Alte Fehler, zu viel Selbstsicherheit – aber dank kluger Taktik trotzdem ein Punkt in Unterzahl / FCZ – Sion 3:3 Spielanalyse und Interviews

Nach dem 3:3 im Letzigrund ist die Konsternation bei Spielern, Trainerstaff und Journalisten aus Sion gross. Aufgrund der Überzahl, der verspielten 2:0-Führung, der Tabellensituation und vor allem auch dem Auftreten der Mannschaft. Es war wahrlich ein insgesamt schlechter Auftritt von beiden Teams, welcher am Ende auch keinen Sieger verdient hatte. Ganz anders, als noch bei der FCZ-Auswärtspartie vor Wochenfrist in Luzern, wo die Zuschauer ein packendes Spiel mit hohem Tempo, über weite Strecken kompakten Defensivleistungen und kreativen Offensivaktionen beider Mannschaften gesehen hatten. Im Letzigrund spielten der FCZ und Sion beide von Beginn weg pomadig. Es fehlte das Feuer. Bezüglich der sich im “Überlebenskampf“ befindlichen Walliser noch eine Spur erstaunlicher, als beim erneut mit vielen jungen Eigengewächsen antretenden FCZ.

Trainer Ludo Magnin stellte sein Team wieder mal mit einer Dreierabwehr auf (welche aber von Beginn weg eher wie eine Fünferkette agierte). Dies auch im Nachhinein gesehen zu Recht, weil er diesmal Sion aufgrund der Absenzen von Kasami und Carlitos  mit einer stark veränderten Spielanlage erwartete. Die Walliser griffen tatsächlich deutlich weniger über die Seiten an und spielten nicht mehr die noch beim 1:1 im Tourbillon praktizierten gefährlichen scharfen Diagonalbälle. Der wie immer agile Maceiras zog in der gegnerischen Hälfte meist Richtung Mitte und von Lenjani auf der anderen Seite war kaum etwas zu sehen. Ein weiterer Grund für die taktische Umstellung auf Zürcher Seite mag auch die Absenz der aktuell zwei besten Innenverteidiger Bangura und Nef gewesen sein.

Mit einem dritten Mann wurde hinten das Zentrum quantitativ gestärkt. Wichtiger als Quantität ist in der Regel aber die Qualität. Captain Victor Palsson konnte im Abwehrzentrum einmal mehr nicht verbergen, dass er auf dieser Position auf Niveau Super League nicht genügt. Cédric Brunner lieferte wenige Tage nach seiner Vertragsunterschrift in Bielefeld einen der schlechtesten Auftritte der aktuellen Saison ab, und der zuletzt wenig berücksichtigte Rasmus Thelander vermochte ebenfalls nicht Werbung in eigener Sache machen. In den Anfangsminuten war der FCZ klar die «weniger schlechte Mannschaft» auf dem Platz und hatte dadurch ein Übergewicht.

Es war dann aber Sion, welches mit seiner ersten «Halbchance» in der 7. Minute gleich in Front ging. Dies mit einem kleinen Cornertrick, der über die Jahre hinweg bei unterschiedlichstem Personal und unter den unterschiedlichsten Trainern gegen den FCZ immer wieder gut zu funktionieren scheint: dem Überkreuzen. Diesmal praktizierten dies Schneuwly (Gegenspieler: Brunner) und Bamert (Gegenspieler: Pa Modou) beim Eckball des ehemaligen FCZ-Juniors Anto Grgic wieder einmal erfolgreich. Pa Modou verlor seinen Gegenspieler komplett aus den Augen und der ehemalige GC-Junior konnte ziemlich freistehend einköpfen, weil Brunner in Unterzahl die Situation auch nicht mehr zu retten vermochte.

https://soundcloud.com/fcz-radio/rasmus-thelander-hatte-das-gefuhl-rot-war-ein-fehlentscheid

In der 29. Minute unterlief dann Aliu mit einem nach hinten losgehenden «Blindgänger» ein Missgeschick im Mittelfeld. Thelander hätte allerdings genug Zeit gehabt, die Situation zu klären, zögerte aber zu lange. Den Platzverweis nach dem Foul Thelanders am flinken Cunha mehr als 25 Meter vor dem Tor hätten die meisten Schiedsrichter in derselben Situation aber wohl nicht ausgesprochen, denn der ohne Ball im Normalfall schnellere Palsson stand auf gleicher Höhe und eine klare Torchance für Cunha damit eher nicht vorhanden. Die Positionen im Zürcher Spiel wurden nicht gross geändert. Ohne Thelander wurde aus der Fünferkette einfach eine Viererkette. Das im Schnitt 18,7 Jahre alte Mittelfeld mit Rüegg, Domgjoni und Aliu blieb intakt und vorne agierte mit Frey und Dwamena weiterhin ein Zweimannsturm.

Zur Pause konnte man aus FCZ-Sicht ganz und gar nicht zufrieden sein: Resultat und Auftritt waren nicht genügend und dazu war man noch in Unterzahl. Antonio Marchesano ersetzte Adrian Winter – Kevin Rüegg rückte auf die rechte Seite. Wie schon in Luzern wirkte die Mannschaft aber schon bald nach der Pause müde und liess sich auch unter Berücksichtigung der Unterzahlsituation zu stark einschnüren. Aus so einer Situation entstand dann auch das 0:2. Bei diesem Gegentreffer spazierte der unter dem Strich durchaus wieder eine gute Partie abliefernde Izer Aliu etwas gedankenverloren an der Strafraumgrenze herum, war zu wenig aufmerksam und liess so Bastien Toma frei zum Abschluss kommen. Davor hatte Kevin Rüegg Cunha nicht an der Hereingabe im Strafraum hindern können. Einerseits lag dies an der Qualität von Cunha im Eins-gegen-Eins, andererseits aber auch am jugendlichen Optimismus Rüeggs, der in vielen Szenen „zu viel“ will: auch noch den zweiten oder dritten Gegenspieler umdribbeln, statt den einfachen Querpass spielen – oder den Ball sofort zurückerobern wollen, statt einfach mitlaufen und die Flanke verhindern. Ob Rüeggs Risiko aufgeht, oder nicht, hängt jeweils in erster Linie von der Qualität des Gegenspielers ab. In der Defensive gegen einen Cunha in Form geht es meistens schief. Später vor dem 2:2-Ausgleichstreffer hingegen konnte Rüegg die Sion-Abwehr aus den Angeln heben, weil er sich gegen den wenig überzeugenden Lenjani trotz zu weitem Vorlegen des Balles seitlich des gegnerischen Strafraumes durchsetzen konnte. In der 78. Minute wiederum überschätzte Rüegg seine Kräfte und konnte nur noch schleppenden Schrittes zurücktraben, was Aimery Pinga die goldene Sion-Chance zum 3:4 alleine vor Yanick Brecher ermöglichte.

Der Zürcher Torhüter zeigt weiterhin aufsteigende Tendenz. Der Lapsus beim 3:3 war dann aber eine Aktion, wie sie von Brecher auch in der aktuellen Saison in Promotion League, Cup und Super League schon mehrmals zu sehen war. Ähnlich wie Rüegg überschätzte er sich – und bei einem Torhüter führt so etwas häufig gleich zu einem Gegentor. Selbstsicherheit ist gut, aber ein Quentchen mehr Vorsicht ist für die Mischung dieser Torhüter-Suppe vonnöten. Dies könnte sich Brecher bei seinem Torhüterkollegen Vanins oder auch einem seiner Vorgänger, Johnny Leoni (mittlerweile übrigens mit Tochigi von der Dritten in die Zweite Japanische Liga aufgestiegen) abschauen. Vanins spielte unter Trainer Forte sehr solide. Mit den Vorgaben des Trainerduos Magnin/Van Eck hätte der Lette aber sicherlich noch mehr Probleme als Brecher und würde wohl mehr Fehler begehen als dieser.

Genau fünf Monate nach seinem Doppelpack im Cup-Viertelfinal gegen Thun fand Stürmer Michael Frey endlich  wieder mal das Tornetz. Nach dem 0:2 durch Toma in der 56. Minute zeigte sich Sion etwas zu sorglos und der FCZ konnte sich endlich zu einer Reaktion aufraffen, was in der Summe zu zwei Treffern innert zwei Minuten zum 2:2-Ausgleich führte. Es dauerte noch etwa fünf weitere Minuten bis Trainer Magnin Stürmer Dwamena links ins Mittelfeld zurückbeorderte und aus einem 4-1-2-2 ein 4-4-1 wurde. Dem verbliebenen Stürmer Frey gab Magnin die Anweisung, seine Defensivarbeit zu reduzieren und seine Kräfte stattdessen für Konterangriffe aufzusparen, was dieser dann auch eindrücklich umsetzte, und mit einer Energieleistung im gerade noch tolerablen Zweikampf gegen den an diesem Nachmittag häufig indisponierten André Neitzke den 3:2-Führungstreffer und einen lupenreinen Hattrick realisierte.

https://soundcloud.com/fcz-radio/michi-frey-anweisung-von-magnin-krafte-fur-entscheidende-aktionen-zu-sparen

In der Schlussphase wurden weiter munter die Positionen rotiert. Als in der 79. Minute Mirlind Kryeziu für Raphael Dwamena eingewechselt wurde, stellte der FCZ wieder auf die anfängliche Fünferabwehr um und igelte sich weitgehend am eigenen Strafraum ein. Unter den Voraussetzungen des zuvor aufkommenden «Schlagabtausches» in welchem Sion Vorteile hatte, sicherlich eine vernünftige Massnahme. Fabian Rohner ersetzte dann in der 83. Minute Izer Aliu, wodurch Kevin Rüegg wieder zurück ins Zentrale Mittelfeld wechselte. Rohner war es dann auch, der sich von rechts von der Mittellinie startend mit seinem Antritt zwischen Succar und Neitzke hindurchzwängte und zu einer Topchance an der Strafraumgrenze kam – inklusive Nachsetzen von Frey direkt vor der Torlinie. Sion hatte aber mit Pinga und Bamert ebenfalls noch zwei sehr gute Möglichkeiten, das Spiel zu entscheiden.

https://soundcloud.com/fcz-radio/toni-domgjoni-kontertaktik-hat-in-2-halbzeit-geklappt

FCZ – Sion 3:3 (0:1)

Tore: 7. Bamert (Grgic) 0:1; 56. Toma 0:2, 59. Frey (Dwamena) 1:2, 61. Frey (Dwamena) 2:2, 72. Frey (Pa Modou) 3:2, 74. Grgic (Cunha) 3:3.

FC Zürich: Brecher; Thelander, Palsson, Brunner; Winter (46. Marchesano), Rüegg, Pa Modou; Domgjoni, Aliu (83. Rohner); Frey, Dwamena (79. Kryeziu).

Sion: Fickentscher; Maceiras, Bamert, Neitzke, Lenjani (88. Angha); Toma, Kouassi, Grgic (85. Succar); Schneuwly, Cunha, Adryan (71. Pinga).

Toni Domgjoni ist angekommen / Sion – FCZ Spielinfos & Stats

Mittelfeldspieler Toni Domgjoni ist in seinem zweiten Spiel bereits zum ersten Mal Most Valuable Player. Inklusive der Szene, die zum Tor des 19-jährigen führte, hatte der FCZ im Wallis nur zehn Torchancen zu verzeichnen. Nur fünf Mal in dieser Saison waren es weniger gewesen: je 2x gegen Basel (0:1, 0:0) und Lugano (0:0, 3:0) und 1x gegen YB (0:0). Raphael Dwamena ist an zwei Drittel der Zürcher Tormöglichkeiten beteiligt. Adrian Winter bringt zur Pause offensiv etwas mehr Durchsetzungsvermögen.

Auch die anderen Einwechslungen Frey und Schättin (bei dessen Super League-Début) gestalten sich positiv. Der FCZ kam im Tourbillon zudem zu nur zwei Eckbällen – weniger hatte es nur beim 0:0 zu Hause gegen YB im August gegeben (null). Neben Domgjoni erhalten auch Rüegg, Brunner und die eingewechselten Winter, Frey und Schättin die Note 8. Izer Aliu, der im Spielbericht noch etwas kritischer gesehen wurde, kommt nach genauer Analyse auf die gute Note 7 und ist in seiner Entwicklung auf Kurs. Neben der einen oder anderen spielerisch guten Szene hatte der 17-jährige auch zwei Top-Defensivszenen.

Auffällig ebenfalls dass die schon seit vielen Jahren zusammenspielenden Domgjoni, Rohner und Aliu ihr gutes gegenseitiges Spielverständnis immer mehr auch in der Super League auszunutzen wissen. Die schlechtesten Noten des Teams erhalten Victor Palsson und Mirlind Kryeziu, denen zu viele Fehler unterlaufen waren und die das Zentrum in keiner Art und Weise zubetonieren vermochten. Brecher war offensiv wie üblich gut, zeigte defensiv aber in mehreren Szenen erhebliche Schwächen. Das Urteil von Alain Kunz vom „Blick“, dass sich Ref Erlachner zwei „Fehlpfiffe “ geleistet habe, kann nach der Visionierung der vorhandenen Bilder nicht bestätigt werden. Das Offside-Tor von Uçan ist eine Fifty-Fifty Entscheidung, wo es auf jede Zehntelssekunde ankommt, wann genau das TV-Bild angehalten wird (wann ist der Ball wirklich vom Fuss?).  Bei der Brunner / Mboyo – Szene müsste es durch das Trikotziehen natürlich Freistoss für Sion und Gelb gegen Brunner geben. Im Strafraum ist dann Brunner aber dank bravourösem Einsatz schlichtweg vor Mboyo am Ball und dieser trifft beim Versuch, zu schiessen, mit voller Wucht Brunners Fuss statt den Ball. Dieser musste anschliessend dann auch noch gepflegt werden.

 

Rekorde purzeln im besten Spiel der Saison: Sion – FCZ Stats & Spielinfos

Das 1:1 im Tourbillon gegen den FC Sion am 4. November ist das beste FCZ-Spiel der bisherigen Saison. Dazu genügt ein Blick auf folgende von Züri Live erhobene Zahlen:

  • 50: das Total der Top-Offensivaktionen ist ein Mega-Rekord. Letzte Saison waren 37 Top-Offensivaktionen in Bukarest gegen Steaua (1:1) das Bestresultat, in der aktuellen Saison bedeuteten bisher 32 am 2. Spieltag gegen den FC Thun (2:1) das Maximum.
  • 6,7: ist die höchste Durchschnittsnote der eingesetzten Spieler in der aktuellen Saison. Letzte Saison war der Notenschnitt in besagter Partie in Bukarest mit 7,4 allerdings nochmal deutlich höher gewesen. Damals gab es mit Brunner nur einen Spieler mit einer ungenügenden Note, diesmal drei (Bangura, Maouche, Koné).
  • 6: die Anzahl FCZ-Torchancen nach 12 Spielminuten. In ihrer Choreographie vor der Partie schickten die Sion-Fans ein Alter Ego von Klubpräsident Christian Constantin, den sturmerprobten Captain Haddock, an die Front. Und der gegnerische FC Zürich zog zu Beginn tatsächlich wie ein Wirbelwind durchs Tourbillon (nomen est omen) und verzeichnete in den ersten 12 Minuten 15 Top-Offensivaktionen, 6 Top-Defensivaktionen, 8 Flanken, 2 Corner und 2 Freistösse in Strafraumnähe. Der Druck auf Sion war so hoch, dass die Walliser Verteidiger begannen, auch ohne Not und aus purer Gewohnheit den Ball ins Seitenaus zu dreschen.

Die grosse Anzahl der Top-Offensivaktionen ist auch einer überdurchschnittlichen Anzahl an über viele (10 – 15) Stationen herausgespielten Torchancen geschuldet. In diesen Aktionen blieb jeweils der Ball inklusive ballführender Spieler immer in Bewegung. Spieler wie Rodriguez oder Sarr kamen dabei im Verlauf desselben Angriffes an verschiedenen Ecken des Platzes mehrmals in Ballbesitz. Exemplarisch dafür ein Angriff aus der 61. Minute:

Der nach einem persönlich etwas mässigen ersten Durchgang nach der Pause stärker werdende Sangoné Sarr läuft nach der Konterauslösung Sions zurück und fängt diese an der Mittellinie ab – Brunner, Frey und Rodriguez können den Ball gut behaupten, weil sie in Bewegung bleiben und den Spielfluss aufrechterhalten. Über sechs Stationen kommt der Ball auf der anderen Platzseite wieder zu Sarr – langer Diagonalball nach links vorne auf Raphael – Sarr sprintet seinem eigenen Pass hinterher Richtung Strafraum, Pa Modou lässt durch und Sarr kommt mit links aus etwa 13 Metern frei zum Abschluss. Dieser ist allerdings zu schwach geschossen.

Nicht ganz überraschend, wenn der wohl schuss-schwächste Spieler im Team nach einem langen Laufweg kreuz und quer übers Feld mit seinem schwächeren linken Fuss zum Abschluss kommt. Der Abschluss war allgemein das Hauptproblem des Zürcher Stadtclubs an diesem Abend. Es gelang nicht nach dem flüssigen Laufen & Spielen im Strafraum in den «Killer-Modus» umzuschalten. Eine Frage der Mentalität? Vielleicht auch etwas – in erster Linie aber war in den meisten Fällen der Schütze wie im obigen Fall Sarr unmittelbar vor dem Abschluss bereits lange im Laufschritt unterwegs gewesen. Bezeichnenderweise gelang das einzige Tor der Partie Roberto Rodriguez, als er bei einem Ballgewinn in der gegnerischen Hälfte und schnellem Umschaltspiel nur einen kurzen Weg in den Strafraum zurücklegen und praktisch unbedrängt von seiner Lieblingsposition aus abschliessen konnte. Zwei seiner drei Saisontore hat «RoRo» damit gegen Sion erzielt. Im Wallis leistet der Techniker viel Laufarbeit und stellt mit 11 Top-Offensivaktionen einen Rekord auf: noch nie seit der Erhebung dieser Daten hatte bisher ein FCZ-Spieler eine zweistellige Zahl Top-Offensivaktionen in einem einzigen Spiel erreicht. Rodriguez ist zudem erstmals in dieser Saison der Most Valuable Player der Partie.

Von den Einwechselspielern konnte nur Kevin Rüegg überzeugen, der seine rechte Seite in der Schlussphase gut dichtmachte. Moussa Koné hatte hingegen einen seiner Kurzauftritte in denen er sich eher etwas wie ein Fremdkörper über den Platz bewegte, und die Spielweise der eigenen Mitspieler nicht zu verstehen schien. Yassin Maouche bekam von den Einwechselspielern am meisten Spielzeit, begann gleich mit einem erfolgreichen Tackling gefolgt von einem Beinahe-Fehlpass wenige Sekunden später. In den folgenden Angriff brachte sich der Franzose dann noch gut ein, aber bereits nach fünf Minuten begann der Mittelfeldspieler abzubauen und geistig etwas abwesend über den Platz zu schlurfen. So passierte ihm dann auch der entscheidende Fehler, der dem FCZ die drei Punkte kostete. Im «Grümpelturniermodus» mit fehlendem Fokus und Körperspannung, und nur auf den Ball fokussiert, liess er seinen Gegenspieler Salih Uçan aus den Augen, der dadurch viel Raum und Zeit hatte, seinen entscheidenden «tödlichen» Pass in die Tiefe zu spielen. Den sich nach 30 Metern Anlauf aus dem Mittelfeld im Höchsttempo befindlichen Torschützen Kasami noch zu stoppen, war dann mit legalen Mitteln für den gegen seinen Ex-Klub seine bisher beste Partie im FCZ-Dress abliefernden Pa Modou nicht mehr möglich.

FCZ druckvoll, Maouche mit entscheidendem Fehler / Sion – FCZ 1:1 Highlights

Der neue Sion-Trainer Gabri will, dass sein Team viel Ballbesitz hat. Diese Intention durchkreuzte der FCZ im Wallis von Beginn weg durch viel Tempo im Spiel ohne und auch mit Ball. Bezüglich Leistung und Auftreten zeigte der Stadtclub nach einem kleinen Zwischentief weiter Aufwärtstendenz. Und hinten hatte der diesmal wieder auf der linken Seite der Dreierabwehr aufgestellte Brunner den jungen Sion-Shootingstar Cunha gut im Griff. Die Walliser kamen zu Beginn kaum aus der eigenen Platzhälfte heraus, nach Ballgewinn suchte das Forte-Team das schnelle Direktspiel – es fehlte einzig das Timing, die Ruhe und Präzision im Abschluss. Wenn man Vollgasfussball spielt, trotzdem im richtigen Moment vor dem gegnerischen Tor die Ruhe zu bewahren, ist die Königsdisziplin. Roberto Rodriguez machte es bei seinem Tor kurz nach der Pause vor. 

Michi Frey hatte wie üblich den Gegner zum Fehler gezwungen, Palsson ohne Umschweife den Pass in die Tiefe gespielt, und Rodriguez seine ideale Abschlussposition für seinen Drehschuss mit rechts im gegnerischen Strafraum gefunden  und auch dank fehlender Gegenwehr genutzt. Sion schaffte es erst nach diesem Gegentreffer zu reagieren und hatte mit zwei Pfostenschüssen von Kasami und Pinga Pech. Das 1:1 gelang Pajtim Kasami nachdem bei einem Abpraller beim Duo Schneuwly / Bangura der eingewechselte Yassin Maouche kopflos nur auf den Ball fokussiert seinen Gegenspieler Salih Uçan aus den Augen verlor.

Der ehemalige Fenerbahçe- und Roma-Regisseur hatte dadurch viel Zeit und Platz, seinen tödlichen Pass in die Tiefe zu spielen, Pa Modou schaffte es nach der Drehung nicht mehr, das Tempo des heranbrausenden Pajtim Kasami aufzunehmen. Der aus dem Zürcher Weinland stammende Mittelfeldspieler traf zum Ausgleich, und leistete sich am Ende der Partie auch noch eine Tätlichkeit, als er Uli Forte in den Metallpfosten der Spielerbank stiess. Seltsamerweise schickte Schiedsrichter Nikolaj Hänni dafür Forte auf die Tribüne.  

Sion – FCZ 1:1 (0:0)

Tore: 47. Rodriguez (Palsson) 0:1, 81. Kasami (Uçan) 1:1.

FC Sion: Mitryushkin; Zverotic (55. Bamert), Paulo Ricardo, Angha, Lenjani; Kasami, Constant (73. Pinga), Toma; Cunha, Uçan; Schneuwly.

FC Zürich: Vanins; Thelander, Bangura, Brunner; Winter (81. Rüegg), Sarr (74. Maouche), Palsson, Pa Modou; Dwamena, Frey, Rodriguez (90.+2 Koné).

 

Drei Fragen vor Sion – FCZ: mit oder ohne Alain Nef?

Die erste Saisonbegegnung im August war aus Sicht des FCZ ein sehr wichtiger 2:0-Heimsieg dank zwei Standardtoren von Roberto Rodriguez und Michi Frey. Vor allem in der 1. Halbzeit gab es im Letzigrund viele Torchancen auf beiden Seiten, wobei beim Gegner vor allem der zuletzt verletzte Brasilianer Adryan jeweils seine Füsse im Spiel hatte.

Vor dem „Rückspiel“ im Tourbillon am Samstag stellen sich aus Sicht des FCZ drei Fragen.

  1. Hat die Mannschaft aus dem Derby gelernt?

Für Uli Forte war das Derby ein Match, wie er einmal pro Jahr vorkomme oder noch seltener. Deshalb gäbe es aus dem Derby nicht wirklich viel zu lernen. Die Mannschaft hat vor dem Derby gewusst, was sie machen muss, und weiss es auch jetzt. Man habe in diesem Spiel GC die Tore auf dem Silbertablett serviert. Das dürfe so nicht vorkommen. Und man müsse vorne um die Tore kämpfen, mehr Vertikalität ins Spiel bringen, und nicht davon ausgehen, dass alles von alleine gut komme. Nichtsdestotrotz habe man letzte Woche gegen Stade Lausanne Ouchy und den FC Basel wieder mehr Killerinstinkt gesehen.

2. Ist der kürzliche Trainerwechsel in Sion ein Vorteil für den FCZ?

Normalerweise geht bei einem Trainerwechsel ein Ruck durch eine Mannschaft. Die vom alten Trainer verschmähten Spieler schöpfen neue Hoffnung und geben Vollgas, die etablierten müssen sich entsprechend neu beweisen. In Bern bei der 1:5-Niederlage Sions zum Auftakt der Ära des neuen Trainers «Gabri» wirkte Sion zeitweise etwas orientierungslos, und es gab viel taktischen Erklärungsbedarf zwischen Spielern und Trainerstaff. Uli Forte verfolgte dies als Tribünengast aus nächster Nähe. Der Spanier hatte nur ganz wenige Trainingseinheiten zur Verfügung, um dem Team seine Ideen zu vermitteln und musste gleich beim heimstarken Leader auf Kunstrasen ins kalte Wasser springen.

Mittlerweile hatten Gabri und sein Team eine ganze Woche Zeit, sich auf den FCZ-Match vorzubereiten und das 4-3-3 System einzustudieren. FCZ-Trainer Uli Forte erwartet  beim Gegner in jeder Hinsicht, organisatorisch, mental und möglicherweise auch personell eine andere Mannschaft auf dem Platz, als noch in Bern. Gabri bezeichnete das Spiel gegen den FCZ bereits als einen «Final» vor der Nationalmannschaftspause. Kommt der «Neue Besen»-Effekt bei den Wallisern also mit einer Woche Verspätung, oder braucht das Team noch etwas mehr Zeit, um vom Italiener Paolo Tramezzani auf die Barçelona-Schule Gabris mit viel Ballbesitz umzustellen?

  1. Ist Alain Nef wieder fit?

Alain Nef, der beim letzten Auftritt des FCZ im Wallis (ein turbulentes 2:2) drei Tage vor dem Abstieg in der 95. Minute Gelb-Rot sah, war zuletzt bereits etwas länger angeschlagen gewesen und gegen Basel aus diesem Grund erst in der Schlussphase eingewechselt worden. Er erhielt während seines Kurzeinsatzes aber einen weiteren Schlag aufs Knie und konnte nur mit Müh und Not zu Ende spielen. Diese Woche absolvierte er ein Spezialprogramm und sein Einsatz morgen gegen Sion ist zur Zeit noch fraglich.

Von den Langzeitverletzten am weitesten ist Mirlind Kryeziu. Der Verteidiger könnte in Kürze (wohl zuerst in der U21) zu seinen ersten Einsätzen kommen. Antonio Marchesano absolviert im Mannschaftstraining erst ein Teilprogramm – bei ihm wird es bis zu einem möglichen Einsatz noch mehrere Wochen dauern. Armin Alesevic muss in diesen Tagen eine weitere Operation am Knie über sich ergehen lassen, lässt sich davon aber nicht unterkriegen und wirkt im Gespräch mit Züri Live zuversichtlich für die nähere Zukunft.

News gibt es auch von Marvin Graf: der zuletzt an den FC Wohlen ausgeliehene schnelle Offensivmann laboriert seit mehr als einem Jahr an einem Knorpelschaden. Gemäss Leiter Sport Thomas Bickel ist zur Zeit geplant, dass Graf ab Dezember 2017 beim FCZ mit der Reha beginnt. Der aus dem eigenen Nachwuchs stammende 22-jährige hat noch Vertrag bis 2020.  

Am Ende alle Neuzugänge auf dem Platz / FCZ – Sion Stats + Spielinfos

Gegen Sion hatte der FCZ etwas weniger Top-Offensivaktionen als in den ersten beiden Letzigrund-Partien, dafür mehr gute Defensivaktionen, angeführt von Umaru Bangura und Adrian Winter. Winter gehört mit MVP Michael Frey und Kevin Rüegg zu den drei Spielern, die in allen vier bisherigen Partien eingesetzt wurden und bisher immer mindestens Note 7 hatte.

Sangoné Sarr schlägt bisher zwei Drittel aller Eckbälle – praktisch alle seine Tor- und Chancenbeteiligungen stammen aus diesen erfolgreich und variabel gespielten Standards.

Zum Ende des Spiels stehen dank der Einwechslung von Viktor Palsson und dem Début von Yassin Maouche erstmals zusammen mit Pa Modou und Frey die vier Neuzugänge gleichzeitig auf dem Platz. Palsson und Maouche sind in dieser Schlussphase vor allem mit Defensivaufgaben und der Auslösung von Konterangriffen beschäftigt.

 

 

Brunner ersetzt den verabschiedeten Kukeli / FCZ – Sion 2:0 Highlights

Von Beginn weg spielen beide Teams erstaunlich offen und mit viel Risiko. So entwickelt sich ein Schlagabtausch mit viel Platz im Mittelfeld – und in einem solchen spielt schlussendlich immer die Effizienz vor dem gegnerischen Tor die entscheidende Rolle. Der FCZ agierte variantenreicher sowohl aus dem Spiel heraus, als auch bei Standards, profitierte aber auch von Geschenken des Gegners, wie dem ungestümen Einsteigen Constants im eigenen Strafraum gegen Rodriguez, welches zum Penaltytreffer zum 1:0 führte. Während Uli Forte wieder zum 3-4-3 zurückkehrte (mit Brunner auf halblinks für den vor dem Spiel verabschiedeten Kukeli (100 Wettbewerbsspiele für den FCZ)), spielte Sion diesmal im 4-3-3 mit einer Brasilianischen Flügelzange (Cunha – Adryan). Die gefährlichen Angriffe kamen dabei fast immer über Geburtstagskind Adryan über links.

FCZ – Sion 2:0 (2:0)

Tore: 23. Rodriguez (Penalty) 1:0, 26. Frey (Sarr) 2:0.

FC Zürich: Vanins; Nef, Bangura, Brunner; Winter, Rüegg (71. Palsson), Sarr (87. Maouche), Pa Modou; Dwamena, Frey, Rodriguez (79. Koné).

Sion: Mitryushkin; Lüchinger, Zverotic, Bamert, Lenjani; Constant, Ndoye (71. Milosavljevic), Karlen (46. Konaté); Cunha, Schneuwly, Adryan (71. Acquafresca).

 

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