Condé bereits MVP / Qarabaq – FCZ in der Züri Live-Analyse

Der FCZ kennt solche Spiele. Vor zwei bis drei Jahren lief es jeweils gegen St. Gallen so wie nun in Baku. Zu Beginn überrollt der Gegner den FC Zürich wie ein Tsunami, so dass man das Gefühl bekommt: diese zwei Mannschaften gehören eigentlich nicht in die gleiche Liga. Wenn die Kräfte des Gegners nach der anfänglichen Parforce-Leistung dann aber nachlassen, schlägt der FCZ zurück. Der Unterhaltungsfaktor solcher Spiele ist hoch. Da St. Gallen am Ende aber mehrheitlich auf der Verliererseite stand, sah dessen Coach Peter Zeidler irgendwann von solchen Matchplänen wieder ab. Sein Team hatte jeweils in der Hochenergiephase schlichtweg weniger Tore erzielt, als es danach im „übersäuerten“ Zustand kassierte. Im Unterschied zu St. Gallen vermochte Qarabaq auch in der 2. Halbzeit in vereinzelten Aktionen nochmal das Tempo zu erhöhen und Nadelstiche zu setzen, so dass der FCZ nach dem 2:3-Anschlusstreffer nicht mehr allzu viel riskieren wollte.

Qarabaq mit grosser taktischer Flexibilität

Wer die Leistung oder Taktik des FCZ in Baku beurteilen will, muss daher berücksichtigen, dass in den zwei Halbzeiten zwar personell der gleiche, vom Energie-Level her aber ein komplett unterschiedlicher Gegner auf dem Platz gegenüberstand. Natürlich hat der Auftritt des Letzigrund-Teams in der 2. Halbzeit optisch deutlich besser gewirkt, aber der Unterschied bezüglich Leistung war nicht so gross, wie es auf den ersten Blick scheint. In Problemen steckten in den besonders intensiven ersten 20 Minuten Qarabaqs beim FCZ viele. Bei Marc Hornschuh handelte es ich aber nicht nur um ein paar Probleme, sondern er war im Mittelfeldzentrum mit dem Tempo des Gegners überfordert. Und dass der sehr beständige Fidan Aliti in der Super League sein oberes Limit ausreizt und kaum Luft nach oben hat, war auch schon immer klar. Aber auch er machte natürlich sofort wieder eine bessere Figur, als Qarabaq die Puste ausging.

Dass die Aseris das Spiel schlussendlich gewannen, hat viel mit den Einzelleistungen von Ibrahima Wadji zu tun. Der 27-jährige Senegalese war vor einem Jahr als einer der besten Torschützen der Norwegischen Liga ans Kaspische Meer gezogen und in den Europacupduellen mit dem FC Basel die auffälligste Figur. In der 1. Runde der diesjährigen Saison gegen Lech Poznan lief das Spiel hingegen an ihm vorbei, auch weil Qarabaq jeweils über die Flügel spielte. Gegen den FCZ änderte Coach Qurban Qurbanov die Taktik. Das intensive Pressing / Gegenpressing aus dem Lech-Rückspiel wurde beibehalten, aber es wurde vorwiegend durch die Mitte angegriffen.

Selnaes-Début, Condé MVP, Marchesano und Guerrero steigern sich

In der 1. Halbzeit spielte der FC Zürich wie letzte Saison im 3-4-1-2 mit Manndeckung auf dem ganzen Platz. Der im Vergleich zum YB-Spiel verbessert auftretende Antonio Marchesano deckte im Spiel ohne Ball Jankovic, Dzemaili folgte Almeida auf Schritt und Tritt, und Hornschuh hätte Ozobic neutralisieren sollen. Die Lösung Qurbanovs gegen die Manndeckung: einer der beiden Flügel (Kady oder Zoubir) bot sich jeweils zusätzlich zentral an und trieb den Ball nach vorne, die Vier gegen drei-Überzahl ausnutzend. Nachdem der FCZ zur Pause auf ein 3-4-3 mit Raumdeckung umgestellt hatte, verlegte sich Qarabaq sofort darauf, die typischen Schwachstellen der Raumdeckung auszunutzen: die sich bietenden Lücken zwischen den Linien. Dazu stellte Qurbanov seinen besten Mann Kady vom Flügel auf die Zehnerposition, wo der Brasilianer nun häufig Raum vorfand und so das 3:1 vorbereiten konnte.

Der zur Pause für Hornschuh eingewechselte Cheikh Condé bestätigte die positiven Eindrücke seiner Spiele in Tschechien, der Vorbereitung und in Bern. Bereits in seinem zweiten Wettbewerbsspiel wird er zum Züri Live-MVP. Mit dem Guineer verbesserte sich schlagartig die Balance zwischen Offensive und Defensive. Mirlind Kryeziu und Blerim Dzemaili wirken (noch) fitter als letzte Saison. Als Qarabaq nicht mehr so intensiv ins Pressing ging, lancierte Kryeziu mit langen Bällen und Seitenwechseln das Zürcher Spiel und verwandelte den Foulpenalty zum 2:3 sicher. Offensiv war er der beste Spieler des FCZ in Baku. Bei Marchesano und Guerrero war bereits eine klare Steigerung im Vergleich zum Auftakt in Bern erkennbar. Fabian Rohner sorgte als Stürmer in der 1. Halbzeit immer wieder für Entlastung und provozierte Szenen, die zu einem Penalty oder Platzverweis des Gegners hätten führen können.

Ole Selnaes kam als Letzter der vier Neuzugänge und trotzdem überraschend früh zu seinem Wettbewerbsdébut für den FCZ – nicht überraschend mit guten Offensivaktionen und defensiven Defiziten. In der Match-Vorschau stand, dass das Duell zwischen Boranijasevic und Linksverteidiger Dzafarguliyev entscheidend werden könnte. Letztendlich führten zwei Fehler des für Dzafarguliyev eingewechselten Bajramov, der nach Krasniqi-Steilpass Boranijasevic im Strafraum zu Fall brachte, das späte 2:3. Insgesamt entsteht nach der Auswärtspartie in Aserbaidschan das Gefühl, dass die Mannschaft auf einem guten Weg ist und schon in den kommenden Partien die ersten positiven Resultate folgen werden.