Fünf Corner – drei Gegentore / Servette – FCZ 3:1 in der Züri Live-Analyse

Spiel, Gegner und Taktik

Dem FCZ reicht es erneut nicht zu einem Sieg in der Westschweiz. Im ganzen Jahr 2020 gelang dem Stadtclub kein Vollerfolg im frankophonen Teil des Landes und diese Serie setzt sich im Jahr 2021 fort. Der Züri Live-Notenschnitt der Mannschaft erreicht dabei mit 4,2 einen neuen Saisontiefpunkt. Unrealistisch war zumindest ein Punktgewinn trotzdem nicht, wenn man selbst in Führung gehen und durch Marchesano, Gnonto oder Rohner weitere Grosschancen erarbeiten kann. Servette ist aus dem Spiel heraus das ineffizienteste Team der Liga und dies zeigt sich auch gegen den FC Zürich, als speziell Grejohn Kyei erneut ein paar Topchancen unverwertet lässt. Hätte der Franzose auch nur eine durchschnittliche Chancenverwertung, wäre er schon jetzt Super League- Torschützenleader. Der FCZ hätte daher in Genf bei erfolgreicherer Verteidigungsarbeit der Standards durchaus einen „gestohlenen“ Auswärtssieg holen können. Drei der ersten fünf Servette-Eckbälle drehten aber das Spiel von 0:1 auf 3:1. Somit hat der FC Zürich in dieser Saison einen Viertel seiner Gegentore nach Cornern des Gegners zugestehen müssen – normal wären etwa 10%.

Der FC Zürich fuhr nach Genf mit einer Mannschaft, mit der von vornherein klar war, dass die Verteidigung von Eckbällen ein grosser Knackpunkt sein wird. Und dies gegen das zweitbeste Team der Liga bei Flanken und Eckbällen. Es fielen nicht nur die „Türme“ Sobiech und Nathan aus, sondern mit Doumbia und Kramer zwei weitere Spieler, die mittlerweile zu den solideren Manndeckern in solchen Situationen gehören. Wallner, Domgjoni, Hekuran Kryeziu und Omeragic sind alles keine guten Manndecker bei gegnerischen Eckbällen. Omeragic und Wallner sind diesbezüglich sicherlich noch in der Lernkurve drin, und ersterer dabei einen Schritt voraus. Im freien Raum können sie gefährliche Situationen meist gut klären, aber die Manndeckung eines gegnerischen Angreifers auf hohem Super League-Niveau, der mit einer präzisen Hereingabe oder Weiterleitung angespielt wird, ist nochmal etwas anderes.

Es verblieb also einzig Fidan Aliti – und Adrian Winter, der seit seinem etwas schwächeren Auftritt in Vaduz nach einem davor eigentlich guten Start nach der Winterpause nur noch zu Kürzesteinsätzen kommt. Winter wäre der wohl bestmögliche Manndecker für Miroslav Stevanovic gewesen – sehr aufmerksam, aufsässig und mit viel Erfahrung / Cleverness. Bei Luzern ist es zum Beispiel Christian Schwegler, der die Manndeckung von Stevanovic übernimmt, bei YB der kopfballstarke Fassnacht, bei Lausanne entweder der erfahrene Norweger Flo oder der England-gestählte Innenverteidigerhüne Jenz. Nur Basel fällt etwas aus der Reihe mit ihren generell etwas eigenwilligen Zuteilungen – Luca Zuffi ist bestimmt erfahren, aber beim Verteidigen von Cornern als Manndecker ähnlich unbeholfen wie zur Zeit Fabian Rohner. Stevanovic ist zwar ein filigraner, fast schon zerbrechlicher Profifussballer, aber in Sachen Stürmerinstinkt, Körperbeherrschung, Timing und Präzision im Abschluss herausragend. Hätte der FCZ für dieses Spiel besser auf Raumdeckung umgestellt, wie sie St. Gallen mit ihrer generell fehlenden „Wasserverdrängung“ praktiziert? Eine Frage, die schwierig zu beantworten ist. Adi Winter in Genf von Anfang an zu bringen, hätte übrigens ebenfalls bedeutet, dass der 0:1-Führungstreffer so nicht gefallen wäre. Denn er hätte wohl an Stelle von Rohner gespielt (auch wenn er durchaus auch die Position von Khelifi hätte übernehmen können).

Aus dem Spiel heraus hat der FCZ im Stade de Genève dem Gegner hingegen keinen Gegentreffer zugestehen müssen. Fidan Aliti von der linken Seite abzuziehen, war trotz dem Ausfall von Nathan für Trainer Massimo Rizzo keine Option – natürlich auch, weil das Genfer Angriffsspiel fast ausschliesslich über diese Seite läuft. Daher stellte Rizzo erstmals in der Startaufstellung auf eine Dreierabwehr mit Hekuran Kryeziu als Unterstützung in der Mitte um. Davor agierte ein Rhombus im Mittelfeld mit einem Stossstürmer vorne dran. Rizzo kopierte somit (nicht als erster Super League-Trainer) die ungewöhnliche, aber erfolgreiche Formation von Mario Frick’s Vaduz seit der Winterpause. Im Unterschied zu Vaduz wird beim FCZ im Spiel gegen den Ball aus dem 3-3-2-1-1 in gewissen Situationen ein 4-4-2 mit dem ballnahen Aussenläufer in der Mittelfeld- und dem ballfernen in der Verteidigungsreihe. Es ist eine einfachere defensive Umsetzung des Systems, was Sinn ergibt, wenn man es noch nicht häufig gespielt hat. Die Raumaufteilung klappte von Anfang an in diesem neuen System grundsätzlich gut. Domgjoni, Khelifi, Schönbächler und Marchesano schienen sich in dieser Formation in ihren Rollen noch besser entfalten zu können, als sonst. Ceesay hingegen hatte als Sturmspitze vorne erwartungsgemäss einen schweren Stand und wurde häufig von gleich drei Genfern gleichzeitig attackiert. Ein Kololli in guter Verfassung würde in so einem Spiel auf dieser Position mehr Sinn machen und die Partie möglicherweise in andere Bahnen lenken.

Personalien

Silvan Wallner (1) – Der Raum, den Wallner beherrscht, tendiert gefühlt gegen Null. Die Gegner kommen zur Zeit an ihm vorbei, als wäre er Luft. Symbolbildträchtig der „Zweikampf“, als sich Wallner wie ein in Panik geratener unerfahrener Bergsteiger am Matterhorn an Grejohn Kyei festklammerte, bevor er an diesem Fels runterfiel. Das Passspiel liess in Genf ebenfalls zu wünschen übrig und die Abstimmung mit Salim Khelifi war nicht ideal.

H. Kryeziu (1) – Eins kann man Hekuran Kryeziu zur Zeit nicht vorwerfen: dass er seine Sache nicht gut machen will. Er stösst und zerrt mehrmals hart an der Grenze des Erlaubten an den Gegenspielern im und ausserhalb des Strafraumes – folgerichtig führt eine dieser Szenen zum Penalty, welcher die Vorentscheidung bringt. In der Vergangenheit hat der Schwyzer auf der zentralen Position in der Dreierabwehr auch schon gute Leistungen gebracht. Die aktuelle Servette-Offensive um Kyei und Stevanovic ist an diesem Tag aber ein etwas zu grosser Challenge für ihn.

Becir Omeragic (7) – Bei seinem Stammklub zieht Omeragic in einer ansonsten nicht sattelfesten Zürcher Hintermannschaft einen guten Tag ein, verteidigt die wenigen langen hohen Bälle in Servettes Spielaufbau tadellos und es gelingen ihm ein paar sehr gute Spieleröffnungen.

Fabian Rohner (5) – Genau wie die ersten zwei ist auch sein dritter Super League-Treffer ein Traumtor. Spielt sich zudem über die rechte Seite im Zusammenspiel mit Khelifi und Domgjoni immer wieder gut durch. Erhält allerdings die Order, bei Eckbällen den gefährlichsten Genfer Miroslav Stevanovic zu decken und ist mit dieser Aufgabe überfordert. Damit steht der Zürcher Aussenläufer nicht nur beim 0:1-Führungstreffer im Mittelpunkt des Geschehens, sondern auch bei den Servette-Treffern zum 1:1 und 2:1. Auch aus dem Spiel heraus steht Rohner in der Rückwärtsbewegung nicht immer richtig, und kann dies nicht in jedem Fall mit seiner Schnelligkeit noch wettmachen.

„Wallner und Omeragic mit wenig Wasserverdrängung“ – Kommentare zum Spiel

Toni Domgjoni (6) – Spielt in der ersten Hälfte beider Halbzeiten stark. Blüht in der Rolle als einziger Sechser hinter zwei Achtern und vor einer Dreierabwehr regelrecht auf, rennt, stopft alle Löcher und fungiert mit seiner guten Technik und Spielverständnis als entscheidende Relaisstation im Aufbauspiel. Eine Rolle, wie auf den Leib geschneidert für Toni. Der Nachteil dabei allerdings: er kann seine Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte und Abschlussstärke nicht in die Waagschale werfen. Ausserdem baut er in Genf in beiden Halbzeiten gegen Ende etwas ab.

Fidan Aliti (5) – Hat einen guten Start in die Partie und gegen die offensiv orientierte rechte Genfer Seite mit Sauthier und Stevanovic so viele Top-Offensivaktionen wie bisher noch nie in dieser Saison – dafür aber auch defensiv mehr Probleme. Da dem Kosovarischen Nationalspieler ganz generell mehr Fehler als üblich unterlaufen, liegt es wohl wie schon in der Sion-Analyse vermutet, an einer gewissen „Überspieltheit“. Selbst bei gegnerischen Eckbällen verliert der in solchen Situatione sonst sehr solide Aliti seinen Gegenspieler Sasso mehr als einmal aus den Augen – unter anderem bei dessen Kopfballvorlage auf Stevanovic beim 2:1.

Salim Khelifi (5) – Sehr aktiv von Beginn weg, füllt die Achterposition mit seiner Laufbereitschaft und Spielintelligenz sowohl offensiv wie defensiv mit Leben. Wie schon in den letzten Partien gesehen, kann Khelifi (nur) dann auf Super League-Niveau ein Gewinn sein, wenn er von Anfang überdurchschnittlich Vollgas gibt. Das bedeutet dann aber auch, dass er wie in Genf schon nach wenigen Minuten der Zweiten Halbzeit aus Müdigkeit unkonzentriert und fahrig wird und nach 60 Minuten, manchmal wie in Genf auch schon früher, ausgewechselt werden sollte.

Marco Schönbächler (4) – Gute erste 20 Minuten. Mit seinem Seitenwechsel Vorbereiter des 0:1. Bringt für das in Genf angewandte flexible Spielsystem mit vielen Dreiecken und diagonalen Pass- und Laufwegen mit seinem weit überdurchschnittlichen Raumgefühl und Spielwitz auf der Achterposition gute Voraussetzungen mit. Als der FCZ aber nach der Pause ein Hohes Pressing betreiben will, ist es in erster Linie Schönbächler, wegen dem die Mitspieler vergebens ihre Sprints anziehen, weil er meist nicht mitmacht.

Antonio Marchesano (7) – Ist in letzter Zeit noch aktiver als früher in der Organisation des Pressings geworden und somit der eigentliche „Defensiv-Chef“ beim Stadtclub. Schreit sich auch „die Seele aus dem Leib“, als er nach der Einwechslung von Gnonto auf die Achterposition zurückrückt. Muss dabei aber noch feinfühliger auf die Mitspieler eingehen und auf deren physische und mentale Bereitschaft achten. Als Lokomotive Dampf zu machen ist sehr wertvoll, aber die Wagen dahinter müssen mitziehen und die Kurve kriegen können.

Assan Ceesay (1) – Im Gegensatz zum Sion-Spiel, wo er auf dem Flügel agierte, in Genf auf der Mittelstürmerposition überhaupt nicht zur Geltung gekommen. Auch weil Servette im Vergleich mit den Wallisern ein eher antizipierendes Gegenpressing aufzieht, welches in erster Linie auf den Empfänger des ersten Passes (häufig Ceesay) fokussiert. Schlimmer Fehlpass rückwärts Richtung eigenen Strafraum in der 22. Minute.

Wilfried Gnonto (1) – Obwohl er als Einwechselspieler für die 10er-Position am meisten Kraft haben sollte, macht Gnonto beim Hohen Pressing erneut so gut wie gar nichts. Bleibt stehen, während der seit Matchbeginn viel gelaufene Marchesano von hinten an ihm vorbeirennt, ganz vorne den Gegner stört und sich dann an Gnonto vorbei wieder zurück auf seine Achterposition begibt. Auch diesmal darf der junge Italiener wieder einen Standard schlagen, und auch diesmal wieder schlecht. Auch bei seinen Dribblings bleibt er bis gegen das Ende seines Einsatzes jedes Mal hängen. In der 86. / 87. hat Gnonto dann seine starken zwei Minuten.

Stephan Seiler (7) – Seine starke Körperbeherrschung könnte auf Capoeira-Training des wie Raffael in Fortaleza geborenen Seiler hindeuten. Sofort nach seiner Einwechslung mit einem Ballgewinn in der gegnerischen Hälfte, welche über den hervorragenden leicht abgefälschten flachen Diagonalball von Marchesano zur Grosschance für Gnonto zum möglichen 2:3-Anschlusstreffer (Top-Parade von Servette-Goalie Jérémy Frick) führt. Fällt bei einem Servette-Konter in der 79. Minute eine falsche Entscheidung, als er sich zurückfallen lässt, statt den ballführenden Clichy energisch zu stören.

Telegramm

„Wieder Gnonto! Wieder in Genf!“ – Match-Highlights

Servette – FC Zürich 3:1 (1:1)
Tore: 12. Rohner (Schönbächler) 0:1, 26. Stevanovic (Kyei) 1:1; 62. Stevanovic (Sasso) 2:1, 67. Valls (Foulpenalty, Rouiller) 3:1.
Servette – Frick; Sauthier, Rouiller, Sasso, Clichy; Ondoua (90. Cespedes); Valls (81. Mendy), Cognat; Stevanovic (90. Severin), Kyei (75. Koné), Schalk (75. Imeri).
FCZ – Brecher; Wallner, H. Kryeziu, Omeragic; Rohner (88. Winter), Domgjoni, Aliti; Khelifi (63. Gnonto), Schönbächler (75. Seiler); Marchesano; Ceesay.