Blerim Dzemaili zwischen Handicap und Torbeteiligungen: FCSG – FCZ 2:3 in der Züri Live-Analyse
Spiel und Gegner
Der FCZ gewinnt zum dritten Mal in Folge im Kybunpark gegen einen Gegner, der dem FCZ vom Spielstil her schon seit einiger Zeit zu liegen scheint. Die drei Auswärtserfolge gegen das aufstrebende St. Gallen im Dezember 2019, Juni 2020 und jetzt Januar 2021 hatten dabei viele Gemeinsamkeiten. In allen drei Partien kam der FC St. Gallen zu Beginn „wie die Feuerwehr“ aus den Startlöchern, verausgabte sich stark und begann dementsprechend nach etwa 30 Minuten kräftemässig abzubauen. Schon in den ersten zwei Begegnungen wollten die Grünweissen in ihrer grossen Druckphase zu Beginn des jeweiligen Spiels mindestens einen Zweitorevorsprung herausspielen – was nun erstmals auch gelang. Trotzdem vermochten die Ostschweizer auch diesmal nicht zu gewinnen. Der FC Zürich nutzte den St. Galler Kräfteverschleiss eiskalt aus – mit erneut (mindestens) drei Toren.
Die beiden Siege vom Dezember ’19 und Juni ’20 sind höher einzustufen, als der aktuelle, da St. Gallen damals eine deutlich bessere Mannschaft auf den Platz brachte. Vor allem Ermedin Demirovic und Silvan Hefti vermochten die Ostschweizer bisher nicht zu ersetzen. Wie dünn derzeit ihre Kaderdecke ist, zeigt sich beispielsweise darin, dass der Dreifachwechsel zur Pause (Diarrassouba, Babic und Youan für Ruiz, Guillemenot und Duah) das Team eher schwächte. Und die drei Zürcher Tore waren allesamt grosszügige Geschenke aus der Ostschweiz. Beim ersten lässt sich erst Ruiz von Winter abdrängen, Stillhart schiesst Mirlind Kryeziu ideenlos in die Füsse, Quintilla verliert sein Laufduell mit Marchesano um den Zweiten Ball im Mittelfeld und Fazliji geht knapp im eigenen Sechzehner von hinten ins Sliding Tackling gegen Assan Ceesay und verursacht damit den fälligen Penalty. Beim Zürcher Ausgleich zum 2:2 produziert Jordi Quintilla vor dem eigenen Strafraum einen Querschläger nach einem eigentlich verunglückten Freistoss Blerim Dzemailis. Der Schuss geht im wahrsten Sinne des Wortes „nach hinten los“ und Torwart Zigi lässt den Ball aus seinen Hànden direkt vor die Füsse des einschussbereiten Antonio Marchesano flutschen. Vor dem 2:3-Siegtreffer Salim Khelifis noch vor der Pause spielt der zurückgeeilte Stürmer und 1:0-Torschütze Kwadwo Duah im Liegen Blerim Dzemaili den Ball direkt in die Füsse.
Die Stilsicherheit des Spätherbstes unter Massimo Rizzo ging dem FCZ auch in St. Gallen ab, wenngleich man sich immerhin im Vergleich zur 0:1-Heimniederlage gegen den FC Vaduz auf mehreren Positionen verbessern konnte. Speziell auf der rechten Seite, wo sich Tosin gegenüber seinem ganz schwachen Auftritt im Letzigrund zu steigern und vor allem Adi Winter als echte Alternative auf der Rechtsverteidigerposition aufzudrängen vermochte. Auch über links war man mit Fidan Aliti und dem erstmals seit langer Zeit wieder einmal eine gute Leistung abliefernden Salim Khelifi besser aufgestellt, als dem Duo Schättin / Gnonto gegen Vaduz. Auch Torhüter Brecher brachte wieder seine guten langen Bälle an den eigenen Mann – und vorne ist Assan Ceesay ein klares „Upgrade“ im Vergleich zu Blaz Kramer. Im Zentrum bleibt hingegen der aus der Fremde zurückgekehrte Blerim Dzemaili trotz einzelnen Szenen, in welchen er seine Qualität und Erfahrung in die Waagschale werfen kann, unter dem Strich für das Team eine Hypothek. Auch in St. Gallen unterliefen dem nach einem Jahr Pause noch weit von einer Super League-reifen Form entfernten 34-jährigen Mittelfeldpuncher unzählige Abspiel-, Stellungsfehler und wichtige verlorene Zweikämpfe. Zudem mussten die Teamkollegen vor, hinter und neben ihm ständig Lücken stopfen, welche Dzemaili beim Umschalten hinterliess, und so teilweise ihre eigenen Aufgaben vernachlässigen.
Taktik und Szenen
Bezüglich Spielformation gabs keine Überraschungen: das übliche St. Galler 4-1-2-1-2 traf auf das ebenfalls gewohnte Zürcher 4-2-3-1, wobei beim FCZ im Verlauf der Partie vier verschiedene Spieler auf der 10er-Position agierten: Marchesano, Khelifi, Tosin, Domgjoni. Bei St. Gallen kam der von GC verpflichtete Aussenverteidiger Euclides Cabral zu seinem ersten Startelfeinsatz, rettete einmal entscheidend im Strafraum gegen den einköpfbereiten Antonio Marchesano, fand ansonsten aber noch nicht die Bindung zum Spiel und seinem Team. Der im Sommer direkt aus der Elfenbeinküste verpflichtete Salifou Diarrassouba feierte einen Monat nach seinem 19. Geburtstag sein Super League-Début. Der Doppeltorschütze bei der letzten Begegnung im Letzigrund, Elie Youan, begann wie Diarrassouba ebenfalls auf der Bank.
Wie üblich bei Begegnungen im Kybunpark begann das Spiel in relativ hohem Tempo – allerdings nicht vergleichbar mit der enormen Intensität in den letzten beiden Duellen der beiden Teams an gleicher Stelle. Beide Teams wie immer wenn sie aufeinandertreffen mit viel Vertikalität und schnellem Umschalten im Spiel und dazu von Beginn weg mit relativ viel Risiko. Schon in der Zweiten Minute profitierte St. Gallen vom weiten Aufrücken der Zürcher mit allen Feldspielern inklusive Innenverteidiger in der St. Galler Hälfte, als Blerim Dzemaili und Co. bei einem zweiten Ball vor dem Strafraum der Ostschweizer zu langsam reagierten und Basil Stillhart den weiten Ball hinter die Zürcher Abwehr unbedrängt spielen liessen. Der schnelle Kwadwo Duah war genau im richtigen Moment aus der eigenen Platzhälfte nicht in Offsideposition gestartet und hatte daher beim Zeitpunkt des Überquerens der Mittellinie bereits ein hohes Tempo aufgenommen, welches ihm den entscheidenden Vorsprung gab. Das 2:0 erzielte dann der sich gegen den FCZ immer wieder auszeichnende Basil Stillhart gleich selbst, als Jordi Quintilla mit seinem aussergewöhnlichen Freistoss die Zürcher Offsidefalle alt aussehen liess. Im Nachhinein gesehen war es falsch, in dieser Freistosssituation mit Offsidefalle zu agieren – vor allem wenn der Gegner einen Jordi Quintilla in seinen Reihen hat. Vor allem aber würde man sich solche Freistösse auch beim FCZ in der Offensive wünschen.
St. Gallen hat in der ersten halben Stunde Vorteile im Umschaltspiel, weil bei den Ostschweizern immer mindestens ein Spieler im Vollsprint dem Ball nachhetzt, währenddessen das Zürcher Mittelfeld dem Gegner mehr Zeit und Platz zum Umschalten lässt. Weil Blerim Dzemaili im Zentrum häufig grosse Lücken hinterlässt, die nicht alle von Ousmane Doumbia geschlossen werden können, müssen die Flügel Tosin und Khelifi vermehrt einrücken, um in der Mitte auszuhelfen – was in einigen Situationen auf Kosten der Besetzung ihrer Positionen auf den Seiten geht.
Nach der 2:0-Führung machen die Ostschweizer die Räume nicht enger, sondern spielen gleich weiter wie zuvor. Dadurch, dass der FCZ durch die zwei Nackenschläge vorsichtiger wird und mit den Innenverteidigern etwas weiter zurückstaffelt, werden die Räume für beiden Teams noch grösser. Ein so entstehender offener Schlagabtausch ist ganz im Sinne des in Rückstand liegenden Teams. Denn so bleibt weiterhin alles möglich, was sich dann ja auch bewahrheitet. Der FCZ seinerseits macht dem FCSG nicht den gleichen Gefallen und zieht sich mit der 2:3-Führung nach der Halbzeitpause zurück und lauert vorwiegend auf Kontermöglichkeiten. Da das Heimteam aus der Gallusstadt in den zweiten 45 Minuten personell und kräftemässig nachlässt, kann sich der FC Zürich sogar erlauben, seine drei, vier sehr guten Torchancen auf das mögliche 2:4 auszulassen.
Der FC Zürich kommt zu einem Penalty, aber ansonsten lässt St. Gallen kaum einen Standard in Strafraumnähe zu. Auf der anderen Seite kann sich bei St. Galler Eckbällen neben Nathan und Aliti erneut Adi Winter als konsequenter Manndecker hervortun. Auch Doumbia und Mirlind Kryeziu verteidigen in solchen Situationen ordentlich. Duah wird von Nathan genügend gestört, so dass dieser übers Gehäuse köpft und Tosin kann aus einer St. Galler Cornervariante mit einem konsequenten Sprint in Richtung Alessandro Kräuchi gar eine Zürcher Konterchance kreieren. Dass dann einmal doch Lukas Görtler nach einem Eckball gefährlich zum Abschluss kommt, ist einer aus Zürcher Sicht unglücklichen Richtungsänderung des Balles am nahen Pfosten zu verdanken.
45.+2 Min.: Game-Winning Goal Salim Khelifi
Das FCZ-Siegtor ist ein Team-Effort. Adrian Winter hält rechts an der Seitenlinie den Ball hervorragend mit Kampfgeist und Technik im Spiel, woraus sich ein Freistoss ergibt. Diesen schlägt Blerim Dzemaili etwas zu hoch in den Strafraum. Der Ball fliegt ins Seitenaus. Beim St. Galler Einwurf greifen Assan Ceesay und Antonio Marchesano zu zweit mit sehr gutem Forechecking gegen drei St. Galler an, so dass Alessandro Kräuchi den Ball im hohen Bogen an die Mittellinie befördern muss, wo diesen Ousmane Doumbia und Fidan Aliti gegen Jérémy Guillemenot und Kwadwo Duah gewinnen.
Doumbia prischt mit Ball am Fuss nach vorne, verfolgt von Duah, der seinen Fehler wieder gut machen will. Pass von Doumbia auf Ceesay, der mit einer für seine Körpergrösse erstaunlich behenden 180 Grad-Drehung den Ball mit der zweiten Berührung in die Tiefe in Richtung seines Fussball-Buddys Marchesano leitet. Der Steilpass gerät etwas zu kurz. Dadurch kommt es zum Zweikampf zwischen Duah und Marchesano. Duah kommt zu Fall, weil er durch seinen Spreizschritt im Moment des Zusammenpralls im Gegensatz zu seinem Gegenspieler nur mit einem Fuss den Boden berührt. Am Boden liegend in Bedrängnis durch Marchesano und Ceesay, zieht Duah zuerst kurz den Ball mit dem Arm zu sich (hätte Handsfreistoss für den FCZ geben müssen) und schaufelt dann schnell mit dem rechten Fuss den Ball weg. Dieser landet dabei Dzemaili direkt vor dem Strafraum in den Füssen.
In diesem Moment steht Salim Khelifi noch ziemlich unbeteiligt sieben Meter hinter Dzemaili, reagiert aber sofort, als er rechts des St. Galler Abwehrblocks den offenen Raum sieht. Khelifi ruft Dzemaili von hinten zu, sprintet in den Raum. Dzemaili zieht auf, um wie schon mehrmals zuletzt aus der Distanz sein Glück zu versuchen. Der Schussweg wird ihm durch Cabral verstellt. Im letzten Moment vor der Schussabgabe taucht im rechten Augenwinkel Dzemailis der von hinten heranstürmende Khelifi im Vollsprint auf, Dzemaili bremst seine Schussbewegung ab, haut dabei leicht in den Boden und lenkt den Ball in einer verzögerten Bewegung genau im richtigen Moment ideal als Vorlage in den Raum. Khelifi zieht aus 13 Metern mit dem rechten Vollrist direkt ab. Die vorhandene Bewegung des Balles optimal ausnutzend mit leichtem Aussenristdrall landet der Ball trotz des rasch reagierenden Ati Zigis rechts oben im »Torkranz».
Personalien
Adrian Winter (9) – Schön, gibt es beim FCZ aktuell auch Spieler, deren Formkurve nach oben zeigt. Bei kaum einem geschieht dies so pointiert, wie bei Adi Winter, der noch vor der Winterpause nicht den Eindruck vermittelt hatte, dem Team sportlich helfen zu können. Dies hat sich mittlerweile geändert. Winter wirkt deutlich wacher und fokussierter, als noch vor ein paar Wochen. Man könnte sich für die Rechte Seite gut das Duo Rohner / Winter vorstellen – mit Winter als eher statischem, kampfstarken und erfahrenen Partner und Rohner, welcher seinen Speed nach vorne und hinten ausnutzt.
Nathan (7) – St. Gallen ist sein Pflaster: der kampfstarke Brasilianer ist auch diesmal im Kybunpark wieder häufig im Zentrum des Geschehens.
Blerim Dzemaili (2) – Auch in St. Gallen läuft Dzemaili wie schon in Basel häufig der Musik hinterher, wie das Kleinste in der Familie, das den älteren Geschwistern hinterherhechelt. Wenn es jeweils den Ort erreicht, wo die Geschwister etwas entdeckt hatten, sind diese bereits wieder weitergezogen. So wirkt es aktuell in vielen Szenen beim FCZ: wenn Dzemaili am eigenen Strafraum anlangt, haben seine Kollegen soeben mit Ach und Krach ohne ihn die Situation geklärt und den Angriff gestartet. Wenn Dzemaili diesem dann Richtung gegnerischen Strafraum folgt, dann läuft bei seiner Ankunft dort bereits wieder der St. Galler Gegenangriff. In der 2. Minute ist es Dzemaili, der in einer hoch stehenden Mannschaft Basil Stillhart nicht energisch genug angreift, so dass dieser genug Platz und Zeit hat, um den entscheidenden Pass zum 1:0 für Kwadwo Duah optimal hinter die Zürcher Abwehr zu spielen. Bereits ab der 7. Minute bewegt sich Dzemaili sehr langsam in der Rückwärtsbewegung, nachdem ihm in der Szene zuvor ein Ball in aussichtsreicher Position versprungen ist. Beim ersten St. Galler Corner ist Dzemaili der einzige Zürcher, der seinen Gegenspieler (Stergiou) komplett aus den Augen verliert. Beim Zürcher Anstoss nach dem St. Galler 2:0 in der 10. Minute versucht er wie ein übermütiger Jungspund ein Dribbling durch die Mitte gegen eine grosse St. Galler Übermacht, woraus sich ein potentiell gefährlicher Gegenangriff der Grünweissen ergibt. Eine Minute später lässt er den ballführenden Lukas Görtler ziehen. So zieht sich das über die ganzen 83 Minuten Einsatzzeit weiter.
In der 2. Halbzeit kommt der FCSG zu weniger Torchancen, als man in Normalfall von einem Heimteam im Rückstand erwartet, aber wenn, ergibt sich für die Grünweissen meist eine Möglichkeit, weil Dzemaili nicht auf seiner Position ist – oder wie in der 79. Minute von Quintilla getunnelt wird, was Staubli eine hervorragende Abschlussposition eröffnet. Gleichzeitig lässt Dzemaili auch im Kybunpark immer wieder seine Klasse und Erfahrung aufblitzen und ist an allen drei Toren entscheidend beteiligt, wenn auch beim zweiten mit einem verunglückten Freistoss. Ausserdem bemerkt Dzemaili kurz vor seiner Auswechslung bei einem St. Galler Eckball als Einziger, dass der eingewechselte Staubli keinen Gegenspieler gegen sich hat und beordert Tosin, dies zu übernehmen. Der aktuelle Dzemaili erinnert in vielerlei Hinsicht an Denis Popovic, der im Alter von knapp 30 Jahren mit Trainingsrückstand nach Zürich gekommen war. Dieser brachte ebenfalls viel Erfahrung mit, war spielerisch stark und schlug ausgezeichnete Standards, war aber in seinem damaligen Zustand für die Super League zu langsam. Die Unterschiede zwischen Dzemaili und Popovic liegen im unterschiedlichen Status in Verein und der Mannschaft. Ausserdem hat Dzemaili den Vorteil, dass seine Mitspieler mittlerweile defensiv disziplinierter auftreten, als es zu Popovic-Zeiten der Fall gewesen war, und damit sein fehlendes Laufvermögen teilweise ausgleichen können. Die Causa Dzemaili wird für den FCZ zu einer zusätzlichen Prüfung, die man sich trotz des im Spätherbst gut funktionierenden zentralen Trios Doumbia – Domgjoni – Marchesano auferlegt hat. Ist Blerim wie ursprünglich befürchtet zu spät zum FCZ zurückgekommen, oder kann er stattdessen der Mannschaft doch noch einen Schub verleihen?
Ousmane Doumbia (5) – Ein Auftritt mit Aufs und Abs, hat sich im Vergleich zu seinem schlechten Spiel gegen Vaduz aber gesteigert und muss viele Löcher stopfen.
Aiyegun Tosin (6) – Der Kybunpark ist wohl das Stadion in der Schweiz, wo Tosin bisher seine besten Leistungen gebracht hat, aber nach dem katastrophalen Auftritt gegen Vaduz beginnt er auch hier in wenig erbaulicher Art und Weise. Drei Tage zuvor hatte der Nigerianer durch ein „dummes Foul“ an Sandro Wieser im eigenen Strafraum eigentlich einen Penalty verursacht, der aber nicht gepfiffen wurde. Und nun foult er in der 10. Minute auf eine ähnlich unnötige Art und Weise in der eigenen Platzhälfte den St. Galler Ruiz. Der fällige Freistoss führt zum 2:0 der Grünweissen. In der ersten halben Stunde geht es in ähnlichem Stil weiter mit Fehlpässen und verlorenen Zweikämpfen. Danach steigert sich Tosin allerdings deutlich, und hilft mit einer defensiv disziplinierten Leistung wesentlich mit, die durch Dzemaili entstandenen Lücken zu stopfen. Nach vorne hat er wie zuletzt immer seine besten Szenen in der Phase, wo er im Zentrum spielt. Tosin (wenn er wieder einsatzfähig ist) im Sturmzentrum zu bringen und Ceesay dafür auf dem linken Flügel, wo der Gambier seine Schnelligkeit optimal ausnutzen kann, scheint eine durchaus interessante Option zu sein – zumal auch ein nomineller linker Flügel als Zielspieler für die hohen Bälle Yannick Brechers dienen kann.
Antonio Marchesano (8) – Marchesano ist der Einzige aus dem Zürcher Mittelfeld, der im Gegenpressing dem Ball mit ähnlich viel Intensität nachhetzt, wie ein Ruiz, Görtler oder Stillhart bei St. Gallen. Doumbia ist im Vergleich dazu eher der (ebenfalls wichtige) Antizipator im Rückraum. An allen drei Toren ist Marchesano entscheidend beteiligt. Beim ersten gewinnt er bei einem Zweiten Ball das Laufduell und den Zweikampf mit Quintilla und bedient den freistehenden Dzemaili, welcher Ceesay in die Tiefe schickt. Der am Ursprung des Treffers stehende Marchesano verwandelt dann den Penalty nach Fazliji-Foul gleich auch noch selbst. Beim zweiten Treffer glaubt er an eine Chance, macht den Weg in den Strafraum und steht daher beim Zigi-Fehler am richtigen Ort und kann dank seiner Technik den Ball direkt im St. Galler Gehäuse versenken, bevor ein Gegenspieler eingreifen kann. Auch am Ursprung des dritten Treffers steht Marchesano mit seinem Forechecking zusammen mit Ceesay nach einem St. Galler Einwurf und seinem anschliessenden gewonnenen Zweikampf gegen Kwadwo Duah, den er zu einem aus St. Galler Sicht fatalen Fehlpass in die Füsse von Dzemaili bewegt. Mit sieben Treffern ist der Tessiner mittlerweile klar bester Zürcher Torschütze – und er trifft in vielfältiger Art und Weise. Er versteht sich auf dem Platz fast blind mit seinem ungleichen Bruder Assan Ceesay, was man von anderen Teamkollegen nicht unbedingt behaupten kann.
Salim Khelifi (7) – Nach den Niederlagen in Chiasso, Bern und gegen Vaduz, gewinnt der FCZ in dieser Saison erstmals Punkte, wenn Salim Khelifi auf dem Platz steht. Sicherlich eine seiner besten Leistungen im Zürcher Trikot bisher. Neben seinem Siegtreffer mit drei, vier weiteren starken Offensivaktionen, arbeitet zudem defensiv disziplinierter mit, als in der Vergangenheit. Allerdings kam Gegner St. Gallen Khelifis Spielstil entgegen. Ob Khelifi auch gegen statischere Gegner seine Bilanz als einem der unkonstantesten und defensiv schwächsten Flügel der Liga ablegen kann, muss sich erst noch weisen.
Wilfried Gnonto (1) – Ein fast völlig verunglückter mehr als zwanzigminütiger Auftritt. Verhält sich sowohl offensiv wie defensiv zu passiv sowie unaufmerksam und fällt mehrheitlich die falschen Entscheidungen.
Fabian Rohner (10) – Wie schon gegen Vaduz holt er ein Maximum aus seiner viertelstündigen Einsatzzeit heraus und trägt vor allem mit seinen beherzten Läufen und Tacklings in der Rückwärtsbewegung wesentlich dazu bei, dass St. Gallen zu keinem echten Schlussspurt mehr ansetzen kann.
Toni Domgjoni (10) – Zeigt sich erneut in ausgezeichneter Verfassung und verhindert in noch vielfältigerer Art und Weise als Rohner mit seiner konsequenten Laufarbeit, Spielintelligenz, gewonnenen Zweikämpfen und feiner Technik auf engem Raum ein St. Galler Aufbäumen in der Schlussphase. Nicht unwesentlich dank den eingewechselten Domgjoni und Rohner, die schon seit Juniorenzeiten gut zusammen agieren, bringt der FCZ die drei Punkte nach Hause.
Trivia
Der früher zu den schlechteren und vor allem einseitigsten Schiedsrichtern der Liga gehörende Lukas Fähndrich scheint sich in den letzten Monaten gesteigert zu haben, wie sich auch in St. Gallen wieder zeigt. Als Torhüter hätte es der FIFA-Referee (seit 2019) hingegen wohl nicht weit gebracht. Obwohl der Luzerner bei Freistössen seinen Butanspray generös einsetzt und einen langen Streifen auf den Boden malt, liegt der 36-jährige mit seiner Einschätzung der Positionierung der Mauer durch die Torhüter mehrmals kolossal daneben. Das Bild der wiederholt deutlich neben der temporär eingezeichneten weissen Linie stehenden Mauer entbehrt nicht einer gewissen Komik.
Telegramm
FC ST. Gallen – FC Zürich 2:3 (2:3)
Tore: 2. Duah (Stillhart) 1:0, 10. Stillhart (Quintilla) 2:0, 16. Marchesano (Penalty. Ceesay) 2:1, 38. Marchesano 2:2, 45.+2 Khelifi (Dzemaili) 2:3.
FCZ – Brecher; Winter, Nathan, M. Kryeziu, Aliti; Dzemaili (83. H. Kryeziu), Doumbia; Tosin, Marchesano (70. Gnonto), Khelifi (76. Rohner); Ceesay (83. Domgjoni).
St. Gallen – Zigi; Kräuchi (80. Ribeiro), Stergiou, Fazliji, Cabral (76. Staubli); Quintilla; Görtler, Ruiz (46. Diarrassouba); Stillhart; Guillemenot (46. Babic), Duah (46. Youan).