosetti oder Rapp und den langjährigen Stützen wie Hediger getragen.

GC – Goalieproblem gelöst

Neuverpflichtung Heinz Lindner hat sich bisher noch nicht als einer der Toptorhüter der Liga etabliert, aber aus GC-Sicht ist die Torhüterposition dank dessen Verpflichtung zumindest nicht mehr die grosse Schwachstelle der Mannschaft. Auch wenn Jeffren seine Qualitäten angedeutet hat, sind bei den Grasshoppers aber in erster Linie die vor dem Sommer verpflichteten oder aus dem eigenen Nachwuchs stammenden Spieler tonangebend. Dass Sportchef Mathias Walther keinen echten Ersatz für Munas Dabbur verpflichten konnte, ist mit einem Trainer Murat Yakin nicht mehr so schlimm, denn dieser lässt sowieso häufig ohne gelernten Stürmer spielen.

St.Gallen – stabileres Mittelfeld

Das grosse Thema des St.Galler Transfersommers war, dass mit Albian Ajeti eines der grössten Schweizer Sturmtalente gehalten werden konnte. Dafür machte kurz darauf Sportchef Christian Stübi selbst einen Abgang. Eine Verstärkung hat sicherlich das Mittelfeld erfahren. Gegen den FCZ bildeten aussergewöhnlicherweise mit Stjepan Kukuruzovic und Gjelbrim Taipi zwei Linksfüsser das Zentrum, dazu hat der Österreicher Peter Tschernegg gute Ansätze gezeigt. Im Vergleich mit den ungenügenden Gaudino, Cueto oder Gouaida stellt das neue Mittelfeld eine Verbesserung dar.

FCZ – Zentimeter und Mentalität

Die Transferkampagne des FCZ unterscheidet sich fundamental vor allem von derjenigen YBs. Während die Berner mit viel Geld Talent im Überfluss einkauften, setzt der Letzigrund-Club auf günstige Transfers mit Fokus auf Mentalität und „Zentimeter“, wie sich Trainer Uli Forte gerne ausdrückt – Zentimeter in der Höhe und in der Breite wohlgemerkt. Vor 14 Jahren hatte Lucien Favre als neuer „Daniel Jeandupeux“ den FCZ auf westschweizerische spielerische Qualitäten, Technik und Ästhetik gepolt. Mit Ernst Graf im Nachwuchs und Fredy Bickel als langjährigem Sportchef wurde diese Spielweise im ganzen Klub mitgetragen, auch von den wichtigsten Nachfolgern auf der Trainerposition – Challandes, Fischer und Meier. Der alte Haudegen Sami Hyypiä hatte keinen Einfluss auf die Transferpolitik, aber mit Uli Forte weht nun ein anderer Wind. Der FCZ wird deutlich physischer, wie dies Forte-Teams schon immer waren. So sind denn auch langjährige Weggefährten wie Winter und Pa Modou sowie weitere ehemalige Spieler wie Frey und Nef tragende Säulen der aktuellen Mannschaft, welches teilweise dem Forte-Team in St.Gallen ähnelt, mit welchem dieser ebenfalls aufgestiegen war. Zu jener Zeit hatten die Grünweissen auch schon einmal mit Sandro Calabro und Tim Bakens fussballerisch völlig untaugliche „Zentimeter“ aus Holland geholt – und wieder abgestossen. Beim FCZ verpflichtet wurden nun grösstenteils Spieler, die zuvor in Sion, St. Gallen, Bern oder Luzern verschmäht worden waren. Das zur Ergänzung dringend notwendige Talent soll dabei der eigene Nachwuchs (Rüegg, Haile-Selassie, Rohner, Kryeziu,…) und der Afrikanische Kontinent (Sarr, Dwamena, Koné, Odey,…) liefern.

Abgänge Buff, Chiumiento, Kecojevic – in den Cupfinals top

Wie der FCZ gestern mitteilte, verlassen Oliver Buff, Ivan Kecojevic und Davide Chiumiento auf Ende Saison den Stadtklub. Mit Buff und Chiumiento gehen zwei der besten Schweizer Techniker der Gegenwart neue Wege. Alle drei Spieler standen bei beiden Cuptiteln 2014 und 2016 im Final auf dem Platz. Buff und Chiumiento zeigten im Final 2014 gegen Basel eine ihrer besten Leistungen im FCZ-Dress. Kecojevic war im Final 2016 gegen Lugano einer der besten Zürcher (zusammen mit Philippe Koch der einzige mit Züri Live-Note „8“). Ein Zeichen dafür, dass alle drei in der Lage sind, bereit zu sein, wenn es drauf ankommt. Chiumiento hatte seine mit Abstand beste Zeit beim FCZ im Anschluss an den Cupfinal im Herbst 2014, als er ein wichtiger Teil der Mannschaft war, die noch im November vom Leaderthron grüsste, bis nach Sandro Wiesers Attacke im Brügglifeld Gilles Yapi verletzt ausfiel. Der Abgang Chiumientos hat sich nun zwei Jahre später schon seit einigen Monaten abgezeichnet, verbrachte der Appenzeller doch einen Grossteil der Saison unter der Obhut von medizinischem, und nicht fussballerischem Betreuungspersonal. Die Verletzungsprobleme hatten bereits in der Saisonvorbereitung letzten Sommer begonnen. Vor diesem Hintergrund kam der im Klub und bei vielen Mitspielern beliebte „Chiu“ nicht mehr richtig in die Gänge und konnte sich bei Testspielen auch gegen klar unterklassige Teams nicht durchsetzen.

https://www.youtube.com/watch?v=BQDHuQV-7hk

Die Abgänge von Buff und Kecojevic waren aus sportlicher Sicht weniger zwingend, und sicherlich auch stark mit deren auslaufenden Verträgen (beziehungsweise präziser: weiterlaufenden Verträgen anderer Spieler) in Zusammenhang stehend. Einen auch auf Europa League- oder Super League-Niveau so soliden und zudem mittlerweile mit dem Klub gut vertrauten Innenverteidiger wie Ivan Kecojevic adäquat zu ersetzen, wird für die sportliche Leitung nicht einfach werden. Und Oli Buff hat für Schweizer Verhältnisse sowieso eine aussergewöhnliche offensive Qualität, auch wenn physisch sicherlich noch Steigerungspotential vorhanden ist. Wie Ricardo Rodriguez war der Mittelfeldspieler Stammspieler des U17-Weltmeisterteams 2009 gewesen und hatte im Final die entscheidende Cornerflanke auf den Kopf von Haris Seferovic geschlagen.

Neben Zuckerpässen aus dem Fussgelenk und starken Flanken waren Standards immer eine der Spezialitäten Buffs. Gegen Wil, Basel, Thun und Villarreal traf er per Direktem Freistoss. In der Challenge League-Saison durfte Buff zudem verstärkt auf seiner Lieblingsposition als hängende Spitze/10-er auflaufen, was ihm nochmal einen Schub verlieh. Bis im Oktober war er der beste Spieler im FCZ-Dress und in sieben von 16 Wettbewerbsspielen der Züri Live-MVP. Der hervorragende FCZ-Saisonstart war auch stark mit Buffs guter Form verbunden. Am 20. November wurde dieser dann im Stade de Genève vom Servettien Jérémy Faug-Porret rustikal von den Beinen geholt.

https://www.youtube.com/watch?v=sfaMj75pAZo

Bereits angeschlagen verwandelte Buff ein paar Minuten später trotzdem noch einen Foulpenalty zur 1:0-Führung, musste sich aber anschliessend auswechseln lassen und fiel bis in den April hinein immer wieder verletzungsbedingt aus. Buff, der im Primarschulalter laut eigenen Angaben drei Mal Einladungen von GC ablehnte, weil er unbedingt zum FCZ wollte, ist ein FCZ-ler durch und durch mit einem klaren Bekenntnis zu seinem Herzensverein, wie es im heutigen Profigeschäft in dieser Deutlichkeit und Glaubwürdigkeit nur sehr selten noch vorkommt. Auch wenn dies nicht für alle Trainer im gleichen Masse galt, hat man im FCZ immer auf den eigenen Junior gesetzt, wovon beachtliche 215 Wettbewerbspiele im Dress der 1. Mannschaft für den 24-jährigen zeugen. Bei vielen Journalisten und Fans wurden seine Qualitäten hingegen lange Zeit tendenziell eher verkannt. Buff würde sehr gut in den Spanischen Fussball passen, Ligue 1-Klub Montpellier, das den Abgang ihres Offensiven Mittelfeldspielers Ryad Boudebouz zu Lyon oder Schalke befürchtet, scheint zur Zeit aber der heisseste Kandidat für Buffs erste Station ausserhalb des FCZ zu sein.

https://www.youtube.com/watch?v=nuoIIH9RfLE

Beim letzten Match am Samstag gegen Wohlen die Hosen nicht vergessen, Keco!

61 Millionen Transfererlös – Schweizer Klubs werden zu Spielerhändlern

Der FC Basel stösst mit dem Geschäftsjahr 2016 finanziell für Schweizer Verhältnisse in neue Dimensionen vor. An der gestrigen Bilanzpressekonferenz präsentierte der Verwaltungsrat Finanzen Stephan Werthmüller eine Umsatzzahl von 132 Millionen Schweizer Franken! Dies sind nochmal 27 Millionen mehr als beim bisherigen Rekordergebnis vor zwei Jahren, welches Werthmüller damals noch für nicht mehr übertreffbar hielt. Zum Vergleich: der FCZ hat 2015 einen Umsatz von 22,5 Millionen ausgewiesen. Das sind nicht 20, 30 oder 50% weniger, sondern es geht um den Faktor 6. Für den FCZ ist ein FC Basel zur Zeit genauso in einer anderen finanziellen Dimension wie in die andere Richtung ein FC Schaffhausen oder der nach dem Abgang des Türkischen Besitzers redimensionierte FC Wil. Winterthur, Xamax, Servette oder Aarau sind hingegen näher beim FCZ als der FCB.

Welche Schlüsse können Schweizer Klubs aus diesen Zahlen ziehen? Das Rekordergebnis verdankt der FCB den kürzlich abgeschlossenen TV-Verträgen in Deutschland und England. Durch diese stossen die dortigen Klubs finanziell in neue Sphären vor. Ein Teil dieses Geldes landet durch den «trickle down»-Effekt über den Transfermarkt in der Schweiz und anderen kleineren und mittleren Fussballländern. Die Transfereinnahmen machen für das Jahr 2016 rekordhohe 61 Millionen aus! Damit ist die auf Züri Live vor 8 Monaten berechnete Kennzahl von 1/3 bezüglich dem Anteil der Transfereinnahmen am Umsatz bei den Schweizer Topausbildungsklubs FCZ, GC und FCB zumindest für letzteren bereits wieder obsolet. Es ist nun beinahe die Hälfte! Auch die Transferausgaben des FCB sind mit 23 Millionen (für Spieler wie Balanta, Sporar, Elyounoussi und auch Bua vom FCZ) im Jahr 2016 so hoch wie noch nie gewesen.

Die Schweizer Fussballklubs werden de facto noch mehr als bisher zu Spielerhändlern und Spielerentwicklern. Auch wenn mercato-transfersdie Haupttätigkeit immer noch aus dem Bestreiten der nationalen und internationalen Wettbewerbe besteht, hat die wichtigste Quelle des Umsatzes wie in jeder anderen Branche natürlich einen wesentlichen Einfluss auf die getroffenen Entscheide – auch in sportlichen Belangen. Für die jungen Talente ist das gut. Die Trainer werden von ihrer Klubführung noch mehr dazu angehalten werden, im Zweifelsfall auf die Jungen zu setzen, weil nur diese die den Klub finanzierenden Transfersummen generieren können. Der sportliche Erfolg in Form von Meisterschaften und Cupsiegen wird in Zukunft noch mehr als bisher davon abhängen, wie gut es die Klubleitungen schaffen, an den Milliarden-Umsätzen der Top 5-Ligen direkt oder indirekt zu partizipieren. Dass die Wichtigkeit der Spielertransfers weiter zunimmt, ist für den FCZ positiv. Denn in diesem Bereich ist der Letzigrundklub erfolgreicher, als Konkurrenten wie St.Gallen oder Luzern.

Das Timing spielt bei den Abgängen nicht nur aus Spieler-, sondern auch aus Klubsicht eine entscheidende Rolle. Wechselt der Spieler zu früh, kann man weder sportlich noch finanziell die Früchte von dessen Ausbildung in angemessenem Ausmass ernten. Wechselt er zu spät, verstopft er die «Pipeline» für nachrückende Talente. Dass ein grosser «Talente-Umschlag» nicht zwingend schlecht für die sportlichen Resultate sein muss, beweisen seit Jahren Klubs wie Porto oder Benfica. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Talente-Pipeline gut gefüllt, und die 1.Mannschaft hervorragend geführt ist.

Die Transfereinnahmen werden zunehmend auch erst Jahre nach dem eigentlichen Verkauf des Spielers generiert. Dank «gut formulierten Verträgen», wie sich Werthmüller ausdrückt, hat der FC Basel diesen Sommer mit den Weiterverkäufen von Aleksandar Dragovic von Dynamo Kiev zu Bayer Leverkusen, und vor allem Granit Xhaka von Borussia Mönchengladbach zu Arsenal geschätzt 15-20 Millionen Franken verdient. Es hilft zusätzlich, wenn sich am anderen Ende der Transferkette ein professionell geführter internationaler Grossklub wie Arsenal befindet. Bei solchen Klubs muss man manchmal als Schweizer Verein nicht einmal seine Ansprüche anmelden. Diese nehmen sogar von sich aus Kontakt mit Ex-Vereinen auf, um die in der Vergangenheit von Drittparteien ausgehandelten Vertragsklauseln zu erfüllen, wie Werthmüller ausführt. Zudem habe er in seiner ganzen Amtszeit nur ein einziges Mal bei einem Klub Druck machen müssen, damit das Geld überwiesen wird. Die allfälligen Sanktionsmöglichkeiten über die FIFA oder UEFA seien gross, was international die Zahlungsmoral hochhält.

Die in der Schweiz auf die nächste Saison hin erhöhten TV-Gelder werden vor allem kleineren Klubs helfen, über die Runden zu kommen, bleiben für die grösseren Vereine hingegen weiterhin nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Die Zuschauer im Stadion hingegen sind in der Schweiz trotz steigender Transfererlöse nicht nur moralisch, sondern auch finanziell ultimativ wichtig. Nicht nur wegen der Ticket-, Catering- und Merchandisingeinnahmen, sondern auch aufgrund der positiven Zusatzeffekte aufs Sponsoring. In diesem Bereich macht beispielsweise YB mit seinen zahlreichen Aktionen und Aktivitäten zur Gewinnung und Pflege der verschiedenen Zuschauergruppen vieles richtig. Die Stadionzuschauer sind neben der Talententwicklung und guten Führung der 1.Mannschaft die Basis für künftige Erfolge von Schweizer Fussballklubs. 

Graphik: Khalil-aich7 (CC BY-SA 4.0) 

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