Zum wiederholten Mal in den letzten Jahren wird in der Swiss Football League über eine Änderung des Ligaformates diskutiert. Dabei gibt es keinen Grund, das Erfolgsformat 10+10 aufzugeben. Die Aufstockung auf 12+10 und darauf aufbauende Überlegungen im Hinblick auf eine Zulassung von U21-Teams in der Challenge League hätten in allen Bereichen negative Auswirkungen auf den Schweizer Spitzenfussball: sportlich, wirtschaftlich, sicherheitstechnisch und auch im Bereich der Talentförderung.

1)   Never Change a Winning Format

Seit Einführung von 10+10 hat die Schweizer Nationalmannschaft mit Ausnahme von 2012 alle Endrunden erreicht. Die Spielzeit für eigene Junioren in der Super League ist dank der 10er-Liga von 10% auf aktuell 21,7% geradezu explodiert. Die Schweiz liegt in diesem Bereich europäisch unter den ersten drei. Die durchschnittlichen Zuschauerzahlen haben von rund 5’000 in der 16-er Liga, über 7’000 in der 12er-Liga auf 11’000 in der 10er-Liga zugenommen. Gemessen an der Einwohnerzahl ist dies auch im internationalen Vergleich ein sehr hoher Wert. Dieser Zuschaueraufschwung hat den Schweizer Profiklubs unter anderem ermöglicht, ihre Talentförderung massiv auszubauen mit heutigen Jahresbudgets der Akademien von bis zu 4 Mio Franken pro Jahr.

Die Schweiz hat zudem mit diesem Format ihren jungen Talenten für den Sprung in eine internationale Topliga eine ideale Plattform bieten können. In gewissen Saisons war die kleine und nicht als «Fussballnation» betrachtete Schweiz im Ausländerranking der Bundesliga sogar auf dem 1. Platz. Und trotz grossem Aderlass an eigenen Talenten und beschränkten finanziellen Mitteln hat es die Super League parallel auch noch geschafft, sich im Klubfussball meist in den Top 15 der UEFA-Fünfjahreswertung zu halten. Sogar Challenge League-Klubs (Lausanne-Sport, FC Zürich, Vaduz) waren europäisch kompetitiv.

2)   Tiefere Zuschauerzahlen vorprogrammiert

Eine grössere Liga geht fast schon automatisch einher mit einem kleineren Zuschauerschnitt. In Österreich haben durch die Ligavergrösserung die Zuschauerzahlen sogar abgenommen obwohl gleichzeitig die Wiener Grossklubs Rapid und Austria neue Stadien eröffnet haben. Egal nach welchem Modus: es gibt mehr Spiele gegen unattraktivere Gegner. Und da die Zuschauereinnahmen sowohl direkt wie auch indirekt (Sponsoren, Werbegelder) für die Schweizer Klubs essenziell sind, ist dies ein ganz wichtiges Argument gegen eine Ligavergrösserung.

3)   Deutlich weniger TV- und Verbandsgelder pro Klub

Mit neu 12 statt 10 Teilnehmern bleibt für jeden einzelnen Klub weniger aus den TV- und Verbandsgeldern übrig. Die Super League-Klubs müssen bei diesen Einnahmenposten mit einer Reduktion um 15-20% rechnen.   

4)   Talentförderung ist in 12er-Ligen kleiner

Die Super League mit aktuell 21,7% ist europaweit die Nummer 3 in Bezug auf den Einsatz von im Klub ausgebildeten Spielern. Der Mythos, dass eine 10er-Liga wegen «grösserem Druck auf die Trainer» zu einer Vernachlässigung des eigenen Nachwuchses führt, ist nachweislich falsch. Ganz im Gegenteil: die Statistik aller europäischen obersten Ligen zeigt, dass die Einsatzzeiten von Spielern aus dem eigenen Nachwuchs mit der Ligagrösse generell abnimmt! Der Unterschied zwischen 10er-Ligen (beinahe 20%) und 12er-Ligen (etwas mehr als 15%) ist dabei speziell gross. In Österreich beispielsweise stammen aktuell nur 18,2% der eingesetzten Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, in Schottland gar nur 10,8%.

Wenn, wie in einer 10er-Liga häufig der Fall, alle Teams während der ganzen Saison entweder im Kampf um die Meisterschaft, die Europacup-Plätze oder gegen den Abstieg involviert sind, bringt dies gerade die jungen Spieler in ihrer Persönlichkeitsentwicklung weiter. Tragende Säulen des Nationalteams der letzten Jahre wie Yann Sommer, Steven Zuber oder Tranquillo Barnetta wurden in jungen Jahren im Abstiegskampf gestählt. Geht es in einer Partie zwischen Mittelfeldteams hingegen um Nichts, dann ist die Intensität tief, und die Talente lernen kaum mehr als in einem Testspiel. Erst durch Widerstand und Druck entsteht aus Basiselementen ein Rohdiamant. Talente, die mental und fussballerisch das Zeug für eine Top-Liga mitbringen, werden in der Super League von ihren Trainern auch in schwierigen Situationen gepusht. Ein Ricardo Rodriguez oder Granit Xhaka haben schon mit 17 Jahren konstantere Leistungen auf den Platz gebracht als deutlich erfahrenere Teamkollegen.

5)   Nicht genügend Infrastrukturen und Potential für mehr als 20 Teams, sowie erhöhte Sicherheitsbedenken

Trotz temporärer Suspendierung einiger entscheidender Infrastrukturkriterien aufgrund der schwierigen Nach-COVID-Situation haben in erster Instanz nur 20 Klubs die Swiss Football League-Lizenz für die Saison 22/23 erhalten. Bei konsequenter Anwendung der Lizenzkriterien wären es vor allem die Super League betreffend sogar deutlich weniger gewesen. Trotzdem wird eine Aufstockung auf insgesamt 22 Klubs vorgeschlagen. Als würde die Realität des Schweizer Fussballs ignoriert. Vor einigen Jahren wurde in einer Studie eruiert, dass 20 Fussball-Profiteams angesichts der Grösse und Struktur eines Landes wie der Schweiz die obere Grenze des Möglichen und Finanzierbaren darstellen.

Das leicht grössere Österreich kam über 7’000 Zuschauer im Schnitt nie hinaus und kam zum Schluss, dass es nicht in der Lage ist, 20 Profiklubs zu unterhalten. Deshalb wurde mit der Re-Amateurisierung der 2. Liga ein Schritt zurück gemacht.  Die Schweiz kann zwei professionelle Ligen betreiben. Allerdings nur, wenn sie nicht zu gross sind. Um einen einigermassen sinnvollen Wettbewerb um den Aufstieg in die höchste Liga zu gewährleisten, müsste zudem mindestens die Hälfte der Challenge League-Klubs die (infrastrukturellen) Voraussetzungen für die Super League mitbringen, also insgesamt 12 + 5 = 17 Klubs. Dies ist aber nicht der Fall. Bei einer 12-er Super League müssten zudem 17 Klubs in Bezug auf Sektorentrennung, Installationen und Polizeiaufgebot in der Lage sein, im Ligabetrieb Gästeteams wie den FCB, den FCZ, YB oder St. Gallen empfangen zu können.

6)   Gefahr der Verknöcherung und fehlenden Abwechslung

Falls durch eine Aufstockung auf 12 Teams gewisse Klubs tatsächlich in der Regel von Abstiegssorgen befreit werden, führt dies zu einer Verknöcherung und einem zu geringen Konkurrenzdruck in der Liga. Auch würde es langweiliger werden, wenn ausser FCB und YB weitere Klubs quasi «unabsteigbar» würden und daher zum Inventar der obersten Spielklasse verkommen.

7)   Verwässerung des sportlichen Niveaus

Die Qualität einer Liga wird bestimmt durch die Qualität seiner Spieler. Eine Erste Liga, die aufgestockt wird, wird «von unten» aufgefüllt mit Teams und Spielern, die ansonsten in der Zweiten Liga gespielt hätten. Bei einem Profi-Kader von 25 Mann pro Team sind dies in einem virtuellen Ranking die Profis Nummer 251 bis 300 des Landes. Diese bleiben grundsätzlich auch durch den «Aufstieg am grünen Tisch» die Profis Nummer 251 bis 300. Sie werden nicht wie durch ein Wunder bessere Fussballer. Es ist eher so, dass die besten 100 Profis durch Spiele gegen diese schlechteren Mannschaften weniger stark gefordert werden und die Gefahr besteht, dass sie sich vom tieferen Rhythmus anstecken lassen. Letztendlich wird die durchschnittliche Qualität (Technik, Tempo, Intensität) der Liga tiefer als zuvor sein.

Dies gilt für alle Wettbewerbe jeder Sportart, national wie international. Die Champions League-K.O-Phase mit den besten 16 Teams hat ein höheres Niveau, als die Gruppenphase mit 32 Mannschaften. Den Unterschied bemerken sogar Fussball-Laien. Wäre die deutsche Bundesliga eine 10er-Liga, hätte sie ein Champions League-ähnliches Niveau. Von den Mannschaften 11-18 würden je die besten 3-4 Spieler zu den Top 10 Teams wechseln. Es wäre ein Fussball mit nochmal deutlich höherer Intensität, Tempo und besserer Technik als heute.

Warum setzt die Bundesliga dies dann nicht um? Erstens weil in einem so grossflächigen Land Grossregionen mit mehreren Millionen Einwohnern dann nicht mehr in der Bundesliga vertreten wären. Und Zweitens, weil keine der anderen grossen Ligen diesen Schritt bisher gewagt hat – und Deutschland daher im sportlichen Vergleich mit England, Spanien oder Italien aufgrund der Ligagrösse kein Wettbewerbsnachteil entsteht – sie haben im Gegenteil zurzeit sogar einen kleinen Vorteil. In einem grossen Land wie Deutschland ist zudem der Qualitätsunterschied zwischen dem zehntbesten und dem elftbesten Team des Landes nicht so gross wie in der Schweiz.

8)   Fussball darf nicht «planbar» werden!

Fussball «planbar» machen zu wollen ist ein Anachronismus. Der erfolgreichste Sport der Welt lebt von seiner Unplanbarkeit: Spannung, Überraschungen, Drama, Krisen und  Wiederauferstehung. Er ist eine moderne Passionsgeschichte. Planbarer Fussball ist wie ein Metallica-Konzert in Zimmerlautstärke oder ein Zirkus-Artist, der kein Risiko eingeht. Warum soll man sich als Zuschauer so etwas anschauen gehen und dafür bezahlen?  Für den Schweizer Fussball ist es sehr gut, dass 1,5 von 10 Mannschaften absteigen. Für die Klubverantwortlichen zugegeben nervenaufreibend, aber so soll es auch sein! Wenn viel auf dem Spiel steht, strömen die Zuschauer in Scharen. Die abgrundtiefe Enttäuschung, der Scherbenhaufen, die Radikalkur: das alles zieht Fussballfans in ihren Bann. Im Abstiegskampf kommen häufig ebenso viele Fans ins Stadion, wie bei Spielen um die Meisterschaft.

Profifussball gehört zur Unterhaltungsbranche und diese ist nicht geeignet für Führungskräfte und Mitarbeitende, die mit schnell wechselnden Gegebenheiten nicht zurechtkommen. Klubs wie St. Gallen oder der FCZ haben in den letzten Jahren vom Abstieg in die Challenge League profitiert. Sie konnten sich neu aufstellen, Ballast abwerfen, eine neue Nähe und Begeisterung bei den Fans entfachen und den Wiederaufstieg feiern. Niemand feiert hingegen einen 9. Platz in einer 12er-Liga. «Planbarkeit» in den Fussball bringen zu wollen, bringt Alltag, Bürokratie, Verknöcherung, Stillstand und eine reduzierte Lernfähigkeit. All dies ist schlecht für die internationale Wettbewerbsfähigkeit und den nationalen Unterhaltungsfaktor.

«Allein, weil man nicht absteigen kann, fehlt das Kribbeln im Bauch. Wenn man verliert, geht man nach Hause und denkt sich: Okay, nächste Woche haben wir wieder einen Match.»

(Blerim Dzemaili über die MLS)

9)   Die Challenge League ist gefährdet

Eine Ligavergrösserung der Super League hat auf die Challenge League grössere Auswirkungen, als auf die Super League selbst. Wenn man der Liga die besten zwei Teams wegnimmt, sinkt nicht nur die Qualität der Challenge League, sondern es fallen auch wichtige Einnahmequellen (zugkräftige Gegner) weg. Dazu kommt die sinkende Wahrscheinlichkeit, dass Klubs mit einer grossen Fanbasis wie St. Gallen, FCZ oder Luzern in gewissen Saisons die Challenge League zusätzlich beleben können. Die finanzielle Situation ist in jedem Land in der jeweils untersten Profiliga eng. Das ist beispielsweise in der Dritten Liga in Deutschland nicht anders, als in der Challenge League in der Schweiz. Diese Ligen funktionieren mittlerweile trotzdem gut.

Die Challenge League hat im Verhältnis zu Zweiten Ligen in vergleichbaren Ländern sogar einen sehr hohen Zuschauerschnitt. Eine Super League-Aufstockung könnte aber in der Challenge League zu solchen Mindereinnahmen führen, dass ihr Überleben als zweite Profiliga in Frage gestellt wird. Und dies könnte den Verfechtern einer totalen Verwässerung der zweithöchsten Liga durch die Zulassung von Reserve-Teams der reichen Klubs entscheidenden Auftrieb verleihen.

10) Finanzierung der Jugend-Akademien in mehreren Regionen gefährdet

Der Schweizerische Fussballverband und die Swiss Football League haben in den letzten Jahrzehnten ein ausgeklügeltes System entwickelt und immer weiter verfeinert, um den Nachwuchstalenten eine optimale Entwicklung zu ermöglichen. Die Anforderungen an die Akademien der Profiklubs in Sachen Professionalität der Ausbildung wurden dabei laufend erhöht – was Geld kostet. Dieses zusätzliche Geld konnten die Profiklubs nur dank den in den beiden 10er-Ligen in den letzten zwei Jahrzehnten gestiegenen Zuschauerzahlen und – einnahmen aufbringen.

Die Ligaaufstockung in der Super League (und allfällige Aufstockungen in der Challenge League) gefährdet speziell die wichtigen und grossen Nachwuchsabteilungen an Standorten wie Neuenburg, Aarau, Thun oder Winterthur. Dazu sind auch Wil, Kriens, Schaffhausen und Vaduz bis zu einer gewissen Stufe im Juniorenspitzenfussball des Schweizerischen Fussballverbandes engagiert. Die Mittel dazu werden durch den Profibetrieb generiert. Wenn ein solcher nicht mehr aufrechterhalten werden kann, verliert die Schweiz wichtige Standorte und Ausbildungsplätze für Fussballtalente.

11)   Hunderte von Arbeitsplätzen gefährdet

Kann die Challenge League als Profiliga nicht mehr aufrechterhalten werden, verlieren hunderte von Menschen ihre Arbeitsstelle. Die Zahl der Profiklubs wird dann von 20 auf 12, 14 oder 16 reduziert. Hunderte von Fussballern, Physiotherapeuten, Profi- und Spitzenjuniorentrainer sowie Angestellte der Administration der Klubs verlieren ihren Job. Zudem fallen zusätzlich viele Teilzeit- und Gelegenheitsjobs weg.

12)   Abstieg in Challenge League brutaler

Eine «amputierte» Challenge League würde für einen Super League-Absteiger einen brutaleren Aufprall bedeuten. Die sportliche und finanzielle Differenz zwischen den Ligen wäre so gross, dass ein Abstieg wirklich die Existenz gefährden könnte. Es wäre fast nicht mehr möglich, in der Challenge League eine Mannschaft mit Super League-Potential aufzubauen. Man müsste einen radikalen Schnitt machen und käme aus der sich daraus ergebenden Negativspirale von sinkender Qualität, Einnahmen und Zuschauerinteresse womöglich auch nicht mehr heraus.

13)   Fehlende Stufe in der Talententwicklung

Ein Talent braucht für eine optimale Entwicklung eine nahtlose Treppe, in welcher er Jahr für Jahr Stufe um Stufe nehmen kann. Entscheidend ist, dass jede Stufe vorhanden und für das Talente offen ist. Es gibt zwar Jahrzehnttalente, die den Sprung direkt aus der U18 zum Stammspieler der Super League schaffen, aber solche Fälle sind eine äusserst seltene Ausnahme. Viele Talente benötigen zudem zwischen der Reserve und der Super League den Zwischenschritt in einer tieferen Profiliga wie der Challenge League.

Das Schweizer System setzt erfolgreich darauf, dass die besten Talente möglichst früh durch Widerstände wachsen lernen. Die besten Mädchen spielen möglichst lange bei den Jungs mit und die talentiertesten Jungs möglichst früh bei den Männern. Mit 16 kann ein Talent bereits reif genug für die 1. Liga sein, mit 17 wäre er dann bereit für die Promotion League, mit 18 für die Challenge League und mit 19 für die Super League. Ein Klub, der wie aktuell GC, Luzern oder St. Gallen seine Reserve-Equipe in der 1. Liga engagiert hat, besitzt gegenüber dem FCB, FCZ oder Sion den Vorteil, ein Talent möglicherweise bereits ein Jahr früher gegen Männer in Wettbewerbsspielen einsetzen zu können.  

Für die Stufe Challenge League bieten sich für Talente aus Super League-Klubs dann Leihtransfers an, wie dies zuletzt der FCZ und YB sehr erfolgreich praktiziert haben. Der gleiche Weg ist aber auch über Transfers möglich, wie bei Zeki Amdouni, der von Meyrin über Stade Lausanne-Ouchy (SLO) zu Lausanne-Sport gewechselt ist. Vor seinem Engagement bei SLO wäre der Schritt in eine Super League-Equipe für Amdouni noch zu gross gewesen. Wäre die Challenge League allerdings keine Profiliga, dann wäre dieser Schritt für Amdouni wiederum zu klein gewesen! Er hätte in eine mit der heutigen Challenge League vergleichbare Liga wechseln müssen – und solche Optionen gäbe es dann nur noch im Ausland – zum Beispiel die Prva Liga (Erste Liga Sloweniens).

14)   Die Nationalmannschaft braucht eine starke Challenge League und Super League

Auf Stufe der U19-, U20- und U21-Nationalmannschaften hat die Schweiz im Vergleich zu vielen europäischen Ländern den grossen Vorteil, viele Spieler aufbieten zu können, die Stammspieler in der Challenge League sind und somit Woche für Woche Wettbewerbspartien gegen Profis bestreiten. Dies während bei den Gegnern eine grosse Anzahl von Talenten in dieser entscheidenden Phase ihrer Entwicklung immer noch hauptsächlich gegen andere Junioren- und Reserveteams Partien bestreiten, bei welchen die Resultate zweitranging sind.

Ein Drittel der heutigen Nationalmannschaft (Sommer, Akanji, Schär, Widmer, Zakaria, Freuler,…) hat einen wichtigen Schritt ihrer Entwicklung in der Challenge League gemacht. Das hohe Niveau durch den Profibetrieb der Zweiten Schweizer Liga war dabei ein entscheidender Faktor, um auf dem Weg in die Super League und später europäische Top-Ligen ein Schritt nach dem anderen nehmen zu können. Genauso ist es wichtig, dass beim darauffolgenden Schritt «Super League» das Niveau möglichst hoch ist, was bei einer 10er-Liga stärker gewährleistet ist, als bei einer 12-er Liga.

15)   Die Super League braucht eine starke Challenge League

Seit dem Start der 10er-Liga 2003 ist nur drei Mal ein Aufsteiger in der ersten Saison wieder abgestiegen (zwei Mal Vaduz, ein Mal Yverdon). Eine starke Challenge League bringt Abwechslung in den Schweizer Fussball, weil sie eine Zweiklassengesellschaft verhindert. Vor allem aber erhöht der Druck von unten die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Qualität der Super League und ihrer Spieler. Als Analogie auf einer höheren Stufe: Paris St-Germain scheitert selbst mit den besten Spielern und Trainern der Welt in der Champions League auch deshalb immer wieder, weil sie in der heimischen Liga im Vergleich zu spanischen oder englischen Spitzenteams weniger gefordert werden.

16)   Beispiel Österreich

Die Zuschauerzahlen in Österreich sind seit den Ligaaufstockungen (Bundesliga: 12, 2. Liga: 16) und der Zulassung von Reserve-Teams in der 2. Liga stark gesunken. Obwohl die Wiener Grossklubs Rapid und Austria ihre langersehnten neuen Stadien haben eröffnen können, sank der Zuschauerschnitt in der Bundesliga von rund 7’000 auf 6’000. In der 2. Liga haben sich die Zuschauerzahlen durch die Aufstockung sogar halbiert – von rund 1’800 auf 900. Die beiden Spielklassen haben nun nur noch rund die Hälfte des Zuschauerschnittes in der Schweiz. Dies obwohl Österreich im Vergleich etwas mehr Einwohner, eine deutlich eindrücklichere Fussballtradition und keine Konkurrenz durch eine zweite grosse Publikumssportart wie das Schweizer Eishockey hat.

Auch die Qualität speziell der 2. Liga ist durch die Ligaaufstockung in der Saison 18/19 stark gesunken. Beispiel: Haris Tabakovic war in den letzten zwei Saisons viertbester und bester Torschütze der Liga, nachdem er zuvor weder in der Challenge League noch in Ungarn Stammspieler gewesen war. Trotzdem spielen nur noch vier Reserve-Teams in der 2. Liga und zwei davon, Young Violets und Juniors Oberösterreich, stehen aktuell (Mai 2022) auf einem Abstiegsplatz. Nur Rapid II und Liefering (Salzburg) werden sich wohl noch in der Liga halten können. Liefering ist die grosse Ausnahmeerscheinung. Dank einem der weltweit besten und teuersten Ausbildungs- und Scoutingsysteme kann sich die Salzburg-Filiale mit einer reinen U21-Mannschaft weiterhin ohne Probleme in der 2. Liga halten. Juniors Oberösterreich hat hingegen sechs Spieler, die über dem U21-Alter sind, bei Rapid II sind es gar elf und bei den Young Violets zwölf! Das Konzept mit U21-Teams in der zweithöchsten Liga funktioniert also eigentlich nur für Salzburg. Einzelne Spieler gezielt in die 2. Liga auszuleihen würde sowohl sportlich wie auch finanziell für alle Anderen mehr Sinn ergeben.

Auch bei der zuletzt relativ erfolgreichen Phase im Europacup profitiert die Österreichische Liga in erster Linie von Salzburg. Trainer aus der Salzburg-Schule wie Adi Hütter und Peter Zeidler haben auch Schweizer Klubs auf ein höheres Niveau gehoben, und in Österreichischen Klubs gibt es natürlich noch viel mehr solche Coaches. Dasselbe kann man über die Spieler sagen. Die Schweiz profitiert bei Noah Okafor, Philipp Köhn und Bryan Okoh von Salzburg, Österreich bei noch deutlich mehr Spielern aus dieser Akademie, die dann mit Teams wie LASK auch im Europacup Erfolge feiern können. Die Modusumstellung hat Österreich hingegen auf sehr vielen Ebenen geschadet.

17)   Reserve-Teams in zweithöchster Liga schaden deutlich mehr als dass sie nützen

Reserve-Teams der Spitzenklubs in der zweithöchsten Liga mitspielen zu lassen, wird als Massnahme zur Talentförderung verkauft. Das Gegenteil wäre aber der Fall. Und zwar aus folgenden Gründen:

  • Eine solche Liga hätte zu wenig Zuschauer und Einnahmen, um sie auf Profi-Niveau betreiben zu können. Die Gegner dieser U21-Teams wären also vergleichbar mit heutigen guten Promotion League-Mannschaften. Das ist ein zu tiefes Niveau für potentielle künftige Nati-Stützen vom Schlage eines Yann Sommer, Manuel Akanji oder Denis Zakaria im Alter von 18 Jahren, kurz bevor sie Super League-tauglich werden. Sie benötigen zu diesem Zeitpunkt Spielpraxis in einer Profiliga, die vom Niveau her knapp unter der Super League situiert ist.
  • Gleichzeitig hat selbst ein FCB, YB oder ein FCZ nicht genug Talente in einer Altersgruppe, die auf zweithöchster Stufe eine kompetitive Mannschaft bilden könnten. Der FCZ, FCB, YB und Sion kommen bereits in der heutigen drittklassigen Promotion League nicht ohne erfahrene Verstärkungsspieler aus. In einer zweithöchsten Spielklasse müssten die Reserve-Teams möglicherweise die Hälfte der Mannschaft mit abgehalfterten früheren Super League-Profis besetzen: teuer und unnötig. Eine Reserve-Mannschaft, die auf tieferer Stufe spielt (beispielsweise 1. Liga) kann hingegen zu 100% mit eigenen Junioren antreten. In der heutigen Promotion League braucht es etwa zwei Verstärkungsspieler. Aus jeder Altersgruppe eines Klubs wie FCB, YB oder FCZ können es 1-3 Spieler nachhaltig in die obersten zwei Ligen schaffen. Jeder dieser Spieler braucht individuelle Lösungen und Betreuung. Nur für diese 1-3 Spieler aber ein ganzes Reserve-Team (25 Mann) mit Ach und Krach in der zweithöchsten Liga halten zu wollen, macht keinen Sinn.
  • Die Schweiz hat ein föderalistischeres System als beispielsweise Österreich mit mehr Klubs und Regionen, die in der Spitzenjuniorenausbildung an vorderster Front engagiert sind. 14 Klubs haben das volle Programm bis hinauf zur U21 (Reserve-Team). Die Mehrheit dieser Klubs wäre aber mit keinem Reserve-Team in der Zweiten Liga vertreten und könnte auch keine Spieler an die Amateurklubs der Zweiten Liga ausleihen, weil diese keine Profibedingungen aufweisen würden. Die zweithöchste Ligastufe wäre also für Talente aus der Mehrheit der Schweizer Jugendakademien komplett verschlossen. Sinnvolle Entwicklungsschritte Saison für Saison wie bei Sommer, Freuler, Zakaria, Akanji und Co: würden stark erschwert oder gar verunmöglicht.

18) Weniger Spiele (gegen Top-Klubs)

Durch eine Ligavergrösserung gibt es je nach Modus weniger Spiele und mit Sicherheit für den durchschnittlichen Super League-Klub weniger Partien gegen zugkräftige Gegner. Dies wird zu Mindereinnahmen führen. Warum sich zusätzlich zur Rückzahlung der COVID-Kredite noch weitere finanzielle Handicaps aufhalsen?

19)   Weniger verkaufte Saisonkarten

Die Einführung von Playoffs könnte mittelfristig zu einem Rückgang des Saisonkartenverkaufs führen. Der harte Kern wird zwar immer alle Wettbewerbspartien des eigenen Klubs sehen wollen, aber viele aus dem erweiterten Kreis von Sympathisanten werden sich bezüglich Stadionbesuch mehr und mehr auf die (wenigen) Playoff-Partien fokussieren.  

20)   Verlust der nationalen Vormachtstellung der Super League 

Die Super League hat heute in der Schweiz eine Vormachtstellung inne. Da es vom ersten Spieltag an um (voll zählende) Punkte geht, ist die Super League Woche für Woche von Juli bis Dezember und im Februar die Nummer 1 in Sachen TV- und Medienpräsenz im Schweizer Sport. Ab März beginnen im Eishockey die Playoffs und im Fussball ab März / April die heisse Endphase der Saison mit meist mehreren noch offenen Entscheidungen. In dieser Zeit sind Fussball und Eishockey in Sachen Medienpräsenz etwa gleichmässig vertreten.

Mit der Einführung von Playoffs gibt der Fussball seine Vormachtstellung während einem grossen Teil des Jahres leichtfertig auf. Die grosse Mehrheit der Spiele werden eine deutlich geringere Bedeutung und Aufmerksamkeit erhalten als heute. Man kann bis zu einem gewissen Grad von einer Verlängerung der Sommervorbereitung bis in den darauffolgenden April sprechen. Und dann wird innerhalb eines einzigen Monates alles entschieden. Es ist der gleiche Monat, in welchem weiterhin parallel auch der Eishockey-Final (Best of Seven) stattfindet.

Dass unter diesen Voraussetzungen das über viele Monate geringere Interesse innerhalb weniger Wochen durch eine «grenzenlose Playoff-Euphorie» in Sachen Einnahmen noch kompensiert werden könnte, ist höchst fraglich. Zumal es für die Mehrheit der Teams im Gegensatz zum Eishockey im Playoff nur um einen Europacup-Platz geht! Die Super League-Zuschauerzahlen sind schon heute für ein so kleines Land wie die Schweiz an der oberen Grenze des Erwartbaren. Im Eishockey dauert die Playoff-Phase immerhin satte drei Monate. Das Eishockey hat Playoffs, weil Nordamerika in diesem Sport das «Nonplusultra» ist. Und die kleineren Sportarten wie Handball, Basketball, Unihockey oder Volleyball haben spezielle Events und Playoffs eingeführt, um zumindest an einzelnen Tagen im Jahr zu Live-TV-Übertragungen zu kommen. Der Fussball hingegen hat Playoffs in Sachen Medienaufmerksamkeit nicht nötig. Im Gegenteil: es könnte ein Schuss ins eigene Knie werden.

Wer würde bei geringerem Interesse für die Super League von Juli bis April In die Bresche springen? Sicherlich die ausländischen Top-Ligen. Fussballinteressierte Schweizer (speziell die Jungen) werden sich am TV noch viel stärker auf Deutschland, England, Frankreich oder Italien fokussieren. Denn dort geht es in jedem Spiel von Anfang Saison an um entscheidende Punkte für die Meisterschaft. Ausserdem werden kleinere Schweizer Sportarten, Ligen und Events versuchen, in das durch den Fussball hinterlassene Vakuum vorzustossen – mit zusätzlichen Spezial-Events in dieser Zeit.  

21)   Qualität der Spiele und der Talententwicklung sinkt

Nicht nur die Medienaufmerksamkeit wird von Juli bis April abnehmen, sondern auch die Qualität der Spiele. Die Partie FC Zürich – Lausanne-Sport vom letzten Wochenende ist ein Beispiel, wie Super League-Fussball mehrheitlich aussehen wird, wenn es in den meisten Partien um wenig bis nichts geht: langsam, fehlerhaft, uninspiriert. So etwas wäre nicht nur schlecht für die Attraktivität der Liga, sondern auch für die Talentförderung. Mit der 10er-Liga liegt die Super League gemäss internationalen Studien hingegen bezüglich Intensität und Laufbereitschaft im europäischen Vergleich weit vorne. Die Spiele sind grösstenteils attraktiv.  

22)   Sportliche Fairness fehlt

«Über eine ganze Saison gleicht sich Glück und Pech aus». Diese tröstliche Erkenntnis gilt bei einem Playoff-System nicht mehr, speziell bei einem Best-of-3 oder gar Best-of-2 Modus. Einzelne Verletzungen, Sperren oder Fehlentscheidungen können eine ganze Saison kaputt machen. Die sportliche Fairness ist bei weitem nicht mehr im gleichen Mass gewährleistet, wie bei einer normalen Saison mit drei Punkten pro Spiel.

23) Schlechteres UEFA Ranking

Wenn der Zehntplatzierte durch gute Tagesform in einem einzelnen Spiel noch einen Europacupplatz ergattern kann, dann hat dies mittel- bis langfristig negative Auswirkungen auf das UEFA-Ranking der Super League.

„Offense wins games, defense wins championships“ ist ein geflügeltes Wort aus dem amerikanischen Profisport, welches häufig auch auf den Fussball angewendet wird. Urs Meier war diese Saison schon zwei Mal bei Züri Live (Derby-3:3 und Luzern-4:0) und schwärmte von den Offensivspielern „seiner“ FCZ-Mannschaft. Dieses offensiv-orientierte Team hat tatsächlich auch ein paar grosse Spiele wie den Cupfinal 2014 gegen den FCB oder in der Europa League gegen Villarreal gewonnen. Das Auswärtsspiel hatte der FCZ nach vier Djimsiti-Fehlern in Spanien klar verloren. Im Heimspiel konnte Meier Marcelino, den damaligen Trainer des aktuellen Europa League-Gewinners und zweifachen Champions League-Halbfinalisten, taktisch auf dem falschen Fuss erwischen. Dies trug zu einer frühen 3:2-Führung bei, die bis zum Ende der Partie hielt.

Ohne Defence – kein Championship!

Für die Meisterschaft hat es hingegen dem geflügelten Wort entsprechend nicht gereicht. In jener Saison 14/15 habe die Mannschaft den Titel in den Beinen gehabt, war im Züri Live-Podcast Nummer 2 Davide Chiumiento überzeugt. Man war bis im November an der Spitze dabei, bis zum Foul des ehemaligen FCB-Juniors Sandro Wieser an Gilles Yapi im Brügglifeld. Das zweite defensive Gewissen, Burim Kukeli, spürte zudem nach zwei Jahren Verletzungspause immer noch die Spätfolgen des Fouls des ebenfalls ehemaligen FCB-Juniors Simon Grether in einem Testspiel 2012 und fand nicht mehr auf sein altes Niveau. Ohne gute Defence – kein Championship!

FCZ heute im Gegensatz zur Meier-Ära ohne defensiv unterdurchschnittliche „Offensivstars“

Meier erklärt auch, dass er mit diesem „fast schon Überangebot“ an offensivorientierten Spielern wie Chikhaoui, Chiumiento, Buff, Gavranovic, Etoundi, Chermiti oder Sadiku nicht eine Taktik mit einer sicheren Deckung als Basis habe implementieren können. Im Gegensatz zu André Breitenreiter heute, möchte man anmerken, der ein Team ohne „Offensivstars“ zu einer gerade auch defensiv starken solidarischen Einheit formen konnte – und nahe am ersten Meistertitel seit 2009 steht. Es wäre der 13. bei aktuell 13 Punkten Vorsprung an einem Ort, der für den 13. Mai bekannt ist.

Pechsträhne nach starker Vorrunde 14/15 hängt als Damoklesschwert über dem Saisonstart 15/16

Man muss Urs Meier zustimmen, dass in der Saison 2014/15 wirklich einiges zusammenkam, was gegen den FCZ lief. Meier erwähnt den Afrika-Cup im Januar mit dem Skandalspiel Äquatorialguinea – Tunesien, von welchem sich die mit Titelhoffnungen nach Westafrika gereisten FCZ-Tunesier lange nicht hätten erholen können. Es kam eine beispiellose Serie an Fehlentscheiden hinzu, die in der heutigen VAR-Zeit in dieser Häufung kaum noch denkbar wäre. Trotzdem gelangen dem FCZ in dieser Saison rekordhohe fünf Derbysiege und mit dem 3. Platz erreichte man die Europa League-Qualifikation. Die in vielerlei Hinsicht unbefriedigende Rückrunde trug Meier dann aber als Rucksack über den Sommer mit und als zum Saisonauftakt 15/16 zwar die Leistungen, nicht aber die Resultate stimmten, kam als Folge davon die Freistellung – und ein langes Warten auf den neuen Trainer Hyypiä, was in der Abstiegssaison wertvolle Zeit kostete. „Der Zeitpunkt war schlecht“ meint Meier heute. Er ist aber dankbar, dass er beim FCZ eine tolle Mannschaft habe trainieren dürfen. Heute ist seine Tochter Seraina Piubel Stammspielerin der FCZ Frauen und hat ihr Début in der Nationalmannschaft gegeben.

Meier traut dem FCZ früh den Titel zu

Voll gesetzt hat Meier in seiner FCZ-Trainerzeit auf den eigenen Junior Berat Djimsiti. Kein anderer Spieler hat unter ihm so viele Einsätze gehabt – 158 Wettbewerbspartien. Bei seinem zweiten grossen Förderer Gian Piero Gasperini sind es aktuell mittlerweile 152 Einsätze. Ausserdem sprach Meier bei Züri Live über die Stimmung im Verein, als er auf die Meistersaison 05/06 hin zur FCZ Academy stiess, und dass die Zuzüge von Admir Mehmedi und Innocent Emeghara aus dem Winterthurer Nachwuchs damals auf seine Empfehlung getätigt wurden. Schon beim Derby im Oktober 2021 zeigt sich Meier zudem als einer der ersten auf einen Steilpass von René Borkovic hin öffentlich optimistisch bezüglich FCZ-Chancen auf den Meistertitel in der laufenden Saison 21/22.

In der Kurz-Umfrage zum Heimsieg gegen YB sehen mehr als ein Drittel der Befragten die wieder verbesserte Abschlusseffizienz als wichtigsten Grund für die drei Punkte. Das gemeinsame Standhalten gegen den YB-Druck in den ersten 30 Minuten und das unvergleichliche Konterduo Marchesano / Ceesay wurden ebenfalls häufig als wichtigster Grund genannt. 11% sehen die ominöse Positivspirale als Hauptgrund – „wenns läuft, dann läufts“. Man of the Match war für eine Mehrheit der Befragten Assan Ceesay mit Antonio Marchesano, Mirlind Kryeziu, Lindrit Kamberi und Ousmane Doumbia auf den folgenden Plätzen. Mittlerweile sind 77% vom Meistertitel des FCZ in dieser Saison überzeugt, 23% schauen weiterhin diszpliniert „von Spiel zu Spiel“, während nur Einzelne (gerundet: 0%) mit „Nein“ oder „Ich weiss nicht“ geantwortet haben.

Zum Abschluss der Super League-Vorrundenanalyse werfen wir traditionellerweise einen Blick auf die Integration des Nachwuchses in die jeweiligen 1. Mannschaften. Es gibt dabei einige neue Entwicklungen zu beobachten. So hat neuerdings Servette eigenen Nachwuchsspielern im U21-Alter am meisten Einsatzzeit gegeben! Die Genfer waren lange Zeit in dieser Hinsicht eines der grössten Sorgenkinder gewesen. Eigene Nachwuchskräfte wanderten auch deshalb reihenweise ab – unter anderem zum FC Zürich. Nun haben sie reagiert. Der sich immer noch im U21-Alter befindliche Kastriot Imeri schaffte nach langer Anlaufzeit (viereinhalb Jahre, mittlerweile 138 Spiele für die 1. Mannschaft) den Durchbruch zum Leistungsträger und steht nun praktisch immer in der Startaufstellung. Daneben erhielten auch Nicolas Vouilloz, Alexis Antunes und Edin Omeragic jeweils hunderte von Einsatzminuten. Ausserdem kamen Azevedo, Nyakossi und Sawadogo (mittlerweile leider verletzt) zu Super League-Spielzeit. Die Einsatzzeit eigener junger Spieler in der 1. Mannschaft, die seit der Übernahme durch die neue Klubführung um Didier Fischer und zu Beginn auch unter Trainer Alain Geiger in den Keller gerasselt war, zeigt nun nach oben.

Dicht dahinter folgt an 2. Position Lausanne-Sport. Die aus dem eigenen Nachwuchs stammenden Anel Husic (20) und Karim Sow (18) waren über weite Strecken der Vorrunde Stammspieler. Husic legte einen raketenhaften Aufstieg praktisch aus dem Nichts zum Stammspieler der U21-Nationalmannschaft hin und stand diesen Herbst kurzzeitig gar nahe an einem Aufgebot für die A-Nationalmannschaft Murat Yakins. Ebenfalls sowohl in seinem Stammklub und in der U21-Nationalmannschaft profilieren konnte sich Gabriel Barès (21, in der Winterpause Transfer zu Montpellier in die Ligue 1) und der aus der See-Region, aber nicht aus dem Lausanne-Nachwuchs stammende Zeki Amdouni (21). Mehrere Chancen, sich zu zeigen, erhielt auch der aus dem eigenen Nachwuchs stammende Alvyn Sanches (19). Dazu kam der ebenfalls aus dem eigenen Nachwuchs stammende Marc Tsoungui. Und dabei ist ein Cameron Puertas gar nicht mitgerechnet, weil er erstens schon 23 ist und zweitens im Team Vaud nur in der “U21“ (2. Mannschaft) gespielt hat, welche zum Erwachsenenfussball zählt.

Nachdem Lausanne über Jahrzehnte in den Schweizer Nachwuchsauswahlen meist untervertreten war, bildeten diesen Herbst auf einmal Husic, Barès und Amdouni die “Achse“ von Mauro Lustrinellis neuer U21-Nati. Die grosse Mehrheit der Super League-Konkurrenten hat nicht annähernd so viel auf den eigenen Nachwuchs gesetzt, wie die Waadtländer unter Ilija Borenovic. Zusammen mit nicht aus dem eigenen Nachwuchs stammenden jungen Spielern wie den Ivorern N’Guessan, Zohouri oder Ouattara setzte Lausanne mit Abstand am meisten Spieler im U21-Alter ein. Das Beispiel Lausanne zeigt, dass in Klubs mit ausländischen Besitzern nicht automatisch weniger auf den eigenen Nachwuchs gesetzt wird.

Keine einzige Einsatzminute für den Basler Nachwuchs

Im Super League-Mittelfeld bezüglich Einsatz eigener Nachwuchsspieler befinden sich in dieser Vorrunde Luzern, St. Gallen und YB mit Talenten wie Burch, Rupp, Stergiou, Besio, Mambimbi und Rieder. Der FCZ führt hingegen in dieser Wertung nur die hintere Tabellenregion an. Die unter Massimo Rizzo eingesetzte Abwärtstendenz hat sich unter André Breitenreiter noch weiter akzentuiert – nachdem zuvor unter Magnin der FCZ am meisten eigene Junioren eingesetzt hatte. Nur Bledian Krasniqi kam diesen Herbst regelmässig zum Einsatz. Dazu gesellten sich sehr knapp bemessene Kurzeinsätze von Silvan Wallner und Stephan Seiler. Hinter dem FCZ folgt Sion mit Theler und Berdayes. GC (Hoxha, Kacuri) und Lugano (Nikolas Muci) gaben diesen Herbst eigenen Nachwuchsspielern so gut wie keine Einsatzzeit. Noch schlimmer wars beim FC Basel: Null. Nada. Keine einzige Einsatzminute für den eigenen Nachwuchs beim zwischenzeitlichen Vorzeigeverein bezüglich Nachwuchsausbildung der Schweiz! Schaut man hingegen auf die Einsatzzeit von Spielern im U21-Alter ingesamt, dann liegt der FCB hinter Lausanne an zweiter Position.

Freipass für eigenen Nachwuchs wie unter Magnin vorbei

Der FCZ ist in dieser Hinsicht an fünfter Postion. Nur 28% der Einsatzzeit von U21-Spielern ging an Spieler aus der eigenen Academy. Mit den jungen Grgic, Buff, Brunner und Brecher aus dem eigenen Nachwuchs als Stammspieler ist der FCZ 15/16 abgestiegen. Unter Ludovic Magnin kamen jeweils rund ein Dutzend Academy-Spieler zu ihren Wettbewerbs-Einsätzen – in der Corona-geprägten Saison 19/20 waren es gar deren 19. In der aktuellen Saison unter Breitenreiter hingegen bisher erst drei. Über die letzten 10 Jahre gesehen liegt der FCZ bezüglich Einsatzminuten eigener Nachwuchsspieler im Vergleich mit den anderen Vetretern der „Big6“ YB, FCB, GC, Lausanne und Servette immer noch klar vorne. Aber die Zeiten, wo Academy-Spieler einfach weil sie jung sind und in der U21 zwei, drei ansprechende Spiele gemacht haben, zu Super League-Einsatzminuten kommen, sind wohl vorbei.

Wer auf Junge setzt, muss Vollgas-Fussball spielen lassen

Leider ist es nicht von der Hand zu weisen, dass ein Ausbau von Einsatzzeiten für junge Spieler, speziell solche aus dem eigenen Nachwuchs, in den letzten Jahren tendenziell zu Rückschlägen in der Tabelle und anschliessenden Trainerentlassungen geführt haben. Magnin (FCZ) und Borenovic (Lausanne) sind zwei der klarsten Beispiele dafür. Aber auch YB und Basel haben mehr Probleme, eine gewisse Konstanz zu erreichen, wenn sie mehr junge Spieler einsetzen. Die Wende zum Erfolg bei den Bernern kam, als unter Christoph Spycher und Adi Hütter die Einsatzzeiten der eigenen Nachwuchsspieler nach der Bickel-Ära drastisch zurückgefahren wurden. Eine Ausnahme bildet der FC St. Gallen in der Saison 19/20, aber auch dieser konnte seinen zwischenzeitlichen Höhenflug mit einer jungen Mannschaft noch nicht bestätigen. Bezeichnend auch, dass dieses Beispiel vor allem darum funktionierte, weil die Spielweise stark auf die Qualitäten von jungen Spielern (körperliche Belastbarkeit, Schnelligkeit, Aggressivität) ausgerichtet war. Dem gleichen Prinzip folgen auch Klubs wie Salzburg oder Leipzig.

Wilfried Gnonto und Becir Omeragic statt Matteo Di Giusto und Arbenit Xhemajli

Talent ist nicht gleich Talent. Aussschlaggebend ist ein hohes Potential in allen wichtigen Bereichen wie Technik, Physis, Schnelligkeit, Mentalität und Spielverständnis. Nachwuchsspieler vom Level eines künftigen Nati-Stammspielers wie Nico Elvedi oder Ricardo Rodriguez erhöhen die Qualität einer Super League-Mannschaft schon mit 17 oder 18 Jahren. Jeder Trainer, der ein Auge für Qualität hat, setzt sofort auf solche Spieler – nicht nur wenn er ein Herz für den Nachwuchs hat, sondern auch wenn er nichts anderes als Erfolg will. Nur: Talente von diesem Schlage gibt es in den meisten Jahrgängen nicht. Zusätzlich auch weil in der Vergangenheit die Mehrzahl von Talenten, die dem Niveau eines Elvedi oder Rodriguez nahe kamen, zu früh in eine Nachwuchsakademie nach England oder Italien gewechselt sind, und dort dann stagniert haben. Einige von ihnen haben dank ihrem Talent später immer noch einen ordentlichen Werdegang, aber nicht mehr die Top-Karriere, die möglich gewesen wäre.

Zur nächsten Talentstufe könnte man einen Bledian Krasniqi zählen. Talente, die nicht ganz die Voraussetzungen mitbringen, schon mit 17, 18 Jahren in der Super League einzuschlagen, danach aber schon – vorausgesetzt, sie erhalten genug Spielzeit in einer Liga, die von der Qualität her nahe an der Super League anzusiedeln ist. Das könnte beispielsweise die oberste Liga Schwedens oder Polens sein. Oder eben die Challenge League. Dank dem Modus mit zwei Zehnerligen, hat die Challenge League eine Qualität nahe der Super League. Es spielen da die Teams Nummer 11 bis 20 des Schweizer Fussballs. Von Gegenspielern von der Qualität eines Fatkic, Hasler oder Njie werden Talente vom Schlage eines Krasniqi genügend gefordert, ohne dass sie überfordert werden, wie dies mit 17 gegen einen Fabian Frei oder Théo Valls der Fall gewesen ist / wäre. Einem Anto Grgic beispielsweise, der in der Abstiegssaison Stammspieler war, hätten zu dem Zeitpunkt zuerst mal ein bis zwei Jahre Challenge League von denen ein Manuel Akanji (BVB) oder Denis Zakaria (Juve) profitieren durften, für seine Entwicklung wohl gut getan.

Bei allem, was talentmässig hingegen darunter anzusiedeln ist, macht es letztendlich wenig Sinn, Spielzeit in der obersten Liga zu gewähren – ausser man richtet wie St. Gallen die Spielweise voll auf die Jungen aus. Ein wichtiger Faktor dabei ist, dass in der Schweiz und anderswo die Toptalente und deren Umfeld im Vergleich zu vor 10 Jahren deutlich vernünftiger geworden sind und ihre Karriere Step by Step aufbauen. Genauso wie ein Krasniqi zwei Jahre Aufbau in der Challenge League bei Wil gebraucht hat, sind ein Wilfried Gnonto oder Becir Omeragic trotz vieler Angebote von reicheren Klubs aus grösseren Ligen schon früh einen Vertrag in einer Top 5-Liga zu erhalten, den Schritt zum FC Zürich gegangen. Sie nehmen nun die entsprechenden Plätze im Kader der 1. Mannschaft ein. An Stelle von etwas weniger talentierten Spielern aus dem eigenen Nachwuchs wie beispielsweise Arbenit Xhemajli oder Matteo Di Giusto. Für das Niveau und den Erfolg der 1. Mannschaft ist dies positiv. Die Hürde für den Schritt in die 1. Mannschaft ist anspruchsvoller geworden. Das heisst auch: wenn einer jetzt den Schritt schafft, hat dies eine grössere Bedeutung. Man kann es bei weitem nicht mehr einfach „erwarten“.

Halbzeitanalyse, Teil 1 – Erfolgsfaktoren, Folgerungen und Ausblick

Halbzeitanalyse, Teil 2 – Mehr Gegentore auf Konter und Weitschüsse

Ceesay defensiv schon vor zwei Jahren mit Quantensprung / Halbzeitbilanz 21/22, Teil 3

Für welchen Gegner welche Taktik? – Halbzeitanalyse 21/22, Teil 4

Tosin, Marchesano und Gnonto die Offensivstützen – Halbzeitanalyse 21/22, Teil 5

Ende Flaute: Boranijasevic effektiv über rechts – Halbzeitanalyse 21/22, Teil 6

Tosin und Pollero die produktivsten Torschützen, Ceesays Fehlen zum Start kein Nachteil – Halbzeitanalyse, Teil 7

Tosin Notenbester, Plus- / Minusbilanz spricht für Coric – Halbzeitanalyse, Teil 8

Konstanz als Erfolgsfaktor in der Super League – Halbzeitanalyse, Teil 9