Der FCZ kennt solche Spiele. Vor zwei bis drei Jahren lief es jeweils gegen St. Gallen so wie nun in Baku. Zu Beginn überrollt der Gegner den FC Zürich wie ein Tsunami, so dass man das Gefühl bekommt: diese zwei Mannschaften gehören eigentlich nicht in die gleiche Liga. Wenn die Kräfte des Gegners nach der anfänglichen Parforce-Leistung dann aber nachlassen, schlägt der FCZ zurück. Der Unterhaltungsfaktor solcher Spiele ist hoch. Da St. Gallen am Ende aber mehrheitlich auf der Verliererseite stand, sah dessen Coach Peter Zeidler irgendwann von solchen Matchplänen wieder ab. Sein Team hatte jeweils in der Hochenergiephase schlichtweg weniger Tore erzielt, als es danach im „übersäuerten“ Zustand kassierte. Im Unterschied zu St. Gallen vermochte Qarabaq auch in der 2. Halbzeit in vereinzelten Aktionen nochmal das Tempo zu erhöhen und Nadelstiche zu setzen, so dass der FCZ nach dem 2:3-Anschlusstreffer nicht mehr allzu viel riskieren wollte.
Qarabaq mit grosser taktischer Flexibilität
Wer die Leistung oder Taktik des FCZ in Baku beurteilen will, muss daher berücksichtigen, dass in den zwei Halbzeiten zwar personell der gleiche, vom Energie-Level her aber ein komplett unterschiedlicher Gegner auf dem Platz gegenüberstand. Natürlich hat der Auftritt des Letzigrund-Teams in der 2. Halbzeit optisch deutlich besser gewirkt, aber der Unterschied bezüglich Leistung war nicht so gross, wie es auf den ersten Blick scheint. In Problemen steckten in den besonders intensiven ersten 20 Minuten Qarabaqs beim FCZ viele. Bei Marc Hornschuh handelte es ich aber nicht nur um ein paar Probleme, sondern er war im Mittelfeldzentrum mit dem Tempo des Gegners überfordert. Und dass der sehr beständige Fidan Aliti in der Super League sein oberes Limit ausreizt und kaum Luft nach oben hat, war auch schon immer klar. Aber auch er machte natürlich sofort wieder eine bessere Figur, als Qarabaq die Puste ausging.
Dass die Aseris das Spiel schlussendlich gewannen, hat viel mit den Einzelleistungen von Ibrahima Wadji zu tun. Der 27-jährige Senegalese war vor einem Jahr als einer der besten Torschützen der Norwegischen Liga ans Kaspische Meer gezogen und in den Europacupduellen mit dem FC Basel die auffälligste Figur. In der 1. Runde der diesjährigen Saison gegen Lech Poznan lief das Spiel hingegen an ihm vorbei, auch weil Qarabaq jeweils über die Flügel spielte. Gegen den FCZ änderte Coach Qurban Qurbanov die Taktik. Das intensive Pressing / Gegenpressing aus dem Lech-Rückspiel wurde beibehalten, aber es wurde vorwiegend durch die Mitte angegriffen.
Selnaes-Début, Condé MVP, Marchesano und Guerrero steigern sich
In der 1. Halbzeit spielte der FC Zürich wie letzte Saison im 3-4-1-2 mit Manndeckung auf dem ganzen Platz. Der im Vergleich zum YB-Spiel verbessert auftretende Antonio Marchesano deckte im Spiel ohne Ball Jankovic, Dzemaili folgte Almeida auf Schritt und Tritt, und Hornschuh hätte Ozobic neutralisieren sollen. Die Lösung Qurbanovs gegen die Manndeckung: einer der beiden Flügel (Kady oder Zoubir) bot sich jeweils zusätzlich zentral an und trieb den Ball nach vorne, die Vier gegen drei-Überzahl ausnutzend. Nachdem der FCZ zur Pause auf ein 3-4-3 mit Raumdeckung umgestellt hatte, verlegte sich Qarabaq sofort darauf, die typischen Schwachstellen der Raumdeckung auszunutzen: die sich bietenden Lücken zwischen den Linien. Dazu stellte Qurbanov seinen besten Mann Kady vom Flügel auf die Zehnerposition, wo der Brasilianer nun häufig Raum vorfand und so das 3:1 vorbereiten konnte.
Der zur Pause für Hornschuh eingewechselte Cheikh Condé bestätigte die positiven Eindrücke seiner Spiele in Tschechien, der Vorbereitung und in Bern. Bereits in seinem zweiten Wettbewerbsspiel wird er zum Züri Live-MVP. Mit dem Guineer verbesserte sich schlagartig die Balance zwischen Offensive und Defensive. Mirlind Kryeziu und Blerim Dzemaili wirken (noch) fitter als letzte Saison. Als Qarabaq nicht mehr so intensiv ins Pressing ging, lancierte Kryeziu mit langen Bällen und Seitenwechseln das Zürcher Spiel und verwandelte den Foulpenalty zum 2:3 sicher. Offensiv war er der beste Spieler des FCZ in Baku. Bei Marchesano und Guerrero war bereits eine klare Steigerung im Vergleich zum Auftakt in Bern erkennbar. Fabian Rohner sorgte als Stürmer in der 1. Halbzeit immer wieder für Entlastung und provozierte Szenen, die zu einem Penalty oder Platzverweis des Gegners hätten führen können.
Die Leistung von Referee Peljto war generell ordentlich – trotzdem gab es wichtige Fehlentscheide in der Partie. Als Medina in der 23. Minute im Strafraum Gnonto umreisst gibt es noch korrekterweise keinen Penalty, denn der Ball war noch nicht im Spiel. In der 33. Minute begeht derselbe Medina dann aber bei einem Abschluss von Rohner aus spitzem Winkel im Strafraum ein ungeahndetes Handspiel. In der 42. Minute bringt zudem Vesovic den erneut ausgebüxten Rohner an der Strafraumgrenze von hinten zu Fall – eine direkte Rote Karte wäre nicht falsch gewesen, aber ein Pfiff bleibt aus. Als „Ausgleich“ wird beim 1:2 Lindrit Kamberis dessen Offsideposition vom Assistenten nicht gesehen.
Ole Selnaes kam als Letzter der vier Neuzugänge und trotzdem überraschend früh zu seinem Wettbewerbsdébut für den FCZ – nicht überraschend mit guten Offensivaktionen und defensiven Defiziten. In der Match-Vorschau stand, dass das Duell zwischen Boranijasevic und Linksverteidiger Dzafarguliyev entscheidend werden könnte. Letztendlich führten zwei Fehler des für Dzafarguliyev eingewechselten Bajramov, der nach Krasniqi-Steilpass Boranijasevic im Strafraum zu Fall brachte, das späte 2:3. Insgesamt entsteht nach der Auswärtspartie in Aserbaidschan das Gefühl, dass die Mannschaft auf einem guten Weg ist und schon in den kommenden Partien die ersten positiven Resultate folgen werden.
Einer der FCZ-Erfolgsfaktoren der letzten Saison war die äusserst hohe Pressingresistenz. Ganze drei Pressing-Gegentore kassierte gemäss Züri LIve-Auswertung das Breitenreiter-Team in 39 Wettbewerbspartien: eines gegen GC, eines gegen Sion und eines gegen YB (alle in der Rückrunde). Nun hat man in einer einzigen Partie zum Auftakt bereits die gleiche Anzahl Pressing-Gegentore hinnehmen müssen. Gelegen hat dies unter anderem an der veränderten Spielweise sowohl von YB, wie auch des FCZ.
Von der Politik der Fehlervermeidung abgewichen
Letzte Saison mit Ex-Trainer André Breitenreiter spielte der FC Zürich einen konservativen Fussball, ganz unter dem Motto: „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“. Es wurde alles unternommen, um mögliche Fehlerquellen von vornherein auszuschliessen: jeder Spieler fokussierte sich darauf, was er am besten kann, keine Wechsel bei System und Personal, Einsatzzeit für junge Talente aus dem eigenen Nachwuchs nur in homöopathischen Dosen – und aus der eigenen Zone wurden die Bälle vorwiegend im hohen Bogen nach vorne geschlagen. Auf diese Art und Weise hatten die Gegner kaum mal eine echte Chance, in der Nähe des Zürcher Tores einen Ballgewinn verzeichnen zu können. Unter Franco Foda wurde gegen YB im Aufbauspiel wieder viel mehr flach gespielt – wie in den Zeiten vor Breitenreiter. Die einstudierten Spielzüge vom Abstosspunkt funktionierten dabei gut – trotz äussert hohem Pressing von YB bis beinahe an die Grundlinie. Sobald aber Improvisation ins Spiel kam und sich einzelne Spieler zu viel zutrauten, konnten die Bundesstädter in der 2. Halbzeit mehrere Male die Zürcher erfolgreich in die Pressingfalle laufen lassen.
Auswärtsresultate des FCZ bei YB in den letzten vier Jahren
Die andere Seite der Gleichung ist YB – ebenfalls mit neuem Trainer, Spielweise und Taktik. Vor genau fünf Jahren hatte dieser zum Saisonauftakt mit dem FCB im Wankdorf mit 0:2 verloren. Am Ende jener Saison hatte Basel zwar in der Champions League sowohl Manchester United als auch Manchester City geschlagen – in der nationalen Meisterschaft war die Vorherrschaft aber gebrochen. Die entscheidenden Niederlagen passierten rund um den Start in die Champions League-Saison und den Achtelfinal gegen ManCity. Trotzdem verloren die Rot-Blauen in jener Saison in Super League-Partien auch die Dominanz auf dem Platz und erlangten sie in der Folge auch nach Wicky nicht mehr zurück.
Wicky mit neuer Version der Köbi Kuhn-Nati bei YB
Wie in der Vorschau zur Saisonauftaktpartie geschrieben, ist Raphaël Wicky bekannt dafür, seine Mannschaften auf direktes Spiel durch die Mitte auszurichten. Als Aktiver war er in der Nationalmannschaft jahrelang zusammen mit Ricardo Cabanas einer der beiden Achter in einem als Rhombus formierten Mittelfeld. Die gleiche Grundformation liess Wicky nun auch zum Meisterschaftsauftakt gegen den FCZ auflaufen – mit ebenfalls einem Walliser (Sierro) und einem Zürcher (Fassnacht) in der Rolle von Wicky und Cabanas. Auch die Handschrift des neuen YB-Trainers ist zu erkennen: im Aufbauspiel erst Ballkontrolle in der eigenen Hälfte und dann möglichst mit One Touch-Fussball durch die Mitte. Die jahrelang typische YB-Spielweise über die Seiten mit vielen Flanken in den Strafraum wird stark reduziert. Gegen den FCZ gab es so gut wie keine Angriffe über rechts – Rechtsverteidiger Lewin Blum schien zeitweise nur als Staffage auf dem Platz zu stehen. Und bei den Angriffen, die über links mit Garcia und Sierro eingeleitet wurden, zog es die Berner in der gegnerischen Hälfte mit Läufen und Passspiel ebenfalls zwischen Mittelinie und gegnerischem Strafraum schnell mal zur Mitte.
Defensiv praktizierte YB gegen den FCZ ein hohes Pressing ähnlich dem des FC St. Gallen. Offensiv zeichnete sich ihr Spiel durch eine äusserst grosse Variabilität aus, wie man sie in den letzten Jahren kaum mal von einer Mannschaft in der Super League gesehen hat. YB hatte sich auf diese Startpartie hin einiges ausgedacht und wechselte zu Beginn im Spielaufbau in virtuoser Weise die Positionierungen. Wicky rief dabei in der Anfangsphase fast ununterbrochen Anweisungen auf den Platz. Der FC Zürich war darauf aber vorbereitet. Die Spieler hatten so präzise Anweisungen mit auf den Weg mitbekommen, dass sie zumindest in den ersten 18 Minuten in der von Breitenreiter übernommenen Manndeckung trotz ständig wechselnder Konstellationen in jeder Situation defensiv optimal standen. Das war genauso beeindruckend zu beobachten wie die variablen Spielformen YB’s. Irgendwann wurde es dann aber zu viel. Zwischen der 18. und 22. Minute gerieten die Zürcher auf dem wild rotierenden Berner Karussell aus der Balance und vermochten sich nur noch notdürftig festzuhalten. Dann stoppte Schiedsrichter Schärer das Karussell durch die Anordnung einer Trinkpause. Genau im richtigen Moment für den Stadtclub!
FCZ nutzt Pausen und taktische Umstellungen, um besser ins Spiel zu finden
Durch die Trinkpause gerieten die Bundesstädter etwas aus dem Rhythmus und der FCZ konnte sich danach aus der Umklammerung lösen. Foda hatte seinem Team mit illustrativer Hilfe seines Tablets zusätzliche Anweisungen mit auf den Weg gegeben. Offensiv lief nun für die Gäste mehr – mit dem vorläufigen Höhepunkt in der 39. Minute, als nach einem Ballgewinn Krasniqis im Angriffspressing der zu Beginn neben seinen Schuhen stehende Gnonto mit einem starken Solo in den Strafraum vordrang. Mit einer kollektiven Meisterleistung verhinderten die Gelb-Schwarzen den Zürcher Führungstreffer. Zesiger blockte reaktionsschnell Krasniqis Abschluss aus kurzer Distanz. Der Nachschuss von Tosin hätte dann drin sein müssen. Garcia warf sich aber im letzten Moment so in den Ball, dass der Schuss in der Geschwindigkeit stark abgebremst wurde, so dass ihn Von Ballmoos gerade noch zwischen seiner Hüfte und dem Kunstrasen einklemmen und dann wegspedieren konnte. Die Grosschance für den FCZ war auch deshalb zustandegekommen, weil er defensiv von Manndeckung im 3-4-1-2 auf Raumdeckung in einem 3-4-3 umgestellt und den Gegner damit etwas verwirrt hatte. Beim Berner Konter mit einer Vier gegen drei-Situation parierte Brecher den Versuch Fassnachts aus spitzem Winkel. In dieser Phase enervierte sich der ansonsten ruhige Franco Foda ein paar Mal an der Seitenlinie, weil seine Mannschaft mehrmals vielversprechende Umschaltmomente wegen Missverständnissen oder verpatzten Zuspielen in den Sand setzte.
Mit Beginn der 2. Halbzeit verschoben sich die Kräfteverhältnisse noch stärker zugunsten des FC Zürich, der nun die bessere Mannschaft auf dem Platz wurde – dank kontinuierlicher Steigerung und optimaler Nutzung der Trinkpause und Halbzeitpause. In der 52. Minute parierte YB-Keeper Von Ballmoos ein weiteres Mal mirakulös einen Kopfball Kamberis nach Marchesano-Corner. Vincent Sierro, der Kamberi ungenügend gedeckt hatte, lenkte dann auch noch den Nachschuss Krasniqis mit dem ausgestreckten Arm ab – Penalty! Diesen setzte Antonio Marchesano aber über den Kasten. Er führte den Elfmeter dabei nicht wesentlich anders aus, als bei den vielen erfolgreichen Versuchen in den letzten Jahren. Im Gegensatz zum letzten Sommer, als der Tessiner in der bisherigen Form seines Lebens war und unter anderem mit seinen Standards einen wichtigen Grundstock zum späteren Meistertitel legte, hat er nun zum ersten Spiel hin noch nicht zu seiner Bestform gefunden. Seine häufig unglücklichen Offensivaktionen im Spiel selbst spiegelten sich auch in diesem Penalty. Einsatz und Körpersprache sind aber wie immer top. Daher muss man sich um Marchesano keine Sorgen machen.
Historische Parallele: Das Team von Trainer Urs Fischer hatte 10/11 eine starke Saison hingelegt. Mit den damaligen 72 Punkten wäre man 21/22 souverän Meister geworden, aber damals reichte es um einen Punkt nicht. Zum Auftakt der neuen Saison 11/12 verschoss Xavier Margairaz mit einem Panenka-Versuch seinen Penalty und der FCZ verlor in Sion 0:1. In der Folge kam man gegen das belgische Standard in der Champions League-Qualifikation eine Runde weiter, als Admir Mehmedi im Rückspiel ebenfalls einen Penalty verschoss – danach aber aus dem Spiel heraus traf.
YB nutzt durch riskante Zürcher Wechsel entblösste Defensive
Der verschossene Penalty weckte in Bern zwar das Publikum auf. Auf dem Platz änderte sich aber vorläufig noch nicht viel. In der 60. Minute haute Kanga zum dritten Mal innert 15 Minuten ungeahndet einem Zürcher den Arm ins Gesicht (1x Aliti, 2x Kamberi) – Gelb erhielt Kamberi wegen Reklamierens. In den folgenden zwei Minuten schlichen sich bei Aliti und Kryeziu kleine Unpräzisionen ein, die schlussendlich zum Fehlpass von Condé in der eigenen Platzhälfte führten, den YB in der Person von Fassnacht zur 1:0-Führung nutzte. Von allen Gegnern gegen die der ehemalige FCZ-Junior in seiner Profikarriere mindestens sieben Mal gespielt hat, hat er nur gegen Lausanne-Sport eine vergleichbare Bilanz an Skorerpunkten pro Spiel (0,65) wie gegen den FCZ.
In der Folge war die Partie ausgeglichen. Mit dem Dreifachwechsel in der 72. Minute ging FCZ-Trainer Foda dann relativ früh viel Risiko ein. Es standen nun mit Okita, Tosin, Gnonto, Rohner und Marchesano fünf Mann auf dem Feld, die in der Vorbereitung weitgehend im Sturm gespielt hatten. Vor allem das Mittelfeldzentrum mit dem nach vorne orientierten Marchesano und dem in der Vorbereitung auf dieser Position schlecht spielenden Hornschuh wurde sehr schnell löchrig. So konnten in der 77. Minute Niasse und Fassnacht locker mit Doppelpass durchs Zentrum durchkombinieren. Man kann dabei nicht mal den Vergleich „wie im Training“ verwenden, denn selbst im Training geht das nicht so einfach. So war für Niasse unbedrängt in zentraler Position 30 Meter vor dem Tor ein flaches Zuspiel nach rechts auf Itten möglich, welcher seinen Raum nutzte und den wie immer sehr lauffreudigen Guerrero im Stile eines Nationalspielers aussteigen liess. Nicht zwingend die Umstellung auf ein 4-4-2 aber in erster Linie die personelle Besetzung dieses 4-4-2 war für einen so frühen Zeitpunkt zu riskant. Dazu kam, dass Hornschuh seine Rolle als defensives Gewissen im Mittelfeld wie schon in den Testspielen überhaupt nicht wahrnehmen konnte. In der Phase davor hatte der FCZ eine Fifty-Fifty Chance auf den Ausgleich gehabt. Nach dem 0:2 hingegen war die Partie verloren.
Kamberi und Krasniqi mit reifer Leistung
Ein Teil des Problems wurde dabei mit der Transferpolitik in Kauf genommen. Man hat Spieler mit einer etwas höheren Qualität verpflichtet, als man normalerweise mit den finanziellen Mitteln des FCZ bekommen könnte, dafür brauchen diese Spieler aus unterschiedlichen Gründen alle noch etwas Anlaufzeit. Dies in Übereinstimmung mit der Kommunikation, dass man in erster Linie ein Kader „für die Super League“ zusammenstelle, also für den Zeitrahmen Juli bis Mai. Dadurch fehlen Foda zum Saisonstart teilweise etwas die valablen Alternativen. Im Gegensatz zu YB, wo die hochkarätigen Einwechselspieler die Entscheidung brachten, führten beim FCZ die Einwechslungen zu einem Leistungsabfall.
Grundsätzlich hat der neue Trainer Foda einiges von den Stärken des letztjährigen Teams übernommen. Man überliess dem Gegner weitgehend den Ball und setzte auf schnelles Umschaltspiel durch die Mitte – und nutzte dabei die Tatsache, dass YB nur mit einem Sechser und defensiv nicht so starken Achtern spielte. Die üblichen FCZ-Leistungsträger waren aber noch nicht in Form. Speziell beim Meisterspiel in Basel führten die immer volle Rückendeckung geniessenden Captains Brecher, Marchesano, Dzemaili die Mannschaft mit guten Leistungen an. Nun zum Saisonauftakt bei YB war Dzemaili nicht auf dem Platz, Marchesano und Brecher waren nicht in Bestverfassung. Dafür konnten Lindrit Kamberi und Bledian Krasniqi überzeugen. Beide lieferten ihre bisher wohl reifste Leistung im FCZ-Trikot ab und scheinen in kurzer Zeit einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht zu haben. Die Durchschnittsnote 4,9 ist allerdings so tief wie nur einmal letzte Saison: in der zweitletzten Partie in Lugano. Trotzdem wäre ein Punktgewinn durchaus verdient gewesen, angesichts des Expected Goals-Verhältnisses von 2,0 : 2,11 aus Sicht des FCZ. Speziell die Stürmer agierten aber im Vergleich zur letzten Saison vorderhand zu wenig effizient im Abschluss. Positiv zu bemerken ist, dass die Mannschaft auch gegen einen in dieser Disziplin sehr starken Gegner wie YB die Eckbälle wie in der Meistersaison weiterhin gut verteidigt.
Wie hier auf Züri Live letzte Saison analysiert, zeichnen sich tendenziell in der Super League die (gemessen an ihrem Möglichkeiten) erfolgreichen Teams durch Konstanz bezüglich Personal, Formation und Spielweise aus. Unkonstanz bei diesen Faktoren kann dabei auf drei Weisen zustande kommen.
Bewusst gewählte Flexibilität und Pröbeln sowie Ausrichtung an der Spielweise der Gegner
Durch externe Faktoren wie Verletzungen oder die Spielweise von dominanten Gegnern aufgezwungen
Durch Misserfolg bewirkte (mehr oder weniger verzweifelte) Suche nach dem richtigen Rezept
Rrudhani ein Gewinner der Vorbereitung – Fragezeichen Lustenberger
Vom italienischen Fussball beeinflusste Trainer scheinen dabei am stärksten Flexibilität und taktische Ausrichtung am Gegner anzustreben (Punkt 1). Paolo Tramezzani (Sion) und Mattia Croci-Torti (Lugano) waren dafür die Paradebeispiele – mit unterschiedlichem Erfolg. Dies auch weil Lugano nur in Sachen taktischer Formation sehr flexibel war, bezüglich Spielweise und vor allem personell im Vergleich zu Sion hingegen sehr konstant. Punkt 3 traf letzte Saison am meisten auf Lausanne zu. Luzern wurde mit dem Trainerwechsel zu Mario Frick ab der Winterpause taktisch und personell deutlich konstanter. YB hatte durch die vielen Verletzungen im personellen Bereich wenig Konstanz.
Eine Auszeichnung für den FCZ war, dass YB speziell in den Spielen gegen das Letzigrund-Team seine ansonsten meist konstante Taktik anpasste um unter anderem das Mittelfeldzentrum zu verstärken. Im Verlauf der letzten Saison war auf einmal YB das Team, das einen halben Schritt hinterherzuhinken schien, auf den FCZ reagieren musste, nach Lösungen suchte, aber keine fand. Auf die neue Saison hin haben die Berner versucht, durch den Zuzug von prominenten Schweizer Spielern die Balance im Team zu verbessern. Denn Fabian Lustenberger ist neben Neu-Trainer Wicky das wohl grösste Fragezeichen. Schafft er es nochmal in die Rolle zu schlüpfen, die einst Steve Von Bergen inne hatte? Zur Sicherheit hat man auf jeden Fall Benito, Itten und Ugrinic verpflichtet, um die Lücke allenfalls kollektiv kompensieren zu können. Die vierte Neuverpflichtung Donat Rrudhani könnte man zudem nach ersten Eindrücken als Gewinner der Vorbereitung bezeichnen.
Möglicherweise vertauschte Rollenverteilung zwischen Nsamé und Elia
YB ist aus den Meistersaisons bekannt für ihr druckvolles Spiel über die Seiten. Der neue Trainer Wicky hingegen eher für direktes Spiel durch die Mitte. In der Vorbereitung hat man bereits sehen können, dass sich das YB-Spiel wohl zentraler abspielen wird, als bisher, ohne dass die Seiten ausser Acht gelassen werden. Im Pressing formieren sich die Gelb-Schwarzen enger als bisher in einem Mittelfeld-Rhombus. Auch mit Ball ist die Raum- und Aufgabenverteilung zwischen dem zurückstaffelnden Zentralen Mittelfeldspieler (Niasse) und dem vorstossenden (Rieder) klarer als bis anhin, so dass man zumindest phasenweise im Spiel von einem echten Sechser und einem echten Zehner sprechen kann.
Das Personal mit den gerne nach innen ziehenden Neuverpflichtungen Ugrinic und Rrudhani trägt noch zusätzlich zu einer stärkeren Gewichtung des Zentrums bei. Lustenberger hat seinen Platz wohl nicht auf sicher. Der guineische Nationalspieler Camara stünde als allfälliger Ersatz bereit. Rrudhani ist eine valable Option sowohl auf der Seite, als auch auf der offensiven Zentrumsposition. Rückkehrer Jean-Pierre Nsamé könnte sich zumindest zu Beginn stärker auf die Torvorbereitung fokussieren, und auf den Seiten oder zwischen den Linien anbieten. Die Zürcher Innenverteidigung muss als Zielspieler im Zentrum dann in erster Linie Meschack Elia im Auge behalten, der letzte Saison in der Vorrunde einer der besten Spieler der Liga war.
FCZ: Kontinuität mit zusätzlichen Optionen
Für den FCZ gibt es hingegen keinen Grund, die Position der Stärke und Eingespieltheit preiszugeben. Dass sich die anderen Teams am FCZ orientieren müssen, hat man sich letzte Saison erarbeitet und nach dem bisherigen Verlauf des Sommers alle Möglichkeiten, die Kontinuität als Erfolgsfaktor weiter zu kultivieren. Wie dies YB und davor der FCB jahrelang gemacht haben. 2021-22 agierte der FC Zürich konstant im 3-4-1-2. Dabei waren neun Spieler gesetzt. Nur auf je einer Position im Zentralen Mittelfeld und im Sturm wurde phasenweise zwischen zwei bis drei Spielern rotiert. Die Situation hat sich nicht geändert. Das Grundgerüst um Antonio Marchesano und die beiden Aussenläufer Adrian Guerrero und Nikola Boranijasevic steht. Ousmane Doumbia wird durch den Externen Cheick Condé ersetzt, Assan Ceesay durch die interne Lösung Aiyegun Tosin. Und es sind weiterhin die gleichen zwei Positionen, die nicht fix „vergeben“ sind.
Man kann davon ausgehen, dass Franco Foda nicht alles auf den Kopf stellen wird, sondern klugerweise das, was funktioniert hat, weiter bewirtschaftet. Vor allem im Spielverlauf wird Foda aber wohl mehr taktische Wechsel vornehmen als Breitenreiter. Unter anderem zeichnet sich ab, dass beispielsweise bei Rückstand typischerweise auf einen Dreimannsturm mit den Flügeln Rohner und Okita umgestellt werden könnte. Und so wie YB wohl etwas mehr durchs Zentrum spielen wird, ohne das Spiel über die Seiten aufzugeben, wird der FCZ umgekehrt mehr über die Seiten spielen, aber das schnelle Umschaltspiel durch die Mitte je nach Gegner und Spielphase trotzdem beibehalten.
Im Zusammenhang mit Assan Ceesay wurde nach der Saison oft vom „zweitbesten Torschützen“ der Liga gesprochen. Ausser Acht gelassen wurde dabei, dass der Gambier mit 20 Toren und 11 Assists der Top-Skorer der Liga war – und dies mit klarem Vorsprung vor Jordan Siebatcheu (26 Skorerpunkte) und Miroslav Stevanovic (24). Ausserdem war Ceesay der beste Torschütze aus dem Spiel heraus – Torschützenkönig Siebatcheu hatte fünf seiner 22 Treffer verwandelten Penaltys zu verdanken (Ceesay nur einen von 20). Im abschliessenden Heimspiel vor vollen Rängen im Letzigrund konnte Ceesay bereits im dritten Spiel in Folge einen Assist verbuchen: eine saubere Ablage vor dem Strafraum auf Tosin, der per Weitschuss zur frühen Führung traf. Später erhöhte Ceesay selbst auf 2:0 nach einem mit optimalem Timing mit dem schwächeren Rechten Fuss Guerreros in die Tiefe gespielten Ball.
Deutliche Leistungssteigerung – aber nur phasenweise
Zwar erreichte der FCZ bei weitem nicht mehr die Leistung wie noch in Basel oder St. Gallen, im Vergleich mit dem Heimspiel gegen Lausanne oder der Auswärtspartie in Lugano vermochte sich der mit der Rückrunden-Stammelf auflaufende Stadtclub aber nochmal deutlich zu steigern. Man konnte diese Leistungssteigerung allerdings nicht über 90 Minuten durchzuziehen. Die ersten 30 Minuten waren sehr gut, dann liess das Team nach, was dem FC Luzern den 2:2-Ausgleich noch vor der Pause ermöglichte. Der FCZ war in dieser Phase im Pressing und in der Rückwärtsbewegung zu passiv und wurde zwei Mal ausgekontert. Nach dem Seitenwechsel liess das Breitenreiter-Team dann bereits nach starken fünf Anfangsminuten wieder nach. Nach einem Einwurf erzielte Filip Ugrinic in der 55. Minute per Weitschuss die 2:3-Führung für Luzern.
FCZ drückt vor allem dank Krasniqi, Seiler und Guerrero auf den Ausgleich
Ab der 60. Minute übernahm der FCZ dank der beiden flinken Einwechselspieler Krasniqi und Seiler dann aber wieder das Szepter. Speziell der in der Rückrunde mit Leistungsschwankungen agierende Bledian Krasniqi konnte in den letzten beiden Partien in Lugano und gegen Luzern nochmal Pluspunkte sammeln. Die Innerschweizer scheinen dem 20-jährigen Zürcher als Gegner ganz allgemein zu liegen. Ab der 75. Minute und der Einwechslung Rohners für Aliti rückte Nikola Boranijasevic zurück in die Dreierabwehr. Der FCZ machte Druck und kam unter anderem zu vielen Eckbällen, die MVP Adrian Guerrero meist ideal in die Mitte brachte – Kryeziu und Kamberi gelang der verdiente Ausgleich aber nicht. Der als professionelles Vorbild vorangehende Guerrero war bereits beim Heimspiel gegen Lausanne der MVP gewesen. Mit einer gelinde gesagt eher mässigen Leistung verabschiedete sich der als Letzter ausgewechselte Ousmane Doumbia von den FCZ-Fans, nachdem er Tage zuvor bei seinem künftigen Verein Lugano noch die Captainbinde getragen hatte.
In der „Supercoppa“ in der zweitletzten Super League-Runde der denkwürdigen Saison 21/22 herrschte von Beginn weg eine lockere, festliche Atmosphäre. Die Heimmannschaft war bis etwa drei Minuten vor dem offiziellen Anpfiff mit ihrer Ehrenrunde mit Trophäe durchs Stadionrund und der Verabschiedung von verdienten Spielern (Lavanchy, Lovric, Martic) beschäftigt. Um die 80. Minute herum liessen FCZ-Fans hinter dem Gästesektor eine veritable Meisterfeuerwerk-Show steigen, welche auch von den Lugano-Supportern dankbar bestaunt und mit Applaus bedacht wurde. Dann wurde die Partie fortgesetzt.
Andy Gogia erneut mit laschem Auftritt
Gleich mit dem ersten Konterangriff über Doumbia, Krasniqi, Ceesay und Rohner nach zwei Minuten ging der FCZ in Führung. Ex FCZ-Captain Rüegg hatte den Ball im Mittelfeld verloren und Gogia die butterweiche Flanke Assan Ceesays (mit Rechts!) am entfernten linken Pfosten per Direktabnahme versenkt. Das Tor motivierte Gogia aber nicht, sich von seiner besten Seite zu präsentieren, ganz im Gegenteil: der Rest seines Auftrittes im Cornaredo war ein Ärgernis und er wurde dann auch in der 58. Minute ausgewechselt. Auch Silvan Wallner und Ante Coric vermochten ihre Einsatzchance in der Startformation nicht zu nutzen.
Einwechslungen und taktische Umstellung bringen wenig
Most Valuable Player der Partie aus FCZ-Sicht war Zivko Kostadinovic, der mit einigen starken Interventionen eine höhere Niederlage verhinderte. Lugano zeigte eine bessere Körpersprache als einige Akteure beim FCZ und war wenige Tage nach dem Triumph von Bern emotional noch im Hoch – ähnlich wie der FCZ zuletzt in St. Gallen. Auch von den Einwechselspielern konnte nur Stephan Seiler überzeugen. Die Umstellung auf ein 4-4-2 in der 66. Minute mit vier nominellen Stürmern auf dem Platz (Tosin und Gnonto besetzten die Aussenpositionen im Mittelfeld) zeigte ebenfalls nur beschränkt Wirkung.
Nach dem Einsatz von einigen Spielern aus der zweiten Reihe in den letzten Partien, lässt Trainer Breitenreiter im letzten Heimspiel vor auverkauftem Haus nochmal die Stammelf auf den Platz, die für diese Partie sicherlich noch einmal eine möglichst gute Leistung abliefern will.
FCL-Coach Mario Frick kämpft mit seiner Mannschaft noch gegen den Abstieg – so wie vor Jahresfrist, als er mit dem FC Vaduz zum letzten Spiel in den Letzigrund kam – und verlor. Heute schickt er eine offensiv ausgerichtete Mannschaft aufs Feld mit Sorgic, Ndiayé und Abubakar. Diese könnte im üblichen System mit Rhombus formiert sein – oder auch mit einem eher flachen MIttelfeld mit Ugrinic und Ndiayé auf den Seiten.