Ansprechender Aufgalopp in Schaffhausen bei Heki-Saisondébut

Der LIPO Park war noch eine Baustelle und noch nicht offiziell eröffnet, als kurz nach Neujahr 2017 mit dem Testspiel Schaffhausen – FCZ zum ersten Mal im neuen Zuhause der Gelb-Schwarzen gespielt wurde. Seither ist dies zum traditionellen Aufgalopp ins Kalenderjahr für beide Teams geworden. Auf Seiten des FCZ war es gleichzeitig das erste Testspiel der Saison für drei arrivierte Akteure: Kevin Rüegg, Pa Modou Jagne und Hekuran Kryeziu. Sowohl Rüegg als auch Pa Modou stiegen aufgrund von Verletzungen erst spät in die Saison ein und waren danach in den Nati-Pausen mit ihren jeweiligen Auswahlteams unterwegs. Beide Aussenverteidiger hatten ihren ersten Meisterschaftseinsatz am 22. September gegen den FC Thun (2:0) und seither hat der FCZ in der Liga nur noch drei Mal verloren. Schon in einer Analyse der Vorrunde der vergangenen Saison kam Züri Live zum Schluss, dass in der Super League im Gegensatz zu Cup und Europa League für den FCZ die physisch starken Spieler eine speziell wichtige Rolle einnehmen: „Statistik der Woche: Physisch starke Spieler wichtig in der Super League“.

Rüegg und Pa Modou wurden in Schaffhausen beide in der Ersten Halbzeit eingesetzt. Diese Mannschaft zeigte sich engagiert und wie auch in den Trainings bemüht, den Schwung aus der Schlussphase der Vorrunde ins neue Jahr mitzunehmen. Trotzdem ging der eigentlich überlegene FCZ nach einem von Simon Sohm an Magnus Breitenmoser verschuldeten Penalty mit 0:1 in die Pause. Der FCZ zog vor dem Halbzeitpfiff immer wieder ein hohes Pressing auf und kam zu einigen Ballgewinnen in der Nähe des gegnerischen Strafraums. Unter anderem Kevin Rüegg machte Druck nach vorne, während auf der anderen Seite Pa Modou wie schon speziell in den letzten Partien im Dezember gegen Servette und in St. Gallen in der Rückwärtsbewegung einige Probleme bekundete.

Zu seinem ersten Einsatz nach seiner am 19. April 2019 im Cornaredo zugezogenen Kreuzbandverletzung kam in der Zweiten Halbzeit Hekuran Kryeziu. Dieser hatte zuletzt in den Trainings häufig als Rechtsverteidiger agiert, spielte in  Schaffhausen aber wieder im Zentralen Mittelfeld, wo ihm naturgemäss noch nicht viel gelang. Ganz allgemein brachten im zweiten Durchgang beide Mannschaften nicht mehr allzu viel zustande. Schaffhausen (in den ersten 45 Minuten in einem 3-4-1-2, dann einem 4-1-2-1-2) trat gemessen an der grossen Fluktuation im Kader mit unter anderem zwei Neuverpflichtungen, zwei Testspielern und zwei Akteuren aus der Zweiten Mannschaft erstaunlich gut organisiert, diszipliniert und am Ball so gut wie fehlerfrei auf. Die Handschrift von Murat Yakin, der sich im Verlauf der Ersten Halbzeit bereits früh im Jahr ein erstes Mal mit dem nicht wirklich souveränen Ref Gianforte anlegte, ist wieder erkennbar.

FC Schaffhausen – FC Zürich 1:0 (1:0)

Tor: 22. Sessolo (Penalty, Breitenmoser) 1:0

FC Schaffhausen (1. Halbzeit): Saipi; Kaiser, Mujcic, Kronig; Paulinho, Bunjaku, Breitenmoser, Belometti; Del Toro; Sessolo (35. Missi Mezu), Barry.
FC Schaffhausen (2. Halbzeit): Heim; Vitija, Mujcic (62. M. Bajrami), Mevlja, Qollaku; Lika; Aydeniz, Imeri; Coulibaly; Cooper (73. G. Tanzillo), Zé Turbo (73. Gläsermann).

FC Zürich (1. Halbzeit): Brecher; Rüegg, Nathan, Omeragic, Pa Modou; Domgjoni, Sohm; Schönbächler, Zumberi, Kololli; Kramer
FC Zürich (2. Halbzeit): Vanins; Britto, Bangura, Sauter, Seiler; H. Kryeziu, Zumberi; Tosin, Marchesano, Mahi; Sulejmani

 

«Ach dieser FCZ!» – Tages-Anzeiger in Abstiegsgefahr

Berechtigte Zurechtweisung und Kritik gibt es in verschiedenen gesellschaftlichen Konstellationen. Der Richter gegenüber dem Angeklagten, die Eltern gegenüber ihren Kindern, Lehrer bei Schülern oder Arbeitgeber mit Mitarbeitern. Basis dafür ist erstens die gesetzlich legitimierte Autorität und zweitens ein hohes Mass an Kompetenz und Wissen. Sportjournalisten und -medien haben keine gesetzlich legitimierte Autorität. Sie sind alle selbsternannte Kritiker. Daher wäre es umso wichtiger, dass dafür wenigstens ein hohes Mass an Kompetenz und Wissen vorhanden wäre.

Wer die sportliche Führung eines Super League-Klubs kritisiert, müsste eigentlich selbst journalistisches Super League-Niveau an den Tag legen – im Minimum. Die Zweifel mehren sich Tag für Tag, ob diese Voraussetzungen auf dem Platz Zürich wirklich gegeben sind. Zeitungsartikel über den hiesigen Fussball erinnern eher an einen Vater, der seinen kleinen Sohnemann dafür kritisiert, die Schuhbändel nicht geschnürt zu haben, dabei ist dessen Schuhwerk mit Klett-Verschluss ausgerüstet. So ein Gefühl erschleicht den Leser des Artikels von Thomas Schifferle (und Florian Raz) über den FC Zürich im Tages-Anzeiger. Da heisst es zum Beispiel:

«Auf einmal ist Neuenburg der Nabel für die Zürcher Fussballwelt. Aus Neuenburg kommt der Xamax FCS, der letzten Sommer Aufsteiger in die Super League war und gleich als erster Kandidat auf den Abstieg gehandelt wurde.»

Was soll man dazu sagen? Ja, Xamax wurde als Absteiger gehandelt – vor allem in den Massenmedien. Der FCZ hingegen hatte in der Challenge League-Saison vier heisse und enge Duelle mit Xamax ausgefochten und kannte schon vor der Saison die Qualitäten dieser Mannschaft sehr gut.

Weiter wird im «Tagi» mit grossem Bedauern über das Fehlen von Xamax’ Raphaël Nuzzolo am kommenden Samstag lamentiert:

«Sein einziges Glück ist, dass ­Xamax auf seinen überragenden Topskorer Raphaël Nuzzolo verzichten muss, weil er in Thun für ein Dutzendfoul verwarnt wird und darum gesperrt ist.»

Nuzzolo traf mit gestrecktem Bein nur den Mann. Ein nicht weniger schwerwiegendes Foulspiel, als beispielsweise dasjenige, welches zur Gelb-Roten Karte des Thuners Chris Kablan führte.

Weiter im Text:

«In Zürich dachten sie bei GC und beim FCZ nicht im Traum daran, dass sie diese Saison in Tabellenregionen landen würden, wo Xamax erwartet wurde. Europa League hiess ihre Vision, Platz 4. Ein Leben auf grossem Fuss. Zürcher Träume halt.»

Was soll hier auf salopp-populistische Weise ausgedrückt werden? Doch nicht etwa ein Zürich-Bashing im Facebook-Kommentar-Stil? Und das in einer Zeitung mit dem Zürcher Wappen im Logo? Jeder in dieser Liga träumt vom Europacup und dies völlig zurecht, denn alle Super League-isten haben da schon gespielt, und für viele, darunter auch für den FCZ, ist das noch nicht so lange her… – etwas mehr als zwei Monate, um es genau zu sagen.

«GC und der FCZ zahlen für die gleiche Schwäche: ihre fatale Verblendung.»

Zumindest in Bezug auf den FCZ trifft der Begriff «Verblendung» sicherlich nicht zu. Die Ziele, die er sich aktuell gesetzt hat, hat er auch in der Ära Canepa schon mehrmals erreicht. Man jagt also keine Fata Morgana.

«Je 20 Millionen geben sie aus, um in der Super League zu spielen. Den Misserfolg könnten sie auf jeden Fall auch billiger haben.»

FCZ und GC spielen nicht nur in der Super League, sondern zusätzlich in der Promotion League / 1. Liga, Nationalliga A (Frauen) und Dutzenden von Junioren- und Juniorinnenligen. 20-23 Millionen ist der Aufwand für den Gesamtverein inklusive Nachwuchs, Frauen, Trainingszentrum, (Stadion-)Mieten, Sicherheit, Reisen, Administration und so weiter. St. Gallen hat ca. 27 Millionen Gesamtaufwand, Luzern 25 Millionen und selbst der «kleine FC Thun» in einem preislich vergleichsweise günstigen Umfeld im Berner Oberland kommt auf mehr als 13 Millionen. Die laufenden Ausgaben für die 1. Mannschaft liegen für alle Super League-Teams ausser Basel, YB (und Sion) im einstelligen Millionenbereich oder knapp darüber. Die finanziellen Unterschiede unter den Teams auf den Rängen 3-10 sind klein im Vergleich zur Diskrepanz nach oben – und dies wird durch die aktuellen Punkteabstände ziemlich genau wiedergegeben. Gemessen an den Cuptiteln und Europacupteilnahmen der letzten Jahre hat der FCZ deutlich mehr aus seinen finanziellen Möglichkeiten herausgeholt, als mancher Ligakonkurrent.

«Bei den Grasshoppers beginnt das noch ein wenig früher als beim FCZ, vor fünf Jahren schon, als Stephan Anliker Präsident wird. Mit seinem Namen steht er für ihren Zerfall. Er steht für den fatalen Hang bei GC, aufs falsche Personal zu setzen. Das beginnt beim CEO (Manuel Huber), geht weiter über die diversen Sportchefs (Rapic, Thoma, Huber, Walther) und Trainer (Bern­egger, Yakin, Fink und Stipic) bis zu den Spielern.»

Sind Bernegger, Yakin, Fink und Stipic wirklich pauschal schlechte Trainer? Und Rapic, Thoma, Huber und Walther alle schlechte Sportchefs? Praktisch alle diese Personen haben im Verlauf ihrer Karriere auch schon erfolgreich als Trainer oder Sportchef gearbeitet. Dass die jetzigen Resultate schlecht sind, weiss jeder. Aber lag es wirklich an der grundsätzlichen Qualität des Trainer- und Sportchef-Personals? Und wie genau kommt der «Tagi» zu diesem Schluss? (Zeigefinger anfeuchten und in die Luft halten gilt als Antwort nicht)

«Was die Spieler betrifft, ist die Liste fast ein Buch lang. Wer das aktuelle Kader anschaut, der kann nur den Kopf darüber schütteln, was sich Mathias Walther und Thorsten Fink bei seiner Zusammenstellung gedacht haben. Im Dezember zum Beispiel sagte Fink noch, ein, zwei Spieler würden sie noch holen, nicht mehr. Und was passierte? Sechs kamen, aber alle sechs sind Fehlgriffe, ­angefangen bei den teuersten: ­Yoric Ravet und Caiuby.»

«Gedacht» haben sich Walther und Fink genauso wie alle anderen Sportlichen Verantwortlichen in der Super League sicherlich sehr viel. Sie haben einen Souleyman Doumbia definitiv übernommen und diesen dann nur ein halbes Jahr später für das Zehnfache weiterverkaufen können. Sie haben Spieler für die bei hiesigen Fussballexperten und -journalisten so gerne zitierte «Achse», das Grundgerüst der Mannschaft geholt, wie Raphael Holzhauser, Arlind Ajeti, Nathan oder Marco Djuricin. Dazu für Super League-Verhältnisse durchaus überdurchschnittliche Talente wie Diani, Goelzer oder Ngoy.

Wenn es geklappt und die Mannschaft zusammengefunden hätte, hätte der «Tagi» von «weitsichtiger Transferpolitik mit System» geschrieben. Nun hat es aber nicht geklappt, und der Tagi kann wichtigtuerisch «nur den Kopf darüber schütteln». Ohne als Beweis einen Artikel vorweisen zu können, in welchem man schon zum Zeitpunkt der Verpflichtung von Spieler X oder Spieler Y gewusst hat, dass dieser wegen Grund A, B und C nichts reissen wird.

Ganz im Gegenteil: im Februar schrieb nämlich der «Tagi» über Yoric Ravet: «Die willkommene Inspiration für die bisher in dieser Saison so berechenbare GC-Offensive». Und über Caiuby: «Nun ist er da, der Retter des Rekordmeisters – zumindest soll er es werden».

«Sie kamen von den Ersatz­bänken der Bundesliga mit der Vorstellung, bei GC um vordere Plätze zu spielen.»

Tatsächlich? Wie ist das zu verstehen? Ravet und Caiuby sind in der Winterpause nach Zürich gekommen, und haben sich erst nach Vertragsunterschrift darüber informiert, auf welchem Tabellenplatz GC liegt?

«Serey Dié bringt das ­Realitätsdenken zum Ausdruck, das bei Xamax vorherrscht. ­Daran kann nicht einmal mehr Präsident Binggeli etwas ändern, der sich aus dem Schatten von Trainer Stéphane Henchoz lösen will und sich zunehmend als Selbstdarsteller gefällt.»

Im Februar schrieb der Tages-Anzeiger zum Trainerwechsel von Michel Decastel zu Stéphane Henchoz: «Man wolle mit der Trainerentlassung für den «notwendigen Elektroschock sorgen, damit die Mannschaft für die nächsten wichtigen Spiele neue Energiezufuhr erhält», erklärte Xamax-Präsident Christian Binggeli den eher unerwarteten Schritt. Vorerst übernimmt Decastels bisheriger Assistent Stéphane Henchoz die Mannschaft. Der 44-jährige frühere Internationale und Verteidiger von Liverpool war noch nie in der Super League als Cheftrainer tätig.»

Weitherum haben Journalisten und Experten im Februar Präsident Binggeli für dessen Trainerwechsel von Decastel zu Henchoz kritisiert. Nun bezeichnen dieselben Experten Binggeli als «Selbstdarsteller», weil er den Vertrag mit Henchoz nicht verlängert… Wir reden hier zudem von demjenigen Binggeli, der Xamax mit seinem kleinen Team von der 2. Liga Interregional zurück in die Super League geführt hat. Und welcher zu 100% demjenigen Präsidententypus entspricht, nach welchem nach der Ära Chagaev alle verlangt hatten: vernünftig wirtschaftend, systematisch planend, langfristig orientiert, über den aktuellen Totomat hinausgehend, mit viel Realismus, Step by Step. Eben genauso einer, der aufgrund der Planungen im Juniorenbereich unabhängig von Abstieg oder Klassenerhalt einen dazu passenden Coach wie Joël Magnin für die Profis holt, und sich bewusst ist, dass die aktuelle Mannschaft trotz der aktuellen Erfolgswelle ihren Zenit bald überschritten haben wird.

«Bei GC müssen nun Stephan Rietiker als Präsident und Uli Forte als Trainer die Scherben aufkehren. Die Schuldigen dagegen lassen es sich gut gehen. Walther postet Bilder aus Istanbul, während GC leidet, Fink kassiert selbst nach seiner Entlassung 44’000 Franken im Monat.»

Und was ist genau der Vorschlag? Reiseverbot für alle ehemaligen Sportchefs? Freiwilliger Lohnverzicht für ehemalige Trainer? Einen Profi-Fussballklub zu führen, ist um ein vielfaches schwieriger, als Zeitungsartikel zu schreiben. Es reicht, ein klein bisschen schlechtere Entscheidungen getroffen zu haben, als die Mitkonkurrenten, und man steigt ab. Auch ganz ohne, dass es Scherben gegeben hat, oder dass man im Strafrechtsjargon gleich von «Schuldigen» sprechen muss.

«Und der FCZ? Ach, dieser FCZ!»

Achtung! Jetzt wird’s dramatisch!

«Er hat sich bei den Transfers genauso verkalkuliert wie GC. Spätestens im Winter hätte er darauf reagieren müssen, dass er nach den Abgängen von Raphael Dwamena und Michael Frey im letzten Sommer keine Stürmer hat, die zu seinen Plänen passen.»

Der Gambische Nationalspieler Assan Ceesay ist ein ähnlicher Stürmertyp wie Raphael Dwamena. Beide sind schnell und bringen mit ihrem Rechten Fuss wenig zustande. Ceesay hatte in der Vorrunde verletzungsbedingt wenig gespielt und war im Winter wieder gesund. Einen Michael Frey verpflichten zu können, war hingegen für einen Klub mit den Möglichkeiten des FCZ ein Glücksfall –  dank dessen Situation bei YB und der persönlichen Beziehung zum damaligen Trainer Uli Forte. Genauso war es Pech, ihn im letzten Herbst kurz vor Transferschluss abgeben zu müssen. Wegen des Wertverfalls der Türkischen Lira mussten die Spitzenklubs vom Bosporus ihre Stars verkaufen. Plötzlich gab es für jemanden wie Frey kurzfristig die Chance, zu einem Grossklub wie Fenerbahce wechseln zu können, wo nicht lange zuvor noch ein Giuliano, Emenike oder Robin Van Persie gestürmt hatten. Der Tages-Anzeiger hätte den FCZ ganz sicher kritisiert, wenn dieser Frey gezwungen hätte, in Zürich zu bleiben, und dessen Leistungen dann nicht mehr gepasst hätten. Für einen Klub wie den FCZ ist es alles andere als selbstverständlich, einen solchen Stürmer adäquat ersetzen zu können – und in einem Wintertransferfenster sowieso praktisch unmöglich. Versucht hat mans sicherlich.

«Er holte Spieler, ja, aber für die U-21, weil er da angeblich unterbesetzt war. «

«Angeblich»? Der FCZ hat schon seit vielen Jahren Mühe, Stürmer mit dem benötigten Level aus der U18 in die Promotion League-Equipe zu bringen. Entweder sie werden schon vorher von einem ausländischen Klub abgeworben, oder es ist im jeweiligen Jahrgang gar kein Stürmer auf diesem Niveau vorhanden. Nur drei Super League-Klubs unterhalten eine Promotion League-Mannschaft. Basel ist schweizweit top in der Entwicklung junger Stürmer. Sion hingegen verpflichtet einen grossen Teil seiner U21 extern. Der FCZ wiederum bringt auf anderen Positionen viele gute Talente heraus, hatte aber seit Josip Drmic (vor bald 10 Jahren) kein Sturm-Toptalent aus der eigenen U18 mehr. Man ergänzt daher die Promotion League-Mannschaft schon seit vielen Jahren auf dieser Position mit Spielern aus auswärtigen Nachwuchsabteilungen – die Namen Jordi Nsiala, Aldin Turkes, Kilian Pagliuca oder Shpetim Sulejmani sind dem Tages-Anzeiger vielleicht ein Begriff – vielleicht aber auch nicht… Bei U21-Spielen im Heerenschürli sucht man auf jeden Fall Tages-Anzeiger Sportjournalisten jeweils vergebens. Wie kommt es daher zu dieser Einschätzung einer «angeblichen» Unterbesetzung? Fakten? Wissen? Oder eine weitere flapsige Behauptung ohne jegliche Basis?

«Dafür gibt er Victor Palsson ab. Und macht Kevin ­Rüegg zum Nachfolger des Isländers als Captain. Sportchef Thomas Bickel sagt, dieser Entscheid verkörpere die Philosophie des FCZ. Rüegg allerdings ist überfordert mit der Aufgabe, mit seinen 20 Jahren ist er alles, nur keine Führungsfigur, kein Palsson. Nicht jeder ist in diesem ­Alter ein Matthijs de Ligt.»

Wenn im Winter statt Victor Palsson Antonio Marchesano nach Deutschland gewechselt wäre, dann würde nun dieser vom «Tages-Anzeiger» in den Himmel gelobt. Palssons miserable Leistungen vor und nach der Winterpause vor Jahresfrist hatten wohl auch ihren Anteil an der damaligen Freistellung von Trainer Uli Forte. Der Isländer hat in seiner Karriere ständig den Klub gewechselt. Er wollte schon im Sommer gehen – und würde man den Leistungen Palssons heute auf dem Platz ansehen, dass er eigentlich weg wollte, würde der FCZ vom «Tagi» auch bei ihm heftig dafür kritisiert werden, ihn nicht gehen gelassen zu haben. Kevin Rüegg macht persönlich eine gute Entwicklung durch. Er hilft zugunsten der Mannschaft wegen Verletzungen im Mittelfeld aus, was auf der sportlichen Schiene kein Vorteil für ihn ist.

«Je schlechter die Resultate geworden sind, desto mehr haben Präsident Ancillo Canepa und Trainer Ludovic Magnin dazu ­geneigt, über die Schiedsrichter herzuziehen. Canepa nennt sie «dünnhäutig», ausgerechnet er»

Mit gleichen Ellen gemessen müsste man dann analog schreiben: „Der Tages-Anzeiger neigt dazu, über Ancillo Canepa herzuziehen“, denn er bezeichnet diesen ja hier ebenfalls implizit als dünnhäutig. Wäre nicht schlimm, aber dann müsste fairerweise an dieser Stelle auch eine Tagi-Einschätzung der Schweizer Fussball-Schiedsrichter folgen. Vielleicht empfindet der „Tagi“ ja einzelne Schweizer Schiedsrichter ebenfalls als dünnhäutig, aber dies zuzugeben würde die ganze Rhetorik über den Haufen werfen. Oder man hat gute Begründungen, warum dies nicht so ist.

«Magnin bezeichnet sie einmal gar als «Betrüger».»

Magnin bestreitet dies – das müsste zumindest erwähnt werden. Oder war der «Tagi» live dabei?

«Lange haben sie von zwei ­Siegen gelebt: von jenem vor einem Jahr im Cupfinal gegen YB und jenem im Oktober in der Europa League gegen Leverkusen. Magnin nutzte das, um sich als Trainer für grosse Spiele zu inszenieren. Inzwischen ist er nur noch ein Trainer für Niederlagen, acht sind es allein in der Rückrunde.»

Da wird wieder einiges verdreht, verschwiegen und misinterpretiert. Erstmal: Magnin ist als Spieler mit dem kleinen Yverdon in die Super League aufgestiegen, wurde als einer von ganz wenigen Bundesligaspielern der Geschichte mit zwei verschiedenen Klubs Deutscher Meister, ohne jemals bei Bayern gespielt zu haben – und in der Nationalmannschaft spielte er ebenfalls am besten, wenn es gegen grosse Gegner oder um wichtige Spiele ging. Als Trainer der FCZ U18 beendete er die Finalrunde auf dem fünften Platz, sein Team legte dann in den Playoffs einen Steigerungslauf hin, war in Viertelfinal, Halbfinal und Final gegen Servette, Basel und GC jeweils das bessere Team und wurde Schweizer Meister (im Bild unter anderen: Maren Haile-Selassie, Kevin Rüegg, Fabian Rohner, Bojan Milosavljevic, Dimitri Volkart, Gianni Antoniazzi, Arbenit Xhemajli). Als kurzzeitiger Co-Trainer der 1. Mannschaft gewann er an der Seite von Uli Forte den Schweizer Cup. Magnin war nie ein herausragender Spieler und als Trainer hatte er erst einen sehr kleinen Weg zurückgelegt, trotzdem riefen er und seine Teams zumindest in den «grossen Spielen» überdurchschnittlich häufig die Bestleistung ab und überzeugten durch Mentalität. Magnin als «Mann für die grossen Spiele» ist keine «Inszenierung», sondern schlichtweg Fakt aus Sicht eines aufmerksamen Chronisten. Nur für jemanden, der Magnin als Trainer noch nicht kannte und sich auch nicht mehr richtig an seine Spielerkarriere erinnern konnte, musste das seltsam klingen. «Ein Mann für die grossen Spiele» zu sein, bedeutet ja eben gerade nicht, dass man alles gewinnt – sonst wäre man ja der «Mann für alle Spiele». Es ist die Bezeichnung für jemanden, der weit davon entfernt ist, herausragend zu sein, es aber immer wieder in entscheidenden Momenten schafft, im Team über sich hinauszuwachsen. Und dies setzte sich in seiner Funktion als Cheftrainer der 1. Mannschaft fort: Meisterschaftsderby verloren, aber danach den Cup-Halbfinal gegen den gleichen Gegner gewonnen, Cupsieg im Wankdorf gegen Meisterschaftsdominator YB, einziger Sieg gegen den FCB in den letzten fünf Jahren (4:1) und in der ersten Hälfte der Europa League-Gruppenphase alle drei Spiele gewonnen. Gute erste Meisterschaftshälfte, aber dann eine Krise im Frühling.

«Der Vielredner kann ebenso wenig ausblenden, dass unter ihm kein Spieler besser geworden ist.»

Im Ernst? Yannick Brecher ist besser und konstanter als noch unter Uli Forte, Andreas Maxsø hat sich zu einem Top-Super League-Innenverteidiger entwickelt, Levan Kharabadze innert kürzester Zeit ans deutlich höhere Niveau in der Schweiz angepasst, die ultrajungen Sohm, Krasniqi und Omeragic wurden im richtigen Moment eingesetzt und überzeugten alle in grossem Masse. Der von vielen als «talentfrei» bezeichnete Fabio Dixon, welcher selbst in der U21 nicht zu den Überfliegern gehörte, kam in Neuenburg rein und rettete der Mannschaft bei seinem ersten Super League-Teileinsatz einen Punkt. Sogar Alain Nef und Andris Vanins scheinen im „hohen“ Alter wieder besser zu werden. Der von Uli Forte verschmähte Toni Domgjoni spielt als Stammspieler auf konstant gutem Super League-Niveau. Izer Aliu war vor seiner Verletzung auf gutem Weg zum Stammspieler. Dem über seine ganze Karriere hinweg immer in der Zweiten Reihe / Liga stehenden Antonio Marchesano gelangen unter Magnin im Cupfinal und gegen Leverkusen endlich die grossen Spiele, von denen er immer geträumt hatte. Auch ein Palsson oder Thelander zeigten im Cupfinal ihr mit Abstand bestes Spiel im FCZ-Dress. Benjamin Kololli, der sich bisher in seiner Karriere nie über längere Zeit auf Super League-Niveau etablieren konnte, versetzte Magnin in den Sturm, wo der Waadtländer besser zur Geltung kommt. Stephen Odey hat sich schneller als erwartet entwickelt, und Mirlind Kryeziu unter Magnin wieder an die Startelf rangekämpft. Kevin Rüegg wurde von Magnin mehrheitlich auf der Rechten Seite eingesetzt, wo Rüeggs Stärken deutlich besser zur Geltung kommen und wo er auch international auf sich aufmerksam machen konnte. Pa Modou ist konstanter geworden und schiesst neuerdings dank Sondertraining Tore mit Rechts und per Kopf. Selbst der «Forte-Spieler» Adi Winter hat seinen Züri Live-Notenschnitt diese Saison nochmal leicht gesteigert, und auch Salim Khelifi sich im Vergleich zu seiner schwierigen Zeit zuletzt in Braunschweig wieder etwas gefangen. Hekuran Kryeziu hat sich beim FCZ unter der Ägide Magnins im Offensivspiel verbessert, spielt schneller und direkter. Der in der Winterpause dazugestossene Joel Untersee zeigte nach harzigem Beginn zuletzt vor seinem zweiten verletzungsbedingten Ausfall vier Spiele in Folge gute bis sehr gute Leistungen. Assan Ceesay hat sich bis zu seinem mässigen Auftritt in Basel zuletzt Spiel für Spiel gesteigert. Lavdim Zumberi, dessen Super League-tauglichkeit in der Vergangenheit immer etwas fraglich war, zeigte in Napoli und gegen Basel erstaunlich reife Auftritte.

Nun ist es natürlich möglich, dass man bei einzelnen Spielern unterschiedliche Meinungen vertreten kann. Aber einfach salopp einen Satz wie «kein Spieler ist besser geworden» in die Druckerpresse zu schicken ohne Begründung, Beweise, Beispiele? Das ist schwach! Der Eindruck entsteht, dass die Autoren sich zu dieser Aussage gar nicht wirklich Gedanken gemacht haben. Aus Sicht von Züri Live jedenfalls kann man den Faktor «Entwicklung der Einzelspieler» als möglichen Grund für die aktuelle Resultatmisere streichen. Daran liegt es am wenigsten.

Fazit: es ist alles noch viel schlimmer für Zürich als gedacht. Nicht nur ist GC so gut wie abgestiegen, und der FCZ hat schwere Aufgaben vor sich, sondern auch der Tages-Anzeiger ist in akuter Abstiegsgefahr – von der 2. Liga Interregional in die 2. Liga Regional des Journalismus.

(Bild Drmic: CC BY-SA 3.0 Steindy, Ravet: CC BY-SA 3.0 Ludovic Peron, Tages-Anzeiger: CC BY-SA 4.0 Steven Lek no changes)

Harmlos und verunsichert: Lugano – FCZ Analyse

Nach dem Tiefpunkt in Sion hatte der FCZ gegen Basel, im Derby und gegen YB kontinuierlich eine Steigerung an den Tag gelegt, für welche ein einziger Punkt ein schlechter Lohn war. Nach dem Auswärtsspiel in Lugano muss man aber von einem erneuten Rückschritt sprechen – es ist ein Spiel, das man nicht hätte verlieren dürfen. Schon nach dem Aufwärmen und in der Partie selbst von der Ersten Minute an war zu spüren, dass die Präsenz auf dem Platz von hinten bis vorne viel zu gering für den benötigten Effort war. Zu keiner Sekunde hatte man zumindest von der Aussenwirkung her das Gefühl, dass die Spieler die Partie im Tessin als eine wichtige «Finalpartie» gegen einen direkten Gegner in der Schlussphase der Saison auffassten. Nicht zum ersten Mal in dieser Saison baut der FCZ auswärts einen direkten Konkurrenten, der wie im Fall von Lugano seit Oktober nicht mehr zu Hause hatte gewinnen können, entscheidend auf.

Über vier Direktbegegnungen und mehr als 360 Minuten hat das Letzigrundteam gegen die Tessiner tatsächlich kein einziges Tor zustande gebracht! Ins Gewicht fiel sicherlich auch, dass der sich zuletzt im Aufwind befindliche Assan Ceesay ausgerechnet gegen seinen Ex-Klub gesperrt war, und dem durchaus immer wieder rackernden Stephen Odey im Abschluss das Selbstvertrauen weiterhin abgeht. Nachdem das Team in den letzten fünf Partien insgesamt nur einen einzigen Ball im Netz versenkt hat, scheint es bei seinen Angriffen langsam aber sicher immer weniger dran zu glauben, dass sie am Ende von Erfolg gekrönt sein könnten. Überzeugung und Zuversicht sieht anders aus. Der schon lange physisch nicht wirklich robust wirkende Hekuran Kryeziu verletzte sich leider in der 13. Minute beim Versuch, den Rückstand auf Numa Lavanchy beim Kampf um den Ball mit einem gewagten Tackling zu kompensieren.

Joël Untersee kam rein und Kevin Rüegg wechselte ins Zentrale Mittelfeld. Der Zürcher Captain ist aber zur Zeit in vielen Spielen ein Schatten seiner selbst – in Lugano wirkt er unaufmerksam mit nonchalantem Passspiel, dreht sich in Zweikämpfen weg und lässt sich zu einfach ausspielen. An solchen Tagen bräuchte es die Unterstützung von einem Captain der Gambischen Nationalmannschaft wie Pa Modou, aber dieser agierte selbst zu halbherzig und hatte keinen positiven Einfluss auf die Mannschaft. Antonio Marchesano liess vorne in den meisten Aktionen Präzision und Biss vermissen, was Lugano immer wieder ermöglichte, sich rechtzeitig zu gruppieren. Unter dem Strich war am Ende Andris Vanins trotz drei kassierten Gegentoren noch der beste FCZ-Akteur. Die ersten beiden Gegentore waren ein Sinnbild des ganzen Zürcher Auftrittes – beim ersten weiss Rüegg bei einem eigenen Konter vorne nichts mit dem Ball anzufangen und der auf sich alleine gestellte Kharabadze verliert den Ball. Denkbar wäre, dass der FCZ halt eher vorsichtig agiert, um sich nicht auskontern zu lassen. Aber das ist nicht der Fall. Gerade eben noch hatte der Georgier vorne zu wenig Unterstützung erhalten, sind dessen Teamkollegen auch in der Rückwärtsbewegung wieder zu spät – Domgjoni winkt sie vergebens energisch zurück.

Der FCZ präsentiert sich in dieser Szene alles andere als vorteilhaft. Man ist weder richtig vorne am Angreifen, noch richtig hinten am Verteidigen – sondern irgendwo verloren in der Mitte, und jedes Mal wenn man endlich am Ort des Geschehens auftaucht, ist die Party schon vorbei. Beim zweiten Gegentor spielt Rüegg im Mittelfeld einen nonchalanten Pass auf Untersee, wodurch dieser unter Druck gerät und einen Freistoss verursacht. Anschliessend stellt sich Untersee im Zweikampf mit Mihajlovic auf seiner Rechten Seite wenig souverän an, Mirlind Kryeziu antizipiert in der Mitte etwas zu spät, dadurch steht er nicht nah genug bei Carlinhos, Kharabadze versucht auf wenig erfolgsversprechende Art und Weise zu Hilfe zu eilen und lässt dabei den anschliessenden Torschützen Brlek völlig frei stehen – eine Fehlerkette wie aus dem Lehrbuch. Im Pausengespräch mit Züri Live zeigte sich Lugano-Experte Ugo Morselli enttäuscht über die Zürcher Hintermannschaft. Sie sei zu langsam, vernachlässige die Deckungsarbeit und speziell über Pa Modous linke Seite komme Lugano immer wieder viel zu einfach zum Flanken. Er vermutete, dass der verletzungsbedingte Ausfall von Hekuran Kryeziu dem FCZ einen Strich durch die Rechnung gemacht habe und lobte das laufstarke Lugano-Zentrum mit Sabbatini und Vecsei sowie die defensiv gut mitarbeitenden Gerndt und Carlinhos, welche die fehlende Laufbereitschaft Sadikus kompensieren würden:

Vor sieben Wochen wurden hier an dieser Stelle vier Baustellen des FCZ ausgemacht und diskutiert. Die erste war der eklatante Unterschied zwischen dem (sehr guten) Start in eine Partie und dem weiteren Spielverlauf. Mittlerweile hat sich das geändert, aber nicht unbedingt so, wie gewünscht. Der Start in die Partie ist mehrheitlich nicht mehr gut. Im Verlaufe des Spiels versucht der FCZ dann jeweils aufzudrehen, manchmal mit Überzeugung, manchmal aber auch auf eher  hilflose Art und Weise. Die zweite Schwachstelle Standards hat man in der Zwischenzeit klar verbessern können. Die defensive Anfälligkeit darauf ist bei weitem nicht mehr so hoch, wie noch zu Beginn der Rückrunde. Die dritte Baustelle «Sturm» hat sich hingegen weiter verschärft. Die seit Mitte November feststellbare Abwärtstendenz in diesem Mannschaftsteil hält an. In den letzten vier Partien hatte der FCZ kumulierte „Expected Goals“ von 3,45 zu verzeichnen, was nicht allzu viel ist. Aber von diesen 3,45 Expected Goals wurde dann auch noch nur eines tatsächlich erzielt. Abgesehen davon, dass man sich in der Mehrheit der Partien zu wenig Torchancen erarbeitet, ist nun also auch noch fehlende Effizienz im Abschluss dazugekommen, welche zuvor in dieser Saison noch ordentlich war. Die psychologische Komponente (die berüchtigte „Abwärtsspirale“) spielt bei diesem Punkt sicherlich entscheidend mit hinein. Die vierte Baustelle, Benjamin Kololli, war zuletzt verletzt, nachdem er zwischenzeitlich als Sturmspitze die Mannschaft besser unterstützen konnte, als zuvor im Linken Mittelfeld.

Als nächstes warten Sion und zwei Mal Basel – das zweit- und drittbeste Team der letzten sechs Runden. Und gerade Basel kassiert in der Rückrunde kaum noch Gegentore – ein steiler Berg zu erklimmen für den FCZ. In der Vorrunde hatte man noch trotz oder vielleicht auch wegen gleichzeitigen Europacupspielen noch fast gleich viele Punkte geholt, wie in der Saison zuvor. Die Rückrunde hingegen ist bisher punktemässig die schlechteste seit Einführung der Super League. Der FCZ hat deshalb nun nach 30 Runden (erst) gleich viele Punkte wie in der Abstiegssaison in der Endabrechnung. Ein Muster, welches sich durch vier der letzten fünf Spielzeiten durchzieht, ist der gute Start und Leistungseinbruch beginnend etwa Mitte November. Dies war 14/15 unter Trainer Urs Meier gleich wie 16/17 und 17/18 unter Uli Forte und nun auch 18/19 bei Ludo Magnin – nur in der Abstiegssaison (Sami Hyypiä) war man in allen Saisonphasen etwa gleich schlecht. Dies im Gegensatz zu den vorangegangenen vier Spielzeiten 10/11, 11/12, 12/13 und 13/14, als der FCZ jeweils in der Rückrunde (zum Teil deutlich) mehr Punkte holte. Die prägenden Spieler der aktuellen „Frühstarter-Generation“ sind Alain Nef, Adrian Winter und Umaru Bangura – die „Spätstarter“ wurden angeführt von Philippe Koch, Marco Schönbächler und Jorge Teixeira.

Lugano – FCZ 3:0 (1:0)

Tore:  40. Carlinhos (Gerndt) 1:0; 83. Brlek (Carlinhos) 2:0, 90.+1 Carlinhos (Bottani) 3:0.

Lugano: Baumann; Sulmoni, Maric, Daprelà; Lavanchy, Vecsei, Sabbatini, Crnigoj (69. Mihajlovic); Carlinhos, Gerndt (76. Brlek); Sadiku (65. Bottani).

FCZ: Vanins; Rüegg, Maxsø, M. Kryeziu, Pa Modou; Khelifi, Domgjoni, H. Kryeziu (15. Untersee), Kharabadze; Odey, Marchesano (80. Binous).

 

Max & Mirlind halten dicht, bis die Biene doch noch sticht / FCZ – YB Analyse

Ludo Magnin setzt im Duell mit dem frischgebackenen Meister YB auf Kontinuität und geht wie schon ab der 15. Minute gegen Basel sowie im Derby mit einem 4-4-2 mit flachem Mittelfeld in die Partie. Auch personell begann der Zürcher Trainer mehr oder weniger so, wie er die Partie gegen GC beendet hatte. Toni Domgjoni ersetzte auf der rechten Seite im Mittelfeld den gesperrten Salim Khelifi und der im letzten Spiel gesperrt gewesene Andreas Maxsø kehrte zurück. Für ihn musste nicht Mirlind Kryeziu, sondern der zuletzt schwächelnde Umaru Bangura auf die Ersatzbank. Somit hatte der FCZ mit «Max & Mirlind» (Wilhelm Busch 2.0) zwei Innenverteidiger auf dem Platz, welche den physisch starken Bernern am Boden und in der Luft Paroli bieten können. YB operierte trotzdem viel mit hohen Bällen, der FCZ hatte aber in der eigenen Hälfte klar die Lufthoheit. Selbst Joël Untersee gewann mal ein Kopfballduell gegen den über weite Strecken blassen Guillaume Hoarau. Dafür demonstrierte bei flachem Spiel der frischgebackene Vater Roger Assalé als eigentlicher Berner Spielmacher immer wieder seine aktuelle Topform. Andreas Maxsø und Mirlind Kryeziu stellten mit je 12 Top-Defensivaktionen einen individuellen Saisonrekord auf, der zudem stark zum deutlichen kollektiven Saisonrekord von 65 Top-Defensivaktionen beitrug (bisheriger Bestwert: 45 – kürzlich beim 0:2 gegen Basel). Auch die Anzahl Top-Offensivaktionen und das Verhältnis der «Expected Goals» war aus Zürcher Sicht besser als bei den vorangegangenen drei Saisonduellen gegen die Gelb-Schwarzen.

Der FCZ hatte defensiv also trotz kleiner spontaner YB-Meisterfeier am Vorabend viel Arbeit und verrichtete diese überwiegend gut, auch wenn YB in der 1. Halbzeit durch Assalé und Fassnacht zwei Mal gefährlich hinter die Zürcher Abwehr kam. Bei Eckbällen hatten die Zürcher den Gegner diesmal weitgehend im Griff. Maxsø und Mirlind Kryeziu kümmerten sich um die beiden in der Luft gefährlichsten Gegenspieler Hoarau und Camara, Pa Modou übernahm den zuletzt im Wankdorf gegen den FCZ per Kopf treffenden Fassnacht, Kharabadze nahm Benito beziehungsweise Mbabu in Gewahrsam, Untersee agierte gegen Assalé und Hekuran Kryeziu gegen Moumi. Die beiden «Schwachpunkte» Umaru Bangura und Kevin Rüegg hingegen waren nicht involviert – Ersterer sass auf der Bank, der Zweite übernahm Raumdeckungsaufgaben.

In der spielentscheidenden Szene vermochte YB dann aber eine Bresche in die Zürcher Abwehrmauer zu schlagen. Dies weil YB für einmal Platz fand, um schnell umzuschalten, was ansonsten in dieser Partie vergleichsweise wenig vorkam. Beim hohen Ball von Mbabu erwischte YB den FCZ daher in der Rückwärtsbewegung und so vermochten Hoarau und Nsamé lokal gegen Maxsø eine zwei gegen eins-Überzahl zu kreieren. Der Däne musste sich für einen von beiden entscheiden und liess Hoarau unbedrängt zum Kopfball hochsteigen, um dafür den sich in die Tiefe davonstehlenden Nsamé decken zu können. Dies war eigentlich die richtige Entscheidung, denn Maxsø hätte Hoarau wohl nicht mehr genügend an der Kopfballweiterleitung stören können und so wäre Nsamé völlig frei zentral auf Torhüter Brecher zugelaufen. Da aber schlussendlich Timing, Präzision und Beschleunigung in dieser Aktion bei Hoarau und Nsamé auf äusserst hohem Niveau waren, konnte Maxsø Nsamé auch so nicht mehr stoppen, obwohl er relativ nahe an ihm dran war.

Vorangegangen war dieser Aktion allerdings ein klares Foulspiel von Mohamed Camara an Assan Ceesay im Berner Strafraum (siehe Bilder am Ende des Artikels). Als Spätfolge dieses Fouls musste Ceesay später ausgewechselt werden. Erst zog der YB-Verteidiger den rechten Arm des durchbrechenden FCZ-Stürmers mit beiden Händen in seine Richtung und beförderte ihn anschliessend mit einem Stoss in die Hüfte zu Boden. Trotz relativ guter Sicht auf die Aktion blieb die Pfeife von Schiedsrichter Fähndrich stumm. Die Geschichte wiederholt sich. Die Serie der Schiedsrichterfehlentscheide in den Duellen gegen YB wird langsam aber sicher skandalös. Zum vierten Mal (!) in den letzten fünf Duellen profitiert YB gegen den FCZ bei einem entscheidenden Tor von einem nicht gepfiffenen klaren Foulspiel – nach Mbabu gegen Rüegg, Hoarau gegen Winter und Von Bergen gegen Khelifi erneut ein YB-Tor nach einem schnellen Gegenstoss nach dem Foul von Camara an Ceesay. Die vielzitierte ausgleichende Gerechtigkeit existiert in den Duellen mit den meisten Super League-Teams, aber nicht gegen die Favoriten YB und Basel.

Neben dem Faktor, dass der häufig in der Challenge League eingesetzte Lukas Fähndrich selbst auf zweithöchster Stufe zu den schlechtesten Schweizer Referees gehört, könnte im aktuellen Fall durchaus auch eine Rolle gespielt haben, dass der schlaksige Ceesay auch wegen seinen Körperproportionen in anderen Situationen relativ schnell aus dem Gleichgewicht kommt, und sich dann häufig am Kopf hält, auch wenn er an anderer Stelle getroffen worden ist. So wie Ceesay eher zu häufig beim Schiedsrichter moniert, tut dies Toni Domgjoni vielleicht zu wenig. Praktisch an gleicher Stelle, wo ihm schon gegen Basel nach dem Foul von Luca Zuffi ein Penalty verweigert worden war, wurde er von Moumi in der 81. Minute erneut ohne Folgen penaltyreif gefoult (siehe Bilder am Ende des Artikels). Erst stiess ihn der Kameruner bei einem Einwurf von Untersee von hinten in Mitspieler Maxsø rein, dann rappelte sich Domgjoni schnell wieder auf, dribbelte dabei technisch gekonnt halb im Liegen, nur um gleich nochmal von Moumi von hinten einen Schlag auf die Wade zu kriegen und dadurch erneut zu Boden zu gehen. Da Domgjoni in solchen Situationen als gefoulter Spieler kein aufhebens macht, fiel das Ganze Schiedsrichter Lukas Fähndrich offenbar zu wenig auf. Es ist daher umso unpassender, dass Mbabu ausgerechnet Domgjoni nach seinem korrekten Tackling im YB-Strafraum in der 89. Minute, nach welchem Domgjoni aber angeschlagen liegen blieb und ausgewechselt werden musste, diesem Simulation vorwarf. Auf der Gegenseite fällt Lukas Fähndrich auch eine falsche Entscheidung zuungunsten YB’s – als Pa Modou seitlich des eigenen Strafraums Nicolas Moumi foult, sieht dieser fälschlicherweise Gelb wegen angeblicher „Schwalbe“.

Weiter muss man leider feststellen, dass die Anzahl Schläge ins Gesicht des Gegenspielers pro Spiel bei YB wieder am Zunehmen sind, nachdem sie nach dem Abgang Sekou Sanogos zwischenzeitlich mal abzunehmen schienen. In der 63. Minute begeht Jean-Pierre Nsamé gegen Hekuran Kryeziu bei der Mittellinie mit einem Schlag ins Gesicht eine Tätlichkeit – Schiedsrichter Fähndrich schaut in diesem Moment in eine andere Richtung (siehe Bilder am Ende des Artikels). Es ist ein noch klarerer Fall als derjenige von Djuricin im Derby. Dass es aber eine entsprechende Sanktion nach sich ziehen wird, ist unwahrscheinlich. Denn obwohl alle Spiele nach offiziellen Angaben vom Schiedsrichterdepartement des SFV jeweils in voller Länge nochmal angeschaut werden, werden Sanktionen erfahrungsgemäss nur in Fällen verhängt, die in der TV-Nachberichterstattung stark thematisiert werden. In der 73. Minute schlägt auch Loris Benito am Zürcher Strafraum Toni Domgjoni die Hand ins Gesicht (siehe Bild am Ende des Artikels) – immerhin war es in diesem Fall im Kampf um den Ball und nur vorsätzlich statt absichtlich – daher hätte Gelb und Freistoss für den FCZ vom eigentlich gut postierten Fähndrich gereicht. Die dritte Hand im Gesicht sieht Fähndrich dann doch noch. Es gibt Gelb für die Aktion von Nsamé, der in Erwartung des einzigen Zürcher Eckballes der Partie in der 82. Minute zuerst auffällig nach der Positionierung des Schiedsrichters Ausschau hält, bevor er mit der Hand an Unterkiefer und Hals Hekuran Kryeziu umstösst (siehe Bilder am Ende des Artikels).

Schliesslich noch die Presseschau: Für die Spielberichterstattung war bei Tagi (Thomas Schifferle) und NZZ (Stephan Ramming) zuletzt wieder vermehrt das «Duo Infernale» nicht nur der FCZ-Aversion, sondern auch der allgemeinen Fussball-Unlust am Start. Kommentieren muss man das meiste nicht, aber beim Artikel Schifferles zum YB-Spiel gibt es eine Aussage («von Nachwuchsförderung ist (beim FCZ) nichts zu sehen»), auf die man vielleicht dann doch mal eingehen muss. Seit in einer «Heimspiel»-Sendung bei Teleclub die Behauptung aufgestellt wurde, unter Ludovic Magnin würden gar nicht wirklich mehr junge Spieler eingesetzt, als zuvor bei Uli Forte, hat sich diese Aussage zu einem dieser vielen Allgemeinplätze entwickelt, die dann jeweils über Dutzende von Zeitungsartikeln und Diskussionssendungen hinweg von etlichen Experten und Journalisten nachgeplappert werden, ohne dass irgendwann mal einer auf die Idee kommen würde, nachzuprüfen, ob sie auch stimmt. Denn natürlich stimmt sie nicht: Forte hatte mit Magnins ehemaligem Academy-Schützling Kevin Rüegg nur einen Teenager als Stammspieler – als Ludo Magnin übernahm, waren es dann in der Summe drei mit zusätzlich Toni Domgjoni und wahlweise Izer Aliu oder Fabian Rohner. Drei von elf oder einer von elf ist ein gewaltiger Unterschied. Und mehr würde von den gleichen Journalisten und Experten als „Jugendwahn“ bezeichnet werden. Insgesamt kamen in Fortes erster Saison nur drei und in der zweiten nur vier Spieler als Teenager insgesamt mehr als 90 Minuten zum Einsatz – bei Magnin sind es in der noch laufenden Saison bereits zehn! Zusätzlich zu Stammspielern wie Kharabadze oder Domgjoni sind selbst ein Simon Sohm, Hakim Guenouche oder Fabio Dixon bisher mehr als 300 Wettbewerbsspielminuten auf dem Platz gestanden.

FCZ – YB 0:1 (0:0)

Tore:  79. Nsamé (Hoarau) 0:1.

FCZ: Brecher; Untersee, Maxsø, M. Kryeziu, Pa Modou; Domgjoni (90. Nef), Rüegg, H. Kryeziu, Kharabadze; Marchesano (76. Odey), Ceesay (84. Schönbächler).

Young Boys: Von Ballmoos; Mbabu, Camara, Von Bergen, Benito; Fassnacht (58. Nsamé), Aebischer (80. Lauper), Sow, Moumi; Assalé (80. Schick), Hoarau.

63. Minute: Ungeahndete Tätlichkeit Jean-Pierre Nsamé gegen Hekuran Kryeziu

73. Minute: Loris Benito schlägt ungeahndet Toni Domgjoni im Kampf um den Ball die Hand ins Gesicht

79. Minute: Mohamed Camara foult ungeahndet Assan Ceesay im YB-Strafraum, im direkten Gegenzug fällt das 0:1 

81. Minute: Ungeahndetes Doppelfoul von Nicholas Moumi gegen Toni Domgjoni im YB-Strafraum

82. Minute: Jean-Pierre Nsamé stösst Hekuran Kryeziu mit Griff an Unterkiefer und Hals um und sieht Gelb

84. Minute: Verletzungsbedingte Auswechslung Assan Ceesays

90. Minute: Verletzungsbedingte Auswechslung Toni Domgjonis 

(Standbilder Teleclub)

Emotionen, Offensivgeist, Geschlossenheit: derbyreifer Auftritt des FCZ – Analyse

Die im Basel-Heimspiel feststellbare Aufwärtstendenz wurde zum Auftakt des letzten Saisonviertels im Derby gegen GC fortgesetzt. Fünf Spieler aus dem eigenen Nachwuchs (Brecher, Untersee, M. Kryeziu, Rüegg, Domgjoni) standen in der Startformation des FCZ, bei GC waren es immerhin drei (Pusic, N. Bajrami, M. Bajrami). Es gibt weltweit nicht viele Derbies in obersten Ligen mit solchen Aufgeboten an eigenen Junioren am Start. Die Jungs aus dem FCZ-Nachwuchs waren wie immer beim Derby speziell geladen und übertrugen diesen Spirit aufs ganze Team. Rüegg warf sich auf die Bälle und alles, was sich sonst noch bewegte, Pa Modou markierte gegen den aufmüpfigen Djuricin sein Revier und als Kamber sich erdreistete, mit seinem Foul Khelifi im Kniebereich zu treffen, stürzten sich sofort Untersee, Domgjoni und Rüegg auf den aus dem FCB-Nachwuchs stammenden GC-Mittelfeldspieler. Und Mirlind Kryeziu sprintete so schnell wie wohl noch nie in dieser Saison übers halbe Feld, um seinen Standards-Gegenspieler Zesiger resolut am Eingreifen zu hindern.

Grégory Sertic spielte im Vergleich zu seinen schlechten Auftritten gegen Xamax, Sion und (grösstenteils) Basel wie ein umgekehrter Handschuh und nahm beispielsweise Caiuby in den Mittelfeld-Luftduellen aus dem Spiel, was Hekuran Kryeziu nach der verletzungsbedingten Auswechslung des Franzosen nicht mehr gelang. Ein solches von Sertic gewonnenes Luftduell führte über die direkte Weiterleitung Kharabadzes in die Tiefe zum 1:0-Führungstreffer durch Assan Ceesay, welcher für seine Aufwärtstendenz in den letzten Spielen und seine harte Arbeit im Training (gemäss Kevin Rüegg im Interview mit Züri Live) belohnt wurde, auch wenn er ansonsten diesmal im Gegensatz zum Basel-Spiel fast alle seine Luftduelle verlor.

Der FCZ hatte im 274. Derby eine gute Balance zwischen Offensive und Defensive in der Aufstellung basierend auf dem flachen 4-4-2, das ab der 15. Minute gegen Basel gespielt wurde, mit Rüegg an Stelle von Hekuran Kryeziu im Mittelfeldzentrum, Untersee dafür zurück auf Rechts und Mirlind Kryeziu für den gesperrten Maxsö in der Startformation. Gleich mit dem Anstoss schickte Sertic einen langen Diagonalball nach links vorne, wo mit Ceesay, Kharabadze, Pa Modou, Domgjoni und Khelifi gleich die halbe Equipe hingesprintet war und versuchte, die lokale Überzahl zu nutzen.

Die von Drittquellen erhobenen Teamstatistiken des FCZ sind bei diesem 1:1 gegen GC fast in allen Belangen besser, als beim 3:1-Sieg gegen den gleichen Gegner zu Beginn der Rückrunde. Die Zahlen von Züri Live sehen ähnlich aus: 63 Top-Offensivaktionen sind Saisonrekord, mit 6,7 resultierte die höchste Durchschnittsnote seit dem Heimsieg gegen Leverkusen im Oktober und ebenfalls zum ersten Mal seit damals war kein einziger eingesetzter Spieler ungenügend. Auch Pa Modou bei dessen erstem Startelfeinsatz nach seiner Verletzungspause nicht, obwohl in seinem Spiel noch gleichermassen Licht und Schatten drin waren. Letzteres zum Beispiel beim 1:1-Ausgleichstreffer, als er nicht richtig zum Ball stand, als dieser Ravet nach einer starken Pusic-Flanke und einem Djuricin in Offside-Position glücklich auf die Schulter und von dort ins Tor fiel. Diese linke GC-Abwehrseite mit dem zum Linksverteidiger umfunktionierten Offensivtalent Pusic war es dann auch, wo der FCZ am meisten Druck zu machen vermochte. Salim Khelifis Leistungen sind auf dem aufsteigenden Ast, und Joël Untersee realisierte in einer einzigen Partie beinahe gleichviele Top-Offensivaktionen wie in seinen vier bisherigen Einsätzen zusammengezählt.

Derselbe Untersee traf nach einem weiten Pa Modou-Einwurf zudem den Innenpfosten – bereits der siebte Aluminiumtreffer im vierten Derby der Saison. Wie schon gegen den FCB kassierte der FCZ erneut einen wegen Offsides irregulären Gegentreffer und es wurde ihm ebenfalls erneut ein Penalty verwehrt. Im Gegensatz zum diskussionslosen Foul von Zuffi gegen Domgjoni hatte das Handspiel Nedim Bajramis aber zumindest Diskussionsspielraum. Der FCZ merkte in der Zweiten Halbzeit den Ausfall von Grégory Sertic, der urplötzlich wieder an die starken ersten 30 Minuten in Bern bei seinem ersten Einsatz Mitte Februar anzuknüpfen vermochte. Die Frage stellt sich nach der verletzungsbedingten Auswechslung, ob sich Sertic in den letzten Partien instinktiv zurückgehalten hat, weil er spürte, dass sein Körper ein mit vollem Einsatz geführtes Spiel nicht ertragen würde? Auch ein Wechsel auf GC-Seite beeinflusste das Spiel der Zweiten Halbzeit. Gjelbrim Taipi war als «freies Radikal» im Mittelfeld schwieriger in den Griff zu bekommen, als der im ersten Durchgang relativ blass gebliebene Nedim Bajrami. Am Ende stürmte beim FCZ dann auch noch Umaru Bangura nach vorne – der von GC-Hüter Lindner in Corner gelenkter Aufsetzer war sein erst fünfter Abschluss der ganzen Saison!

GC – FCZ 1:1 (0:1)

Tore:  30. Ceesay (Kharabadze) 0:1, 48. Ravet (Pusic) 1:1.

FCZ: Brecher; Rüegg, Bangura, M. Kryeziu, Pa Modou; Khelifi, Sertic (41. H. Kryeziu), Rüegg, Kharabadze; Domgjoni (85. Marchesano), Ceesay.

GC: Lindner; Cvetkovic, Nathan, Zesiger, Pusic; N. Bajrami (46. Taipi), Kamber; Ravet (72. Lika), M. Bajrami (85. Diani), Caiuby; Djuricin.

 

 

Viertelherzige Defensivarbeit, Sion gewinnt die Duelle / Sion – FCZ 1:0 Analyse

Die Partie im Wallis war einerseits geprägt von einem FC Sion, der nach einiger Anlaufzeit den «Yakin-Stil» immer besser verinnerlicht hat: wenig Ballbesitz, Konterfussball im eigenen Stadion mit langen Diagonalbällen über die Seiten hinter die Abwehr. Schlüsselpositionen in Yakins neuem FC Sion nehmen unter anderem Christian Zock und André Luis Neitzke ein, mit denen Yakin als Schaffhausen-Coach in der Challenge League-Rückrunde der Saison 16/17 mehr Punkte als Forte’s FC Zürich geholt hatte. Neben Neitzke waren mit Grgic (gleichzeitig entscheidender Vorbereiter und Vollstrecker beim 1:0-Siegtreffer) und Toma in der Mittelfeldreihe zwei weitere Spieler in der Startformation, die schnell gute Bälle in die Tiefe spielen können. Vorne ist natürlich Pajtim Kasami der Schlüsselspieler, welcher zusammen mit Ermir Lenjani die Anfälligkeit des FCZ über die Seiten optimal zu nutzen wusste. Die Sittener liessen defensiv nur einen Freistoss in Strafraumnähe und sieben Flanken zu. So wenige Hereingaben von der Seite hatte der FCZ letztmals im Heimspiel gegen Napoli geschlagen. Insgesamt kam das Letzigrund-Team ebenfalls gerade mal zu sieben Abschlüssen im ganzen Spiel – nur bei der Auswärtsniederlage bei YB waren es im Jahr 2019 ebenso wenig gewesen. Sion hatte zwar auch nicht mehr als 12 Abschlüsse, durch die Kontersituation waren diese aber im Durchschnitt deutlich gefährlicher.

Der FCZ setzte andererseits im Wallis nach dem erfolgreichen im 3-4-1-2 errungenen Heimsieg gegen Xamax (2:1) auf eine deutlich offensivere Ausrichtung in einem verkappten 4-3-3. Die Konstruktion des Spiels war zu Beginn durchaus ansehnlich, aber die Balance zwischen Offensive und Defensive ging wieder verloren. Eine Viererkette, in welcher drei Spieler (Bangura, Kharabadze, Untersee) eher offensiv orientiert denken und gleichzeitig Schwächen in den Zweikämpfen haben, ist zu wenig stabil. Umaru Bangura gewann in Sion beispielsweise nur 29% seiner Zweikämpfe, und liess die Gegenspieler vor allem in seiner katastrophalen Ersten Halbzeit mit mehreren Blackouts Mal für Mal frei gewähren. In den Zweikämpfen war Sion stärker. Die in diesem Bereich ebenfalls anfälligen Untersee und Kharabadze konnten zudem auf der Seite von Odey sowie Khelifi zu wenig unterstützt werden. Im Mittelfeldzentrum brachte der 6er Grégory Sertic wie schon gegen Xamax im Spiel (im Gegensatz zu seinen Standards) viel zu wenig Präsenz auf den Platz. Der Franzose verrichtet die Defensivarbeit eher viertelherzig als halbherzig, geht in der eigenen Hälfte sorglos mit dem Ball um, führt Zweikämpfe eher alibimässig und hielt beispielsweise vor dem 0:1 gegenüber Pajtim Kasami gebührenden Respektsabstand nach dem Motto: «nur nicht stören». Während es Spieler wie Sertic in vielen Situationen zu gemütlich nahmen, agierten andere wiederum zu hektisch – so beispielsweise Kharabadze und Khelifi, welche beide einen Einwurf zu schnell ausführten und so die dafür noch nicht bereiten Teamkollegen in die Bredouille brachten.

Die vor Sertic auf den Achterpositionen agierenden Rüegg und vor allem Hekuran Kryeziu (letzterer trotz offensichtlich noch nicht ganz abgeklungenen Rückenbeschwerden nach der Attacke Pietro Di Nardos im Xamax-Spiel) trugen deutlich mehr zur Zürcher Präsenz im Mittelfeld und schnellem Direktspiel nach vorne zur Überwindung der Walliser Abwehrmauer bei. Assan Ceesay vermochte allein im Sturmzentrum keine Wirkung zu entfalten. Daher verschob Ludo Magnin den Linksfuss noch vor der Pause auf die linke Seite, wo der Gambier ähnlich wie einst Raphael Dwamena nach vorne deutlich mehr Wirkung erzielen kann. Der eingewechselte Marco Schönbächler hatte nach guter Vorarbeit von Rüegg und Untersee eine gute Torchance, bei welcher er aber deutlich zu lange mit dem Abschluss zögerte. Die Szene war das Spiegelbild von «Schönbis» seit der letzten Verletzung komplett verschwundenem Selbstvertrauen im Abschluss. Aziz Binous bestritt einen ansprechenden ersten FCZ-Teileinsatz in der Super League und hätte nach schöner Hereingabe Untersees von rechts die Chance auf den Ausgleich nutzen können, wenn er nicht (tendenziell regelwidrig) von Xavier Kouassi daran gehindert worden wäre.

Sion – FCZ 1:0 (1:0)

Tore:  6. Grgic (Uldrikis) 1:0.

Sion: Fickentscher; Maceiras, Kouassi, Neitzke, Morgado; Toma, Zock, Grgic, Lenjani (80. Carlitos); Kasami (88. Mveng), Uldrikis (68. Fortune).

FCZ: Brecher; Untersee, Bangura, Maxsø, Kharabadze; Sertic; Rüegg, H. Kryeziu; Odey, Ceesay (77. Binous), Khelifi (61. Schönbächler).

Mirlind dreht die Partie / FCZ – Xamax 2:1 Analyse

Zum zweiten Mal in der aktuellen Saison nach dem 3:2-Heimsieg gegen Bayer Leverkusen vermag der FCZ gegen Xamax einen Rückstand noch in einen Sieg umzuwandeln. Es ist zudem nach dem 3:1 im Derby erst der zweite Liga-Sieg des Jahres 2019. Dass die beiden bisherigen Siege gegen die beiden Tabellenletzten zustandegekommen sind, zeugt von einer gewissen Logik. Der FCZ ist auch in der aktuellen Formbaisse immerhin stärker als die beiden Letztplatzierten – und vor diesem Hintergrund bringt das anstehende Duell beim Drittletzten Sion eine besonders interessante Konstellation mit sich. Andererseits ist bezüglich aktuellem Formstand die Rückrundentabelle wohl aussagekräftiger, und da stand Xamax vor der Niederlage im Letzigrund auf dem Vierten Platz. Noch nutzdienlicher auf der Suche nach den Gründen für den zweiten Heimsieg als die Stärke des Gegners könnte daher die Wahl der Taktik sein.

Die beiden siegreichen Partien gegen GC und Xamax sind im Jahr 2019 die einzigen, in welchen der FCZ mit Dreierabwehr in einem 3-4-1-2 agierte – in beiden Fällen vorne mit dem Sturmduo Odey / Kololli. Kololli hat aktuell den besten Abschluss des Teams und so einer gehört grundsätzlich möglichst häufig in den Strafraum, auch wenn der Waadtänder gegen routinierte Gegenspieler im direkten Zweikampf häufig Mühe bekundet. Kolollis Auftritt war besser als zuletzt in Thun, aber die Fehlerquote ist immer noch verbesserungswürdig. Wichtig war die Absicherung des Sturmduos Odey / Kololli durch den laufstarken Toni Domgjoni direkt dahinter auf der 10er-Position, um bei Ballerlusten und versprungenen Bällen die Zahl der gefährlichen schnellen Gegenstösse zu verringern. Weiter nahmen zwei Mal Zürcher Spieler bewusst durch Behinderung des gegnerischen Torhüters Walthert bewusst eine Verwarnung in Kauf, um den schnellen Konter zu verhindern.

Die Abwehr und das Mittelfeld begannen die Partie gut, bis Hekuran Kryeziu von Pietro Di Nardo ohne Chance auf den Ball auf eine Art und Weise attackiert wurde, wie es selbst bei Mixed Martial Arts nicht erlaubt wäre. In seiner langen Challenge League-Karriere ist die bewusste «Einschüchterungsattacke» von hinten zu Beginn einer Partie zu seinem Markenzeichen geworden. Erstaunlich dabei ist vor allem, wie er es fast immer schafft, durch eine Mischung von Cleverness und Unaufmerksamkeit / Naivität der Referees in der Mehrheit der Fälle ohne eine Gelbe Karte davonzukommen, was ihm natürlich für den Rest der Partie deutlich mehr Spielraum in den Zweikämpfen verschafft.

Der für den mit Rückenschmerzen vom Feld gegangenen Hekuran Kryeziu reingekommene Namensvetter Mirlind übernahm die Zentrale Position in der Dreierabwehr und vermochte die Ballverteilerfunktion von Grégory Sertic 1-zu-1 zu übernehmen. Fehlerlos blieb der grossgewachsene Innenverteidiger nicht – ein Ballverlust gegen Pululu an der Mittellinie hätte gefährlich werden können – aber seine Fehlerquote war trotzdem die tiefste im Zürcher Defensivverbund. Zudem war er spät mit einem Vorstoss mit Ball am Fuss durch die Mitte und einem langen Ball auf Kololli bei den beiden Toren zum Zürcher Umschwung in der Vorbereitung der entscheidende Mann.

Schon vor der Pause vermochte der FCZ mehr und mehr Druck aufzusetzen und machte ähnlich weiter nach der Pause. Der Xamax-Führungstreffer (ausgerechnet durch Di Nardo) kam aus heiterem Himmel nach individuellen Fehlern der beiden Aussenläufer Fabio Dixon und Leven Kharabadze. Der 1:1-Ausgleichstreffer war dann ein Angriff über 20 Stationen. Und nach diesem Ausgleich setzten speziell Domgjoni, Odey und Kharabadze Zeichen, indem sie den Druck auf den Gegner noch mehr erhöhten und sofort nachzudoppeln versuchten.

Als wenig erbaulich muss man das Spiel des ab der 20. Minute ins Mittelfeld wechselnden Grégory Sertic bezeichnen. Mit angezogener Handbremse und in vielen Situationen fast schon beteiligungslos wirkend, spulte der Franzose sein Programm ab. Die Präsenz im Mittelfeld ging verloren. Ohne Sertics weiterhin guten Standards hätte es für ihn wohl die Tiefstnote «1» gesetzt. Durch den Positionswechsel von Captain Kevin Rüegg zur Pause konnte dieses Manko teilweise verringert werden. Dafür gab es durch die technischen Unzulänglichkeiten Rüeggs mehr Fehlzuspiele im Aufbau. Umaru Bangura seinerseits bekundet weiterhin Probleme im eigenen Strafraum bei gegnerischen Standards und ist bei diesen Situationen immer wieder etwas auf das Wohlwollen des Schiedsrichters angewiesen.

FCZ – Xamax 2:1 (0:0)

Tore:  55. Di Nardo (Nuzzolo) 0:1, 73. Kololli (Kharabadze) 1:1, 76. Odey (Kololli) 2:1.

FCZ: Brecher; Bangura, Sertic, Maxsø; Rüegg, Sohm (46. Dixon), H. Kryeziu (20. M. Kryeziu), Kharabadze; Domgjoni; Odey (87. Ceesay), Kololli.

Xamax: Walthert; Djuric, Oss, Xhemajli (83. Ademi); Fejzulahi (80. Tréand), Di Nardo, Corbaz, Kamber: Ramizi (77. Pickel); Nuzzolo, Pululu.

 

 

1 2 3 4 5 6 7