Foda setzt auf Speed: Bodø/Glimt – FCZ Matchblatt und Vorschau (Züri Live)

Riesen-Zahnbürsten und Blitze nördlich des Polarkreises (SRF)

Es ist der 14. Europacup-Heimsieg Bodös in Folge. Das Team von Coach Knutsen hat dabei schon klarere Resultate wie beispielsweise ein 6:1 gegen Mourinho’s AS Roma gefeiert. Über Jahrzehnte hat der fussballerische Leuchtturm des Nordens auch innerhalb Norwegens gegen die Übermacht aus dem Süden des Landes um Akzeptanz und Gleichberechtigung kämpfen müssen. Eine Stärke des aktuellen Teams ist, dass sie sowohl offensiv wie auch defensiv gemeinsam und sehr überlegt agieren, und immer in Bewegung bleiben. Es kommt nie Hektik auf. Es wird immer schon ein, zwei Schritte vorausgedacht und dem Gegner kaum mal eine Gelegenheit gegeben, in Zweikämpfe zu kommen. So bauen sie ihre Dominanz des Raumes auf – unter anderem auch durch optimales Ausnutzen der Beschaffenheit ihres heimischen Kunstrasens. Der Gegner wird phasenweise zu einer gewissen Passivität verdammt.

Blerim Dzemailis Leistungseinbrüche nach der Pause

Der FCZ spielt erstmals in seiner Vereingeschichte nördlich des Polarkreises. Sowohl Bodö als auch der FCZ standen speziell in der 1. Halbzeit häufig hoch und setzten den Gegner unter Druck. Für das Team von Kjetil Knuden muss es schon etwas überraschend gewesen sein, wie gut sich die Gäste aus der Schweiz vor allem dank der fussballerischen Qualitäten von Torhüter Yanick Brecher jeweils aus der Umklammerung lösen konnten. Die Innenverteidiger standen dabei im Spielaufbau sehr breit, was den Aussenverteidigern erlaubte, hoch zu stehen in Räumen, die von Bodös 4-3-3 Pressing nicht abgedeckt wurden. Brechers F¨ähigkeit, seine Aussenverteidger immer wieder mit präzisen hohen Bällen über den norwegischen Dreimannsturm hinweg anzuspielen, hebelte das Pressing Bodös weitgehend aus. Es war insgesamt basierend auf der Züri Live-Durchschnittsnote der eingesetzten Spieler nach dem Sion-Heimspiel die zweitbeste Erste Halbzeit der bisherigen Saison! Auch damals stand es 0:0 zur Pause – und am Ende verlor der FCZ die Partie.

Nach der Pause liess speziell Blerim Dzemail stark nach, weshalb die defensive Kompaktheit schnell zusammenbrach und Bodö den Raum zentral vor dem Zürcher Strafraum eroberten und mit Diagonalläufen sowie Seitenwechseln beliebig bespielen konnten. Dzemaili vermochte seinen Gegenspieler Saltnes auch nicht am Kopfball zum 1:0 in der 54. Minute (von Selnaes noch zusätzlich abgefälscht) zu hindern. Bis zu seiner Auswechslung in der 71. Minute unterliefen Dzemaili Defensivschnitzer im Dreiminutentakt. So stand er beispielsweise in der 65. Minute Vetlesen im eigenen Strafraum ungeschickt auf den Fuss und hatte Glück, dass von Schiedsrichterin Frappart kein Pfiff ertönte. Bereits in der 25. Minute hätte allerdings der FCZ nach Eingreifen von Torhüter Hajkin gegen den anstürmenden Tosin ebenfalls einen Penalty zugesprochen erhalten können oder vielleicht sogar müssen.

Leistungen im Europacup weiterhin besser als in der Meisterschaft

Die letzten zehn Minuten der Partie plus Nachspielzeit gehörten dem FCZ. Auch weil bei Bodö durch die Wechsel die Qualität sank. Der in der Regel im Zentrum eingesetzte Grönbaek blieb auf dem Flügel blass. Der ebenfalls von einer Verletzung zurückgekehrte Eliteserien-Torschützenkönig Pellegrino fand noch nicht so gut in den Flow wie sein Pendant Solbakken. Und Amundsen agierte in der Innenverteidigung deutlich wackeliger als Lode. Der eingewechselte Donis Avdijaj erzielte mit einem Kunstschuss in der 81. Minute den Anschlusstreffer. Der gegen seine Landsleute top-motivierte und sich von Spiel zu Spiel steigernde Ole Selnaes (Stammverein: Rosenborg) hatte den Ball zurückerobert und beim Assist Übersicht bewiesen. Vier Minuten später hätte Avdijaj nach grandioser Boranijasevic-Flanke eigentlich den Ausgleich erzielen müssen – aber Mitspieler Ivan Santini kam ihm in die Quere. Insgesamt war es mit Durchschnittsnote 6,1 einer der besseren Auftritte des FCZ in dieser Vorrunde und typisch für die allgemein besseren Leistungen im Europacup im Vergleich zur Meisterschaft.

Personalien

  • Yanick Brecher: Erstmals in dieser Saison MVP dank ausgezeichneter Offensivleistung, sehr gute Spielauslösung gegen hoch stehenden Gegner.
  • Nikola Boranijasevic: Ist erstmals in dieser Saison bester Spieler der Zweiten Halbzeit. Kurbelt die FCZ-Angriffe über rechts an.
  • Blerim Dzemaili: Noch nie in dieser Saison hat ein Spieler so viele Defensiv-Minuspunkte gesammelt wie Dzemaili in dieser Partie. Es ist also der defensiv bisher fehlerhafteste Auftritt. Das grösste Problem ist jeweils die Zweite Halbzeit. In den letzten vier Partien holte Dzemaili in der Zweiten Halbzeit drei Mal die Tiefstnote „1“. Seine häufig schon vor der Pause ungenügende Performance bricht nach dem Spielunterbruch regelmässig ein.
  • Ole Selnaes: Erneut ein Assist wie in Genf. Steigert sich von Spiel zu Spiel. Als Rosenborg-Zögling speziell motiviert gegen die Landsleute aus dem Norden.
  • Fabian Rohner: Kann seine Chance in der Startformation nicht überzeugend nutzen. In manchen Aktionen zu wenig proaktiv und direkt.
  • Jonathan Okita: keine einzige Abschlussbeteiligung bis zur 53. Minute. Macht dann aber “aus dem Nichts“ in der 62. Minute mit einem Schuss an die Lattenunterkante beinahe das Anschlusstor.
  • Aiyegun Tosin: Bis zu seiner Auswechslung in der 81. Minute mit einer Ausnahme an allen Abschlüssen beteiligt. Die letzten zehn Minuten auf dem Flügel eingesetzt.
  • Bohdan Vyunnik: Erstmals Defensiv bester Spieler. In der 71. Minute als Mittelstürmer eingewechselt, ab der 81. Minute auf dem Rechten Flügel.
  • Cheick Condé: In der Rückwärtsbewegung seit einigen Partien zu wenig konsequent. Muss defensiv mehr mitarbeiten. An der Qualität liegt es nicht.

Randnotiz

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Südkurve in Bodö



Heute tritt der FC Zürich zum nördlichsten Wettbewerbsspiel seiner 126-jährigen Vereinsgeschichte an, nördlich des Polarkreises in der 40’000-Einwohnerstadt Bodø (von der Grösse her vergleichbar mit Thun oder Bellinzona). Es ist gleichzeitig auch das erste Europacupspiel gegen eine norwegische Mannschaft. Dies nach Duellen mit Teams aus Schweden (Malmö FF 1973), Dänemark (AB Gladsaxe 1968, Bröndby IF 2005), Finnland (Turku PS 1976) und Island (IB Akureyri 1970). Die Duelle mit dänischen und schwedischen Opponenten verliefen dabei jeweils ausgeglichen – gegen Turku PS und IB Akureyri setzte sich der FCZ in den 70er-Jahren klar durch. Bodø liegt auch aus norwegischer Perspektive weit abgelegen im Norden. Bis 1963 durften Teams aus dem Norden nicht am Norwegischen Cup-Wettbewerb teilnehmen und bis 1972 nicht in die oberste Liga aufsteigen. Selbst danach gab es für Nordklubs zusätzliche Hürden zu bewältigen. Sie wurden pauschal nicht als kompetitiv betrachtet – dazu kamen die Umstände der weiten Anreise für das Gros der norwegischen Elite.

Über vier Duelle besser als der Conference League-Sieger

1975 gewann Bodø/Glimt als erster Klub aus dem Norden Norwegens den Cup (als Zweitligist) und vor zwei Jahren im Herbst 2020 erstmals die Meisterschaft. Wie der FCZ spielten die in Gelb auftretenden Nordländer vor nicht allzu langer Zeit noch in der zweithöchsten Liga – und zwar in der Saison 2018. In Norwegen geht eine Fussballsaison von Anfang April bis Mitte November. 2022 musste / durfte Bodø dank der Erfolge im Europacup schon Mitte Februar mit den erfolgreichen Sechzehntelfinal-Duellen gegen Celtic (zwei klare Siege) starten. Und die AS Roma lag gegen Bodø/Glimt ebenfalls „im Koma“. Wie in der Saison, als der FCZ ebenfalls „Celtic Glasgow“ schlug.

Das Team um Trainer José Mourinho verlor letzten Oktober im Aspmyra Stadion diskussionslos mit 1:6 und erreichte gegen die Nordnorweger auch im Olimpico nur ein 2:2. Im Viertelfinal traf man im April dann gleich nochmal aufeinander. Bodø siegte im Aspmyra erneut – diesmal mit 2:1. In Rom gabs dann aber nach einem weiten Trip nach Sandefjord am Wochenende dazwischen eine 0:4-Niederlage. Bodø gewann also eigentlich das Duell mit dem späteren Conference League-Sieger insgesamt mit zwei Siegen, einem Unentschieden und einer Niederlage.

Rückschlag im Nordderby / Josip Drmic zerstört Bodøs Champions League-Träume

Im Unterschied zum FCZ schaffte es Bodø bisher, seine erfolgreiche Phase nicht nur auf eine Saison zu beschränken, sondern sogar auszubauen. Gleich nach dem Wiederaufstieg erreichten die „Blitze“ (Glimt) sensationell Platz 2 in der Liga. Niemand dachte, dass sie dies wiederholen könnten. Aber Glimt toppte es sogar mit dem allerersten Meistertitel im 2020 – und dies gleich mit 19 Punkten Vorsprung! Die Überlegenheit war so gross, dass man Stürmer Jens Petter Hauge noch während der laufenden Saison zur AC Milan transferieren konnte. Auch nach dem Titel waren Fussballexperten skeptisch, ob Glimt die darauffolgende Saison vorne mitspielen können würde. Resultat: der Titel wurde verteidigt. Diesmal mit “nur“ drei Punkten Vorsprung.

In der aktuell laufenden und stark durch den Europacup geprägten Saison liegt Bodø/Glimt auf dem 3. Platz, welcher wieder zur Europacup-Teilnahme berechtigen würde. Meister wird wohl wieder Molde, der beste norwegische Klub der letzten Jahre (voraussichtlich zum sechsten Mal in Folge unter den besten zwei). Zuletzt hat Glimt in der Meisterschaft nicht nur gegen Molde, sondern anschliessend auch noch bei Tromsø IL verloren. Es war die erste Niederlage im Nord-Derby seit 2018 und auch das erste Mal seit jenem Jahr, dass zwei Ligaspiele in Folge verloren gingen. Und ausgerechnet der vom FCZ stammende Josip Drmic hat mit seinem Tor und Assist für Dinamo Zagreb in der Verlängerung des Rückspiels im „Maksimir“ die Champions League-Träume von Glimt zunichte gemacht.

Unterschied Bodø vs. FCZ: kostspielige Transfers und Meistertrainer Knudsen bleibt

Bodø/Glimt ist im Duell mit dem FCZ aber natürlich klar zu favorisieren. Die Gesamt-Form, die Konstanz, die deutlich torgefährlicheren Offensivkräfte, die Europacup-Erfolge und der Heimvorteil sprechen für die nördlichen Blitze. Wenn man Sonderfall Becir Omeragic (zur Zeit völlig ausser Form und meist aussen vor) nicht mitrechnet, haben beide Klubs einen vergleichbaren Marktwert auf transfermarkt.ch. Bodø spielt im 4-3-3 eindeutig auf Ballbesitz, trägt dem Ball Sorge. Das Knudsen-Team vermag immer wieder auch Gegner von grossem Kaliber hinten hineinzudrängen und nutzt dies dann mit entscheidenden Einzelvorstössen über 10 bis 20 Meter oder Hereingaben von der Seite (häufig an den nahen Pfosten) aus.

Gegen den FCZ kehren zudem die beiden angeschlagen gewesenen stärksten Offensivkräfte wieder ins Team zurück: Rechtsfuss Pellegrino spielt auf dem linken Flügel, Linksfuss Solbakken auf rechts. Beide gehörten zu den besten Torschützen der abgelaufenen Conference League. Deren Ersatzleute Mouka (rechts) und Grønbaek (links) sind aber ebenfalls stark. Grønbaek wurde aus dem dänischen Aarhus für satte 3 Millionen Franken verpflichtet (Vertrag bis 2027!), Eigengewächs Berg von Lens für einen noch höheren Betrag zurückgeholt. Das sind höhere Beträge, als sie der FCZ zahlen kann. Die Europacupgelder werden bei Glimt sofort wieder investiert. Ein weiterer grosser Unterschied zum FCZ: Erfolgstrainer Kjetil Knudsen ist trotz verlockender Angebote (unter anderem aus Top-Ligen) in Bodø geblieben und hat erst grad wieder seinen Vertrag verlängert.

Kehrt das Duo Infernale Pellegrino / Solbakken in die Startformation zurück?

Ausser dem erfahrenen Innenverteidiger Moe sind bei Glimt alle wieder an Bord. Wird Knudsen sein Traumduo Pellegrino / Solbakken gleich wieder von Anfang an bringen? Der FCZ muss den ballführenden Gegenspieler immer unter Druck setzen – egal ob aus einer tieferen oder höheren Position. Glimt ist gut darin, ein Nachlassen in dieser Hinsicht sofort auszunutzen. Offensiv hat der FCZ eine Chance mit schnellen, direkten Gegenstössen durch die Mitte gegen nicht aussergewöhnlich schnelle Glimt-Verteidiger.  

Erhält Vyunnik wieder eine Chance?

Der FCZ ist zuletzt zwei Mal hintereinander im 4-4-2 angetreten. Da Bodø/Glimt mit der gleichen taktischen Aufstellung wie der letzte Gegner Servette spielt, ist dies auch in Norwegen eine Option – vor allem in der Variation als 4-2-3-1 – um im Mittelfeldzentrum nicht in Unterzahl zu geraten. Zuletzt war Bohdan Vyunnik aussen vor. In der Statistik „Punkte pro Spiel“ ist der Ukrainer in der aktuellen Saison bisher der Beste beim FC Zürich (abgesehen von den nur im Cup eingesetzten Kostadinovic und Hodza). Ole Selnaes hatte als Eigengewächs von Rosenborg mit 1 Sieg, 1 Niederlage und 1 Unentschieden in seinen jungen Jahren eine ausgeglichene Bilanz gegen Bodø/Glimt.

Matchblatt: Solbakken startet, Pellegrino nicht

Die Matchblätter sind draussen! Bei Glimt beginnt tatsächlich Ola Solbakken nach längerer verletzungsbedingter Abwesenheit in der Startformation, Amahl Pellegrino sitzt hingegen vorerst auf der Bank. Linksfuss Solbakken wird vermutlich wie üblich über Rechts kommen, der junge Rechtsfuss Mugisha Mvuka, der zuletzt in der Regel rechts eingesetzt worden ist, spielt dadurch links. Gemäss Matchblatt tauschen auch die Aussenverteidiger Sampsted und Wembangomo die Seiten, aber das wäre ziemlich aussergewöhnlich. Der ebenfalls erfahrene Lode ersetzt Stamm-Innenverteidiger Amundsen. Im Mittelfeldzentrum wählt Coach Knudsen mit Berg für Grönbaek die etwas defensivere Variante. Im Sturmzentrum erhält Salvesen vor Espejord den Vorzug.

Matchblatt: Foda setzt auf Speed

Beim FCZ setzt Trainer Foda wie üblich im Europacup im Zentrum auf Erfahrung – und nicht auf Schnelligkeit und Power. Selnaes und Dzemaili beginnen. Coach Knudsen hat an der Pressekonferenz gesagt, dass sie die Schwachstellen beim FCZ ausnutzen wollen. Dazu gehören sicherlich die Defensivprobleme im Zentrum mit dem Duo Selnaes / Dzemaili. Vorne assistiert der gegen Arsenal stark spielende Krasniqi Aiyegun Tosin. Selmin Hodza ist mit auf der Bank dabei. Auf den Aussen beginnen Rohner und Okita und damit setzt Foda vor allem aufgrund der Personalie Rohner auf Speed. Mit Rohner und ohne Aliti – und damit Guerrero weiter hinten – ist es eine ziemlich mutige Aufstellung.