Liga-Vorschau: Das sind die 12 Teams der Super League 23/24 – Teil 4: Schlafender Riese, Facelift und Revival

Lausanne-Sport – Der schlafende Riese

Lausanne-Sport ist zwar Aufsteiger, aber kein gewöhnlicher. Beim Abstieg vor Jahresfrist konnte das Gerüst zusammengehalten werden. Und ein Jahr später nach dem Wiederaufstieg ist der Kader noch beeindruckender geworden. In Bezug auf die Qualität der Einzelspieler liegt Lausanne-Sport in den Top 5, wenn nicht sogar Top 3 der Liga! Die Frage ist, ob die Waadtländer dies dann auch als Team auf den Platz bringen. In der Challenge League-Saison haben sie in Sachen Mannschaftskohäsion nicht immer überzeugt. Speziell das Sturmbataillon macht Eindruck. Martinique-Nationalstürmer Brighton Labeau mit seinen 35 Toren in den letzten zwei Challenge League-Saisons wäre selbst für YB oder den FCB bei allfälligem Interesse schwierig zu finanzieren. Der von Feyenoord gekaufte senegalesische Flügel Aliou Baldé zeigte sich in der Rückrunde noch etwas zwingender und vielversprechender als der nun von Luzern verpflichtete Teddy Okou von Stade Lausanne-Ouchy. Kaly Sène hat schon bewiesen, dass er in der Super League ein 10+ Tore-Stürmer sein kann. Der physisch starke und gleichzeitig sehr spielintelligente Trae Coyle aus dem Arsenal-Nachwuchs war schon in seiner ersten Super League-Saison 21/22 einer der Besten seines Teams. Der rumänische U21-Nationalstürmer Rares Ilie ist mit einem 2,5 Mio-Marktwert von Nizza ausgeliehen. Und fürs Abwehrzentrum hat man mit Noë Dussene den Captain des belgischen Spitzenteams Standard de Liège verpflichtet! Im Mittelfeldzentrum konnte man den ehemaligen französischen U21-Nationalspieler Antoine Bernede fix an den Lac Léman transferieren. Er hat immerhin 66 Partien mit Europas Top-Talententwickler RB Salzburg auf dem Buckel. Die taktische Formation des Magnin-Teams tendiert mit den vielen guten Flügelstürmern im Kader auf ein 4-3-3 hin.

FC Lugano – Das Facelift

Mit Fabio Daprelà und Mickaël Facchinetti sind zwei weitere „Haudegen“ gegangen. Von diesem Typ Spieler sind jetzt nur noch der verletzte Lukas Mai und Kreshnik Hajrizi da. Lugano unterzieht seine Mannschaft einem kontinuierlichen Facelift. Sie wird Schritt für Schritt jünger, schneller und technisch sauberer. Die Tessiner sind nun nicht mehr das älteste Super League-Team, wie noch vor kurzem, sondern altersmässig mittlerweile im Mittelfeld der Liga anzusiedeln. Speziell die Hintermannschaft mit dem U23 Afrika Cup-Sieger Ayman El Wafi ist relativ jung. Im Mittelfeld hat Neo-Nationalspieler Uran Bislimi seinen Platz nicht auf sicher. Lugano-Coach Croci-Torti ist bekannt dafür, seine taktische Formation häufig zu wechseln, aber aufgrund der vielen guten Zentralen Mittelfeldspieler und Flügel bietet sich für ihn wie für einige andere Super League-Mannschaften ein 4-3-3 am meisten an, wobei sich „Freigeist“ Mattia Bottani, wenn er auf dem Platz ist, häufig nicht auf eine klare Position festlegen lässt.

Servette FC – Das Revival

„Oh Mama, Mama, Mama, weisst du warum mein Herz granatrot ist? Ich habe Servette spielen sehen, und Mama, ich habe mich verliebt!“. Diese Story aus einem Servette Fan-Chant muss letzte Saison in Genf einigen Menschen passiert sein, denn der Zuschauerschnitt in La Praille war in der vierten Saison nach dem Wiederaufstieg mit 8’400 so hoch wie seit der Saison 11/12 nicht mehr. Trotzdem bräuchte es noch einige weitere Euphorie-Schübe, damit ein Titel des Servette FC auf den Strassen von Genf solche Emotionen freisetzen könnte wie der portugiesische Meistertitel von Benfica am 27. Mai dieses Jahres. Alain Geiger wurde nach fünf Jahren und 199 Partien durch den 13 Jahre jüngeren René Weiler ersetzt. Der in der Rolle als Fussballtrainer weitgereiste Winterthurer (Deutschland, Belgien, Ägypten, Japan) bringt ebenfalls eine Servette-Vergangenheit als Spieler mit. Weiler soll unter anderem den eigenen Nachwuchs mehr forcieren, als Geiger dies getan hatte. Zur Ehrenrettung Geigers muss gesagt werden, dass er das phasenweise durchaus ausgesprochene Vertrauen an junge Spieler häufig nicht zurückbezahlt erhalten hat. Im Genfer Nachwuchs gibt es zwar viel Talent, die Bodenhaftung fehlt aber vielen dieser Jungs. Der FCZ hat im letzten Jahrzehnt mit Talenten aus Genf diesbezüglich auch eher negative Erfahrungen gemacht. Die Transfers sind gute Ergänzungen des bereits bestehenden Kaders – ausgefallene oder spektakuläre Zuzüge wie bei Sion oder Lausanne-Sport sucht man in der Calvinstadt vergebens. Der 18-jährige dänische Flügel Alexander Lyng könnte ein interessanter „Fang“ sein. Ansonsten spielt in Genf wie am anderen Ende der Intercity 1-Linie in St. Gallen der Nostalgiefaktor diesen Sommer eine nicht unwesentliche Rolle – mit der Rückkehr von gleich zwei Ehemaligen: Jérémy Guillemenot und Gaël Ondoua. René Weiler hat sich als Verfechter des 4-4-2 oder 4-2-3-1 erwiesen und es sieht danach aus, dass er dies auch in Genf umsetzen wird. Unter Alain Geiger stand Servette wie kein anderes Schweizer Team konstant für den konstruktiven Fussball im 4-3-3. Dieses System war optimal auf den langjährigen offensiven Leistungsträger Miroslav Stevanovic zugeschnitten. Nicht nur fussballtaktisch, sondern auch von der Mentalität her ist fraglich, ob Stevanovic und Weiler zusammenpassen. Der bosnische Rechte Flügel könnte somit neben Alain Geiger zum grössten Verlierer des Trainerwechsels werden. Der aktuell wohl beste Super League-Stürmer Chris Bédia könnte hingegen eher davon profitieren.

LIGA-VORSCHAU: DAS SIND DIE 12 TEAMS DER SUPER LEAGUE 23/24 – TEIL 1: ABENDSCHULE, DREIFELDERWIRTSCHAFT UND KRÖSUS
LIGA-VORSCHAU: DAS SIND DIE 12 TEAMS DER SUPER LEAGUE 23/24 – TEIL 2: MUSTERSCHÜLER, ÜBERRASCHUNGSGAST UND NOUVEAU RICHE
LIGA-VORSCHAU: DAS SIND DIE 12 TEAMS DER SUPER LEAGUE 23/24 – TEIL 3: ALTERNDER ROCKSTAR, SANDMÄNNCHEN UND JUNGBRUNNEN

Liga-Vorschau: Das sind die 12 Teams der Super League 23/24 – Teil 3: Alternder Rockstar, Sandmännchen und Jungbrunnen

Grasshopper Club – Der alternde Rockstar

Leben von Nostalgie. Das aktuelle GC gleicht in vielerlei Beziehungen einem alternden Rockstar. Er profitiert immer noch etwas vom Namen, kann den ein oder anderen Gig in der Provinz spielen. Historische Rückblenden rücken ns Zentrum der Diskussionen. Und es findet sich immer wieder mal ein ehemaliges Bandmitglied, das einem unter die Arme greift. Sportchef Bernt Haas und Trainer Bruno Berner waren jung, als GC noch top war in der Schweiz – und ansatzweise sogar in Europa. Mit viel Enthusiasmus wollen sie ihren Beitrag leisten, dass GC wieder den Weg an die nationale Spitze findet. Der Enthusiasmus ist auch bitter nötig, denn mit dem aktuell kurz vor Meisterschaftsstart zur Verfügung stehenden Rumpfkader und geringen finanziellen Mitteln gehören die Hoppers ohne Zweifel zusammen mit Yverdon-Sport zu den ersten Abstiegskandidaten. Und sollten die chinesischen Besitzer auf die Idee kommen, den Klub zu verkaufen, ist es unwahrscheinlich, dass die nächsten Besitzer sich im gleichen Umfang engagieren werden. Letzte Saison hat bei den Zürchern im Team ganz offensichtlich alles gepasst. Der Teamgeist war gut und ebenso die Effizienz. Trainerfuchs Giorgio Contini wusste genau, auf welche Art und Weise man keine Gelegenheit auslässt, wie ein Eichhörnchen Punkte zu sammeln, die einem vom Gegner auf dem Serviertablett präsentiert werden. GC war stark bei Standards und Konterangriffen. Und man hatte mit Hayao Kawabe, Bendeguz Bolla, André Moreira und Dominik Schmid ein Quartett mit gehobener Qualität, welches aus einem Abstiegskandidaten sogar fast einen Europacupteilnehmer gemacht hat. Diese Leistungsträger sind nun alle weg. Dafür sind zwei Leihspieler von Wolverhampton Wanderers und die verletzungsanfälligen Pascal Schürpf und Michael Kempter gekommen. Mit welcher Formation Bruno Berner zum Auftakt gegen Servette beginnen wird, ist schwierig vorauszusagen. Es wird sicherlich der ein oder andere U21-Spieler auf dem Matchblatt aufgeführt sein. Mit Müh und Not wird Berner eine Viererabwehr zusammenbekommen, im Zentrum ist das Duo Abrashi / Ndenge wohl gesetzt und auf den restlichen Positionen gruppieren sich die anderen verfügbaren Spieler.

FC St. Gallen – Das Sandmännchen

Warum ist St. Gallen das Sandmännchen? Ist die Spielweise zum Einschlafen? Nein, im Gegenteil. Das Sandmännchen gilt als die weltweit längste TV-Serie. Die FCSG-Saga hat ebenfalls einen hohen Wiedererkennungswert. Sie startet Saison für Saison immer wieder mit denselben Figuren und der (fast) gleichen Story. Peter Zeidler beispielsweise darf nicht fehlen – er ist der mit Abstand dienstälteste Super League-Coach. Selbst bei den Akteuren auf dem Rasen gibt es Wiedervereinigungen wie in einer Soap Opera – so die Heimkehr Betim Fazlijis, der nach einem Jahr unter Seemännern und Piraten am Hamburger Hafen wieder zurück in der Ostschweiz ist. Jahrelang hatte St. Gallen die wohl kleinste Abwehr der Liga. Nun hat man trotz dem Abgang von Matej Maglica in die Bundesliga (Darmstadt) sich in der Abwehrreihe mit Körpergrösse und Physis verstärkt. Bei Standards wird dies dem FCSG vermutlich zugute kommen. Die Frage ist, ob mit den grossgewachsenen Verteidigern die Antrittsschnelligkeit noch gross genug ist, um die durch das St. Galler Pressing provozierten langen Bälle der Gegner frühzeitig abzulaufen. Aufgrund der grösseren Breite in der Hintermannschaft könnte Rückkehrer Fazliji im Mittelfeld zum Zug kommen. Vorne ist das Schicksal von Leihspieler Latte Lath noch nicht definitiv geklärt, tendenziell wird seine Zukunft aber eher nicht in der Ostschweiz liegen. Fabian Schubert konnte wieder die Vorbereitung mitmachen und kann nach seinem letztjährigen Schien- und Wadenbeinbruch wie ein Neuzugang gesehen werden. Peter Zeidler ist ständig dran, an Details der St. Galler Spielweise zu feilen – speziell in der letzten Saison war dies der Fall – und die Transfers deuten auf weitere Anpassungen hin. Die taktische Formation wird aber weiterhin vorwiegend der St. Galler Rhombus sein. In den Testspielen hat St. Gallen von allen Super League-isten mit einem 6:1-Sieg gegen Villarreal im Kybunpark für das herausragendste Resultat gesorgt.

FC Luzern – Der Jungbrunnen

Der FC Luzern hat mittlerweile ähnlich viele Spieler aus dem eigenen Nachwuchs in der 1. Mannschaft wie der FC Zürich. Mario Frick ist ein Trainer, der den Jungbrunnen der Innerschweiz nutzt und integriert. Ebenso positiv zu werten ist die klare Haltung in der Causa Ardon Jashari. Die Attraktivität des FCL für junge Talente wird durch Beispiele von Transfers direkt aus Luzern in eine Topliga stark gesteigert. Ganz abgesehen davon, dass auf diese Weise zusätzlich grössere Transfereinnahmen generiert werden können. Der Transfer von Ruben Vargas vor vier Jahren nach Augsburg war dafür ein Beispiel. Darian Males hingegen nicht, denn er spielte bei Inter im Serie A-Team keine Rolle. Es tut auch der Liga insgesamt sehr gut, wenn Klubs wie Luzern, Servette, Lugano, Lausanne-Sport, St. Gallen oder der FCZ ihre besten Spieler so lange wie möglich halten können und diese dann in eine Topliga wechseln – nicht liga-intern. Beim FCZ beispielsweise sind die positiven Auswirkungen des Gnonto-Wechsels direkt zu Leeds United im Juniorenbereich schnell zu spüren gewesen. Der FCL gilt zudem als Transfer-Sieger des Sommers. Auch wenn der Fokus dieser Einschätzung dabei auf den Stürmern liegt, ist das Team von Mario Frick vor allem in Mittelfeld und Viererabwehr breiter aufgestellt. Auf den Aussenverteidigerpositionen gibt es einen so harten Konkurrenzkampf, dass der vielversprechende Ruben Dantas nach Wil ausgeliehen werden musste. Im Mittelfeld wird Pius Dorn eine noch wichtigere Rolle einnehmen, Max Meyer könnte die Captain-Binde beflügeln und der während der letzten Saison verletzt gewesene technisch starke Jakub Kadak ist faktisch ein weiterer Neuzugang. Der spielintelligente Noah Rupp weckt zudem Hoffnungen. Der Jungbrunnen wird auf jeden Fall nicht so schnell austrocknen – auch die letztjährige Ausgabe der U16-Junioren hat den Schweizer Meistertitel geholt.

LIGA-VORSCHAU: DAS SIND DIE 12 TEAMS DER SUPER LEAGUE 23/24 – TEIL 1: ABENDSCHULE, DREIFELDERWIRTSCHAFT UND KRÖSUS
LIGA-VORSCHAU: DAS SIND DIE 12 TEAMS DER SUPER LEAGUE 23/24 – TEIL 2: MUSTERSCHÜLER, ÜBERRASCHUNGSGAST UND NOUVEAU RICHE

Liga-Vorschau: Das sind die 12 Teams der Super League 23/24 – Teil 2: Musterschüler, Überraschungsgast und Nouveau Riche

BSC Young Boys – Der Musterschüler

Meister YB ist ganz klar der Musterschüler der Liga. Glaubt man dem Medienecho, macht die Berner Vereinsführung alles richtig – was sicherlich nicht stimmt. YB hat in den letzten Jahren beispielsweise durchaus auch seine Fehltransfers gehabt: Marvin Spielmann, Frederik Sörensen, Jordan Lefort, Quentin Maceiras, Guillaume Faivre, Kevin Varga, Kevin Rüegg oder bisher auch Donat Rrudhani. Aber die Gelb-Schwarzen machen weniger falsch als Andere. Dass die Region Bern ein sehr sportbegeistertes Publikum hat, beweist seit vielen Jahrzehnten der in der Nachbarschaft im Norden der Bundesstadt beheimatete SC Bern mit seinen auch im internationalen Vergleich beachtlichen Zuschauerzahlen im Eishockey. Und dies trotz grosser Konkurrenz in unmittelbarer Nähe durch drei weitere NLA-Klubs: Gottéron, Biel und Langnau. Obwohl Zürich, Genf und Lausanne grösser als Bern sind, schaffen es diese Städte selbst im Erfolgsfall nicht, solche Zuschauermassen in die Stadien zu locken. Dieses deutlich grössere Einnahmenpotential ist der Hauptgrund, warum YB aktuell nur besser als der FCB arbeiten muss, um regelmässig Meister zu werden. In der Öffentlichkeitsarbeit steht der YB-Sportchef und ehemalige FCZ-Meisterspieler Steve Von Bergen mittlerweile stärker im Zentrum, als der vor Jahresfrist in den Verwaltungsrat aufgestiegene Christoph Spycher. Basierend auf der Vorbereitung wird Trainer Raphaël Wicky seinem Rhombus-System (4-1-2-1-2) wohl treu bleiben, wobei auf den 8er-Positionen wie schon letzte Saison häufig verkappte Stürmer wie Elia, Monteiro, Fassnacht oder Neuverpflichtung Males zum Einsatz kommen werden.

Yverdon-Sport – Der Überraschungsgast

Stade Lausanne-Ouchys Aufstieg war eine grosse Überraschung. Klubs wie Aarau oder Thun waren neben Lausanne-Sport die Aufstiegsfavoriten gewesen. Daneben hätte man sicherlich auch den letztjährigen Barrage-Teilnehmer Schaffhausen und Vaduz weiter oben erwartet. Trotzdem hatte „SLO“ viele Spieler mit Talent in seinen Reihen, bei denen im Optimalfall immer eine Leistungsexplosion möglich scheint. Akteure wie Okou, Ajdini, Bamba, Da Silva, Hadji, Abdallah, Danho, Mulaj oder Tsoungui. Der Aufstieg von Yverdon-Sport – und dies auch noch als Challenge League-Meister – war hingegen sensationell: im Tor der als „zu klein für Profi-Fussball“ abgestempelte Kevin Martin, Routinier Anthony Sauthier schien speziell in der Rückrunde konditionell nicht mehr ganz auf der Höhe zu sein und kämpfte sich durch, Sturmtank Brian Beyer (26) schnürte vor vier Jahren noch für den FC Bassecourt in der vierthöchsten Liga die Schuhe, genauso wie Néhemie Lusuena vor sechs bis acht Jahren – und zwar für Yverdon-Sport! Der mittlerweile 25-jährige Mittelfeldspieler hat in den letzten Saisons den ganzen Weg mit den drei Aufstiegen in die Promotion League, Challenge League und Super League erfolgreich mitgestaltet und gehört immer noch zum erweiterten Stammpersonal. Auch der durch den Corona-Virus „gestohlene“ sportlich eigentlich schon so gut wie sichere Challenge League-Aufstieg der Saison 19/20 konnten ihn und seine Teamkollegen nicht stoppen. Dabei hatten die Nord-Waadtländer die Konkurrenz mit dem Cup-Halbfinaleinzug 21/22 gegen den späteren Meister FCZ und Kantonskrösus Lausanne-Sport in Sachen Super League-Reife bereits etwas vorgewarnt gehabt. Es war für den FCZ eine von fünf Niederlagen bis zum Titel am 1. Mai 2022 gewesen. Der Seebacher Marco Schällibaum übernahm vom nach Bielefeld abgewanderten Brüttiseller Uli Forte Anfangs Saison und liess YS im 4-2-3-1 antreten. Zentrale Aufstiegshelden wie Hajrovic (zu Xamax), Kabacalman (Sion) oder Koné (Thun) sind mittlerweile aber nicht mehr dabei, Silva verletzt. Über die Testspiele Yverdons ist wenig bekannt, ausser dass sie mit einem Rumpfteam absolviert wurden. Die Neuverpflichtungen kamen erst spät am Neuenburgersee an. Die Hauptprobe gegen Sochaux wurde wegen des Zwangsabstiegs des Gegners kurzfristig abgesagt.

FC Winterthur – Der Nouveau Rîche

In der Challenge League hatte der FC Winterthur jahrelang immer eines der höchsten Budgets gehabt. Nach dem Aufstieg mussten die Eulachstädter dann aber erstmal den Kopf in den Nacken werfen, und mit einer weitgehend auf überdurchschnittlichen Challenge League-Spielern aufgebauten Mannschaft den Gegnern den Ball und das Spiel überlassen. Vor allem in den Direktduellen mit Sion, wo man auch etwas Wettkampfglück hatte, machte Winti mit Coach Bruno Berner den Klassenerhalt klar. Auf dem Transfermarkt machten Sportchef Oliver Kaiser und Co. diesen Sommer nun aber einen grossen Schritt. Aus einem Top-Challenge League-Team, das in der Super League mithalten konnte, wurde in wenigen Wochen ein solides Super League-Kader. Es ist aktuell das zweitälteste Kader der Liga. Eines mit zusammengezählt bereits 1’802 Super League-Partien auf dem Buckel. Das ist mehr als doppelt so viel, als dies beim GC-Kader, dem aktuell jüngsten der Liga, der Fall ist. Dort kommen nur Amir Abrashi (in jungen Jahren mit Zuffi und Sandro Lombardi Stammspieler im talentierten Winterthurer Dreiermittelfeld) und Pascal Schürpf auf mehr als 50 Super League-Partien. Bei Winterthur trifft dies mit Silvan Sidler, Roy Gelmi, Yannick Schmid, Basil Stillhart, Roman Buess, Cico Rodriguez, Matteo Di Giusto, Samir Ramizi, Luca Zuffi, Musa Araz und Thibault Corbaz auf elf Spieler zu! Finanziell ist Winterthur mittlerweile auf Augenhöhe mit dem Rekordmeister. Nur dank Zuschüssen der chinesischen Besitzer lag GC letzte Saison bezüglich Budget überhaupt noch im unteren Mittelfeld, und nicht am Scnwanz der Liga. Bei den Einnahmen (GC: ca. 8 Mio) hat Winterthur den Kantonsrivalen mittlerweile wohl bereits überholt. Und da die GC-Besitzer ihre Beiträge allem Anschein nach in der neuen Saison deutlich reduzieren, ist die Differenz auch beim Gesamtbudget nicht mehr gross. Man beginnt beim FCW nun auch wieder Ablösesummen zu bezahlen. Eine wesentliche finanzielle Differenz zwischen GC und Winterthur existiert heute wohl nur noch bei den Frauen-Teams, wo sich GC dank lokalen Sponsoren wie Heinz Spross die Verpflichtung von Spitzenspielerinnen noch leisten kann. Die sechstgrösste Stadt der Schweiz ist nach dem Klassenerhalt von letzter Saison endlich richtig in der Super League angekommen. Auch neben dem Platz herrscht ein neureiches Flair. Die Schützenwiese wird ausgebaut und ist zum Promi-Treffpunkt geworden. Der neue Trainer Patrick Rahmen ist ein Freund der Viererkette und speziell des „Basler“ 4-2-3-1. Allerdings würde auch ein Rhombus-System gut zur aktuellen Winterthurer Mannschaft passen. Vor allem die Rückkehr Luca Zuffis ist eine emotionale Geschichte. Vater Assistenztrainer, Sohn Spieler: im Normalfall eine schwierige Konstellation für ein Team – ausser es handelt sich um die äusserst bescheiden und zurückhaltend auftretenden Dario und Luca Zuffi.

LIGA-VORSCHAU: DAS SIND DIE 12 TEAMS DER SUPER LEAGUE 23/24 – TEIL 1: ABENDSCHULE, DREIFELDERWIRTSCHAFT UND KRÖSUS

Liga-Vorschau: Das sind die 12 Teams der Super League 23/24 – Teil 1: abendschule, Dreifelderwirtschaft und Krösus

Stade Lausanne-Ouchy – Die Minerva-Abendschule

Die zahlreichen internationalen Schulen in der Genferseeregion waren ein wichtiger Grund dafür, dass sich der Fussball in der Gründerzeit dort früh festsetzte und schnell ausbreitete. La Villa Ouchy gehörte zu den Gründern des Schweizerischen Fussballverbandes und ist ein Vorgängerverein von Stade Lausanne-Ouchy. Seit der Gründung dem Amateur-Ethos verpflichtet, verbrachte man dementsprechend lange Zeit in den Niederungen des Amateurfussballs. Die Fusion mit Stade Lausanne im Jahre 2001 läutete eine ambitioniertere Phase der Vereinsgeschichte ein. Man wurde Schritt für Schritt zum Spitzenamateurverein mit einer grossen Juniorenabteilung – und die Nummer 2 der Stadt. Der Mathematiklehrer Andrea Binotto wurde im Sommer 2012 Trainer der Waadtländer und begann seine Zeit mit einer 0:3-Niederlage gegen Perly-Certoux in der 2. Liga Interregional. Eines seiner letzten Resultate acht Jahre später war ein 4:1-Heimsieg gegen GC in der Challenge League. In dieser Zeit machte es das Binotto-Team dem FCZ in Cup-Duellen im Quartier Vidy am See zwei Mal nicht einfach. Auf dem Weg zum Cuptitel 2014 trat der FCZ gegen den damaligen Fünftligisten (2. Liga Interregional) etwas überheblich auf und konnte nach 1:2-Rückstand in der 86. Minute durch einen Treffer Franck Etoundis zum 3:2 gerade noch den Kopf aus der Schlinge ziehen. Im Oktober 2017 agierte man gegen den nun in der dritthöchsten Liga (Promotion League) spielenden Gegner beim Début von Stephen Odey fokussierter und gewann 4:1. Cédric Brunner war der Züri Live-MVP und wiederum bedeutete Gegner SLO ein gutes Omen für den FCZ auf dem Weg zu einem weiteren Cup-Titel. Der heutige SLO-Captain Lavdrim Hajrulahu war damals bereits mit dabei.

Die heute in der altehrwürdigen Pontaise ihre Heimspiele bestreitenden Lausanner können als die „Minerva-Abendschule“ der Liga bezeichnet werden. Der Hauptharst der Mannschaft besteht aus 20-24-jährigen ehemaligen guten Talenten aus der Schweiz und Frankreich, die auf dem „Ersten Bildungsweg“ den Sprung in den Profifussball nicht geschafft haben. Häufiger Grund: fehlender hundertprozentiger Fokus auf den Fussball in Teenager-Jahren. Bei SLO erhalten sie auf dem „Zweiten Bildungsweg“ nochmal eine Chance ihr Talent doch noch zum Erblühen zu bringen. Ein erfolgreiches Beispiel eines SLO-Abendschule-Absolventen ist Zeki Amdouni, der sich davor bei Servette im Nachwuchs nicht durchgesetzt hatte. Heutige Beispiele sind Bamba, Mulaj, Ajdini, der sehr interessante Danho oder Camara. Mit dem Aufstieg in die Challenge League vor vier Jahren stand Stade Lausanne-Ouchy erstaunlicherweise gleichzeitig vor dem Konkurs. Der Besitzer von Stade Nyonnais, Vartan Sirmakes, rettete den Verein. Das Budget ist auch wegen tiefer Zuschauerzahlen für Super League-Verhältnisse gering. Der in der Uhrenindustrie engagierte Sirmakes steckt keine Riesensummen in den Verein, aber er hilft, wenn Not am Mann ist. Die Mannschaft war in der abgelaufenen Challenge League-Saison fussballerisch aber sicherlich talentierter, als diejenige des Mitaufsteigers Yverdon-Sport. Das Team von Anthony Braizat wird vermutlich weiterhin mit Viererabwehr auflaufen – und meist mit drei Zentralen Mittelfeldspielern, sei es in einer 4-3-3 oder einer 4-2-3-1 Formation.

FC Zürich – Die Dreifelderwirtschaft

Da sich der FCZ keine Super League-Topspieler leisten kann, die sofort „einschlagen“, arbeitet er mit Fussballern aus dem eigenen Stall und aus fremden Ställen, die ein paar Jahre benötigen, um richtig zu gedeihen. Manchmal liegt ein Spieler zwischendurch auch mal scheinbar eine Saison lang „brach“, bis er in der darauffolgenden Spielzeit zum Erblühen kommt – wie in der mittelalterlichen Dreifelderwirtschaft. Ein grosser Teil des Kaders hat den Weg in die 1. Mannschaft des FCZ über die Challenge League gefunden. Der FCZ konnte in diesem Sommer das Team weitgehend zusammenhalten und hat daher verschiedene Spieler in seinen Reihen, die in der kommenden Saison einen Schritt nach vorne machen können. Gerade im Sturm gibt es mit Tosin, Avdijaj, Okita, Ligue, Rohner, Bajrami, Nils Reichmuth oder Afriyie viele Kandidaten mit Potential. Der FCZ wird je nach zur Verfügung stehendem Personal im 3-4-3, 3-4-1-2 oder 3-4-2-1 antreten und wohl wie letzte Saison gegen alle Gegner ausser YB und dem FCB relativ hoch stehen und das Spiel bestimmen wollen. Condé und Mathew ergänzen sich im Zentrum gut und erinnern etwas an das Duo Dzemaili / Inler – mit Condé in der Rolle des „wilden“ Dzemaili und Mathew als spielintelligenter „Inler“.

FC Basel – Der Krösus

Man mag es kaum glauben: immerhin nun bereits sechs Jahre ist es her seit dem letzten Meistertitel des FC Basel – vier Zweite Plätze, ein Dritter Rang und zuletzt die fünftbeste Platzierung resultierten aus den Bemühungen auf dem Platz. In Medienberichten war in dieser Zeit im Zusammenhang mit dem FCB viel von „strukturellem Defizit“ und „fehlendem Geld“ die Rede. Zuletzt erweckte die Berichterstattung rund um den Transfer von Darian Males den Eindruck, als habe Meister YB den Baslern auch finanziell den Rang abgelaufen und spiele eine Liga höher. Dies ist aber überhaupt nicht der Fall! Die Bebbi sind auch sechs Jahre nach der sportlichen Wachablösung immer noch der Krösus der Liga. Krösus war ein frühantiker König, der im ganzen Mittelmeerraum für seinen Reichtum und seine Ausgabefreudigkeit bekannt war. 2022 betrugen die betrieblichen Ausgaben des FC Basel mehr als 60 Millionen Franken. Zum Vergleich: Lugano gab rund 20 Mio aus. GC, Luzern, Servette, Sion und der FCZ lagen bei rund 25 Mio, St. Gallen bei 30 Mio – und YB bei… 50 Mio – also zehn Millionen weniger als Rotblau! Und damit sind die mit 13,5 Mio höchsten Transferausgaben der Liga beim FCB noch gar nicht mit eingerechnet. Die Gesamtausgaben des FC Basel im Jahr 2022 beliefen sich somit also auf 74 Mio Franken. Auch im Jahr davor hatte der FCB deutlich höhere betriebliche Ausgaben als YB und obendrein von allen Super League-Isten mit 14 Mio Franken mit Abstand am meisten Geld für Transfers ausgegeben.

Die Rotblauen horten grosse Talente aus der Schweiz und aus den Topligen – und lassen die Hälfte davon dann nicht spielen. Und das Ende der Ausgabenfreudigkeit ist nicht in Sicht. im Jahr 2023 hat der FCB bisher bereits 17,5 Mio für neue Transfers ausgegeben! YB seinerseits hat im Vergleich dazu erst rund 4 Mio für neue Transfers investiert, davon die Hälfte für Darian Males. Basel hätte sich Males also ohne Probleme leisten können. Sie hatten ganz einfach andere Prioritäten und haben sich unter anderem für Jonathan Dubasin (3 Mio) und Thierno Barry (3 Mio) entschieden. Der Unterschied zwischen dem FCB und YB besteht darin, dass der FCB alle Einnahmen gleich wieder ausgibt. Es ist ein ständiger Seiltanz, wie beim FCZ und vielen anderen Super League-Klubs auch – einfach in deutlich grösserer Höhe. YB hingegen verhält sich finanziell disziplinierter, legt einen Teil seiner Einnahmen als Reserve auf die hohe Kante und kann sich so langfristig nachhaltig entwickeln. Taktisch scheint sich beim FC Basel diesen Sommer hingegen eine kleine Revolution anzubahnen. Die Rotblauen waren in der Schweiz der Inbegriff des 4-2-3-1, mit dem sie seit den Zeiten des Duos Robben / Ribery jahrelang dem deutschen „FCB“ aus München nacheiferten. Man baute wie die Bayern bis zur Ankunft von Pep Guardiola auf eine zahlenmässig starke defensive Absicherung – und nach vorne sollte die Qualität der Offensivflügel in Eins-gegen-Eins Situationen für den Unterschied sorgen. Typischerweise liess man dabei jeweils einen Linksfuss auf dem rechten und einen Rechtsfuss auf dem linken Flügel auflaufen. Trotz der Bayern-Vergangenheit von Sportchef Heiko Vogel: der FCB wird wohl erstmals seit vielen Jahren nicht mehr im 4-2-3-1 antreten. In der Vorbereitung wurde zuerst mit Dreierabwehr (3-4-3, 3-4-2-1) und gegen Benfica im 4-3-3 gespielt. Letzteres würde gut zur mittlerweile grossen holländisch/spanischen Fraktion (Comas, Van Breemen, Lopez, Burger, Dubasin) passen. Nach einer langen Flaute drängt nun der ein oder andere Nachwuchsspieler wieder etwas überzeugender als zuletzt Richtung 1. Mannschaft. Im Test gegen Benfica konnten Zé Junior, Leon Avdullahu oder der aus dem Hertha- / RB Leipzig-Nachwuchs stammende Adriano Onyegbule Duftmarken setzen. Das Gleiche machte Linksverteidiger Riccardo Calafiori auf seine Weise, indem er es selbst in einem Freundschaftsspiel schaffte, 80% des Stadions gegen sich aufzubringen.

Stadion-Hammer: Ende einer Ära im Schweizer Fussball

Im ganzen Trubel um die Modus-Diskussion haben der FC Winterthur, der FC Wil und der FC Vaduz mit ihrem erfolgreichen Antrag um eine drastische Reduktion der Stadionanforderungen für die Super League still und heimlich für eine kleine Revolution gesorgt. Es ist eine viel weitreichendere Entscheidung als der Modus. Ohne Übertreibung ist damit an der GV der Swiss Football League vom Freitag im Schweizer Fussball eine Ära zu Ende gegangen.

Dank Stadionkatalog der SFL: Europacup in Thun, Frauen-Länderspiele in Schaffhausen

Die Denkmäler dieser Ära sind die gebauten Stadien neue Maladière in Neuenburg, Stockhorn Arena in Thun, wefox Arena in Schaffhausen, die Tissot Arena in Biel und die Tuilière in Lausanne. Dazu kommen die sich immer noch in Planung befindlichen Projekte in Aarau und Lugano. Ausserdem wurde auch der Um- und Ausbau der Stadien in Vaduz, Winterthur und Wil durch diese Ära geprägt. Diese Stadien sind alle Kinder eines Blatt Papiers (beziehungsweise PDF). Nämlich des in den letzten rund zwei Jahrzehnten gültigen Stadionkataloges (Kategorie A) der Swiss Football League. Um diese Kriterien erfüllen zu können, und damit in der obersten Schweizer Fussball-Liga mitspielen zu dürfen, haben mittelgrosse Schweizer Klubs enorme finanzielle und zeitliche Aufwände geschultert, etliche Abstimmungskämpfe geführt, den Standort gewechselt, die eigene Organisation angepasst und zusätzliche Eigentümer, teilweise aus dem Ausland, mit ins Boot geholt. Und um das Ganze finanziell überhaupt realisieren zu können, wurden zur Querfinanzierung und wegen der tieferen Bodenpreise in Thun, Schaffhausen oder Biel Stadien mit Mantelnutzung an der Peripherie gebaut.

Neue Maladière, Neuchâtel (Eröffnung: 2007)

Alles wurde dafür getan, um ein modernes Stadion errichten zu können, welches die Minimalanforderungen der Liga erfüllt. Und damit auch einen Vorteil gegenüber denjenigen Konkurrenzstädten zu haben, die dies nicht zu Stande brachten. Der Komfort, die Sicherheit und die Zuschauerzahlen wurden dank diesen neuen Stadien erhöht. Es kommen mehr Frauen und Kinder zu den Spielen. Der FC Thun konnte 13 Europacuppartien im eigenen Stadion mit echtem Heimvorteil spielen (unter anderem mit Siegen gegen Partizan und Rapid), statt nach Bern ausweichen zu müssen. Die Stockhorn Arena und die wefox Arena sind zu populären Heimstätten für die Spiele der Frauen-Nati geworden. In Biel werden viele Junioren- und Frauen-Cupfinals und Junioren-Länderspiele ausgetragen. Der ausgebaute Vaduzer Rheinpark hat einige ausverkaufte Länderspiele gegen grosse Fussball-Nationen gesehen. Die Winterthurer Schützenwiese erhielt eine schöne, neue Gegentribüne – als Teil eines umfassenden Ausbauprojektes, dessen Dringlichkeit sich nun aber stark reduziert hat.

Administrative Aufstiegshürden neu für alle stemmbar

Die bisherigen hohen Anforderungen haben für den Schweizer Fussball viel Gutes getan. Trotzdem ist der nun von Winterthur, Wil und Vaduz beantragte und von den Klubs der Swiss Football League beschlossene Rückschritt in Sachen Infrastruktur zum jetzigen Zeitpunkt positiv zu werten, speziell für den sportlichen Wettbewerb und für „die Kleinen“. Bei der Gesamtkapazität wurde eine Halbierung von 10’000 auf 5’000 Plätze beschlossen, bei den Sitzplätzen gar eine von 6’500 auf nur noch 1’000 Plätze. Dazu kommt eine Einjahresfrist zur Erfüllung dieser Anforderungen für Aufsteiger. Nur die Anforderungen für die Sicherheit und TV-Übertragungen müssen von Anfang an erfüllt werden (wobei wie diese Saison beim FC Winterthur dabei je nach Umständen eine Kulanzfrist von ein paar Wochen oder Monaten sicherlich gewährt wird).

Stockhorn Arena, Thun (2011)

Dies ändert die Situation fundamental. Die administrativen Aufstiegshürden werden wesentlich reduziert. Bis zu diesem Entscheid gab es mit Thun, Xamax, Schaffhausen und Lausanne-Sport nur vier Challenge League-Klubs, welche die Infrastrukturvoraussetzungen für die Super League mitbrachten. Winterthur durfte diesen Sommer überhaupt nur dank einer Sonderregelung aufsteigen. Nun sollte grundsätzlich jeder Challenge League-Klub aufsteigen können. Selbst ein Klub, der die reduzierten Anforderungen nicht erfüllt, kann erst mal aufsteigen und sich dann im Verlauf der Vorrunde immer noch überlegen, einen Stadionausbau im vernünftigen Rahmen in Angriff zu nehmen und / oder bei Klassenerhalt für eine gewisse Zeit in ein grösseres Stadion im Umkreis umzuziehen.

Brügglifeld olé?

Winterthur ist ein Paradebeispiel sowohl für einerseits die positive Wirkung des Druckes, den der bisherige Stadionkatalog erzeugt hat, und der gleichzeitig aber auch etwas überzogenen Standards, die darin formuliert wurden. Der aktuelle Rückschritt in den Anforderungen ist massiv. Kurzfristig ist das kein Problem. Es hilft sogar, speziell im Zuge der Super League-Vergrösserung das Wettbewerbsprinzip Aufrecht zu erhalten. Langfristig könnte es aber schon wieder zu einer Situation führen wie in den 80er und frühen 90er-Jahren, wo verfallende und nicht mehr zeitgemässe Infrastrukturen zum damaligen Zuschauerschwund beigetragen haben.

Tissot Arena, Biel-Bienne (2015)

Der FC Aarau gehörte wohl nicht ganz ohne Hintergedanken nicht zu den Promotoren des Antrages. Während andere Klubs bei einem Standortwechsel fast immer mit einer zentrumsferneren Location vorlieb nehmen müssen, will der FCA mit seinem im Grunde schon seit den 90er-Jahren pendenten Stadionprojekt vom in der Gemeinde Suhr gelegenen Brügglifeld ins deutlich zentrumsnähere Torfeld Süd umziehen. Macht der Entscheid der Swiss Football League vom Freitag den Aarauern im letzten Moment noch einen Strich durch die Rechnung, weil ein Verbleib im Brügglifeld plötzlich wieder eine Option werden könnte? Auch der Neubau des Cornaredo in Lugano ist durch diesen Entscheid nicht mehr wirklich zwingend. Anders sieht die Situation in Zürich aus. Wie in Genf, Basel oder Bern gehen die Anforderungen an ein Fussballstadion in einer Stadt wie Zürich sowieso über die SFL-Mindestanforderungen für Super League-Stadien hinaus – egal ob bisherige oder neue.

Eröffnung wefox Arena (damals LIPO Park), Schaffhausen (2017)
Tuilière, Lausanne (2020)

Ligaaufstockung plus Schottenmodus: Die «Kleinen» sind die Verlierer

Nach der Liga-Generalversammlung diese Woche kommt nun also letztendlich die bereits vorher beschlossene Ligaaufstockung auf 12 Teams zusammen mit dem «Schottenmodus». Diese beiden Neuerungen haben einen gemeinsamen Nenner: die «Kleinen» sind die Verlierer.

Die «Grossen» profitieren vom «Schottenmodus»

Es ist kein Zufall, dass mit YB die Nr.1 der letzten Jahre am meisten gegen die Playoffs geweibelt hat und die in der Meisterschaft seit Jahrzehnten chronisch erfolglosen Welschen und Tessiner Klubs fast geschlossen dafür waren. Playoffs hätten den «Kleinen» eine grössere Chance im Kampf um Meisterschaft und Europacup-Plätze gegeben. Auch der FCZ hätte vom Playoff-Modus sicherlich profitiert. In einzelnen wichtigen Spielen ist man in den letzten Jahren immer wieder über sich hinausgewachsen – und hatte mit Ausnahme der Zaubersaison 21/22 über eine volle Meisterschaft mit 36 Runden jeweils keine Chance auf Erfolg. Schottland wird seit Jahrzehnten, sicherlich nicht nur, aber auch wegen dem «Schottenmodus» von Celtic und Rangers dominiert.

Mit dem «Schottenmodus» werden die bestehenden Machtverhältnisse also tendenziell zementiert. Trotzdem war Züri Live genauso wie der FCZ und alle Fankurven gegen die Playoffs. Denn diese hätten uns eine extrem lange praktisch bedeutungslose «Aufwärmphase» von Juli bis April gebracht. Im Gegensatz zum Eishockey mit seinem «Best of 7» über drei Monate hätte die entscheidende Meisterschaftsphase im Schweizer Fussball nur ein paar wenige Tage gedauert. Sehr löblich zu erwähnen: FCZ-Präsident Ancillo Canepa hat wie schon zu seiner Zeit im Ligakomitee als einer von ganz wenigen Klubvertretern zu jedem Zeitpunkt in erster Linie an den Schweizer Fussball als Ganzes gedacht, und nicht an die Interessen des eigenen Klubs.

Nach Nati A-Aufstockung steht im Eishockey die Nati B vor dem Kollaps!

Bei der Frage der Playoffs auf der Seite der «Grossen» zu stehen war aus Züri Live-Sicht richtig. Bei der Ligagrösse hingegen nicht! Mit der Aufstockung auf 12 Teams wollen grössere Klubs wie FCZ, GC, St. Gallen, Luzern oder Sion die Abstiegsgefahr verkleinern. Die Super League «klaut» dafür der Challenge League ihre zwei besten Teams. Dadurch sinken Qualität, Zuschauerzahlen und Einnahmen in der zuletzt immer attraktiver werdenden zweithöchsten Liga. Im schlimmsten Fall bricht dem Schweizer Fussball so ein wettbewerbsfähiges Unterhaus weg, wo sich Nationalspieler wie Sommer, Akanji, Zakaria oder Freuler den letzten Schliff vor ihrem Durchbruch in der Super League holten. Zudem sind mehrere Spitzen-Juniorenorganisationen von Challenge League-Klubs so deutlich schwieriger zu finanzieren.

In welche Richtung es nach einer Super League-Aufstockung gehen kann, führt aktuell das Schweizer Eishockey plastisch vor Augen, wo nach Aufstockungen der obersten Liga auf 14 Teams die Nationalliga B (Swiss League, 10 Mannschaften) vor dem sportlichen und finanziellen Kollaps steht! Traditionsklubs wie SC Langenthal oder EHC Winterthur überlegen sich einen Rückzug. Ähnlich könnte es im Fussball bald Thun, Xamax, Aarau, Bellinzona oder Schaffhausen ergehen.  

Die «Kleinen» Profiklubs schneiden sich ins eigene Fleisch

Leider haben Schweizer Klubvertreter, Journalisten und Fans in den letzten Jahren bei all den Diskussionen um eher kosmetische Modusfragen viel zu wenig Zeit investiert, um die viel tiefgreifenderen Folgen einer Ligaaufstockung ernsthaft und ganzheitlich zu analysieren. Hätten sie dies getan, hätten viele kleine Profiklubs mit der Ligaaufstockung nicht eine Idee unterstützen können, die ihnen selbst letztendlich am meisten schaden wird.

Der Köder für die «Kleinen» sind die zwei zusätzlichen Plätze in der Super League. Der dafür zu bezahlende Preis einer Schwächung der Challenge League ist aber viel zu gross! Denn die meisten dieser kleinen Teams werden weiterhin mehr Zeit in der Challenge League, als in der Super League verbringen. Für 24 Profiklubs im Eishockey und 22 im Fussball (insgesamt 46) ist die Schweiz wahrscheinlich zu klein. Dass die Grenze im Fussball wohl bei 20 liegt, wurde in einer früheren von der Swiss Football League in Auftrag gegebenen Studie bereits einmal festgestellt. Und bei 20 ist die Formel 10+10 ideal.

Erhöhung Challenge League-Anteil an zentralen TV- und Marketing-Geldern auf 30-40% jetzt eine Notwendigkeit!

Man kann nur hoffen, dass die Klubvertreter auch mit dem Beispiel des Eishockeys vor Augen den Fehler einsehen und mittelfristig zum erfolgreichen 10+10 zurückkehren. Ansonsten sind schmerzhafte Einschnitte bei Qualität, Nationalmannschaft, Zuschauerzahlen, Arbeitsplätzen, Wettbewerbsfähigkeit und Juniorenförderung unvermeidlich. Um den Super-GAU zu vermeiden, sollten die Super League-Klubs als kurzfristige Massnahme ihre Kollegen in der Challenge League dafür entschädigen, dass sie ihnen ihre zwei besten Teams und damit wichtige Einnahmen «klauen».

Als Kompensation muss daher der prozentuale Anteil der Challenge League-Klubs an den TV- und Marketing-Geldern der Swiss Football League möglichst rasch von aktuell rund 20% auf 30-40% erhöht werden! Den Super League-Klubs bricht damit kein wesentlicher Einnahmenblock weg. Zumal für die Super League der «Schottenmodus» kommerziell deutlich attraktiver ist, als der zuvor im Raum stehende «Playoff-Modus» mit weniger Spielen, verringerter Planbarkeit und erhöhter Langeweile während den 10 Monaten bis zu den Playoffs. Für die durch die Super League-Aufstockung benachteiligten Challenge League-Klubs wäre es hingegen eine willkommene Entlastung.

Züri Live-Artikel vom 10.Mai 2022: SWISS FOOTBALL LEAGUE – 23 GRÜNDE GEGEN LIGA-AUFSTOCKUNG UND PLAYOFFS

SWISS FOOTBALL LEAGUE – 23 GRÜNDE GEGEN LIGA-AUFSTOCKUNG UND PLAYOFFS

Zum wiederholten Mal in den letzten Jahren wird in der Swiss Football League über eine Änderung des Ligaformates diskutiert. Dabei gibt es keinen Grund, das Erfolgsformat 10+10 aufzugeben. Die Aufstockung auf 12+10 und darauf aufbauende Überlegungen im Hinblick auf eine Zulassung von U21-Teams in der Challenge League hätten in allen Bereichen negative Auswirkungen auf den Schweizer Spitzenfussball: sportlich, wirtschaftlich, sicherheitstechnisch und auch im Bereich der Talentförderung.

1)   Never Change a Winning Format

Seit Einführung von 10+10 hat die Schweizer Nationalmannschaft mit Ausnahme von 2012 alle Endrunden erreicht. Die Spielzeit für eigene Junioren in der Super League ist dank der 10er-Liga von 10% auf aktuell 21,7% geradezu explodiert. Die Schweiz liegt in diesem Bereich europäisch unter den ersten drei. Die durchschnittlichen Zuschauerzahlen haben von rund 5’000 in der 16-er Liga, über 7’000 in der 12er-Liga auf 11’000 in der 10er-Liga zugenommen. Gemessen an der Einwohnerzahl ist dies auch im internationalen Vergleich ein sehr hoher Wert. Dieser Zuschaueraufschwung hat den Schweizer Profiklubs unter anderem ermöglicht, ihre Talentförderung massiv auszubauen mit heutigen Jahresbudgets der Akademien von bis zu 4 Mio Franken pro Jahr.

Die Schweiz hat zudem mit diesem Format ihren jungen Talenten für den Sprung in eine internationale Topliga eine ideale Plattform bieten können. In gewissen Saisons war die kleine und nicht als «Fussballnation» betrachtete Schweiz im Ausländerranking der Bundesliga sogar auf dem 1. Platz. Und trotz grossem Aderlass an eigenen Talenten und beschränkten finanziellen Mitteln hat es die Super League parallel auch noch geschafft, sich im Klubfussball meist in den Top 15 der UEFA-Fünfjahreswertung zu halten. Sogar Challenge League-Klubs (Lausanne-Sport, FC Zürich, Vaduz) waren europäisch kompetitiv.

2)   Tiefere Zuschauerzahlen vorprogrammiert

Eine grössere Liga geht fast schon automatisch einher mit einem kleineren Zuschauerschnitt. In Österreich haben durch die Ligavergrösserung die Zuschauerzahlen sogar abgenommen obwohl gleichzeitig die Wiener Grossklubs Rapid und Austria neue Stadien eröffnet haben. Egal nach welchem Modus: es gibt mehr Spiele gegen unattraktivere Gegner. Und da die Zuschauereinnahmen sowohl direkt wie auch indirekt (Sponsoren, Werbegelder) für die Schweizer Klubs essenziell sind, ist dies ein ganz wichtiges Argument gegen eine Ligavergrösserung.

3)   Deutlich weniger TV- und Verbandsgelder pro Klub

Mit neu 12 statt 10 Teilnehmern bleibt für jeden einzelnen Klub weniger aus den TV- und Verbandsgeldern übrig. Die Super League-Klubs müssen bei diesen Einnahmenposten mit einer Reduktion um 15-20% rechnen.   

4)   Talentförderung ist in 12er-Ligen kleiner

Die Super League mit aktuell 21,7% ist europaweit die Nummer 3 in Bezug auf den Einsatz von im Klub ausgebildeten Spielern. Der Mythos, dass eine 10er-Liga wegen «grösserem Druck auf die Trainer» zu einer Vernachlässigung des eigenen Nachwuchses führt, ist nachweislich falsch. Ganz im Gegenteil: die Statistik aller europäischen obersten Ligen zeigt, dass die Einsatzzeiten von Spielern aus dem eigenen Nachwuchs mit der Ligagrösse generell abnimmt! Der Unterschied zwischen 10er-Ligen (beinahe 20%) und 12er-Ligen (etwas mehr als 15%) ist dabei speziell gross. In Österreich beispielsweise stammen aktuell nur 18,2% der eingesetzten Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, in Schottland gar nur 10,8%.

Wenn, wie in einer 10er-Liga häufig der Fall, alle Teams während der ganzen Saison entweder im Kampf um die Meisterschaft, die Europacup-Plätze oder gegen den Abstieg involviert sind, bringt dies gerade die jungen Spieler in ihrer Persönlichkeitsentwicklung weiter. Tragende Säulen des Nationalteams der letzten Jahre wie Yann Sommer, Steven Zuber oder Tranquillo Barnetta wurden in jungen Jahren im Abstiegskampf gestählt. Geht es in einer Partie zwischen Mittelfeldteams hingegen um Nichts, dann ist die Intensität tief, und die Talente lernen kaum mehr als in einem Testspiel. Erst durch Widerstand und Druck entsteht aus Basiselementen ein Rohdiamant. Talente, die mental und fussballerisch das Zeug für eine Top-Liga mitbringen, werden in der Super League von ihren Trainern auch in schwierigen Situationen gepusht. Ein Ricardo Rodriguez oder Granit Xhaka haben schon mit 17 Jahren konstantere Leistungen auf den Platz gebracht als deutlich erfahrenere Teamkollegen.

5)   Nicht genügend Infrastrukturen und Potential für mehr als 20 Teams, sowie erhöhte Sicherheitsbedenken

Trotz temporärer Suspendierung einiger entscheidender Infrastrukturkriterien aufgrund der schwierigen Nach-COVID-Situation haben in erster Instanz nur 20 Klubs die Swiss Football League-Lizenz für die Saison 22/23 erhalten. Bei konsequenter Anwendung der Lizenzkriterien wären es vor allem die Super League betreffend sogar deutlich weniger gewesen. Trotzdem wird eine Aufstockung auf insgesamt 22 Klubs vorgeschlagen. Als würde die Realität des Schweizer Fussballs ignoriert. Vor einigen Jahren wurde in einer Studie eruiert, dass 20 Fussball-Profiteams angesichts der Grösse und Struktur eines Landes wie der Schweiz die obere Grenze des Möglichen und Finanzierbaren darstellen.

Das leicht grössere Österreich kam über 7’000 Zuschauer im Schnitt nie hinaus und kam zum Schluss, dass es nicht in der Lage ist, 20 Profiklubs zu unterhalten. Deshalb wurde mit der Re-Amateurisierung der 2. Liga ein Schritt zurück gemacht.  Die Schweiz kann zwei professionelle Ligen betreiben. Allerdings nur, wenn sie nicht zu gross sind. Um einen einigermassen sinnvollen Wettbewerb um den Aufstieg in die höchste Liga zu gewährleisten, müsste zudem mindestens die Hälfte der Challenge League-Klubs die (infrastrukturellen) Voraussetzungen für die Super League mitbringen, also insgesamt 12 + 5 = 17 Klubs. Dies ist aber nicht der Fall. Bei einer 12-er Super League müssten zudem 17 Klubs in Bezug auf Sektorentrennung, Installationen und Polizeiaufgebot in der Lage sein, im Ligabetrieb Gästeteams wie den FCB, den FCZ, YB oder St. Gallen empfangen zu können.

6)   Gefahr der Verknöcherung und fehlenden Abwechslung

Falls durch eine Aufstockung auf 12 Teams gewisse Klubs tatsächlich in der Regel von Abstiegssorgen befreit werden, führt dies zu einer Verknöcherung und einem zu geringen Konkurrenzdruck in der Liga. Auch würde es langweiliger werden, wenn ausser FCB und YB weitere Klubs quasi «unabsteigbar» würden und daher zum Inventar der obersten Spielklasse verkommen.

7)   Verwässerung des sportlichen Niveaus

Die Qualität einer Liga wird bestimmt durch die Qualität seiner Spieler. Eine Erste Liga, die aufgestockt wird, wird «von unten» aufgefüllt mit Teams und Spielern, die ansonsten in der Zweiten Liga gespielt hätten. Bei einem Profi-Kader von 25 Mann pro Team sind dies in einem virtuellen Ranking die Profis Nummer 251 bis 300 des Landes. Diese bleiben grundsätzlich auch durch den «Aufstieg am grünen Tisch» die Profis Nummer 251 bis 300. Sie werden nicht wie durch ein Wunder bessere Fussballer. Es ist eher so, dass die besten 100 Profis durch Spiele gegen diese schlechteren Mannschaften weniger stark gefordert werden und die Gefahr besteht, dass sie sich vom tieferen Rhythmus anstecken lassen. Letztendlich wird die durchschnittliche Qualität (Technik, Tempo, Intensität) der Liga tiefer als zuvor sein.

Dies gilt für alle Wettbewerbe jeder Sportart, national wie international. Die Champions League-K.O-Phase mit den besten 16 Teams hat ein höheres Niveau, als die Gruppenphase mit 32 Mannschaften. Den Unterschied bemerken sogar Fussball-Laien. Wäre die deutsche Bundesliga eine 10er-Liga, hätte sie ein Champions League-ähnliches Niveau. Von den Mannschaften 11-18 würden je die besten 3-4 Spieler zu den Top 10 Teams wechseln. Es wäre ein Fussball mit nochmal deutlich höherer Intensität, Tempo und besserer Technik als heute.

Warum setzt die Bundesliga dies dann nicht um? Erstens weil in einem so grossflächigen Land Grossregionen mit mehreren Millionen Einwohnern dann nicht mehr in der Bundesliga vertreten wären. Und Zweitens, weil keine der anderen grossen Ligen diesen Schritt bisher gewagt hat – und Deutschland daher im sportlichen Vergleich mit England, Spanien oder Italien aufgrund der Ligagrösse kein Wettbewerbsnachteil entsteht – sie haben im Gegenteil zurzeit sogar einen kleinen Vorteil. In einem grossen Land wie Deutschland ist zudem der Qualitätsunterschied zwischen dem zehntbesten und dem elftbesten Team des Landes nicht so gross wie in der Schweiz.

8)   Fussball darf nicht «planbar» werden!

Fussball «planbar» machen zu wollen ist ein Anachronismus. Der erfolgreichste Sport der Welt lebt von seiner Unplanbarkeit: Spannung, Überraschungen, Drama, Krisen und  Wiederauferstehung. Er ist eine moderne Passionsgeschichte. Planbarer Fussball ist wie ein Metallica-Konzert in Zimmerlautstärke oder ein Zirkus-Artist, der kein Risiko eingeht. Warum soll man sich als Zuschauer so etwas anschauen gehen und dafür bezahlen?  Für den Schweizer Fussball ist es sehr gut, dass 1,5 von 10 Mannschaften absteigen. Für die Klubverantwortlichen zugegeben nervenaufreibend, aber so soll es auch sein! Wenn viel auf dem Spiel steht, strömen die Zuschauer in Scharen. Die abgrundtiefe Enttäuschung, der Scherbenhaufen, die Radikalkur: das alles zieht Fussballfans in ihren Bann. Im Abstiegskampf kommen häufig ebenso viele Fans ins Stadion, wie bei Spielen um die Meisterschaft.

Profifussball gehört zur Unterhaltungsbranche und diese ist nicht geeignet für Führungskräfte und Mitarbeitende, die mit schnell wechselnden Gegebenheiten nicht zurechtkommen. Klubs wie St. Gallen oder der FCZ haben in den letzten Jahren vom Abstieg in die Challenge League profitiert. Sie konnten sich neu aufstellen, Ballast abwerfen, eine neue Nähe und Begeisterung bei den Fans entfachen und den Wiederaufstieg feiern. Niemand feiert hingegen einen 9. Platz in einer 12er-Liga. «Planbarkeit» in den Fussball bringen zu wollen, bringt Alltag, Bürokratie, Verknöcherung, Stillstand und eine reduzierte Lernfähigkeit. All dies ist schlecht für die internationale Wettbewerbsfähigkeit und den nationalen Unterhaltungsfaktor.

«Allein, weil man nicht absteigen kann, fehlt das Kribbeln im Bauch. Wenn man verliert, geht man nach Hause und denkt sich: Okay, nächste Woche haben wir wieder einen Match.»

(Blerim Dzemaili über die MLS)

9)   Die Challenge League ist gefährdet

Eine Ligavergrösserung der Super League hat auf die Challenge League grössere Auswirkungen, als auf die Super League selbst. Wenn man der Liga die besten zwei Teams wegnimmt, sinkt nicht nur die Qualität der Challenge League, sondern es fallen auch wichtige Einnahmequellen (zugkräftige Gegner) weg. Dazu kommt die sinkende Wahrscheinlichkeit, dass Klubs mit einer grossen Fanbasis wie St. Gallen, FCZ oder Luzern in gewissen Saisons die Challenge League zusätzlich beleben können. Die finanzielle Situation ist in jedem Land in der jeweils untersten Profiliga eng. Das ist beispielsweise in der Dritten Liga in Deutschland nicht anders, als in der Challenge League in der Schweiz. Diese Ligen funktionieren mittlerweile trotzdem gut.

Die Challenge League hat im Verhältnis zu Zweiten Ligen in vergleichbaren Ländern sogar einen sehr hohen Zuschauerschnitt. Eine Super League-Aufstockung könnte aber in der Challenge League zu solchen Mindereinnahmen führen, dass ihr Überleben als zweite Profiliga in Frage gestellt wird. Und dies könnte den Verfechtern einer totalen Verwässerung der zweithöchsten Liga durch die Zulassung von Reserve-Teams der reichen Klubs entscheidenden Auftrieb verleihen.

10) Finanzierung der Jugend-Akademien in mehreren Regionen gefährdet

Der Schweizerische Fussballverband und die Swiss Football League haben in den letzten Jahrzehnten ein ausgeklügeltes System entwickelt und immer weiter verfeinert, um den Nachwuchstalenten eine optimale Entwicklung zu ermöglichen. Die Anforderungen an die Akademien der Profiklubs in Sachen Professionalität der Ausbildung wurden dabei laufend erhöht – was Geld kostet. Dieses zusätzliche Geld konnten die Profiklubs nur dank den in den beiden 10er-Ligen in den letzten zwei Jahrzehnten gestiegenen Zuschauerzahlen und – einnahmen aufbringen.

Die Ligaaufstockung in der Super League (und allfällige Aufstockungen in der Challenge League) gefährdet speziell die wichtigen und grossen Nachwuchsabteilungen an Standorten wie Neuenburg, Aarau, Thun oder Winterthur. Dazu sind auch Wil, Kriens, Schaffhausen und Vaduz bis zu einer gewissen Stufe im Juniorenspitzenfussball des Schweizerischen Fussballverbandes engagiert. Die Mittel dazu werden durch den Profibetrieb generiert. Wenn ein solcher nicht mehr aufrechterhalten werden kann, verliert die Schweiz wichtige Standorte und Ausbildungsplätze für Fussballtalente.

11)   Hunderte von Arbeitsplätzen gefährdet

Kann die Challenge League als Profiliga nicht mehr aufrechterhalten werden, verlieren hunderte von Menschen ihre Arbeitsstelle. Die Zahl der Profiklubs wird dann von 20 auf 12, 14 oder 16 reduziert. Hunderte von Fussballern, Physiotherapeuten, Profi- und Spitzenjuniorentrainer sowie Angestellte der Administration der Klubs verlieren ihren Job. Zudem fallen zusätzlich viele Teilzeit- und Gelegenheitsjobs weg.

12)   Abstieg in Challenge League brutaler

Eine «amputierte» Challenge League würde für einen Super League-Absteiger einen brutaleren Aufprall bedeuten. Die sportliche und finanzielle Differenz zwischen den Ligen wäre so gross, dass ein Abstieg wirklich die Existenz gefährden könnte. Es wäre fast nicht mehr möglich, in der Challenge League eine Mannschaft mit Super League-Potential aufzubauen. Man müsste einen radikalen Schnitt machen und käme aus der sich daraus ergebenden Negativspirale von sinkender Qualität, Einnahmen und Zuschauerinteresse womöglich auch nicht mehr heraus.

13)   Fehlende Stufe in der Talententwicklung

Ein Talent braucht für eine optimale Entwicklung eine nahtlose Treppe, in welcher er Jahr für Jahr Stufe um Stufe nehmen kann. Entscheidend ist, dass jede Stufe vorhanden und für das Talente offen ist. Es gibt zwar Jahrzehnttalente, die den Sprung direkt aus der U18 zum Stammspieler der Super League schaffen, aber solche Fälle sind eine äusserst seltene Ausnahme. Viele Talente benötigen zudem zwischen der Reserve und der Super League den Zwischenschritt in einer tieferen Profiliga wie der Challenge League.

Das Schweizer System setzt erfolgreich darauf, dass die besten Talente möglichst früh durch Widerstände wachsen lernen. Die besten Mädchen spielen möglichst lange bei den Jungs mit und die talentiertesten Jungs möglichst früh bei den Männern. Mit 16 kann ein Talent bereits reif genug für die 1. Liga sein, mit 17 wäre er dann bereit für die Promotion League, mit 18 für die Challenge League und mit 19 für die Super League. Ein Klub, der wie aktuell GC, Luzern oder St. Gallen seine Reserve-Equipe in der 1. Liga engagiert hat, besitzt gegenüber dem FCB, FCZ oder Sion den Vorteil, ein Talent möglicherweise bereits ein Jahr früher gegen Männer in Wettbewerbsspielen einsetzen zu können.  

Für die Stufe Challenge League bieten sich für Talente aus Super League-Klubs dann Leihtransfers an, wie dies zuletzt der FCZ und YB sehr erfolgreich praktiziert haben. Der gleiche Weg ist aber auch über Transfers möglich, wie bei Zeki Amdouni, der von Meyrin über Stade Lausanne-Ouchy (SLO) zu Lausanne-Sport gewechselt ist. Vor seinem Engagement bei SLO wäre der Schritt in eine Super League-Equipe für Amdouni noch zu gross gewesen. Wäre die Challenge League allerdings keine Profiliga, dann wäre dieser Schritt für Amdouni wiederum zu klein gewesen! Er hätte in eine mit der heutigen Challenge League vergleichbare Liga wechseln müssen – und solche Optionen gäbe es dann nur noch im Ausland – zum Beispiel die Prva Liga (Erste Liga Sloweniens).

14)   Die Nationalmannschaft braucht eine starke Challenge League und Super League

Auf Stufe der U19-, U20- und U21-Nationalmannschaften hat die Schweiz im Vergleich zu vielen europäischen Ländern den grossen Vorteil, viele Spieler aufbieten zu können, die Stammspieler in der Challenge League sind und somit Woche für Woche Wettbewerbspartien gegen Profis bestreiten. Dies während bei den Gegnern eine grosse Anzahl von Talenten in dieser entscheidenden Phase ihrer Entwicklung immer noch hauptsächlich gegen andere Junioren- und Reserveteams Partien bestreiten, bei welchen die Resultate zweitranging sind.

Ein Drittel der heutigen Nationalmannschaft (Sommer, Akanji, Schär, Widmer, Zakaria, Freuler,…) hat einen wichtigen Schritt ihrer Entwicklung in der Challenge League gemacht. Das hohe Niveau durch den Profibetrieb der Zweiten Schweizer Liga war dabei ein entscheidender Faktor, um auf dem Weg in die Super League und später europäische Top-Ligen ein Schritt nach dem anderen nehmen zu können. Genauso ist es wichtig, dass beim darauffolgenden Schritt «Super League» das Niveau möglichst hoch ist, was bei einer 10er-Liga stärker gewährleistet ist, als bei einer 12-er Liga.

15)   Die Super League braucht eine starke Challenge League

Seit dem Start der 10er-Liga 2003 ist nur drei Mal ein Aufsteiger in der ersten Saison wieder abgestiegen (zwei Mal Vaduz, ein Mal Yverdon). Eine starke Challenge League bringt Abwechslung in den Schweizer Fussball, weil sie eine Zweiklassengesellschaft verhindert. Vor allem aber erhöht der Druck von unten die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Qualität der Super League und ihrer Spieler. Als Analogie auf einer höheren Stufe: Paris St-Germain scheitert selbst mit den besten Spielern und Trainern der Welt in der Champions League auch deshalb immer wieder, weil sie in der heimischen Liga im Vergleich zu spanischen oder englischen Spitzenteams weniger gefordert werden.

16)   Beispiel Österreich

Die Zuschauerzahlen in Österreich sind seit den Ligaaufstockungen (Bundesliga: 12, 2. Liga: 16) und der Zulassung von Reserve-Teams in der 2. Liga stark gesunken. Obwohl die Wiener Grossklubs Rapid und Austria ihre langersehnten neuen Stadien haben eröffnen können, sank der Zuschauerschnitt in der Bundesliga von rund 7’000 auf 6’000. In der 2. Liga haben sich die Zuschauerzahlen durch die Aufstockung sogar halbiert – von rund 1’800 auf 900. Die beiden Spielklassen haben nun nur noch rund die Hälfte des Zuschauerschnittes in der Schweiz. Dies obwohl Österreich im Vergleich etwas mehr Einwohner, eine deutlich eindrücklichere Fussballtradition und keine Konkurrenz durch eine zweite grosse Publikumssportart wie das Schweizer Eishockey hat.

Auch die Qualität speziell der 2. Liga ist durch die Ligaaufstockung in der Saison 18/19 stark gesunken. Beispiel: Haris Tabakovic war in den letzten zwei Saisons viertbester und bester Torschütze der Liga, nachdem er zuvor weder in der Challenge League noch in Ungarn Stammspieler gewesen war. Trotzdem spielen nur noch vier Reserve-Teams in der 2. Liga und zwei davon, Young Violets und Juniors Oberösterreich, stehen aktuell (Mai 2022) auf einem Abstiegsplatz. Nur Rapid II und Liefering (Salzburg) werden sich wohl noch in der Liga halten können. Liefering ist die grosse Ausnahmeerscheinung. Dank einem der weltweit besten und teuersten Ausbildungs- und Scoutingsysteme kann sich die Salzburg-Filiale mit einer reinen U21-Mannschaft weiterhin ohne Probleme in der 2. Liga halten. Juniors Oberösterreich hat hingegen sechs Spieler, die über dem U21-Alter sind, bei Rapid II sind es gar elf und bei den Young Violets zwölf! Das Konzept mit U21-Teams in der zweithöchsten Liga funktioniert also eigentlich nur für Salzburg. Einzelne Spieler gezielt in die 2. Liga auszuleihen würde sowohl sportlich wie auch finanziell für alle Anderen mehr Sinn ergeben.

Auch bei der zuletzt relativ erfolgreichen Phase im Europacup profitiert die Österreichische Liga in erster Linie von Salzburg. Trainer aus der Salzburg-Schule wie Adi Hütter und Peter Zeidler haben auch Schweizer Klubs auf ein höheres Niveau gehoben, und in Österreichischen Klubs gibt es natürlich noch viel mehr solche Coaches. Dasselbe kann man über die Spieler sagen. Die Schweiz profitiert bei Noah Okafor, Philipp Köhn und Bryan Okoh von Salzburg, Österreich bei noch deutlich mehr Spielern aus dieser Akademie, die dann mit Teams wie LASK auch im Europacup Erfolge feiern können. Die Modusumstellung hat Österreich hingegen auf sehr vielen Ebenen geschadet.

17)   Reserve-Teams in zweithöchster Liga schaden deutlich mehr als dass sie nützen

Reserve-Teams der Spitzenklubs in der zweithöchsten Liga mitspielen zu lassen, wird als Massnahme zur Talentförderung verkauft. Das Gegenteil wäre aber der Fall. Und zwar aus folgenden Gründen:

  • Eine solche Liga hätte zu wenig Zuschauer und Einnahmen, um sie auf Profi-Niveau betreiben zu können. Die Gegner dieser U21-Teams wären also vergleichbar mit heutigen guten Promotion League-Mannschaften. Das ist ein zu tiefes Niveau für potentielle künftige Nati-Stützen vom Schlage eines Yann Sommer, Manuel Akanji oder Denis Zakaria im Alter von 18 Jahren, kurz bevor sie Super League-tauglich werden. Sie benötigen zu diesem Zeitpunkt Spielpraxis in einer Profiliga, die vom Niveau her knapp unter der Super League situiert ist.
  • Gleichzeitig hat selbst ein FCB, YB oder ein FCZ nicht genug Talente in einer Altersgruppe, die auf zweithöchster Stufe eine kompetitive Mannschaft bilden könnten. Der FCZ, FCB, YB und Sion kommen bereits in der heutigen drittklassigen Promotion League nicht ohne erfahrene Verstärkungsspieler aus. In einer zweithöchsten Spielklasse müssten die Reserve-Teams möglicherweise die Hälfte der Mannschaft mit abgehalfterten früheren Super League-Profis besetzen: teuer und unnötig. Eine Reserve-Mannschaft, die auf tieferer Stufe spielt (beispielsweise 1. Liga) kann hingegen zu 100% mit eigenen Junioren antreten. In der heutigen Promotion League braucht es etwa zwei Verstärkungsspieler. Aus jeder Altersgruppe eines Klubs wie FCB, YB oder FCZ können es 1-3 Spieler nachhaltig in die obersten zwei Ligen schaffen. Jeder dieser Spieler braucht individuelle Lösungen und Betreuung. Nur für diese 1-3 Spieler aber ein ganzes Reserve-Team (25 Mann) mit Ach und Krach in der zweithöchsten Liga halten zu wollen, macht keinen Sinn.
  • Die Schweiz hat ein föderalistischeres System als beispielsweise Österreich mit mehr Klubs und Regionen, die in der Spitzenjuniorenausbildung an vorderster Front engagiert sind. 14 Klubs haben das volle Programm bis hinauf zur U21 (Reserve-Team). Die Mehrheit dieser Klubs wäre aber mit keinem Reserve-Team in der Zweiten Liga vertreten und könnte auch keine Spieler an die Amateurklubs der Zweiten Liga ausleihen, weil diese keine Profibedingungen aufweisen würden. Die zweithöchste Ligastufe wäre also für Talente aus der Mehrheit der Schweizer Jugendakademien komplett verschlossen. Sinnvolle Entwicklungsschritte Saison für Saison wie bei Sommer, Freuler, Zakaria, Akanji und Co: würden stark erschwert oder gar verunmöglicht.

18) Weniger Spiele (gegen Top-Klubs)

Durch eine Ligavergrösserung gibt es je nach Modus weniger Spiele und mit Sicherheit für den durchschnittlichen Super League-Klub weniger Partien gegen zugkräftige Gegner. Dies wird zu Mindereinnahmen führen. Warum sich zusätzlich zur Rückzahlung der COVID-Kredite noch weitere finanzielle Handicaps aufhalsen?

19)   Weniger verkaufte Saisonkarten

Die Einführung von Playoffs könnte mittelfristig zu einem Rückgang des Saisonkartenverkaufs führen. Der harte Kern wird zwar immer alle Wettbewerbspartien des eigenen Klubs sehen wollen, aber viele aus dem erweiterten Kreis von Sympathisanten werden sich bezüglich Stadionbesuch mehr und mehr auf die (wenigen) Playoff-Partien fokussieren.  

20)   Verlust der nationalen Vormachtstellung der Super League 

Die Super League hat heute in der Schweiz eine Vormachtstellung inne. Da es vom ersten Spieltag an um (voll zählende) Punkte geht, ist die Super League Woche für Woche von Juli bis Dezember und im Februar die Nummer 1 in Sachen TV- und Medienpräsenz im Schweizer Sport. Ab März beginnen im Eishockey die Playoffs und im Fussball ab März / April die heisse Endphase der Saison mit meist mehreren noch offenen Entscheidungen. In dieser Zeit sind Fussball und Eishockey in Sachen Medienpräsenz etwa gleichmässig vertreten.

Mit der Einführung von Playoffs gibt der Fussball seine Vormachtstellung während einem grossen Teil des Jahres leichtfertig auf. Die grosse Mehrheit der Spiele werden eine deutlich geringere Bedeutung und Aufmerksamkeit erhalten als heute. Man kann bis zu einem gewissen Grad von einer Verlängerung der Sommervorbereitung bis in den darauffolgenden April sprechen. Und dann wird innerhalb eines einzigen Monates alles entschieden. Es ist der gleiche Monat, in welchem weiterhin parallel auch der Eishockey-Final (Best of Seven) stattfindet.

Dass unter diesen Voraussetzungen das über viele Monate geringere Interesse innerhalb weniger Wochen durch eine «grenzenlose Playoff-Euphorie» in Sachen Einnahmen noch kompensiert werden könnte, ist höchst fraglich. Zumal es für die Mehrheit der Teams im Gegensatz zum Eishockey im Playoff nur um einen Europacup-Platz geht! Die Super League-Zuschauerzahlen sind schon heute für ein so kleines Land wie die Schweiz an der oberen Grenze des Erwartbaren. Im Eishockey dauert die Playoff-Phase immerhin satte drei Monate. Das Eishockey hat Playoffs, weil Nordamerika in diesem Sport das «Nonplusultra» ist. Und die kleineren Sportarten wie Handball, Basketball, Unihockey oder Volleyball haben spezielle Events und Playoffs eingeführt, um zumindest an einzelnen Tagen im Jahr zu Live-TV-Übertragungen zu kommen. Der Fussball hingegen hat Playoffs in Sachen Medienaufmerksamkeit nicht nötig. Im Gegenteil: es könnte ein Schuss ins eigene Knie werden.

Wer würde bei geringerem Interesse für die Super League von Juli bis April In die Bresche springen? Sicherlich die ausländischen Top-Ligen. Fussballinteressierte Schweizer (speziell die Jungen) werden sich am TV noch viel stärker auf Deutschland, England, Frankreich oder Italien fokussieren. Denn dort geht es in jedem Spiel von Anfang Saison an um entscheidende Punkte für die Meisterschaft. Ausserdem werden kleinere Schweizer Sportarten, Ligen und Events versuchen, in das durch den Fussball hinterlassene Vakuum vorzustossen – mit zusätzlichen Spezial-Events in dieser Zeit.  

21)   Qualität der Spiele und der Talententwicklung sinkt

Nicht nur die Medienaufmerksamkeit wird von Juli bis April abnehmen, sondern auch die Qualität der Spiele. Die Partie FC Zürich – Lausanne-Sport vom letzten Wochenende ist ein Beispiel, wie Super League-Fussball mehrheitlich aussehen wird, wenn es in den meisten Partien um wenig bis nichts geht: langsam, fehlerhaft, uninspiriert. So etwas wäre nicht nur schlecht für die Attraktivität der Liga, sondern auch für die Talentförderung. Mit der 10er-Liga liegt die Super League gemäss internationalen Studien hingegen bezüglich Intensität und Laufbereitschaft im europäischen Vergleich weit vorne. Die Spiele sind grösstenteils attraktiv.  

22)   Sportliche Fairness fehlt

«Über eine ganze Saison gleicht sich Glück und Pech aus». Diese tröstliche Erkenntnis gilt bei einem Playoff-System nicht mehr, speziell bei einem Best-of-3 oder gar Best-of-2 Modus. Einzelne Verletzungen, Sperren oder Fehlentscheidungen können eine ganze Saison kaputt machen. Die sportliche Fairness ist bei weitem nicht mehr im gleichen Mass gewährleistet, wie bei einer normalen Saison mit drei Punkten pro Spiel.

23) Schlechteres UEFA Ranking

Wenn der Zehntplatzierte durch gute Tagesform in einem einzelnen Spiel noch einen Europacupplatz ergattern kann, dann hat dies mittel- bis langfristig negative Auswirkungen auf das UEFA-Ranking der Super League.

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