Im ganzen Trubel um die Modus-Diskussion haben der FC Winterthur, der FC Wil und der FC Vaduz mit ihrem erfolgreichen Antrag um eine drastische Reduktion der Stadionanforderungen für die Super League still und heimlich für eine kleine Revolution gesorgt. Es ist eine viel weitreichendere Entscheidung als der Modus. Ohne Übertreibung ist damit an der GV der Swiss Football League vom Freitag im Schweizer Fussball eine Ära zu Ende gegangen.

Dank Stadionkatalog der SFL: Europacup in Thun, Frauen-Länderspiele in Schaffhausen

Die Denkmäler dieser Ära sind die gebauten Stadien neue Maladière in Neuenburg, Stockhorn Arena in Thun, wefox Arena in Schaffhausen, die Tissot Arena in Biel und die Tuilière in Lausanne. Dazu kommen die sich immer noch in Planung befindlichen Projekte in Aarau und Lugano. Ausserdem wurde auch der Um- und Ausbau der Stadien in Vaduz, Winterthur und Wil durch diese Ära geprägt. Diese Stadien sind alle Kinder eines Blatt Papiers (beziehungsweise PDF). Nämlich des in den letzten rund zwei Jahrzehnten gültigen Stadionkataloges (Kategorie A) der Swiss Football League. Um diese Kriterien erfüllen zu können, und damit in der obersten Schweizer Fussball-Liga mitspielen zu dürfen, haben mittelgrosse Schweizer Klubs enorme finanzielle und zeitliche Aufwände geschultert, etliche Abstimmungskämpfe geführt, den Standort gewechselt, die eigene Organisation angepasst und zusätzliche Eigentümer, teilweise aus dem Ausland, mit ins Boot geholt. Und um das Ganze finanziell überhaupt realisieren zu können, wurden zur Querfinanzierung und wegen der tieferen Bodenpreise in Thun, Schaffhausen oder Biel Stadien mit Mantelnutzung an der Peripherie gebaut.

Neue Maladière, Neuchâtel (Eröffnung: 2007)

Alles wurde dafür getan, um ein modernes Stadion errichten zu können, welches die Minimalanforderungen der Liga erfüllt. Und damit auch einen Vorteil gegenüber denjenigen Konkurrenzstädten zu haben, die dies nicht zu Stande brachten. Der Komfort, die Sicherheit und die Zuschauerzahlen wurden dank diesen neuen Stadien erhöht. Es kommen mehr Frauen und Kinder zu den Spielen. Der FC Thun konnte 13 Europacuppartien im eigenen Stadion mit echtem Heimvorteil spielen (unter anderem mit Siegen gegen Partizan und Rapid), statt nach Bern ausweichen zu müssen. Die Stockhorn Arena und die wefox Arena sind zu populären Heimstätten für die Spiele der Frauen-Nati geworden. In Biel werden viele Junioren- und Frauen-Cupfinals und Junioren-Länderspiele ausgetragen. Der ausgebaute Vaduzer Rheinpark hat einige ausverkaufte Länderspiele gegen grosse Fussball-Nationen gesehen. Die Winterthurer Schützenwiese erhielt eine schöne, neue Gegentribüne – als Teil eines umfassenden Ausbauprojektes, dessen Dringlichkeit sich nun aber stark reduziert hat.

Administrative Aufstiegshürden neu für alle stemmbar

Die bisherigen hohen Anforderungen haben für den Schweizer Fussball viel Gutes getan. Trotzdem ist der nun von Winterthur, Wil und Vaduz beantragte und von den Klubs der Swiss Football League beschlossene Rückschritt in Sachen Infrastruktur zum jetzigen Zeitpunkt positiv zu werten, speziell für den sportlichen Wettbewerb und für „die Kleinen“. Bei der Gesamtkapazität wurde eine Halbierung von 10’000 auf 5’000 Plätze beschlossen, bei den Sitzplätzen gar eine von 6’500 auf nur noch 1’000 Plätze. Dazu kommt eine Einjahresfrist zur Erfüllung dieser Anforderungen für Aufsteiger. Nur die Anforderungen für die Sicherheit und TV-Übertragungen müssen von Anfang an erfüllt werden (wobei wie diese Saison beim FC Winterthur dabei je nach Umständen eine Kulanzfrist von ein paar Wochen oder Monaten sicherlich gewährt wird).

Stockhorn Arena, Thun (2011)

Dies ändert die Situation fundamental. Die administrativen Aufstiegshürden werden wesentlich reduziert. Bis zu diesem Entscheid gab es mit Thun, Xamax, Schaffhausen und Lausanne-Sport nur vier Challenge League-Klubs, welche die Infrastrukturvoraussetzungen für die Super League mitbrachten. Winterthur durfte diesen Sommer überhaupt nur dank einer Sonderregelung aufsteigen. Nun sollte grundsätzlich jeder Challenge League-Klub aufsteigen können. Selbst ein Klub, der die reduzierten Anforderungen nicht erfüllt, kann erst mal aufsteigen und sich dann im Verlauf der Vorrunde immer noch überlegen, einen Stadionausbau im vernünftigen Rahmen in Angriff zu nehmen und / oder bei Klassenerhalt für eine gewisse Zeit in ein grösseres Stadion im Umkreis umzuziehen.

Brügglifeld olé?

Winterthur ist ein Paradebeispiel sowohl für einerseits die positive Wirkung des Druckes, den der bisherige Stadionkatalog erzeugt hat, und der gleichzeitig aber auch etwas überzogenen Standards, die darin formuliert wurden. Der aktuelle Rückschritt in den Anforderungen ist massiv. Kurzfristig ist das kein Problem. Es hilft sogar, speziell im Zuge der Super League-Vergrösserung das Wettbewerbsprinzip Aufrecht zu erhalten. Langfristig könnte es aber schon wieder zu einer Situation führen wie in den 80er und frühen 90er-Jahren, wo verfallende und nicht mehr zeitgemässe Infrastrukturen zum damaligen Zuschauerschwund beigetragen haben.

Tissot Arena, Biel-Bienne (2015)

Der FC Aarau gehörte wohl nicht ganz ohne Hintergedanken nicht zu den Promotoren des Antrages. Während andere Klubs bei einem Standortwechsel fast immer mit einer zentrumsferneren Location vorlieb nehmen müssen, will der FCA mit seinem im Grunde schon seit den 90er-Jahren pendenten Stadionprojekt vom in der Gemeinde Suhr gelegenen Brügglifeld ins deutlich zentrumsnähere Torfeld Süd umziehen. Macht der Entscheid der Swiss Football League vom Freitag den Aarauern im letzten Moment noch einen Strich durch die Rechnung, weil ein Verbleib im Brügglifeld plötzlich wieder eine Option werden könnte? Auch der Neubau des Cornaredo in Lugano ist durch diesen Entscheid nicht mehr wirklich zwingend. Anders sieht die Situation in Zürich aus. Wie in Genf, Basel oder Bern gehen die Anforderungen an ein Fussballstadion in einer Stadt wie Zürich sowieso über die SFL-Mindestanforderungen für Super League-Stadien hinaus – egal ob bisherige oder neue.

Eröffnung wefox Arena (damals LIPO Park), Schaffhausen (2017)
Tuilière, Lausanne (2020)

Nach der Liga-Generalversammlung diese Woche kommt nun also letztendlich die bereits vorher beschlossene Ligaaufstockung auf 12 Teams zusammen mit dem «Schottenmodus». Diese beiden Neuerungen haben einen gemeinsamen Nenner: die «Kleinen» sind die Verlierer.

Die «Grossen» profitieren vom «Schottenmodus»

Es ist kein Zufall, dass mit YB die Nr.1 der letzten Jahre am meisten gegen die Playoffs geweibelt hat und die in der Meisterschaft seit Jahrzehnten chronisch erfolglosen Welschen und Tessiner Klubs fast geschlossen dafür waren. Playoffs hätten den «Kleinen» eine grössere Chance im Kampf um Meisterschaft und Europacup-Plätze gegeben. Auch der FCZ hätte vom Playoff-Modus sicherlich profitiert. In einzelnen wichtigen Spielen ist man in den letzten Jahren immer wieder über sich hinausgewachsen – und hatte mit Ausnahme der Zaubersaison 21/22 über eine volle Meisterschaft mit 36 Runden jeweils keine Chance auf Erfolg. Schottland wird seit Jahrzehnten, sicherlich nicht nur, aber auch wegen dem «Schottenmodus» von Celtic und Rangers dominiert.

Mit dem «Schottenmodus» werden die bestehenden Machtverhältnisse also tendenziell zementiert. Trotzdem war Züri Live genauso wie der FCZ und alle Fankurven gegen die Playoffs. Denn diese hätten uns eine extrem lange praktisch bedeutungslose «Aufwärmphase» von Juli bis April gebracht. Im Gegensatz zum Eishockey mit seinem «Best of 7» über drei Monate hätte die entscheidende Meisterschaftsphase im Schweizer Fussball nur ein paar wenige Tage gedauert. Sehr löblich zu erwähnen: FCZ-Präsident Ancillo Canepa hat wie schon zu seiner Zeit im Ligakomitee als einer von ganz wenigen Klubvertretern zu jedem Zeitpunkt in erster Linie an den Schweizer Fussball als Ganzes gedacht, und nicht an die Interessen des eigenen Klubs.

Nach Nati A-Aufstockung steht im Eishockey die Nati B vor dem Kollaps!

Bei der Frage der Playoffs auf der Seite der «Grossen» zu stehen war aus Züri Live-Sicht richtig. Bei der Ligagrösse hingegen nicht! Mit der Aufstockung auf 12 Teams wollen grössere Klubs wie FCZ, GC, St. Gallen, Luzern oder Sion die Abstiegsgefahr verkleinern. Die Super League «klaut» dafür der Challenge League ihre zwei besten Teams. Dadurch sinken Qualität, Zuschauerzahlen und Einnahmen in der zuletzt immer attraktiver werdenden zweithöchsten Liga. Im schlimmsten Fall bricht dem Schweizer Fussball so ein wettbewerbsfähiges Unterhaus weg, wo sich Nationalspieler wie Sommer, Akanji, Zakaria oder Freuler den letzten Schliff vor ihrem Durchbruch in der Super League holten. Zudem sind mehrere Spitzen-Juniorenorganisationen von Challenge League-Klubs so deutlich schwieriger zu finanzieren.

In welche Richtung es nach einer Super League-Aufstockung gehen kann, führt aktuell das Schweizer Eishockey plastisch vor Augen, wo nach Aufstockungen der obersten Liga auf 14 Teams die Nationalliga B (Swiss League, 10 Mannschaften) vor dem sportlichen und finanziellen Kollaps steht! Traditionsklubs wie SC Langenthal oder EHC Winterthur überlegen sich einen Rückzug. Ähnlich könnte es im Fussball bald Thun, Xamax, Aarau, Bellinzona oder Schaffhausen ergehen.  

Die «Kleinen» Profiklubs schneiden sich ins eigene Fleisch

Leider haben Schweizer Klubvertreter, Journalisten und Fans in den letzten Jahren bei all den Diskussionen um eher kosmetische Modusfragen viel zu wenig Zeit investiert, um die viel tiefgreifenderen Folgen einer Ligaaufstockung ernsthaft und ganzheitlich zu analysieren. Hätten sie dies getan, hätten viele kleine Profiklubs mit der Ligaaufstockung nicht eine Idee unterstützen können, die ihnen selbst letztendlich am meisten schaden wird.

Der Köder für die «Kleinen» sind die zwei zusätzlichen Plätze in der Super League. Der dafür zu bezahlende Preis einer Schwächung der Challenge League ist aber viel zu gross! Denn die meisten dieser kleinen Teams werden weiterhin mehr Zeit in der Challenge League, als in der Super League verbringen. Für 24 Profiklubs im Eishockey und 22 im Fussball (insgesamt 46) ist die Schweiz wahrscheinlich zu klein. Dass die Grenze im Fussball wohl bei 20 liegt, wurde in einer früheren von der Swiss Football League in Auftrag gegebenen Studie bereits einmal festgestellt. Und bei 20 ist die Formel 10+10 ideal.

Erhöhung Challenge League-Anteil an zentralen TV- und Marketing-Geldern auf 30-40% jetzt eine Notwendigkeit!

Man kann nur hoffen, dass die Klubvertreter auch mit dem Beispiel des Eishockeys vor Augen den Fehler einsehen und mittelfristig zum erfolgreichen 10+10 zurückkehren. Ansonsten sind schmerzhafte Einschnitte bei Qualität, Nationalmannschaft, Zuschauerzahlen, Arbeitsplätzen, Wettbewerbsfähigkeit und Juniorenförderung unvermeidlich. Um den Super-GAU zu vermeiden, sollten die Super League-Klubs als kurzfristige Massnahme ihre Kollegen in der Challenge League dafür entschädigen, dass sie ihnen ihre zwei besten Teams und damit wichtige Einnahmen «klauen».

Als Kompensation muss daher der prozentuale Anteil der Challenge League-Klubs an den TV- und Marketing-Geldern der Swiss Football League möglichst rasch von aktuell rund 20% auf 30-40% erhöht werden! Den Super League-Klubs bricht damit kein wesentlicher Einnahmenblock weg. Zumal für die Super League der «Schottenmodus» kommerziell deutlich attraktiver ist, als der zuvor im Raum stehende «Playoff-Modus» mit weniger Spielen, verringerter Planbarkeit und erhöhter Langeweile während den 10 Monaten bis zu den Playoffs. Für die durch die Super League-Aufstockung benachteiligten Challenge League-Klubs wäre es hingegen eine willkommene Entlastung.

Züri Live-Artikel vom 10.Mai 2022: SWISS FOOTBALL LEAGUE – 23 GRÜNDE GEGEN LIGA-AUFSTOCKUNG UND PLAYOFFS

Zum wiederholten Mal in den letzten Jahren wird in der Swiss Football League über eine Änderung des Ligaformates diskutiert. Dabei gibt es keinen Grund, das Erfolgsformat 10+10 aufzugeben. Die Aufstockung auf 12+10 und darauf aufbauende Überlegungen im Hinblick auf eine Zulassung von U21-Teams in der Challenge League hätten in allen Bereichen negative Auswirkungen auf den Schweizer Spitzenfussball: sportlich, wirtschaftlich, sicherheitstechnisch und auch im Bereich der Talentförderung.

1)   Never Change a Winning Format

Seit Einführung von 10+10 hat die Schweizer Nationalmannschaft mit Ausnahme von 2012 alle Endrunden erreicht. Die Spielzeit für eigene Junioren in der Super League ist dank der 10er-Liga von 10% auf aktuell 21,7% geradezu explodiert. Die Schweiz liegt in diesem Bereich europäisch unter den ersten drei. Die durchschnittlichen Zuschauerzahlen haben von rund 5’000 in der 16-er Liga, über 7’000 in der 12er-Liga auf 11’000 in der 10er-Liga zugenommen. Gemessen an der Einwohnerzahl ist dies auch im internationalen Vergleich ein sehr hoher Wert. Dieser Zuschaueraufschwung hat den Schweizer Profiklubs unter anderem ermöglicht, ihre Talentförderung massiv auszubauen mit heutigen Jahresbudgets der Akademien von bis zu 4 Mio Franken pro Jahr.

Die Schweiz hat zudem mit diesem Format ihren jungen Talenten für den Sprung in eine internationale Topliga eine ideale Plattform bieten können. In gewissen Saisons war die kleine und nicht als «Fussballnation» betrachtete Schweiz im Ausländerranking der Bundesliga sogar auf dem 1. Platz. Und trotz grossem Aderlass an eigenen Talenten und beschränkten finanziellen Mitteln hat es die Super League parallel auch noch geschafft, sich im Klubfussball meist in den Top 15 der UEFA-Fünfjahreswertung zu halten. Sogar Challenge League-Klubs (Lausanne-Sport, FC Zürich, Vaduz) waren europäisch kompetitiv.

2)   Tiefere Zuschauerzahlen vorprogrammiert

Eine grössere Liga geht fast schon automatisch einher mit einem kleineren Zuschauerschnitt. In Österreich haben durch die Ligavergrösserung die Zuschauerzahlen sogar abgenommen obwohl gleichzeitig die Wiener Grossklubs Rapid und Austria neue Stadien eröffnet haben. Egal nach welchem Modus: es gibt mehr Spiele gegen unattraktivere Gegner. Und da die Zuschauereinnahmen sowohl direkt wie auch indirekt (Sponsoren, Werbegelder) für die Schweizer Klubs essenziell sind, ist dies ein ganz wichtiges Argument gegen eine Ligavergrösserung.

3)   Deutlich weniger TV- und Verbandsgelder pro Klub

Mit neu 12 statt 10 Teilnehmern bleibt für jeden einzelnen Klub weniger aus den TV- und Verbandsgeldern übrig. Die Super League-Klubs müssen bei diesen Einnahmenposten mit einer Reduktion um 15-20% rechnen.   

4)   Talentförderung ist in 12er-Ligen kleiner

Die Super League mit aktuell 21,7% ist europaweit die Nummer 3 in Bezug auf den Einsatz von im Klub ausgebildeten Spielern. Der Mythos, dass eine 10er-Liga wegen «grösserem Druck auf die Trainer» zu einer Vernachlässigung des eigenen Nachwuchses führt, ist nachweislich falsch. Ganz im Gegenteil: die Statistik aller europäischen obersten Ligen zeigt, dass die Einsatzzeiten von Spielern aus dem eigenen Nachwuchs mit der Ligagrösse generell abnimmt! Der Unterschied zwischen 10er-Ligen (beinahe 20%) und 12er-Ligen (etwas mehr als 15%) ist dabei speziell gross. In Österreich beispielsweise stammen aktuell nur 18,2% der eingesetzten Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, in Schottland gar nur 10,8%.

Wenn, wie in einer 10er-Liga häufig der Fall, alle Teams während der ganzen Saison entweder im Kampf um die Meisterschaft, die Europacup-Plätze oder gegen den Abstieg involviert sind, bringt dies gerade die jungen Spieler in ihrer Persönlichkeitsentwicklung weiter. Tragende Säulen des Nationalteams der letzten Jahre wie Yann Sommer, Steven Zuber oder Tranquillo Barnetta wurden in jungen Jahren im Abstiegskampf gestählt. Geht es in einer Partie zwischen Mittelfeldteams hingegen um Nichts, dann ist die Intensität tief, und die Talente lernen kaum mehr als in einem Testspiel. Erst durch Widerstand und Druck entsteht aus Basiselementen ein Rohdiamant. Talente, die mental und fussballerisch das Zeug für eine Top-Liga mitbringen, werden in der Super League von ihren Trainern auch in schwierigen Situationen gepusht. Ein Ricardo Rodriguez oder Granit Xhaka haben schon mit 17 Jahren konstantere Leistungen auf den Platz gebracht als deutlich erfahrenere Teamkollegen.

5)   Nicht genügend Infrastrukturen und Potential für mehr als 20 Teams, sowie erhöhte Sicherheitsbedenken

Trotz temporärer Suspendierung einiger entscheidender Infrastrukturkriterien aufgrund der schwierigen Nach-COVID-Situation haben in erster Instanz nur 20 Klubs die Swiss Football League-Lizenz für die Saison 22/23 erhalten. Bei konsequenter Anwendung der Lizenzkriterien wären es vor allem die Super League betreffend sogar deutlich weniger gewesen. Trotzdem wird eine Aufstockung auf insgesamt 22 Klubs vorgeschlagen. Als würde die Realität des Schweizer Fussballs ignoriert. Vor einigen Jahren wurde in einer Studie eruiert, dass 20 Fussball-Profiteams angesichts der Grösse und Struktur eines Landes wie der Schweiz die obere Grenze des Möglichen und Finanzierbaren darstellen.

Das leicht grössere Österreich kam über 7’000 Zuschauer im Schnitt nie hinaus und kam zum Schluss, dass es nicht in der Lage ist, 20 Profiklubs zu unterhalten. Deshalb wurde mit der Re-Amateurisierung der 2. Liga ein Schritt zurück gemacht.  Die Schweiz kann zwei professionelle Ligen betreiben. Allerdings nur, wenn sie nicht zu gross sind. Um einen einigermassen sinnvollen Wettbewerb um den Aufstieg in die höchste Liga zu gewährleisten, müsste zudem mindestens die Hälfte der Challenge League-Klubs die (infrastrukturellen) Voraussetzungen für die Super League mitbringen, also insgesamt 12 + 5 = 17 Klubs. Dies ist aber nicht der Fall. Bei einer 12-er Super League müssten zudem 17 Klubs in Bezug auf Sektorentrennung, Installationen und Polizeiaufgebot in der Lage sein, im Ligabetrieb Gästeteams wie den FCB, den FCZ, YB oder St. Gallen empfangen zu können.

6)   Gefahr der Verknöcherung und fehlenden Abwechslung

Falls durch eine Aufstockung auf 12 Teams gewisse Klubs tatsächlich in der Regel von Abstiegssorgen befreit werden, führt dies zu einer Verknöcherung und einem zu geringen Konkurrenzdruck in der Liga. Auch würde es langweiliger werden, wenn ausser FCB und YB weitere Klubs quasi «unabsteigbar» würden und daher zum Inventar der obersten Spielklasse verkommen.

7)   Verwässerung des sportlichen Niveaus

Die Qualität einer Liga wird bestimmt durch die Qualität seiner Spieler. Eine Erste Liga, die aufgestockt wird, wird «von unten» aufgefüllt mit Teams und Spielern, die ansonsten in der Zweiten Liga gespielt hätten. Bei einem Profi-Kader von 25 Mann pro Team sind dies in einem virtuellen Ranking die Profis Nummer 251 bis 300 des Landes. Diese bleiben grundsätzlich auch durch den «Aufstieg am grünen Tisch» die Profis Nummer 251 bis 300. Sie werden nicht wie durch ein Wunder bessere Fussballer. Es ist eher so, dass die besten 100 Profis durch Spiele gegen diese schlechteren Mannschaften weniger stark gefordert werden und die Gefahr besteht, dass sie sich vom tieferen Rhythmus anstecken lassen. Letztendlich wird die durchschnittliche Qualität (Technik, Tempo, Intensität) der Liga tiefer als zuvor sein.

Dies gilt für alle Wettbewerbe jeder Sportart, national wie international. Die Champions League-K.O-Phase mit den besten 16 Teams hat ein höheres Niveau, als die Gruppenphase mit 32 Mannschaften. Den Unterschied bemerken sogar Fussball-Laien. Wäre die deutsche Bundesliga eine 10er-Liga, hätte sie ein Champions League-ähnliches Niveau. Von den Mannschaften 11-18 würden je die besten 3-4 Spieler zu den Top 10 Teams wechseln. Es wäre ein Fussball mit nochmal deutlich höherer Intensität, Tempo und besserer Technik als heute.

Warum setzt die Bundesliga dies dann nicht um? Erstens weil in einem so grossflächigen Land Grossregionen mit mehreren Millionen Einwohnern dann nicht mehr in der Bundesliga vertreten wären. Und Zweitens, weil keine der anderen grossen Ligen diesen Schritt bisher gewagt hat – und Deutschland daher im sportlichen Vergleich mit England, Spanien oder Italien aufgrund der Ligagrösse kein Wettbewerbsnachteil entsteht – sie haben im Gegenteil zurzeit sogar einen kleinen Vorteil. In einem grossen Land wie Deutschland ist zudem der Qualitätsunterschied zwischen dem zehntbesten und dem elftbesten Team des Landes nicht so gross wie in der Schweiz.

8)   Fussball darf nicht «planbar» werden!

Fussball «planbar» machen zu wollen ist ein Anachronismus. Der erfolgreichste Sport der Welt lebt von seiner Unplanbarkeit: Spannung, Überraschungen, Drama, Krisen und  Wiederauferstehung. Er ist eine moderne Passionsgeschichte. Planbarer Fussball ist wie ein Metallica-Konzert in Zimmerlautstärke oder ein Zirkus-Artist, der kein Risiko eingeht. Warum soll man sich als Zuschauer so etwas anschauen gehen und dafür bezahlen?  Für den Schweizer Fussball ist es sehr gut, dass 1,5 von 10 Mannschaften absteigen. Für die Klubverantwortlichen zugegeben nervenaufreibend, aber so soll es auch sein! Wenn viel auf dem Spiel steht, strömen die Zuschauer in Scharen. Die abgrundtiefe Enttäuschung, der Scherbenhaufen, die Radikalkur: das alles zieht Fussballfans in ihren Bann. Im Abstiegskampf kommen häufig ebenso viele Fans ins Stadion, wie bei Spielen um die Meisterschaft.

Profifussball gehört zur Unterhaltungsbranche und diese ist nicht geeignet für Führungskräfte und Mitarbeitende, die mit schnell wechselnden Gegebenheiten nicht zurechtkommen. Klubs wie St. Gallen oder der FCZ haben in den letzten Jahren vom Abstieg in die Challenge League profitiert. Sie konnten sich neu aufstellen, Ballast abwerfen, eine neue Nähe und Begeisterung bei den Fans entfachen und den Wiederaufstieg feiern. Niemand feiert hingegen einen 9. Platz in einer 12er-Liga. «Planbarkeit» in den Fussball bringen zu wollen, bringt Alltag, Bürokratie, Verknöcherung, Stillstand und eine reduzierte Lernfähigkeit. All dies ist schlecht für die internationale Wettbewerbsfähigkeit und den nationalen Unterhaltungsfaktor.

«Allein, weil man nicht absteigen kann, fehlt das Kribbeln im Bauch. Wenn man verliert, geht man nach Hause und denkt sich: Okay, nächste Woche haben wir wieder einen Match.»

(Blerim Dzemaili über die MLS)

9)   Die Challenge League ist gefährdet

Eine Ligavergrösserung der Super League hat auf die Challenge League grössere Auswirkungen, als auf die Super League selbst. Wenn man der Liga die besten zwei Teams wegnimmt, sinkt nicht nur die Qualität der Challenge League, sondern es fallen auch wichtige Einnahmequellen (zugkräftige Gegner) weg. Dazu kommt die sinkende Wahrscheinlichkeit, dass Klubs mit einer grossen Fanbasis wie St. Gallen, FCZ oder Luzern in gewissen Saisons die Challenge League zusätzlich beleben können. Die finanzielle Situation ist in jedem Land in der jeweils untersten Profiliga eng. Das ist beispielsweise in der Dritten Liga in Deutschland nicht anders, als in der Challenge League in der Schweiz. Diese Ligen funktionieren mittlerweile trotzdem gut.

Die Challenge League hat im Verhältnis zu Zweiten Ligen in vergleichbaren Ländern sogar einen sehr hohen Zuschauerschnitt. Eine Super League-Aufstockung könnte aber in der Challenge League zu solchen Mindereinnahmen führen, dass ihr Überleben als zweite Profiliga in Frage gestellt wird. Und dies könnte den Verfechtern einer totalen Verwässerung der zweithöchsten Liga durch die Zulassung von Reserve-Teams der reichen Klubs entscheidenden Auftrieb verleihen.

10) Finanzierung der Jugend-Akademien in mehreren Regionen gefährdet

Der Schweizerische Fussballverband und die Swiss Football League haben in den letzten Jahrzehnten ein ausgeklügeltes System entwickelt und immer weiter verfeinert, um den Nachwuchstalenten eine optimale Entwicklung zu ermöglichen. Die Anforderungen an die Akademien der Profiklubs in Sachen Professionalität der Ausbildung wurden dabei laufend erhöht – was Geld kostet. Dieses zusätzliche Geld konnten die Profiklubs nur dank den in den beiden 10er-Ligen in den letzten zwei Jahrzehnten gestiegenen Zuschauerzahlen und – einnahmen aufbringen.

Die Ligaaufstockung in der Super League (und allfällige Aufstockungen in der Challenge League) gefährdet speziell die wichtigen und grossen Nachwuchsabteilungen an Standorten wie Neuenburg, Aarau, Thun oder Winterthur. Dazu sind auch Wil, Kriens, Schaffhausen und Vaduz bis zu einer gewissen Stufe im Juniorenspitzenfussball des Schweizerischen Fussballverbandes engagiert. Die Mittel dazu werden durch den Profibetrieb generiert. Wenn ein solcher nicht mehr aufrechterhalten werden kann, verliert die Schweiz wichtige Standorte und Ausbildungsplätze für Fussballtalente.

11)   Hunderte von Arbeitsplätzen gefährdet

Kann die Challenge League als Profiliga nicht mehr aufrechterhalten werden, verlieren hunderte von Menschen ihre Arbeitsstelle. Die Zahl der Profiklubs wird dann von 20 auf 12, 14 oder 16 reduziert. Hunderte von Fussballern, Physiotherapeuten, Profi- und Spitzenjuniorentrainer sowie Angestellte der Administration der Klubs verlieren ihren Job. Zudem fallen zusätzlich viele Teilzeit- und Gelegenheitsjobs weg.

12)   Abstieg in Challenge League brutaler

Eine «amputierte» Challenge League würde für einen Super League-Absteiger einen brutaleren Aufprall bedeuten. Die sportliche und finanzielle Differenz zwischen den Ligen wäre so gross, dass ein Abstieg wirklich die Existenz gefährden könnte. Es wäre fast nicht mehr möglich, in der Challenge League eine Mannschaft mit Super League-Potential aufzubauen. Man müsste einen radikalen Schnitt machen und käme aus der sich daraus ergebenden Negativspirale von sinkender Qualität, Einnahmen und Zuschauerinteresse womöglich auch nicht mehr heraus.

13)   Fehlende Stufe in der Talententwicklung

Ein Talent braucht für eine optimale Entwicklung eine nahtlose Treppe, in welcher er Jahr für Jahr Stufe um Stufe nehmen kann. Entscheidend ist, dass jede Stufe vorhanden und für das Talente offen ist. Es gibt zwar Jahrzehnttalente, die den Sprung direkt aus der U18 zum Stammspieler der Super League schaffen, aber solche Fälle sind eine äusserst seltene Ausnahme. Viele Talente benötigen zudem zwischen der Reserve und der Super League den Zwischenschritt in einer tieferen Profiliga wie der Challenge League.

Das Schweizer System setzt erfolgreich darauf, dass die besten Talente möglichst früh durch Widerstände wachsen lernen. Die besten Mädchen spielen möglichst lange bei den Jungs mit und die talentiertesten Jungs möglichst früh bei den Männern. Mit 16 kann ein Talent bereits reif genug für die 1. Liga sein, mit 17 wäre er dann bereit für die Promotion League, mit 18 für die Challenge League und mit 19 für die Super League. Ein Klub, der wie aktuell GC, Luzern oder St. Gallen seine Reserve-Equipe in der 1. Liga engagiert hat, besitzt gegenüber dem FCB, FCZ oder Sion den Vorteil, ein Talent möglicherweise bereits ein Jahr früher gegen Männer in Wettbewerbsspielen einsetzen zu können.  

Für die Stufe Challenge League bieten sich für Talente aus Super League-Klubs dann Leihtransfers an, wie dies zuletzt der FCZ und YB sehr erfolgreich praktiziert haben. Der gleiche Weg ist aber auch über Transfers möglich, wie bei Zeki Amdouni, der von Meyrin über Stade Lausanne-Ouchy (SLO) zu Lausanne-Sport gewechselt ist. Vor seinem Engagement bei SLO wäre der Schritt in eine Super League-Equipe für Amdouni noch zu gross gewesen. Wäre die Challenge League allerdings keine Profiliga, dann wäre dieser Schritt für Amdouni wiederum zu klein gewesen! Er hätte in eine mit der heutigen Challenge League vergleichbare Liga wechseln müssen – und solche Optionen gäbe es dann nur noch im Ausland – zum Beispiel die Prva Liga (Erste Liga Sloweniens).

14)   Die Nationalmannschaft braucht eine starke Challenge League und Super League

Auf Stufe der U19-, U20- und U21-Nationalmannschaften hat die Schweiz im Vergleich zu vielen europäischen Ländern den grossen Vorteil, viele Spieler aufbieten zu können, die Stammspieler in der Challenge League sind und somit Woche für Woche Wettbewerbspartien gegen Profis bestreiten. Dies während bei den Gegnern eine grosse Anzahl von Talenten in dieser entscheidenden Phase ihrer Entwicklung immer noch hauptsächlich gegen andere Junioren- und Reserveteams Partien bestreiten, bei welchen die Resultate zweitranging sind.

Ein Drittel der heutigen Nationalmannschaft (Sommer, Akanji, Schär, Widmer, Zakaria, Freuler,…) hat einen wichtigen Schritt ihrer Entwicklung in der Challenge League gemacht. Das hohe Niveau durch den Profibetrieb der Zweiten Schweizer Liga war dabei ein entscheidender Faktor, um auf dem Weg in die Super League und später europäische Top-Ligen ein Schritt nach dem anderen nehmen zu können. Genauso ist es wichtig, dass beim darauffolgenden Schritt «Super League» das Niveau möglichst hoch ist, was bei einer 10er-Liga stärker gewährleistet ist, als bei einer 12-er Liga.

15)   Die Super League braucht eine starke Challenge League

Seit dem Start der 10er-Liga 2003 ist nur drei Mal ein Aufsteiger in der ersten Saison wieder abgestiegen (zwei Mal Vaduz, ein Mal Yverdon). Eine starke Challenge League bringt Abwechslung in den Schweizer Fussball, weil sie eine Zweiklassengesellschaft verhindert. Vor allem aber erhöht der Druck von unten die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Qualität der Super League und ihrer Spieler. Als Analogie auf einer höheren Stufe: Paris St-Germain scheitert selbst mit den besten Spielern und Trainern der Welt in der Champions League auch deshalb immer wieder, weil sie in der heimischen Liga im Vergleich zu spanischen oder englischen Spitzenteams weniger gefordert werden.

16)   Beispiel Österreich

Die Zuschauerzahlen in Österreich sind seit den Ligaaufstockungen (Bundesliga: 12, 2. Liga: 16) und der Zulassung von Reserve-Teams in der 2. Liga stark gesunken. Obwohl die Wiener Grossklubs Rapid und Austria ihre langersehnten neuen Stadien haben eröffnen können, sank der Zuschauerschnitt in der Bundesliga von rund 7’000 auf 6’000. In der 2. Liga haben sich die Zuschauerzahlen durch die Aufstockung sogar halbiert – von rund 1’800 auf 900. Die beiden Spielklassen haben nun nur noch rund die Hälfte des Zuschauerschnittes in der Schweiz. Dies obwohl Österreich im Vergleich etwas mehr Einwohner, eine deutlich eindrücklichere Fussballtradition und keine Konkurrenz durch eine zweite grosse Publikumssportart wie das Schweizer Eishockey hat.

Auch die Qualität speziell der 2. Liga ist durch die Ligaaufstockung in der Saison 18/19 stark gesunken. Beispiel: Haris Tabakovic war in den letzten zwei Saisons viertbester und bester Torschütze der Liga, nachdem er zuvor weder in der Challenge League noch in Ungarn Stammspieler gewesen war. Trotzdem spielen nur noch vier Reserve-Teams in der 2. Liga und zwei davon, Young Violets und Juniors Oberösterreich, stehen aktuell (Mai 2022) auf einem Abstiegsplatz. Nur Rapid II und Liefering (Salzburg) werden sich wohl noch in der Liga halten können. Liefering ist die grosse Ausnahmeerscheinung. Dank einem der weltweit besten und teuersten Ausbildungs- und Scoutingsysteme kann sich die Salzburg-Filiale mit einer reinen U21-Mannschaft weiterhin ohne Probleme in der 2. Liga halten. Juniors Oberösterreich hat hingegen sechs Spieler, die über dem U21-Alter sind, bei Rapid II sind es gar elf und bei den Young Violets zwölf! Das Konzept mit U21-Teams in der zweithöchsten Liga funktioniert also eigentlich nur für Salzburg. Einzelne Spieler gezielt in die 2. Liga auszuleihen würde sowohl sportlich wie auch finanziell für alle Anderen mehr Sinn ergeben.

Auch bei der zuletzt relativ erfolgreichen Phase im Europacup profitiert die Österreichische Liga in erster Linie von Salzburg. Trainer aus der Salzburg-Schule wie Adi Hütter und Peter Zeidler haben auch Schweizer Klubs auf ein höheres Niveau gehoben, und in Österreichischen Klubs gibt es natürlich noch viel mehr solche Coaches. Dasselbe kann man über die Spieler sagen. Die Schweiz profitiert bei Noah Okafor, Philipp Köhn und Bryan Okoh von Salzburg, Österreich bei noch deutlich mehr Spielern aus dieser Akademie, die dann mit Teams wie LASK auch im Europacup Erfolge feiern können. Die Modusumstellung hat Österreich hingegen auf sehr vielen Ebenen geschadet.

17)   Reserve-Teams in zweithöchster Liga schaden deutlich mehr als dass sie nützen

Reserve-Teams der Spitzenklubs in der zweithöchsten Liga mitspielen zu lassen, wird als Massnahme zur Talentförderung verkauft. Das Gegenteil wäre aber der Fall. Und zwar aus folgenden Gründen:

  • Eine solche Liga hätte zu wenig Zuschauer und Einnahmen, um sie auf Profi-Niveau betreiben zu können. Die Gegner dieser U21-Teams wären also vergleichbar mit heutigen guten Promotion League-Mannschaften. Das ist ein zu tiefes Niveau für potentielle künftige Nati-Stützen vom Schlage eines Yann Sommer, Manuel Akanji oder Denis Zakaria im Alter von 18 Jahren, kurz bevor sie Super League-tauglich werden. Sie benötigen zu diesem Zeitpunkt Spielpraxis in einer Profiliga, die vom Niveau her knapp unter der Super League situiert ist.
  • Gleichzeitig hat selbst ein FCB, YB oder ein FCZ nicht genug Talente in einer Altersgruppe, die auf zweithöchster Stufe eine kompetitive Mannschaft bilden könnten. Der FCZ, FCB, YB und Sion kommen bereits in der heutigen drittklassigen Promotion League nicht ohne erfahrene Verstärkungsspieler aus. In einer zweithöchsten Spielklasse müssten die Reserve-Teams möglicherweise die Hälfte der Mannschaft mit abgehalfterten früheren Super League-Profis besetzen: teuer und unnötig. Eine Reserve-Mannschaft, die auf tieferer Stufe spielt (beispielsweise 1. Liga) kann hingegen zu 100% mit eigenen Junioren antreten. In der heutigen Promotion League braucht es etwa zwei Verstärkungsspieler. Aus jeder Altersgruppe eines Klubs wie FCB, YB oder FCZ können es 1-3 Spieler nachhaltig in die obersten zwei Ligen schaffen. Jeder dieser Spieler braucht individuelle Lösungen und Betreuung. Nur für diese 1-3 Spieler aber ein ganzes Reserve-Team (25 Mann) mit Ach und Krach in der zweithöchsten Liga halten zu wollen, macht keinen Sinn.
  • Die Schweiz hat ein föderalistischeres System als beispielsweise Österreich mit mehr Klubs und Regionen, die in der Spitzenjuniorenausbildung an vorderster Front engagiert sind. 14 Klubs haben das volle Programm bis hinauf zur U21 (Reserve-Team). Die Mehrheit dieser Klubs wäre aber mit keinem Reserve-Team in der Zweiten Liga vertreten und könnte auch keine Spieler an die Amateurklubs der Zweiten Liga ausleihen, weil diese keine Profibedingungen aufweisen würden. Die zweithöchste Ligastufe wäre also für Talente aus der Mehrheit der Schweizer Jugendakademien komplett verschlossen. Sinnvolle Entwicklungsschritte Saison für Saison wie bei Sommer, Freuler, Zakaria, Akanji und Co: würden stark erschwert oder gar verunmöglicht.

18) Weniger Spiele (gegen Top-Klubs)

Durch eine Ligavergrösserung gibt es je nach Modus weniger Spiele und mit Sicherheit für den durchschnittlichen Super League-Klub weniger Partien gegen zugkräftige Gegner. Dies wird zu Mindereinnahmen führen. Warum sich zusätzlich zur Rückzahlung der COVID-Kredite noch weitere finanzielle Handicaps aufhalsen?

19)   Weniger verkaufte Saisonkarten

Die Einführung von Playoffs könnte mittelfristig zu einem Rückgang des Saisonkartenverkaufs führen. Der harte Kern wird zwar immer alle Wettbewerbspartien des eigenen Klubs sehen wollen, aber viele aus dem erweiterten Kreis von Sympathisanten werden sich bezüglich Stadionbesuch mehr und mehr auf die (wenigen) Playoff-Partien fokussieren.  

20)   Verlust der nationalen Vormachtstellung der Super League 

Die Super League hat heute in der Schweiz eine Vormachtstellung inne. Da es vom ersten Spieltag an um (voll zählende) Punkte geht, ist die Super League Woche für Woche von Juli bis Dezember und im Februar die Nummer 1 in Sachen TV- und Medienpräsenz im Schweizer Sport. Ab März beginnen im Eishockey die Playoffs und im Fussball ab März / April die heisse Endphase der Saison mit meist mehreren noch offenen Entscheidungen. In dieser Zeit sind Fussball und Eishockey in Sachen Medienpräsenz etwa gleichmässig vertreten.

Mit der Einführung von Playoffs gibt der Fussball seine Vormachtstellung während einem grossen Teil des Jahres leichtfertig auf. Die grosse Mehrheit der Spiele werden eine deutlich geringere Bedeutung und Aufmerksamkeit erhalten als heute. Man kann bis zu einem gewissen Grad von einer Verlängerung der Sommervorbereitung bis in den darauffolgenden April sprechen. Und dann wird innerhalb eines einzigen Monates alles entschieden. Es ist der gleiche Monat, in welchem weiterhin parallel auch der Eishockey-Final (Best of Seven) stattfindet.

Dass unter diesen Voraussetzungen das über viele Monate geringere Interesse innerhalb weniger Wochen durch eine «grenzenlose Playoff-Euphorie» in Sachen Einnahmen noch kompensiert werden könnte, ist höchst fraglich. Zumal es für die Mehrheit der Teams im Gegensatz zum Eishockey im Playoff nur um einen Europacup-Platz geht! Die Super League-Zuschauerzahlen sind schon heute für ein so kleines Land wie die Schweiz an der oberen Grenze des Erwartbaren. Im Eishockey dauert die Playoff-Phase immerhin satte drei Monate. Das Eishockey hat Playoffs, weil Nordamerika in diesem Sport das «Nonplusultra» ist. Und die kleineren Sportarten wie Handball, Basketball, Unihockey oder Volleyball haben spezielle Events und Playoffs eingeführt, um zumindest an einzelnen Tagen im Jahr zu Live-TV-Übertragungen zu kommen. Der Fussball hingegen hat Playoffs in Sachen Medienaufmerksamkeit nicht nötig. Im Gegenteil: es könnte ein Schuss ins eigene Knie werden.

Wer würde bei geringerem Interesse für die Super League von Juli bis April In die Bresche springen? Sicherlich die ausländischen Top-Ligen. Fussballinteressierte Schweizer (speziell die Jungen) werden sich am TV noch viel stärker auf Deutschland, England, Frankreich oder Italien fokussieren. Denn dort geht es in jedem Spiel von Anfang Saison an um entscheidende Punkte für die Meisterschaft. Ausserdem werden kleinere Schweizer Sportarten, Ligen und Events versuchen, in das durch den Fussball hinterlassene Vakuum vorzustossen – mit zusätzlichen Spezial-Events in dieser Zeit.  

21)   Qualität der Spiele und der Talententwicklung sinkt

Nicht nur die Medienaufmerksamkeit wird von Juli bis April abnehmen, sondern auch die Qualität der Spiele. Die Partie FC Zürich – Lausanne-Sport vom letzten Wochenende ist ein Beispiel, wie Super League-Fussball mehrheitlich aussehen wird, wenn es in den meisten Partien um wenig bis nichts geht: langsam, fehlerhaft, uninspiriert. So etwas wäre nicht nur schlecht für die Attraktivität der Liga, sondern auch für die Talentförderung. Mit der 10er-Liga liegt die Super League gemäss internationalen Studien hingegen bezüglich Intensität und Laufbereitschaft im europäischen Vergleich weit vorne. Die Spiele sind grösstenteils attraktiv.  

22)   Sportliche Fairness fehlt

«Über eine ganze Saison gleicht sich Glück und Pech aus». Diese tröstliche Erkenntnis gilt bei einem Playoff-System nicht mehr, speziell bei einem Best-of-3 oder gar Best-of-2 Modus. Einzelne Verletzungen, Sperren oder Fehlentscheidungen können eine ganze Saison kaputt machen. Die sportliche Fairness ist bei weitem nicht mehr im gleichen Mass gewährleistet, wie bei einer normalen Saison mit drei Punkten pro Spiel.

23) Schlechteres UEFA Ranking

Wenn der Zehntplatzierte durch gute Tagesform in einem einzelnen Spiel noch einen Europacupplatz ergattern kann, dann hat dies mittel- bis langfristig negative Auswirkungen auf das UEFA-Ranking der Super League.

Zum Abschluss der Super League-Vorrundenanalyse werfen wir traditionellerweise einen Blick auf die Integration des Nachwuchses in die jeweiligen 1. Mannschaften. Es gibt dabei einige neue Entwicklungen zu beobachten. So hat neuerdings Servette eigenen Nachwuchsspielern im U21-Alter am meisten Einsatzzeit gegeben! Die Genfer waren lange Zeit in dieser Hinsicht eines der grössten Sorgenkinder gewesen. Eigene Nachwuchskräfte wanderten auch deshalb reihenweise ab – unter anderem zum FC Zürich. Nun haben sie reagiert. Der sich immer noch im U21-Alter befindliche Kastriot Imeri schaffte nach langer Anlaufzeit (viereinhalb Jahre, mittlerweile 138 Spiele für die 1. Mannschaft) den Durchbruch zum Leistungsträger und steht nun praktisch immer in der Startaufstellung. Daneben erhielten auch Nicolas Vouilloz, Alexis Antunes und Edin Omeragic jeweils hunderte von Einsatzminuten. Ausserdem kamen Azevedo, Nyakossi und Sawadogo (mittlerweile leider verletzt) zu Super League-Spielzeit. Die Einsatzzeit eigener junger Spieler in der 1. Mannschaft, die seit der Übernahme durch die neue Klubführung um Didier Fischer und zu Beginn auch unter Trainer Alain Geiger in den Keller gerasselt war, zeigt nun nach oben.

Dicht dahinter folgt an 2. Position Lausanne-Sport. Die aus dem eigenen Nachwuchs stammenden Anel Husic (20) und Karim Sow (18) waren über weite Strecken der Vorrunde Stammspieler. Husic legte einen raketenhaften Aufstieg praktisch aus dem Nichts zum Stammspieler der U21-Nationalmannschaft hin und stand diesen Herbst kurzzeitig gar nahe an einem Aufgebot für die A-Nationalmannschaft Murat Yakins. Ebenfalls sowohl in seinem Stammklub und in der U21-Nationalmannschaft profilieren konnte sich Gabriel Barès (21, in der Winterpause Transfer zu Montpellier in die Ligue 1) und der aus der See-Region, aber nicht aus dem Lausanne-Nachwuchs stammende Zeki Amdouni (21). Mehrere Chancen, sich zu zeigen, erhielt auch der aus dem eigenen Nachwuchs stammende Alvyn Sanches (19). Dazu kam der ebenfalls aus dem eigenen Nachwuchs stammende Marc Tsoungui. Und dabei ist ein Cameron Puertas gar nicht mitgerechnet, weil er erstens schon 23 ist und zweitens im Team Vaud nur in der “U21“ (2. Mannschaft) gespielt hat, welche zum Erwachsenenfussball zählt.

Nachdem Lausanne über Jahrzehnte in den Schweizer Nachwuchsauswahlen meist untervertreten war, bildeten diesen Herbst auf einmal Husic, Barès und Amdouni die “Achse“ von Mauro Lustrinellis neuer U21-Nati. Die grosse Mehrheit der Super League-Konkurrenten hat nicht annähernd so viel auf den eigenen Nachwuchs gesetzt, wie die Waadtländer unter Ilija Borenovic. Zusammen mit nicht aus dem eigenen Nachwuchs stammenden jungen Spielern wie den Ivorern N’Guessan, Zohouri oder Ouattara setzte Lausanne mit Abstand am meisten Spieler im U21-Alter ein. Das Beispiel Lausanne zeigt, dass in Klubs mit ausländischen Besitzern nicht automatisch weniger auf den eigenen Nachwuchs gesetzt wird.

Keine einzige Einsatzminute für den Basler Nachwuchs

Im Super League-Mittelfeld bezüglich Einsatz eigener Nachwuchsspieler befinden sich in dieser Vorrunde Luzern, St. Gallen und YB mit Talenten wie Burch, Rupp, Stergiou, Besio, Mambimbi und Rieder. Der FCZ führt hingegen in dieser Wertung nur die hintere Tabellenregion an. Die unter Massimo Rizzo eingesetzte Abwärtstendenz hat sich unter André Breitenreiter noch weiter akzentuiert – nachdem zuvor unter Magnin der FCZ am meisten eigene Junioren eingesetzt hatte. Nur Bledian Krasniqi kam diesen Herbst regelmässig zum Einsatz. Dazu gesellten sich sehr knapp bemessene Kurzeinsätze von Silvan Wallner und Stephan Seiler. Hinter dem FCZ folgt Sion mit Theler und Berdayes. GC (Hoxha, Kacuri) und Lugano (Nikolas Muci) gaben diesen Herbst eigenen Nachwuchsspielern so gut wie keine Einsatzzeit. Noch schlimmer wars beim FC Basel: Null. Nada. Keine einzige Einsatzminute für den eigenen Nachwuchs beim zwischenzeitlichen Vorzeigeverein bezüglich Nachwuchsausbildung der Schweiz! Schaut man hingegen auf die Einsatzzeit von Spielern im U21-Alter ingesamt, dann liegt der FCB hinter Lausanne an zweiter Position.

Freipass für eigenen Nachwuchs wie unter Magnin vorbei

Der FCZ ist in dieser Hinsicht an fünfter Postion. Nur 28% der Einsatzzeit von U21-Spielern ging an Spieler aus der eigenen Academy. Mit den jungen Grgic, Buff, Brunner und Brecher aus dem eigenen Nachwuchs als Stammspieler ist der FCZ 15/16 abgestiegen. Unter Ludovic Magnin kamen jeweils rund ein Dutzend Academy-Spieler zu ihren Wettbewerbs-Einsätzen – in der Corona-geprägten Saison 19/20 waren es gar deren 19. In der aktuellen Saison unter Breitenreiter hingegen bisher erst drei. Über die letzten 10 Jahre gesehen liegt der FCZ bezüglich Einsatzminuten eigener Nachwuchsspieler im Vergleich mit den anderen Vetretern der „Big6“ YB, FCB, GC, Lausanne und Servette immer noch klar vorne. Aber die Zeiten, wo Academy-Spieler einfach weil sie jung sind und in der U21 zwei, drei ansprechende Spiele gemacht haben, zu Super League-Einsatzminuten kommen, sind wohl vorbei.

Wer auf Junge setzt, muss Vollgas-Fussball spielen lassen

Leider ist es nicht von der Hand zu weisen, dass ein Ausbau von Einsatzzeiten für junge Spieler, speziell solche aus dem eigenen Nachwuchs, in den letzten Jahren tendenziell zu Rückschlägen in der Tabelle und anschliessenden Trainerentlassungen geführt haben. Magnin (FCZ) und Borenovic (Lausanne) sind zwei der klarsten Beispiele dafür. Aber auch YB und Basel haben mehr Probleme, eine gewisse Konstanz zu erreichen, wenn sie mehr junge Spieler einsetzen. Die Wende zum Erfolg bei den Bernern kam, als unter Christoph Spycher und Adi Hütter die Einsatzzeiten der eigenen Nachwuchsspieler nach der Bickel-Ära drastisch zurückgefahren wurden. Eine Ausnahme bildet der FC St. Gallen in der Saison 19/20, aber auch dieser konnte seinen zwischenzeitlichen Höhenflug mit einer jungen Mannschaft noch nicht bestätigen. Bezeichnend auch, dass dieses Beispiel vor allem darum funktionierte, weil die Spielweise stark auf die Qualitäten von jungen Spielern (körperliche Belastbarkeit, Schnelligkeit, Aggressivität) ausgerichtet war. Dem gleichen Prinzip folgen auch Klubs wie Salzburg oder Leipzig.

Wilfried Gnonto und Becir Omeragic statt Matteo Di Giusto und Arbenit Xhemajli

Talent ist nicht gleich Talent. Aussschlaggebend ist ein hohes Potential in allen wichtigen Bereichen wie Technik, Physis, Schnelligkeit, Mentalität und Spielverständnis. Nachwuchsspieler vom Level eines künftigen Nati-Stammspielers wie Nico Elvedi oder Ricardo Rodriguez erhöhen die Qualität einer Super League-Mannschaft schon mit 17 oder 18 Jahren. Jeder Trainer, der ein Auge für Qualität hat, setzt sofort auf solche Spieler – nicht nur wenn er ein Herz für den Nachwuchs hat, sondern auch wenn er nichts anderes als Erfolg will. Nur: Talente von diesem Schlage gibt es in den meisten Jahrgängen nicht. Zusätzlich auch weil in der Vergangenheit die Mehrzahl von Talenten, die dem Niveau eines Elvedi oder Rodriguez nahe kamen, zu früh in eine Nachwuchsakademie nach England oder Italien gewechselt sind, und dort dann stagniert haben. Einige von ihnen haben dank ihrem Talent später immer noch einen ordentlichen Werdegang, aber nicht mehr die Top-Karriere, die möglich gewesen wäre.

Zur nächsten Talentstufe könnte man einen Bledian Krasniqi zählen. Talente, die nicht ganz die Voraussetzungen mitbringen, schon mit 17, 18 Jahren in der Super League einzuschlagen, danach aber schon – vorausgesetzt, sie erhalten genug Spielzeit in einer Liga, die von der Qualität her nahe an der Super League anzusiedeln ist. Das könnte beispielsweise die oberste Liga Schwedens oder Polens sein. Oder eben die Challenge League. Dank dem Modus mit zwei Zehnerligen, hat die Challenge League eine Qualität nahe der Super League. Es spielen da die Teams Nummer 11 bis 20 des Schweizer Fussballs. Von Gegenspielern von der Qualität eines Fatkic, Hasler oder Njie werden Talente vom Schlage eines Krasniqi genügend gefordert, ohne dass sie überfordert werden, wie dies mit 17 gegen einen Fabian Frei oder Théo Valls der Fall gewesen ist / wäre. Einem Anto Grgic beispielsweise, der in der Abstiegssaison Stammspieler war, hätten zu dem Zeitpunkt zuerst mal ein bis zwei Jahre Challenge League von denen ein Manuel Akanji (BVB) oder Denis Zakaria (Juve) profitieren durften, für seine Entwicklung wohl gut getan.

Bei allem, was talentmässig hingegen darunter anzusiedeln ist, macht es letztendlich wenig Sinn, Spielzeit in der obersten Liga zu gewähren – ausser man richtet wie St. Gallen die Spielweise voll auf die Jungen aus. Ein wichtiger Faktor dabei ist, dass in der Schweiz und anderswo die Toptalente und deren Umfeld im Vergleich zu vor 10 Jahren deutlich vernünftiger geworden sind und ihre Karriere Step by Step aufbauen. Genauso wie ein Krasniqi zwei Jahre Aufbau in der Challenge League bei Wil gebraucht hat, sind ein Wilfried Gnonto oder Becir Omeragic trotz vieler Angebote von reicheren Klubs aus grösseren Ligen schon früh einen Vertrag in einer Top 5-Liga zu erhalten, den Schritt zum FC Zürich gegangen. Sie nehmen nun die entsprechenden Plätze im Kader der 1. Mannschaft ein. An Stelle von etwas weniger talentierten Spielern aus dem eigenen Nachwuchs wie beispielsweise Arbenit Xhemajli oder Matteo Di Giusto. Für das Niveau und den Erfolg der 1. Mannschaft ist dies positiv. Die Hürde für den Schritt in die 1. Mannschaft ist anspruchsvoller geworden. Das heisst auch: wenn einer jetzt den Schritt schafft, hat dies eine grössere Bedeutung. Man kann es bei weitem nicht mehr einfach „erwarten“.

Halbzeitanalyse, Teil 1 – Erfolgsfaktoren, Folgerungen und Ausblick

Halbzeitanalyse, Teil 2 – Mehr Gegentore auf Konter und Weitschüsse

Ceesay defensiv schon vor zwei Jahren mit Quantensprung / Halbzeitbilanz 21/22, Teil 3

Für welchen Gegner welche Taktik? – Halbzeitanalyse 21/22, Teil 4

Tosin, Marchesano und Gnonto die Offensivstützen – Halbzeitanalyse 21/22, Teil 5

Ende Flaute: Boranijasevic effektiv über rechts – Halbzeitanalyse 21/22, Teil 6

Tosin und Pollero die produktivsten Torschützen, Ceesays Fehlen zum Start kein Nachteil – Halbzeitanalyse, Teil 7

Tosin Notenbester, Plus- / Minusbilanz spricht für Coric – Halbzeitanalyse, Teil 8

Konstanz als Erfolgsfaktor in der Super League – Halbzeitanalyse, Teil 9

Im zweitletzten Teil der Vorrundenanalyse 21/22 hat Züri Live untersucht, ob Konstanz (Kontinuität) im Fussball wirklich ein Erfolgsfaktor ist. Die CIES hatte dies vor Jahren aufgrund einer internationalen Untersuchung in Bezug auf die Kaderzusammensetzung postuliert. Züri Live hat die Konstanz der Super League-Teams in der Vorrunde in den drei Bereichen Personal, Formation und Spielweise miteinander verglichen. Das Resultat: gemessen an der Super League-Vorrunde 21/22 scheint Konstanz tatsächlich ein Erfolgsfaktor zu sein, und zwar in allen drei Bereichen.

Die beiden Letztplatzierten Lausanne und Luzern zusammen mit dem viertletzten Sion waren von allen Super League-Teams am volatilsten. Luzerns Ex-Trainer Fabio Celestini warf man ein zu stures Festhalten an seiner Spielweise vor. Was die taktische Formation, Ballbesitz und Pressing betrifft, war Luzern in dieser Vorrunde aber überhaupt nicht konstant. Das Problem scheint also eher gewesen zu sein, dass Celestini diese Saison zu flexibel war beziehungsweise die präferierte Spielweise nicht durchsetzen konnte. Lausanne-Sport war sowohl beim Personal, wie auch der Formation und der Spielweise volatil. Am unkonstantesten waren die Waadtländer bei ihrer Spielweise. Wild durcheinander wurde mit viel, durchschnittlich oder wenig Ballbesitz gespielt. Dasselbe bezüglich Pressing. Das genaue Gegenteil verkörpert der FCZ, der sowohl bezüglich Personal wie auch Formation und Spielweise eine im Ligavergleich hohe Konstanz erreichte. Es wurden nur zwei verschiedene Taktische Formationen eingesetzt, die einander zudem auch noch sehr ähnlich sind. Und bei keiner anderen Mannschaft haben die am meisten eingesetzten 11 Spieler so viel gespielt – im Schnitt 74,26 Minuten pro Spieler und Partie. Neun Spieler spielten die Herbstrunde praktisch durch, dazu gesellten sich mit Bledian Krasniqi und Wilfried Gnonto zwei Junge zum Team der am meisten eingesetzten 11 der Vorrunde (inklusive Cup).

Interessanterweise hatte Servette sowohl bezüglich Ballbesitz wie auch beim Pressing in diesem Herbst relativ viel Volatilität. Wenig überraschend hingegen die personelle Inkonstanz bei Sion mit 31 eingesetzten Spielern – mit den entsprechenden Folgen. YB litt ebenfalls unter personeller Inkonstanz, aus mehrheitlich anderen Gründen wie Verletzungen und Europacup-Rotation – aber auch etwas aufgrund des grossen Kaders. Personal scheint der wichtigste der drei Konstanz-Faktoren zu sein, wohingegen die Konstanz bei der taktischen Formation die wohl kleinste Rolle spielt. Auch bezüglich diesem Kriterium sind die Spitzenteams grundsätzlich eher konstant und die Mannschaften der unteren Tabellenhälfte unkonstant. Aber gibt es hier je eine Ausnahme: so hat das überdurchschnittlich performende Lugano in der Vorrunde rekordhohe neun verschiedene taktische Startformationen verwendet. Und das bezüglich taktischer Formation konsequent mit einem Mittelfeld-Rhombus spielende St. Gallen erlebte resultattechnisch eine schlechte Vorrunde.

Die beliebteste taktische Formation war übrigens das vorwiegend von YB implementierte 4-4-2 (32x), welches auch vier andere Mannschaften ab und zu verwendeten – gefolgt vom 4-1-2-3 mit Hauptprotagonist Servette (30x) und dem hauptsächlich von den beiden Zürcher Teams präferierten 3-4-1-2 (28x). Servette und der FCB (4-2-3-1) spielten als einzige alle 18 Partien mit der gleichen taktischen Startformation. Beim FCZ und dem FC St. Gallen unterscheidet sich das Alternativsystem allerdings nur minim von der Standardformation. GC’s Contini hat zu Beginn der Vorrunde experimentiert, sich dann aber auf ein 3-4-1-2 festgelegt. Sions Tramezzani passte sein System jeweils gezielt dem Gegner an, während die Systemwechsel von Lausannes Borenovic eher Verzweiflungstaten aufgrund der Unzufriedenheit mit der eigenen Spielweise waren.

Messgrössen Konstanz Personal

  • Spielminuten erste 11 Spieler
  • Spielminuten erste 18 Spieler
  • Anzahl eingesetzte Spieler

Messgrössen Konstanz Formation

  • Häufigkeit der am häufigsten verwendeten taktischen Aufstellung (Startformation)
  • Häufigkeit der zwei am häufigsten verwendeten Startformationen
  • Anzahl verwendete Startformationen

Messgrössen Konstanz Spielweise

  • Ballbesitz-Quantilsabstand
  • Ballbesitz-Spannweite
  • PPDA (Passes Per Defensive Action)-Quantilsabstand
  • PPDA-Spannweite

Halbzeitanalyse, Teil 1 – Erfolgsfaktoren, Folgerungen und Ausblick

Halbzeitanalyse, Teil 2 – Mehr Gegentore auf Konter und Weitschüsse

Ceesay defensiv schon vor zwei Jahren mit Quantensprung / Halbzeitbilanz 21/22, Teil 3

Für welchen Gegner welche Taktik? – Halbzeitanalyse 21/22, Teil 4

Tosin, Marchesano und Gnonto die Offensivstützen – Halbzeitanalyse 21/22, Teil 5

Ende Flaute: Boranijasevic effektiv über rechts – Halbzeitanalyse 21/22, Teil 6

Tosin und Pollero die produktivsten Torschützen, Ceesays Fehlen zum Start kein Nachteil – Halbzeitanalyse, Teil 7

Tosin Notenbester, Plus- / Minusbilanz spricht für Coric – Halbzeitanalyse, Teil 8

Der Schweizerische Fussballverband hat entschieden, ab der Saison 2022/23 die Spielklassenstruktur von der Promotion League über die 1. Liga bis zur 2. Liga Interregional leicht anzupassen.

Neue SFV-LigastrukturQuelle: football.ch

Die U21 des FC Zürich ist seit dem Start der Promotion League 2012/13 in dieser eingleisigen „Dritten Liga“ des Schweizer Fussballs dabei. 16/17 und 17/18 erreichte das Heerenschürli-Team mit Izer Aliu, Toni Domgjoni, Kevin Rüegg, Fabian Rohner und Co. jeweils den 5. Platz. Die letzten drei Jahre war man eher im Abstiegskampf involviert.

U21-Kader sind zu 80-90% tatsächlich „U21“

Bisher war die Anzahl der U21-Teams in der Promotion League auf maximal vier limitiert. Tatsächlich waren zuletzt nach dem Abstieg von St. Gallen volle fünf Jahre durchgängig nur drei Reserve-Teams (FCB, FCZ und Sion) in der obersten Amateuerklasse gewesen. Basel war dabei der einzige Klub, der es in all den Jahren schaffte, mit einem (fast) reinen U21-Team jeweils die Klasse zu halten. Die Rotblauen setzten höchstens punktuell aus Verletzungen zurückkommende Kaderspieler der 1. Mannschaft in ihrer Zweiten Mannschaft ein – abgesehen von jungen Offensivtalenten, die formell zur Ersten Mannschaft gehörten, aber dort aufgrund der grossen Konkurrenz wenig Chancen auf Einsätze hatten.

YB hat beim Aufstieg diesen Sommer am Ende einer verkürzten Saison davon profitiert, dass die U21-Teams gegenüber den Amateurmannschaften aufgrund der Coronasituation einen klaren Vorteil hatten. Die Berner fahren diese Saison im „Oberhaus“ eine ähnliche Linie wie der FCB. Dass der FC Sion sich so lange in der Promotion League hat halten können, liegt vor allem an einer trotz tiefer Einwohnerzahl, grosser Distanzen und hoher Wintersportaffinität erstaunlich produktiven Walliser Nachwuchsarbeit. Gleichzeitig spielen aufgrund der überdurchschnittlichen Grösse des Profikaders einzelne Profis konstant in der Reserve.

FCZ: Rodriguez und Montolio als erfahrene Verstärkungsspieler

Der Weg des FCZ lag in den letzten Jahren irgendwo in der Mitte zwischen diesen Polen. Im Gegensatz zu früheren Zeiten hat man die U21 zuletzt nicht mehr so regelmässig wie früher zur Heranführung von Spielern aus dem Super League-Kader nach Verletzungen benutzt. Stattdessen wurde das U21-Kader mit ein bis zwei gestandenen Führungsspielern verstärkt – tendenziell ein Innenverteidiger und ein Mittelstürmer. Aktuell agiert in der Zentralen Abwehr der 25-jährige aus dem Villarreal-Nachwuchs stammende Genis Montolio (rund 75 Partien auf Drittliganiveau in Spanien) sowie weiter vorne der zurückgekehrte Schwamendinger Mittelfeldtechniker Roberto Rodriguez (31). Theoretisch gehört auch noch Stürmer Shani Tarashaj (26) dazu, aber dieser spielt ebenso zur Zeit keine Rolle wie José Gonçalves (36), welcher mittlerweile als Teammanager häufig für die 1. Mannschaft unterwegs ist.

U21-Teams im Spitzenamateurfussball mitentscheidender Faktor für Erfolg der Nati

Aus rein egoistischer Sicht hätte der FCZ eher gegen die Reform sein müssen, um den Vorteil der Höherklassigkeit gegenüber der Mehrheit der Konkurrenten beibehalten zu können. Was zählt ist aber die Nützlichkeit eines Ligasystems für den Schweizer Fussball insgesamt. In Sachen Schweizer Nachwuchsförderung ist die Anpassung der Spielklassenstruktur eine gute Sache. Die Schweiz hat in der Talententwicklung viele Nachteile, wie der aufgrund der geringen Bevölkerungszahl eingeschränkte Talentpool oder ein fehlender Titel auf A-Nationalteam-Stufe als Referenz. Der grösste Vorteil im Vergleich mit vielen anderen Ländern war in den letzten Jahren hingegen immer, dass die Schweizer Jungs dank der Integration der U21-Teams in den Spitzenamateurfussball in der Regel in jüngerem Alter zu regelmässigen Wettbewerbspartien gegen Männerteams kommen.

Zwei Wege führen nach Rom über den Spitzenamateurfussball

Ähnlich wie die besten Mädchen enorm davon profitieren, gegen Jungs spielen zu können, profitieren Jungs davon, schon früh gegen richtige Männer antreten zu dürfen. Kein Training und kein Test kann eine solche Wettkampferfahrung ersetzen! Dies zeigt sich immer wieder in den internationalen Vergleichen auf Junioren-Nationalteamstufe und später auch in der A-Nationalmannschaft. Die grosse Mehrheit der aktuell erfolgreichen Nati hat in jungen Jahren einen ganz entscheidenden Schritt in Richtung nationale und internationale Reife im Spitzenamateurfussball genommen – sei es innerhalb oder wie im Fall von Renato Steffen oder Christian Fassnacht gar ausserhalb einer professionellen Fussball-Akademie! So holt man sich schon früh die Wettkampfhärte und Frechheit, um einem Paul Pogba in einem EM-Achtelfinal in der entscheidenden Szene den Ball vom Fuss zu klauen. Der Vorteil eines Manuel Akanji, Yann Sommer, Denis Zakaria, Noah Okafor, Xherdan Shaqiri oder Djibril Sow gegenüber einem Steffen oder Fassnacht war, dass sie neben den wertvollen Einsätzen gegen Top-Amateurteams in den Akademien zusätzlich zahlreichere und in aller Regel bessere Trainings hatten.

Ewige Rangliste Promotion LeagueQuelle: Transfermarkt.ch, Stand: 2.12.21

Promotion League oder 1. Liga Classic?

Der grosse Vorteil einer U21 auf Stufe Promotion League ist sicherlich, dass diese im Vergleich zur 1. Liga Classic oder 2. Liga Interregional nicht nur physisch, sondern auch technisch und taktisch gefordert wird. Rund die Hälfte der Spieler der Promotion League-Teams hat zumindest Challenge League-Erfahrung. Vor allem ist der Schritt von der Promotion League in die Challenge League oder Super League weniger gross.

Welche Vorteile hat die 1. Liga? Die grössten Talente in einem U21-Team sind in der Regel nicht die am häufigsten sondern die jüngsten eingesetzten Spieler. Im Team von 12/13 (siehe Grafik weiter oben) also Nico Elvedi, Saidy Janko, Francisco Rodriguez oder der später verletzungsgeplagte Marvin Graf – oder heute Stürmer Labinot Bajrami (stammt ursprünglich vom FC Winterthur und ist über einen durch die „Malenovic-Affäre“ ziemlich kurzen Zwischenschritt bei GC im Heerenschürli gelandet).

Würden diese Top-Talente, um die es im Hinblick auf die 1. Mannschaft ja schlussendlich mehrheitlich geht, eine Stufe tiefer in der 1. Liga mehr zum Einsatz kommen? Antwort: ein bisschen ja. Das Hauptkriterium für den richtigen Zeitpunkt ihres ersten Einsatzes im Erwachsenenfussball ist allerdings der physische Entwicklungsstand und diesbezüglich gibt es zwischen der 1. Liga und der Promotion League keinen allzu grossen Unterschied.

Punkte pro Saison Promotion LeagueQuelle: Transfermarkt.ch, Stand: 2.12.21

Mehr als 40 Profiteams`! Die Schweiz am oberen Rand ihrer Möglichkeiten

Die in der Promotion League, 1. Liga und 2. Liga Interregional engagierten Männer sind genauso wie die Frauen der Women’s Super League Spitzenamateure und bewegen sich somit in einem gleichzeitig sehr abwechslungs- wie anforderungsreichen Alltag als ambitionierte Sportler mit Beruf, Ausbildung und teilweise auch schon eigener Familie. Das Zuschauerpotential reicht auf diesen Stufen nicht aus, um mit den geringen Einnahmen den Spielern und Spielerinnen echte Saläre bezahlen zu können. Dabei unterstützen die sportbegeisterten Schweizer ihre Lieblingsteams so treu in den Stadien, dass mehr als 40 Profimannschaften mit entsprechend Tausenden von Arbeitsplätzen in Fussball und Eishockey unterhalten werden können. Das ist sehr viel. Das deutsche Bundesland Niedersachsen beispielsweise (gleiche Einwohnerzahl wie die Schweiz) hat in Fussball, Eishockey, Handball und Basketball zusammengenommen rund 10-15 Profimannschaften. Auch wenn man berücksichtigen muss, dass Teile Niedersachsens zu den Einflussgebieten Hamburgs und Bremens gehören, steht die Schweiz im Vergleich sehr gut da.

Deshalb ist die Spitze der Schweizer Fussballpyramide mit zwei 10er-Ligen ideal. Da die Challenge League unter Profibedingungen betrieben werden kann, sind die Spieler und Klubs mit der Super League konkurrenzfähig und bieten daher das ideale Biotop für den letzten Schritt zum Spitzenniveau. Was passiert, wenn ein Land von der Grösse der Schweiz die obersten Ligen zahlenmässig verwässert, sieht man aktuell sehr schön am Beispiel von Österreich, wo das einst sehr ansehnliche sportliche Niveau der zweithöchsten Liga innert kürzester Zeit in den Keller gesunken ist. Was eine Ligavergrösserung in der Super League oder Challenge League alles für schädliche Auswirkungen auf Talentförderung, Zuschauerzahlen, Arbeitsplätze und den sportlichen Wettbewerb hätte, erklärt der folgende Artikel: Vergeudetes Talent, weniger Zuschauer, geschlossene Liga: Warum eine Aufstockung der Super League für den Schweizer Fussball gefährlich wäre.

Mehr regionale Derbies

Die Spitzenamateure bewegen sich im Spannungsfeld und Übergangsbereich zwischen der Profi- und der Amateurwelt und werden dies immer tun. Schon manch ein Spieler, Funktionär oder Zuschauer eines Klubs aus der 2. Liga Interregional hat sich die Frage gestellt, ob er nicht lieber ein Derby gegen das Nachbardorf in der 2. Liga oder 3. Liga Regional hätte, als in einen anderen Kanton zu reisen, um dort gegen einen wenig bekannten Gegner auf höherem Niveau anzutreten. Die grösste Änderung der aktuellen Reform der SFV-Spielklassenstruktur setzt genau an diesem Punkt an.

Auch wenn die Promotion League und die 1. Liga-Gruppen leicht vergrössert werden, wird der Spitzenamateurbereich insgesamt durch die starke Reduktion der Anzahl Teams in der 2. Liga Interregional massiv reduziert – zugunsten der regionalen Ligen. Einige regionale Derbies wie Rorschach-Goldach – St. Margrethen, Seuzach – Wiesendangen oder Schattdorf – Altdorf könnten wiederbelebt werden. Diejenigen, die sich aber für den Spitzenamateurfussball mindestens auf Stufe 2. Liga Interregional entscheiden, werden dafür noch etwas mehr investieren müssen. Es entsteht eine klarere Abgrenzung als bisher.

Spitzenamateurfussball profitiert von Nachwuchs-Akademien

Spitzenamateur-Teams wie Breitenrain, Köniz, YF Juventus oder SC Brühl bestehen zu grossen Teilen aus Spielern, die in den Jugendakademien der Profiklubs ausgebildet worden sind. Es trifft also in der Promotion League in gewisser Weise die ältere Generation auf die jüngere Generation der Akademien. Von den eigenen Nachwuchsspielern aus der weiter oben aufgelisteten FCZ U21-Generation der Saison 12/13 hat mehr als ein Drittel mehr oder weniger direkt den Weg in den Spitzenamateurfussball gefunden. Weitere sind nach zwei bis fünf Profijahren, in denen sie sich letztendlich nicht nachhaltig auf höchster Stufe etablieren konnten, später noch zusätzlich dazugestossen. Dazu kommen Spieler, die ihren Weg „von unten“ an die Spitze des Amateurfussballs geschafft haben. Sie alle haben mit den U21-Teams sowie vielen weiteren Spitzensportlern anderer Sportarten in der Schweiz gemeinsam, dass sie viel in ihren Sport investieren, ohne davon leben zu können. Und sie alle können Stolz darauf sein, dass sie in den Spitzenamateurligen einen ganz wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der künftigen Schweizer Nationalmannschaft beitragen.

„Wild Cards“? Wozu?

Zum Abschluss doch noch ein kleiner Kritikpunkt an der SFV-Reform: Wofür „Wild Cards“ in der ersten Saison? Und nach welchen Kriterien werden diese überhaupt vergeben? Das ist ein unnötiger Präzedenzfall. Die U21-Teams sollen sich wie alle anderen von Anfang an auf sportlichem Weg für eine höhere Liga qualifizieren. Dies bedeutet dann automatisch, dass sie für die höhere Liga auch wirklich sportlich bereit sind.

Wer hat sich nicht schon mal über einen Stadionspeaker aufgeregt oder auch gefreut? Jeder kennt ihre Stimmen, aber kaum jemand ihre Gesichter. Was darf ein Speaker eigentlich und was nicht? Gibt es Vorgaben und wie strikt muss man sich daran halten? Kennen sich die Super League-Stadionspeaker gegenseitig? Gibt es auch Speaker, die manchmal „fremdgehen“? Christof Arnold ist einer der vielseitigsten Sportspeaker der Schweiz. Ob Rugby, Baseball, Handball, Volleyball, Beach Soccer, Trail Running, Bike Downhill, Boxen, Fussball (FC Thun) oder Eishockey – keine Sportart ist vor ihm sicher. Der Zusammenschnitt stammt aus der Direktübertragung des ersten Spiels nach der Coronapause im Wankdorf (2:3-Niederlage nach zweimaliger Führung gegen YB), an Aktualität hat das Gesagte aber seither nicht verloren. Denn die Rede kommt auch auf spezielle Corona-Jobs (Herstellung von Desinfektionsmitteln in einer Gin-Destillerie) und die Unterschiede zwischen den Sportstädten Bern und Zürich.

Tabellensituation: für FCZ-Anhänger in 20/21 ein Déjà Vu. Wie immer seit dem Wiederaufstieg konnte man sich erst gegen Ende der Saison aus der Abstiegsgefahr retten. Alles wie gehabt? Nein, denn bezüglich Jugendförderung in der 1. Mannschaft hat der FCZ gleichzeitig einen brutalen Absturz erlebt. In der Magnin-Ära hatte man sich kontinuierlich wie schon zu Favre-Zeiten oder zu Beginn der Meier-Periode zum grössten Jugendförderer der Liga entwickelt. In der Saison «danach» fällt der Stadtclub nun aber auch in dieser Wertung abrupt zurück ins biedere «abstiegsgefährdete» Mittelfeld.  

Langzeitbetrachtung der „Big6“ seit der Saison 10/11

Dies ergibt das Update der im letzten Oktober gestarteten Auswertung der Einsatzminuten von U21-Spielern von Züri Live. Der Fokus liegt dabei auf der Langzeitbetrachtung seit der Saison 10/11 und den «Big6» des Schweizer Fussballs: GC, Basel, Servette, YB, FCZ und Lausanne-Sport. Diese sechs Klubs stammen aus den fünf grössten Städten der Schweiz (logischerweise zwei davon aus Zürich, welches doppelt so gross ist wie die zweitgrösste Stadt Genf) mit dem grössten Einzugsgebiet für Zuschauer und Talenten. Diese Klubs haben nicht nur in der obersten Liga am meisten Erfolge gefeiert, sondern über die Jahrzehnte hinweg auch am meisten Talente für die Schweizer Nationalmannschaften entwickelt. Die anderen Super League-Klubs werden in der Betrachtung der aktuellen Saison allerdings mit einbezogen. Gemessen wird einerseits die Gesamtzahl der Einsatzminuten aller U21-Spieler und andererseits der U21-Spieler, welche aus dem eigenen Nachwuchs stammen. Als U21-Spieler werden nach UEFA-Standard für die Saison 20/21 Fussballer mit Jahrgang 1999 und jünger bezeichnet. «Eigene Junioren» werden hier definiert als Talente, die mindestens in einem Juniorenteam des gleichen Vereins (bis und mit U18) gespielt haben.

Ist Massimo Rizzo kein Jugendförderer?

Nur weil ein Trainer in der Vergangenheit im Juniorenbereich aktiv war, heisst das noch lange nicht, dass er auch bei den Profis auf den Nachwuchs setzt. So tendiert beispielsweise der ehemalige FCZ-Nachwuchstrainer Urs Fischer eher dazu, auf Erfahrung zu setzen. Gilt dies also ebenso für Massimo Rizzo? Dies kann man nicht abschliessend beurteilen. Wenn Daten über mehrere Saisons vorliegen, sind klare Aussagen möglich. In einer einzelnen Saison können hingegen auch Sonderfaktoren wie Verletzungen oder schlechte Jahrgänge eine Rolle spielen. Oder wie beim FCZ, dass die viel eingesetzten Domgjoni, Rohner (und Tosin) als 98-er Jahrgang auf die Saison 20/21 hin aus der U21-Wertung herausgefallen sind. Die Frage stellt sich trotzdem, warum zuletzt zu wenig (gute) Talente aus dem Nachwuchs nachrücken konnten.  

Bei Peter Zeidler kriegt jeder seine Chance

Würde der FCZ die Jungen so forcieren, wie aktuell St. Gallen, dann wären auf jeden Fall sehr viel mehr aus dem eigenen Nachwuchs zum Einsatz gekommen. Die Ostschweizer stehen diese Saison an der Spitze der Juniorenförderungsrangliste mit dem Einsatz von nicht weniger als 14 U21-Spielern, davon neun aus dem eigenen Nachwuchs. Und dies obwohl die Ostschweizer immer noch eine deutlich kleinere Anzahl an Spitzentalenten hervorbringen, als der FCZ und alle anderen Klubs der «Big6». Peter Zeidler setzte wirklich jeden ein, der auch nur im Entferntesten ein gewisses Potential für den Profibereich mitbringt.

GC und Lausanne bisher deutlich besser als ihr Ruf

Die beiden Klubs mit ausländischen Besitzern, GC und Lausanne, werden mit dem Vorurteil oder der Befürchtung verbunden, sich zu wenig um die Nachwuchsentwicklung zu kümmern. Genau das Gegenteil scheint aber der Fall zu sein. Fosun-GC und Ineos-Lausanne Sport stehen an der Spitze bei der Anzahl eingesetzter U21-Spieler. Und: sogar bezüglich der Einsatzminuten von Junioren aus dem eigenen Nachwuchs liegt GC 20/21 an dritter und Lausanne an vierter Position der elf untersuchten Teams (Super League plus Aufsteiger) – auch wenn dieser Indikator sowohl bei Lausanne wie auch bei GC in der letzten Saison gesunken ist. Bei den Hoppers waren es 20/21 vor allem Petar Pusic, Fabio Fehr, Giotto Morandi und Robin Kalem, die forciert wurden – bei Lausanne Gabriel Barès, Marc Tsoungui, Isaac Schmidt oder Josias Lukembila. Die Top 4 in beiden Wertungen mit GC, Lausanne und St. Gallen wird komplettiert durch den FC Luzern mit Ugrinic, Burch, Emini… Der FCL hat zuletzt ein, zwei sehr gute Jahrgänge hervorgebracht. Ob sich die Innerschweizer im Jugendbereich dauerhaft auf diesem hohen Niveau werden halten können, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.  

Serienmeister YB Schlusslicht in der Juniorenförderung,…

Schlusslicht bezüglich Einsatzminuten und Anzahl eingesetzter junger Spieler ist YB. Der Erfolg wirft in einer oberflächlichen Betrachtung seinen Glanz auf alle Aspekte und Elemente in einem Verein. So erhält man beim Konsumieren der deutschschweizer Sportmedien den Eindruck, YB sei der grosse Juniorenförderer – diese Saison vor allem mit Stories über den Debütanten Fabian Rieder. Komplett unter geht dabei, dass bei den Bernern 20/21 neben Rieder mit Felix Mambimbi nur ein einziger weiterer U21-Spieler regelmässig zu Liga-Einsätzen kam. Nico Maier und Joshua Neuenschwander hatten auch noch ein bisschen Einsatzzeit. Insgesamt ganze vier Spieler in einer Saison! Trotz souveräner Führung in der Tabelle. Selbst Lugano oder Vaduz setzten mehr junge Spieler ein und gaben ihnen auch mehr Spielzeit. Bei den gegen den Abstieg kämpfenden Liechtensteinern konnten sich sechs junge Spieler in der Super League-Saison beweisen, bei Lugano neun, beim bezüglich Juniorenförderung stark unterschätzten Sion gar zehn. Und dies ist kein Zufall oder ein Ausnahmejahr. Seit Christoph Spycher als Sportchef übernommen hat, rasselte die unter Vorgänger Fredy Bickel vorbildliche Integration des eigenen Nachwuchses in der 1. Mannschaft in den Keller. Und dies obwohl parallel die Juniorenteams der YB Academy unter Ernst Graf als zuständigem Verwaltungsrat immer erfolgreicher wurden.

…und gleichzeitig in der Ausbildung mittlerweile mit an der Spitze

In den beiden wichtigsten Juniorenkategorien (U18 und U16) stand YB am Ende der Saison 20/21 an der Spitze – und die Reserve-Mannschaft (U21) stieg in die Promotion League auf. Sie komplettiert nun also das maximal erlaubte Quartett an U21-Teams auf dieser Stufe mit dem FCB, FCZ und Sion. Nur wenn einer dieser vier absteigt, darf ab jetzt ein anderes U21-Team aufsteigen. Nachdem YB II in den letzten Jahren den Aufstieg jeweils knapp (unter anderem in den Playoffs) verpasst hatte, klappte es nun in einer verkürzten Saison mit einem kurzfristig angepassten Modus ohne Playoffs, in welcher am Ende die U21-Teams gegenüber den Amateurteams klar bevorteilt waren, weil sie in einer kurzfristig organisierten U21-Runde in der COVID-Pause im Spielrhythmus hatten bleiben können.

Mancher Super League-Trainer nähme einzelne YB U21-Spieler mit Handkuss

In jedem anderen Super League-Klub wären einige Spieler aus der YB U21 bereits vor Monaten zu ihren ersten Einsätzen im Profibereich gekommen. Peter Zeidler hätte gar die halbe Mannschaft bei sich integriert. Denn diese Jungs sind im Schnitt talentierter, als diejenigen, welche der Deutsche Coach aus dem Ostschweizer Nachwuchs (von einzelnen Ausnahmen wie Alessio Besio abgesehen) zur Verfügung hat. Ein Kwadwo Duah, Linus Obexer, Elia Alessandrini, Léo Seydoux, Yannick Touré, Samuel Kasongo oder Breston Malula hätten unter einem Sportchef und Kaderplaner wie Fredy Bickel in den letzten Jahren sicherlich gute bis sehr gute Chancen auf einen Stammplatz in der Super League-Mannschaft von YB gehabt. Und beispielsweise ein Shkelqim Vladi, Jonathan De Donno, Mischa Eberhard, Benjamin Kabeya oder Markus Wenger aus dem aktuellen U21-Team würden fest zum Kader gehören. Sie mussten / wollten sich nun aber alle anderweitig orientieren, oder werden erst mal wieder ausgeliehen.

FCB: abrupter Kurswechsel mitten in der Ära Burgener

Beim FC Basel wurde in den ersten zwei Jahren der Ära Burgener der eigene Anspruch des stärkeren Einbaus von eigenen Junioren voll erfüllt, die Kurve stieg steil an und bereits in der Saison 18/19 war der FCB unter den «Big6» diesbezüglich auf der Spitzenposition. Die letzten zwei Saison zeigte der Trend dann aber wieder klar in die entgegengesetzte Richtung. Die Einsatzminuten eigener Junioren nahmen trotz gleichzeitigem Sparkurs wieder stark ab. Ganz allgemein ist erstaunlich, dass trotz COVID-Zeiten und knapper Budgets mehrere Klubs in der Saison 20/21 deutlich weniger eigene Junioren eingesetzt haben, als in den Saisons davor. Von den sechs grossen Schweizer Vereinen hatten nur Servette und YB eine leichte Steigerung zu verzeichnen – allerdings beide von einem sehr tiefen Niveau ausgehend. Bei den Genfern lässt sich ein ähnlicher Trend wie bei den Bernern feststellen. Mit der Übernahme des Vereins durch Kreise um die Hans Wilsdorf Stiftung kehrte Ruhe in den Verein ein, man baute Stück für Stück eine erfolgreiche Mannschaft auf – und die Juniorenförderung in der 1. Mannschaft ging gleichzeitig den Bach runter.

Ist André Breitenreiter ein Jugendförderer?

Stand heute beschränkt sich das Kontingent an U21-Spielern aus dem eigenen Nachwuchs im Kader der kommenden Saison beim FCZ auf Bledian Krasniqi, Stephan Seiler, Henri Koide, Nils Reichmuth, Silvan Wallner und dem Dritten Goalie Gianni De Nitti. Kommt noch ein Kedus Haile-Selassie hinzu? Lenny Janko? Oder gar ein Fabian Gloor? Der neue Trainer André Breitenreiter betreute mit Hannover und Paderborn die ältesten Teams ihrer damaligen Ligen. Dazwischen hatte er bei Schalke eine Saison lang ein junges und unfassbar talentiertes Team aus der «Knappenschmiede» zur Verfügung. Leon Goretzka (damals 20), Leroy Sané (19) oder Max Meyer (19) spielten regelmässig, während Thilo Kehrer (18) und Alexander Nübel (18) unter Breitenreiter in der Liga nicht zum Einsatz kamen. Kann er das Ruder in Richtung stärkerer Jugendförderung beim FCZ wie zu Favres oder Magnins Zeiten wieder herumreissen? Denn über das letzte Jahrzehnt betrachtet liegt der FCZ unter den „Big6“ immer noch klar an der Spitze bezüglich Einsatzminuten und Anteil von U21-Spielern aus dem eigenen Nachwuchs.

Im Gespräch mit der „TX Group“ meinte FCZ-Neuzugang Blerim Dzemaili vor dem Auswärtsspiel in St. Gallen, er habe mit dem Tempo und der Intensität der Super League „überhaupt keine Probleme“. Dem Realitätscheck hielt diese Aussage nicht stand. In den ersten 30 Minuten konnte Dzemaili im Kybunpark in einem im Vergleich zu früheren Direktbegegnungen eher langsamen Spiel noch halbwegs mithalten – danach musste er ganz abreissen lassen. In einem Radrennen hätte ihn irgendwann der Besenwagen aufgelesen. Daten zu Laufleistung und Sprints haben wir für die Super League leider noch nicht zur Verfügung. Die Beurteilungen dazu ergeben sich aus den Eindrücken der detaillierten Nachanalyse der Spiele. Viele andere interessante Daten sind aber da. Wie schneidet Blerim bisher ab? Wir sind gnädig und messen ihn nicht an den eigenen hohen Ansprüchen (Dzemaili sieht sich und sein Team unter den ersten drei) und vergleichen ihn nicht mit den besten Zentralen Mittelfeldspielern der Liga – sondern mit den ältesten. Milan Gajic (34, Vaduz) und Jonathan Sabbatini (33, Lugano) sind im gleichen Alter wie Dzemaili – Stjepan Kukuruzovic (31, Lausanne-Sport) und Luca Zuffi (31, Basel) haben die 30 auch schon überschritten. Dazu kommen Dzemailis Teamkollegen Domgjoni, Seiler, Doumbia und Hekuran Kryeziu (der im letzten Monat vorwiegend Innenverteidiger spielte). Die Daten beziehen sich auf den Schnitt pro 90 Minuten in der aktuellen Super League-Saison.

Beginnen wir erst mal mit einer für Dzemaili erfreulichen Statistik. Pro 90 Minuten lieferte der Zürcher 0,41 Assists, womit er bisher klar vor dem ebenfalls als Standardspezialisten geltenden Milan Gajic liegt. Die beiden Torvorlagen auf Sobiech und Khelifi gelangen ihm gleich in den ersten zwei Partien. Tore erzielte er im Gegensatz zu Domgjoni, Doumbia, Kukuruzovic und Gajic hingegen bisher noch nicht. Dies obwohl er von den Vergleichsspielern mit Abstand am meisten Schüsse pro 90 Minuten abgab (1,85). Grund: abgesehen davon, dass er noch nicht viele Partien auf dem Buckel hat, war auch die Qualität der Abschlüsse tief. Bei den meisten Versuchen traf er den Ball sehr schlecht. Statistisch gesehen kamen gerade mal 11,1% seiner Abschlüsse überhaupt erst aufs Tor. Nur Seiler und Hekuran Kryeziu, welche beide kaum mal einen Abschluss zu verzeichnen haben, weisen einen noch tieferen Wert aus. Milan Gajic hingegen brachte mehr als die Hälfte seiner Abschlüsse aufs Tor, Luca Zuffi einen Drittel. Wenn die Kraft nachlässt, und das passiert bei Dzemaili sehr schnell, dann lässt häufig auch die Präzision nach. Ausserdem könnte auch eine gewisse Übermotiviertheit und Selbstüberschätzung eine Rolle spielen bei den vielen klaren Fehlschüssen.

Ebenso beginnt zu dem Zeitpunkt, wo Dzemaili nicht mehr mitzuhalten vermag, die Zeit, in welcher er gegenüber Mitspielern und Schiedsrichtern unleidig wird. Dzemaili ist im Vergleich der Zentralen Mittelfeldspieler führend bei der Anzahl Gelber Karten (0,62 pro 90 Minuten), wobei er bisher alle Verwarnungen wegen „Meckerns“ abgeholt hat. Aus Zweikämpfen heraus blieb er bisher von einer Gelben Karte verschont, wobei man in gewissen Szenen das Gefühl hatte, dass Dzemaili genauso wie andere Spieler der Super League, die einen gewissen Promi-Faktor mitbringen, diesbezüglich einen gewissen (unbewussten) Bonus bei den Schiedsrichtern geniesst.

Mit einem Züri Live-Defensivpunkt nur alle 15 Minuten trägt Dzemaili von den Zentralen Mittelfeldspielern des FCZ am wenigsten zur Defensiven Phase bei. Dazu passt unter anderem die geringe Anzahl Balleroberungen pro 90 Minuten. Dzemaili gehört hier zu den wenig effektiven Zentralen Mittelfeldspielern. Stephan Seiler ist in dieser Disziplin top und weist zudem den höchsten Anteil an Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte aus (beinahe 50%). Gefolgt wird Seiler von Ousmane Doumbia, der ebenfalls mehr als 10 Balleroberungen pro 90 Minuten bewerkstelligt. Toni Domgjoni hat nicht die Antrittsschnelligkeit und Beweglichkeit eines Seiler oder Doumbia, die in der Balleroberung eine grosse Rolle spielt: er ist der Typ Dauerläufer, welcher die Löcher stopft. Blerim Dzemaili, der von allen Vergleichsspielern den geringsten Anteil an Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte hat, würde in dieser und vielen anderen Statistiken sicherlich deutlich besser dastehen, wenn er zwei, drei Jahre früher zum FCZ zurückgekehrt wäre.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Interceptions – abgefangene gegnerische Pässe (ohne dass es zu einem Zweikampf kommt). Dzemaili und Domgjoni liegen hinter Seiler, Doumbia und auch Hekuran Kryeziu.

Auch Klärungen in brenzligen Situationen gelingen von den nominellen Zentralen Mittelfeldspielern beim FCZ vor allem Hekuran Kryeziu und Ousmane Doumbia. Dzemaili ist hier zusammen mit Seiler und dem ehemaligen FCZ-ler Kukuruzovic am Ende der Rangliste.

Dzemailis Problem ist, dass er häufig in entscheidenden Szenen gar nicht erst in die Zweikämpfe kommt. Kommt es aber zum Zweikampf, dann gehört er immer noch zu den besseren Zentralen Mittelfeldspielern der Liga in Bezug auf die Offensivzweikämpfe (in Ballbesitz). Da er den Ball relativ gut abschirmen kann, verliert der Gegenspieler häufig die Geduld, und bringt Dzemaili zu Fall. Wobei berücksichtigt werden muss, dass sich viele Offensivzweikämpfe mit letztlich auch bei Dzemaili unsicherem Ausgang vermeiden liessen, wenn er etwas schneller laufen oder handlungsschneller agieren und damit dem Gegenspieler nicht so viel Zeit geben würde, ihn zu stellen. Bei den Defensivzweikämpfen (Gegner in Ballbesitz) ist Dzemailis Erfolgsstatistik hingegen durchschnittlich.

Weit unterdurchschnittlich sieht die Bilanz bei den Luftduellen aus, wo Dzemaili gar hinter Kopfballmuffel wie Milan Gajic oder Luca Zuffi zurücksteht – er verliert trotz seiner mittleren Grösse von 1,80m drei Viertel aller Luftduelle und versucht wenn immer möglich vom Ball regelrecht zu flüchten, wenn dieser hoch in seine Richtung kommt. Ousmane Doumbia hingegen, obwohl mit 1,75m einer der kleinsten im FCZ-Team, ist in den Luftduellen einer der besten, und bekommt deshalb auch bei der Verteidigung von Eckbällen Manndeckungsaufgaben – häufig gegen ungefähr den viertbesten Gegenspieler. Bei dieser Statistik fällt allgemein die Korrelation der orangen Säulen (Erfolg in Luftduellen) mit der blauen Linie (Anzahl Luftduelle) auf, was wohl damit zusammenhängt, dass diejenigen Spieler, die schlecht in der Luft sind, solche Duelle auch im Mittelfeld wenn immer möglich vermeiden.

Von den Vergleichsspielern macht Dzemaili klar am meisten Vorstösse mit dem Ball am Fuss, wie die Statistik zeigt. Hekuran Kryeziu als Gegenpol lässt dies hingegen fast komplett bleiben.

Wie erfolgreich sind aber diese Vorstösse? Bei der folgenden Graphik bezüglich Dribblings müssten wie bei den Luftduellen die orangen Säulen und die blaue Linie wieder eine Parallele bilden, dies ist aber speziell in einem Fall ganz und gar nicht so: bei Blerim Dzemaili. Der Stadtzürcher geht von allen Vergleichsspielern am häufigsten ins Dribbling, obwohl er dabei mit grossem Abstand am häufigsten den Ball verliert. Zwei Drittel seiner Dribblings gehen schief. Genau umgekehrt ist die Quote beim technisch starken Toni Domgjoni, der aufgrund seiner Erfolgsquote wohl noch häufiger das Eins-gegen-eins suchen könnte. Dzemailis Selbstüberschätzung beziehungsweise Unterschätzung der Super League-Gegenspieler in diesen Situationen bewegte sogar den ansonsten sehr bedachten Massimo Rizzo im Spiel gegen YB dazu, unwirsch auf den Platz zu rufen: „Hör auf damit!“ – was Dzemaili dann auch tat, aber da war es schon zu spät.

Dzemaili hat pro 90 Minuten von allen FCZ-Mittelfeldspielern auch am meisten Ballverluste zu verzeichnen – mehr als alle 10 Minuten einen.

Bei der Passgenauigkeit schneidet Blerim Dzemaili von allen Vergleichsspielern im FCZ und bei der Konkurrenz ebenfalls am schlechtesten ab. Luca Zuffi (extern) und Toni Domgjoni (intern) sind in diesem Bereich vorne. Hervorzuheben die Anzahl Pässe pro 90 Minuten (53,44) von Lausannes „Drehscheibe“ Stjepan Kukuruzovic.

Bei der Genauigkeit von nach vorne gespielten Pässen (Anzahl: 15,82 pro 90 Minuten) ist Dzemaili im vorderen Mittelfeld der Vergleichsspieler – nicht ganz auf dem Niveau von Zuffi und Gajic, aber vor allen Teamkollegen.

Wenn man nun aber in diesem Zusammenhang den punktgenauen Pass Dzemailis auf Ceesay im ersten St. Gallen-Match, der zum Penalty zum 1:2 geführt hat, als exemplarisch betrachtet, ist dies irreführend. Denn bei Pässen in die Offensivzone hat Dzemaili nach Ousmane Doumbia die zweitschlechteste Passgenauigkeit. Die über dem Durchschnitt liegende Passgenauigkeit der nach vorne gespielten Pässe bezieht sich also auf Zuspiele, die typischerweise von hinten ins Mittelfeld gespielt werden. Die höchste Passgenauigkeit bei Zuspielen in die Zone 3 beim gegnerischen Tor haben von den „Mittelfelddinos“ der Liga erneut Milan Gajic und Luca Zuffi. Beim FCZ ist Stephan Seiler in dieser Hinsicht am besten. Schade, dass er solche Bälle am wenigsten häufig spielt! Seiler müsste sich mehr zutrauen und den Ball selbst in die Tiefe spielen, anstatt ihn nochmal auf die weniger präzisen Dzemaili oder Doumbia querzulegen.

Seilers Stärke sind die kurzen Pässe vorne zwischen die Linien. Lange Bälle sind hingegen überhaupt nicht sein Ding. Dies in Kombination mit seiner hohen Balleroberungsquote in der gegnerischen Hälfte macht ihn prädestiniert für die Rolle als 10er (speziell bei Hohem Pressing) oder allenfalls 8er – und deutlich weniger als 6er. Dzemaili ist grundsätzlich ein ähnlicher Spielertyp, unter anderem als zweitschlechtester Spieler nach Seiler bei Langen Bällen – und hat auch deshalb in der Nationalmannschaft häufig als 10er gespielt. Zusammen mit Seiler und dem vorsichtigen Zuffi spielt Dzemaili auch am wenigsten Lange Bälle. Die höchste Passgenauigkeit bei weiten Pässen haben aus den Vergleichsspielern Milan Gajic vor Stjepan Kukuruzovic und Hekuran Kryeziu. Toni Domgjoni ist bei den FCZ-lern an Zweiter Position.

Geradezu als unterirdisch muss man schlussendlich Blerim Dzemailis Bilanz bei Rückpässen bezeichnen. Nur gerade 77,8% der von ihm nach hinten gespielten Bälle kommen beim Mitspieler an. Keiner der Vergleichsspieler ist auch nur annähernd so schlecht. Es ist eine weitere entscheidende Fehlerquelle in Dzemailis Spiel. Glücklicherweise spielt Dzemaili nicht so häufig zurück wie Teamkollege Seiler, der als zweitschlechtester Rückpassspieler am häufigsten (8,42 mal pro 90 Minuten) rückwärts spielt. Deutlich sicherer ist an erster Stelle diesbezüglich Hekuran Kryeziu, bei welchem 98,6% der Rückpässe beim Mitspieler ankommen – vor Toni Domgjoni mit 97%.

Basiert man zusammenfassend die Entscheidung auf den Statistiken der bisherigen Spiele, hat Blerim Dzemaili keinen Platz im Zürcher Mittelfeld verdient. Zwar kann er den Ball relativ gut abschirmen und ist leicht über dem Durchschnitt in der Passgenauigkeit nach vorne bei Zuspielen in der eigenen Platzhälfte, hat aber sowohl für die 6er- als auch die 8er- sowie die 10er-Position das deutlich schlechtere Leistungsprofil, als seine Teamkollegen.

Es kristallisiert sich auch aus den Statistiken heraus, dass sich der sowohl technisch wie im Zweikampf starke Dauerläufer Domgjoni im Mittelfeld gut mit einem aggressiven, beweglichen Balleroberer (Doumbia oder Seiler) ergänzt. Bei Pressingsituationen sollte Doumbia / Seiler vorne den Ball (zurückzu)erobern versuchen, um mit einem kurzen Pass in die Schnittstelle sofort Richtung gegnerisches Tor umzuschalten – Domgjoni sichert hinten ab. Baut der FCZ hingegen von hinten auf, sollte sich eher der spielerisch und im Dribbling starke Domgjoni nach vorne verschieben mit Doumbia / Seiler als Absicherung dahinter. Hat der FCZ in einer Partie vor, viel hoch zu pressen, ist Stephan Seiler eine gute Option für die 10er-Position als weitere Alternative zu Marchesano, Schönbächler und Nils Reichmuth. Somit könnten Domgjoni, Doumbia und Seiler auch alle drei gleichzeitig spielen. Stephan Seiler sollte sich zudem unbedingt noch mehr zutrauen und häufiger seine guten kurzen Bälle in die Schnittstelle nach vorne spielen – und gleichzeitig Rückpässe tunlichst vermeiden.

Hekuran Kryeziu ist aufgrund seiner Statistiken auf der Position des Innenverteidigers grundsätzlich gut aufgehoben. Ein Problem ist seine Schwäche in der Manndeckung bei stehenden Bällen. Dieses Problem könnte im aktuellen Kader aber nur Lasse Sobiech wirklich lösen und dieser steht bis Ende Saison nicht zur Verfügung. Was Blerim Dzemaili betrifft, hängt sehr viel am Prinzip Hoffnung, dass ihm wie bei seinen zwei bisherigen Assists (ein Standard, eines aus dem Spiel heraus) wieder einmal eine spezielle Aktion nach vorne gelingen möge. Gleichzeitig bringen aber seine für Super League-Verhältnisse eklatanten Schwächen im Passspiel, im Laufspiel und in der Verteidigung von gegnerischen Angriffen die ganze Mannschaft aus der Balance und den Gegner ins Spiel.

(Daten: Wyscout)