Wegweisend für die Personalpolitik / Yverdon-Sport – FCZ in der Züri Live-Analyse

Der grösste Misserfolg einer ansonsten starken Vorrunde des FCZ war die Cup-Niederlage in Yverdon. Die Züri Live-Durchschnittsnote ist mit 5,4 die zweittiefste der Vorrunde ex aequo mit dem 2:2 zuhause gegen Servette – und nur um 0,1 besser als dem schlechtesten (wenn auch am Ende sehr glücklichen) Auftritt im ersten Derby. Wie in der 1. Cup-Runde gegen Solothurn setzte Trainer Breitenreiter auf ein 4-3-3 mit offensiver Ausrichtung, und gab Spielern aus der zweiten Reihe eine Chance. Diese konnten sie aber nicht nutzen. In den ersten sieben Minuten startete die ganze Mannschaft schlecht. Die etablierten Spieler konnten sich danach mehr und mehr fangen – im Gegensatz zu denjenigen aus der 2. Reihe (mit Ausnahme von Marc Hornschuh). Der Auftritt im Waadtland war dementsprechend richtungsweisend für die Personalpolitik der restlichen Vorrunde.

Rodrigo Pollero als „Chancentod“

Auch wenn es sich nach dem episch langen Penaltyschiessen so anfühlte, als habe Yverdon auf dem sandigen Platz verdient gewonnen, sammelte bei näherer Betrachtung der FCZ mehr Gründe für ein Weiterkommen. Erstmal: ein klares Chancenplus. Das Expected Goal-Verhältnis war 2,84 : 0,96 zugunsten des FCZ – das Resultat aber 2:2 statt 3:1 nach Verlängerung. Selbst auf 90 Minuten runtergerechnet hatte der FCZ nur gegen Solothurn, Luzern (4:0) und in den beiden Partien gegen Basel mehr Abschlüsse als in Yverdon. Speziell Rodrigo Pollero sündigte mit gleich acht ungenutzten Chancen – klarer FCZ-Saisonrekord. Zum Vergleich: den zweithöchsten Wert an ungenutzten Abschlusschancen hatte Blaz Kramer mit fünf beim 4:0-Heimsieg gegen Luzern. In der letzten Minute der Verlängerung parierte Mirko Salvi den Kopfball Bledian Krasniqis nach hervorragender Balleroberung und Flanke Fabian Rohners von rechts mirakulös.

Einwechselspieler bringen frischen Wind

Neben Krasniqi und Rohner brachten auch Aliti und vor allem Wilfried Gnonto nach ihren Einwechslungen viel Schwung und deutlich mehr Torchancen ins Zürcher Spiel, nachdem der FCZ in der 1. Halbzeit ziemlich schlecht in die Partie gestartet war. Rohner brauchte zwar zu Beginn seines Einsatzes etwas Anlaufzeit, drehte mit Verlauf des Spiels aber vor allem auch defensiv mit vielen Ballgewinnen und sogar gewonnenen Luftduellen immer mehr auf, und verwandelte auch seinen Penalty souverän. Zwar hatte Yverdon vor seinem 1:0-Führungstreffer in der 43. Minute keine Torchance gehabt, aber der FCZ lud den Gegner durch seine zu wenig konkrete Spielweise geradezu zu einer Überraschung ein.

FCZ war nach „Kriens“ gewarnt

In der 1. Cuprunde hatte man in Solothurn davon profitiert, dass der Gegner zu diesem Zeitpunkt noch keine Spielpraxis hatte und kam auch dank einer fokussierten Startphase zur schnellen Vorentscheidung. Die 2. Runde lief gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten der Challenge League, SC Kriens, bereits ziemlich harzig. Das Breitenreiter-Team kam dank einem der vielen direkt verwandelten Freistosstore in der Startphase der Saison und der durch den ehemaligen FCZ-Junior Albion Avdijaj vergebenen Topchance in der 86. Minute weiter.

Uli Forte sehr gut über FCZ-Aufstellung und -Taktik informiert

In Yverdon fiel auf, wie gut Ex FCZ-Trainer Uli Forte sowohl vor der Partie wie auch in der Halbzeitpause über die FCZ-Formation und -Taktik informiert war (beziehungsweise sie vorausgesehen hat). Sowohl zu Beginn der ersten wie der zweiten 45 Minuten war die Yverdon-Formation defensiv exakt auf den FCZ ausgerichtet. Dem Zürcher 4-1-2-3 begegnete Forte mit dem entsprechenden defensiv ausgerichteten Gegensystem, dem 4-2-3-1. Er erwartete den FCZ ganz offensichtlich mit jeweils zwei Spielern auf der Seite, was davor in dieser Saison einzig in Solothurn der Fall gewesen war.

Yverdon heimstark wie der FCZ

Yverdon hatte mit Toptorschütze Koro Koné und dem aus der Meisterschaft mit einer 5 Spiele-Sperre (doppelter Tritt gegen den Kopf von Roberto Alves in Winterthur) belegten Miguel Rodrigues die gewichtigeren Ausfälle zu verkraften, war dafür durch das abgesagte Spiel gegen Stade Lausanne-Ouchy vom Wochenende etwas erholter. Nach dem Amtsantritt von Uli Forte im August hat das Team vom Neuenburgersee die ersten zwei Heimspiele gegen Xamax und Aarau unentschieden gespielt und danach inklusive dem Cup-Spiel gegen den FCZ im Stade Municipal acht Mal in Folge gewonnen.

Malula und Silva eliminieren den FCZ zum zweiten Mal hintereinander

Das Hauptziel des Forte-Teams in der 1. Halbzeit war erstmal die linke FCZ-Seite mit Guerrero und Ceesay aus dem Spiel zu nehmen, was gut gelang. Forte setzt in solchen Fällen immer auf Physis. So stellte er den bulligen Zentralen Mittelfeldspieler Christian Zock an den Rechten Flügel, um die Kreise von Adrian Guerrero zu stören. Den von links häufig zur Mitte ziehenden Ceesay übernahm in der Regel der topmotivierte rechte Innenverteidiger Breston Malula. Der ehemalige YB-Junior hatte genauso wie der Brasilianer Silva bereits vor Jahresfrist mit Chiasso den FCZ aus dem Cup kegeln können. Malula hatte damals kurz vor Schluss mit einem Energieanfall im Mittelfeld gegen Simon Sohm den Freistoss herausgeholt, aus dem dann der entscheidende Handspenalty entstand. Auch Silva (damals allerdings noch nicht im Matchkader) erinnerte sich gut daran und provozierte während dem Penaltyschiessen die zahlreich mitgereisten FCZ-Fans. Von den YB-Leihspielern blieb der spielstarke Eberhard eher blass, Vladi spielte einen entscheidenden Pass in die Tiefe beim 1:0 und vor allem Blum, der gute Perspektiven auf die Super League hat, gelang eine formidable Leistung. Dem Führungstreffer Yverdons kurz vor der Pause ging einer von mehreren unnötigen Ballverlusten Gogias voraus, den das Heimteam zu einem erfolgreichen Konter nutzte bei welchem Kryeziu Nebenmann Guerreros Chancen den Torschützen Beleck noch einzuholen überschätzte, und deshalb falsch stand.

Andy Gogia nutzt seine Freiheiten nicht

U17-Weltmeister Sead Hajrovic hatte im ersten Durchgang Rodrigo Pollero weitgehend im Griff. Rechtsverteidiger Lewin Blum agierte vorwiegend als Feuerwehrmann. Das Thema Feuerwehrmann war ein weiterer wichtiger Baustein für Yverdons Erfolg. Blum, Malula, Ninte und Co. blockten enorm viele Zürcher Abschlüsse – mehrmals in höchster Not. Ausserdem machte die rechte Zürcher Seite, vor allem Andy Gogia, viel zu wenig aus den gewährten Freiheiten in den ersten 45 Minuten. Da Yverdon unter anderem mit einer leicht nach rechts verschobenen Viererkette sehr viel in die Blockade der linken Zürcher Angriffsseite investierte, hatte Zürich über rechts Platz und auch häufig den Ball. Mehrmals konnte der Deutsche Zuspiele aber nicht stoppen, wartete am Ball wahlweise zu lange oder zu kurz und ging im Spiel ohne Ball naiv ins Pressing und in die Zweikämpfe. Von den fünf Partien, in welchen Gogia in dieser Vorrunde in der Startformation stand, erhielt er von Züri Live vier Mal eine ungenügende Note.

Ante Coric zu passiv und unkonzentriert

Der viel zu passive und unkonzentrierte Ante Coric war ein weiterer Akteur, der sich mit einem ungenügenden Auftritt im Stade Municipal einen Ausbau seiner Einsatzzeiten im Verlauf der Vorrunde verbaute. Schon in den ersten Minuten unterliefen ihm zwei schwerwiegende Fehlpässe und er liess nach einem Hajrovic-Fehler alleine vor Salvi eine Topchance leichtfertig liegen. In der 2. Halbzeit regte sich Trainer Breitenreiter an der Seitenlinie lautstark über Coric auf, als dieser den richtigen Zeitpunkt verpasste, im Hohen Pressing Torhüter Salvi zu attackieren.

Kostadinovic schien fürs Penaltyschiessen nicht parat

Torhüter Zivko Kostadinovic vermochte sich ebenfalls nicht zu profilieren. In der regulären Spielzeit kriegte der Waadtländer kaum etwas zu tun und musste in der 92. Minute erstmals eingreifen. In der Verlängerung war sein Positionsspiel mehrmals ungenügend (ähnlich wie manchmal beim Nummer 1-Torhüter Brecher). Vor allem aber wiegt in seinem Fall das Penaltyschiessen schwer. Der 29-jährige hat vor und während dem Spiel die Gegenspieler ganz offensichtlich in ihrem Passspiel und Abschlussverhalten nicht gut studiert – sonst hätte er die richtige Ecke deutlich häufiger geahnt. Mit zunehmender Dauer des Penaltyschiessens wurde Kostadinovic immer verzweifelter und machte es dem gegnerischen Schützen mit zu frühem Bewegen in fast immer die gleiche Ecke zu einfach. So konnte selbst Gegenpart Mirko Salvi seinen schlecht gechossenen Penalty im Netz zappeln sehen. Der aus Yverdon stammende Salvi spielte in seiner bisher besten Karrierephase in Lugano, wo er im Cupfinal 2016 gegen den FCZ im Letzigrund den entscheidenden Fehler beging und einen Ball vor die Füsse von Torschütze Sangoné Sarr fallen liess.

Pollero, Krasniqi und Doumbia im Fokus

Antonio Marchesano und Rodrigo Pollero vergaben ihre jeweils ersten Penaltys deutlich. Davor hatte sich Pollero in der Luft nie durchsetzen können, war im Antritt immer langsamer als seine Gegenspieler und antizipierte darüber hinaus viele Situationen zu spät. Immerhin legte er beim 1:1-Ausgleich nach Idealzuspiel Kryezius gut mit der Brust für Gnonto auf. Bledian Krasniqi, welcher beim fünften Penalty Nerven aus Stahl bewiesen hatte und souverän verwandelte, verschoss seinen zweiten. Kurz vor diesem hatte die hinter dem Tor postierte Zürcher Kurve, die zuvor angespannt das Shootout mitverfolgt hatte, plötzlich zu singen und zu hüpfen begonnen. Krasniqi wurde vor diesem zweiten Schuss sichtlich aufgeregter, als vor dem ersten, und befasste sich damit, Dreck zwischen den Stollen wegzuwischen. Bezeichnenderweise traf nach diesem Fehlschuss auf Yverdon-Seite Ninte mit seinem zweiten Penalty, nachdem sein erster der einzige der 22 Schüsse in diesem Elfmeterschiessen gewesen war, der von einem der beiden Torhüter gehalten werden konnte. Ousmane Doumbia ist Yverdon bis heute dankbar, dass er nach dem Abgang bei Servette ein paar Monate in der Promotion League unter Trainer Anthony Braizat Spielpraxis erhalten konnte. Der Ivorer begann das Cup-Spiel bei seinem Ex-Klub stark, baute dann aber mit zunehmender Spieldauer ab und kam bis zur 100. Minute gar auf eine ungenügende Note.

Guerrero profitiert von Yverdons taktischer Umstellung zur Pause

Situativ positionierte sich der FCZ zwar schon in der 1. Halbzeit zwischendurch im Spielaufbau im üblichen 3-4-1-2 mit Marchesano als Aufbauer auf der rechten Innenverteidigerposition. Auf die 2. Halbzeit hin wechselte man dann definitiv wieder auf diese Formation. Yverdon hatte dies wie erwähnt schon antizipiert und lief nun dementsprechend in einem 3-3-2-2 auf. Ninte kam für Eberhard rein und Zock wechselte auf die zweite Achterposition neben Kabacalman. Vladi bildete mit Beleck ein Sturmduo. Das physische Element verlagerte sich mit Ninte und Zock nun stärker auf die linke Yverdon-Seite. Der in der 1. Halbzeit noch relativ blass gebliebene Adrian Guerrero blühte daher nach der Pause auf – Boranijasevics Leistungskurve verlief dementsprechend umgekehrt.

Dudic verwehrt dem FCZ zwei Penaltys

Letztendlich hatte neben all den anderen Faktoren auch die Spielleitung Einfluss auf den Ausgang der Partie. Yverdons Fouls von hinten wurden durch Ref Dudic lange Zeit etwas zu wenig strikt geahndet. Von drei heiklen Szenen im Yverdon-Strafraum hätte zudem zwei Mal auf Penalty für den FCZ entschieden werden müssen. In der 69. Minute, als Silva am nahen Pfosten den nach einem Guerrero-Corner aufsetzenden Ball mit dem Oberarm nicht nur berührte, sondern regelrecht spielte – und in der 99: Minute, als Malula Guerrero zu Fall brachte.

Telegramm

Yverdon- Sport – FCZ 2:2 (1:0, 1:1, 2:2), 11:10 i.P.
Tore: 43. Beleck (Vladi) 1:0; 71. Gnonto (Pollero) 1:1; 94. Beleck (Ninte) 2:1, 104. Hornschuh (Gnonto) 2:2.
Yverdon – Salvi; Blum, Malula, Hajrovic, Gétaz (101. Jaquenoud); Silva, Eberhard (46. Ninte); Zock (101. Fargues), Kabacalman (79. Lusuena), Vladi (79. Eleouet); Beleck.
FCZ – Kostadinovic; Boranijasevic (67. Rohner), Hornschuh, Kryeziu, Guerrero; Doumbia (100. Krasniqi); Marchesano, Coric (67. Leitner); Gogia (46. Aliti), Pollero, Ceesay (46. Gnonto).