FCZ Frauen vor dem ersten Derby: „Gintra war keine Übermannschaft“

Heute treten die FCZ Frauen um 18:30 (nach der Partie der Promotion League-Equipe gegen die Old Boys um 16:00) auf dem Heerenschürli weniger als 72 Stunden nach dem schmerzhaften Ausscheiden im Champions League-Sechzehntelfinal gegen Gintra Universitetas zum ersten Derby der Saison an. Die Tabellensituation ist speziell – fünf der acht Mannschaften liegen Punktgleich (10 Punkte) gemeinsam an der Spitze, wobei der FCZ und Luzern im Vergleich zu Lugano, Basel und GC noch ein Spiel weniger bestritten haben. Die Grasshoppers haben zuletzt in Aarau und gegen YB gewonnen. Bei den fünf bisherigen Meisterschaftspartien mit GC-Beteiligung gab es vier Mal mindestens fünf Tore.

Die GC-Sturmspitze Caroline Müller ist aktuelle Torschützenleaderin der Liga und wurde verdientermassen (oder wohl eher: längst überfällig) mit 28 Jahren erstmals fürs Nationalteam aufgeboten. Sie repräsentiert einen Stürmertyp, welcher im Nationalteam zur Zeit fehlt, wie Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg richtigerweise ausführt. Müller wird somit am Montag zusammen mit den FCZ Frauen Seraina Friedli, Lesley Ramseier und Julia Stierli am Flughafen in den Flieger nach Tokyo steigen und am darauffolgenden Sonntag um 9:30 Schweizer Zeit in der Olympiastadt 1998 Nagano einen hochkarätigen Test gegen Vizeweltmeister Japan bestreiten.

In Japan nicht dabei sein kann die zuletzt in der WM-Qualifikation gegen Polen sehr spielfreudig agierende Cinzia Zehnder. Die vom SC Freiburg zurückgekehrte Mittelfeldspielerin war nach dem Ausscheiden gegen Gintra Universitetas (1:2) am Mittwoch natürlich enttäuscht, und meinte anschliessend gegenüber Züri Live: «Wir haben uns noch nicht gefunden». Wie schon im Hinspiel präsentierten sich die Züri Frauen weit entfernt von der Präsenz, Zielstrebigkeit und spielerischen Reife des im Durchschnitt jüngeren Teams der letzten Jahre. Vor Jahresfrist wurde beispielsweise mit teilweise begeisterndem Fussball das mit Gintra vergleichbare Sturm Graz mit dem Gesamtskore von 9:0 bezwungen.

Gintra Universitetas war wie anschliessend die erfahrene Caroline Abbé richtig bemerkte, keine «Übermannschaft» gewesen. Die Zürcherinnen wirkten aber über weite Strecken zu zaghaft in den Zweikämpfen und sowohl im Spiel mit wie auch ohne Ball immer wieder gedanklich abwesend. Anstatt die ballführende Spielerin konsequent zu attackieren und die gefährlichsten Offensivspielerinnen des Gegners auch mal zu doppeln, wurden Räume engmaschig abgedeckt, die der Gegner dann grossräumig umlief. Taktisch verhielt sich der FCZ wie ein Aussenseiter, ohne aber den Kampfgeist und den Fokus eines ambitionierten Aussenseiters auf den Platz zu bringen – und vor allem ohne die eigentlich im Durchschnitt höhere Qualität der eigenen Spielerinnen richtig ausspielen und ausnutzen zu können.

Trotz des verletzungsbedingten Fehlens von vier Nationalspielerinnen (Kuster, Mégroz, Mauron, Terchoun) standen bei den Zürcherinnen mit Moser, Zehnder, Abbé, Humm und Friedli fünf EM-Teilnehmerinnen auf dem Platz – von Gintra hingegen hat abgesehen von Mittelfeldspielerin Christina Murillo (Mexiko) keine einzige Spielerin jemals ein grosses internationales Turnier bestritten. Alle drei Tore in den beiden Direktbegegnungen erzielte die Namibierin Zenatha Coleman. Im Hinspiel hatte sie dabei laut eigenen Angaben «nicht gut gespielt», da sie wegen eines verpassten Anschlussfluges aus der afrikanischen Heimat kurzfristig eintraf und noch Jet Lag hatte. Als Hauptgrund für das Weiterkommen sah Coleman nach dem Rückspiel das Selbstvertrauen und der Glaube an den Erfolg an. Das Hinspiel in Silauiai hatten die Litauerinnen als ausgeglichene Angelegenheit erlebt, wohingegen man sich auf Zürcher Seite als das Team mit weit überlegenem Ballbesitz und Torchancen gesehen hatte.

Im Anschluss an das Rückspiel sprach Trainer Luca Fiorina die Probleme im Abschluss in Zone 3 an. Dieses spezifische Problem existierte bereits letzte Saison. Fabienne Humm war über Jahre die tragende Figur in der Zürcher Offensive gewesen, aber seit ihrer Verletzung vor einem Jahr kämpft sie weiterhin vergeblich darum, wieder auf ihr altes Niveau zurückzukommen. Aus diesem Grund kann die eigentlich gut geölte Achse der spielerisch starken Barla Deplazes mit Humm zur Zeit zu wenig häufig genutzt werden. Immerhin entstand sowohl das Tor in Litauen wie auch dasjenige in Zürich aus einem Zuspiel von Deplazes auf Humm.

Gleichzeitig ist Patricia Willi auch mehr als zwei Jahre nach ihrem Wechsel vom FC St. Gallen sportlich immer noch nicht beim FCZ angekommen. Die schnelle, aber vor dem gegnerischen Tor noch wenig kaltblütige Nathalie Lienhard wurde derweil zuletzt in Klub und Junioren-Nationalteam zwischenzeitlich gar als Verteidigerin in einer Dreierabwehr eingesetzt. Letzte Saison war es Sanni Franssi (seit ein paar Wochen neu in der Serie A bei Juventus) gewesen, welche Speed, Technik und Zielstrebigkeit vorne im erforderlichen Masse auf den Platz bringen konnte. Die Finnin hatte ihr Jahr in der Schweiz gut genutzt, um sich im Verlauf der Saison weiterzuentwickeln.

Dazu kamen gegen Gintra eine auf diesem Niveau zur Zeit überforderte Innenverteidigung Abbé/Fischer. Julia Stierli hätte auf dieser Position helfen können, aber sie wurde mittlerweile sowohl im Nationalteam wie auch im Klub wieder auf die Linksverteidigerposition verschoben, wo wie eh und je eher ihre Schwächen als die Stärken zum Vorschein kommen. Somit waren auch die Aussenverteidigerpositionen mit Stierli und der blass gebliebenen Bühler nicht gut besetzt. Erst mit der Einwechslung von Lorena Baumann lief es etwas besser. Aber Selina Kuster und Naomi Mégroz fehlen in diesem Mannschaftsteil schon stark.

Im Mittelfeld präsentierten sich Malin Gut und Lesley Ramseier weit von ihrer Bestverfassung entfernt, Cinzia Zehnder kommt zur Zeit in der Nationalmannschaft deutlich besser zur Geltung, und Martina Moser fällte für so eine erfahrene Spielerin erstaunlich viele falsche Entscheidungen. Die auf der Bank sitzende Italienische U19-Nationalspielerin Federica Cavicchia hätte mit ihren taktischen Qualitäten und ihrer Ballsicherheit vielleicht etwas mehr Struktur ins Zürcher Spiel bringen können. Immerhin konnte die eingewechselte Flügelspielerin Seraina Piubel auf der rechten Seite gemeinsam mit Lorena Baumann für etwas Druck sorgen. Man darf gespannt sein, wie sich die Mannschaft im ersten Derby der Saison präsentieren wird, nachdem GC zuletzt fast ein bisschen zu einem «Angstgegner» geworden war.

FC Zürich – Gintra Universitetas 1:2 (0:1).

Tore: 27. Coleman (Vaitukaityte) 0:1; 73. Humm (Deplazes) 1:1, 86. Coleman (Rojas) 1:2.

FCZ: Friedli; Bühler (43. Baumann), Abbé, Fischer, Stierli; Ramseier, Zehnder, Gut (67. Piubel), Deplazes (89. Willi); M. Moser; Humm.

Gintra: Kaselyte; Gudchenko, Neverdauskaite, Patterson, Mikutaite; Murillo; Velickaite (60. Rojas), Alekperova (90.+2. Gaileviciute), Vaitukaityte, Cubrilo; Coleman.

Moussa Koné wie „Flasche leer“ / FCZ – YB Stats und Spielinfos

YB-Trainer Adi Hütter brachte mit Djibril Sow („Speziell, gegen die Südkurve zu spielen, wenn man früher selber drin stand“) und Christian Fassnacht beide Spieler aus der FCZ Academy, und dazu die beiden Ex FCZ-ler Steve Von Bergen und Loris Benito in der Startformation. In diesem kampfbetonten Spitzenspiel gab der FCZ in der 1. Halbzeit den Takt vor und hatte insgesamt deutlich mehr Top-Defensivaktionen, als Top-Offensivaktionen. Im Angriffsdrittel hatte der FCZ nicht viele gute Szenen, weder Defensiv noch Offensiv, was in erster Linie daran lag, dass die Stürmer, speziell Michi Frey, viel im Mittelfeld und teilweise gar im Backfield aushalfen bzw. aushelfen mussten.

Sangoné Sarr schafft es leider seit Monaten nicht, seine Fehlpassquote nachhaltig zu senken. Dies ist ein wesentliches Problem für das ganze Team. Mit einer besseren Passquote von Sarr oder Palsson wären drei Punkte möglich gewesen – so aber kam der FCZ in der Zweiten Halbzeit zu stark unter Druck. Roberto Rodriguez zeigt weiter aufsteigende Form – seltsam ist nur, dass ausgerechnet er, der nicht unbedingt der schnellste Offensivmann im Team ist, so häufig steil in die Tiefe geschickt wird.

Der zu Saisonbeginn nicht wirklich überzeugende Cédric Brunner zeigte auf halblinks in der Abwehr seine bisher mit Abstand beste Saisonleistung (inklusive Testspiele). Es scheint die Position zu sein, wo er sich zur Zeit am wohlsten fühlt. Weiterhin unsicher wirkte Neuverpflichtung Victor Palsson, zumal er zusätzlich wegen den Ausfällen von Bangura und Alesevic (in Chippis leicht am Knie verletzt zur Pause ausgewechselt) sowie der fehlenden Spielberechtigung Thelanders im Abwehrzentrum aushelfen musste. Erfreulich war, Antonio Marchesano wieder auf der Ersatzbank zu sehen. Sein erster Saisoneinsatz in einem Wettbewerbsspiel scheint nicht mehr weit entfernt zu sein.

Eine totale Enttäuschung war der eingewechselte Moussa Koné – wie „Flasche leer“, eine Nichtleistung, für die es nur die Tiefstnote „1“ geben kann. Trainer Forte war so erbost und erschrocken ob dem Bärendienst, welcher Koné dem Team nach der Auswechslung von Rodriguez erwies, dass er sich nicht mehr zu getrauen schien, weitere Spieler einzuwechseln. Der schon bereitstehende Cavusevic musste wieder zurück auf die Bank. Dass Forte nicht das volle Wechselkontigent ausschöpft, ist äusserst selten.

 

Dwamena nicht MVP: GC – FCZ Spielinfos & Stats

1707-gc-fcz-match-performanceDer vordergründig logische MVP des Derbies wäre Raphael Dwamena (zwei Tore, gefoulter Spieler beim Penalty) gewesen. Allerdings hatte der Ghanaische Stürmer auch zwei, drei schlechtere Momente und Baissen im Spiel. Die Gesamtleistung von Adi Winter war  nüchtern und objektiv betrachtet noch etwas beeindruckender. Auf der rechten Seite hatte dieser im 3-4-3 ein grosses Laufpensum zu absolvieren und schaffte es, das Zürcher Spiel immer wieder über seine Seite entscheidend anzukurbeln (schlug dabei unter anderem die herrliche Flanke zum 1:0) und gleichzeitig defensiv seine Seite gegen Andersen und Doumbia weitgehend wasserdicht zu verbarrikadieren. Und dies alles praktisch fehlerfrei.

1707-gc-fcz-match-statsEine grosse Anzahl an Top-Aktionen Offensiv (32) und Defensiv (26) waren für den FCZ notwendig, um zu einer relativ kleinen Anzahl Torchancen zu kommen. Zusätzlich zu den beiden Toren waren es (gut gezählte) neun. Der eingewechselte Roberto Rodriguez fühlte sich sichtlich wohl in der Rolle als Sturmjoker und war mit seinen Zuspielen mit gutem Timing in den 30 Minuten seines Auftrittes an beinahe der Hälfte aller Torchancen des FCZ beteiligt, und schlug zudem die Mehrzahl der Eckbälle.

1707-gc-fcz-team-performanceInsgesamt konnte der FCZ in der Angriffszone noch zu wenig Torchancen kreieren und wenn, dann meist auf eklatante Fehler des Gegners hin. Zwar war man in der vorderen Zone in der Defensiven Phase taktisch gut positioniert, aber es gab trotzdem praktisch keine Balleroberungen, mit dem Ballgewinn von Brunner gegen Doumbia vor dem 2:0 als eine Ausnahme. Im Mittelfeld wurden viele Bälle gewonnen und auch konstruktiv nach vorne meist die richtige Lösung gewählt, wobei aus der vorderen Reihe hier auch Frey und Dwamena gut mithalfen. Im „Backfield“ war die offensive Leistung besser, als die defensive. Es gab gute Spieleröffnungen von Kukeli, Nef und einmal sogar von Vanins. Defensiv kämpfte man aufopferungsvoll, zeigte aber auch individuelle und taktische Schwächen, die gegen einen stärkeren Gegner ins Auge gehen könnten.

 

 

Raphas vierter Doppelpack zum verdienten Derbysieg / GC – FCZ 0:2 Highlights

Dem FCZ gelingt der Saisonstart mit einem 2:0-Sieg im 247. Derby dank einer schon von Beginn weg spürbaren guten Einstellung der ganzen Mannschaft. Das schon in der Vorbereitung mehrheitlich gespielte 3-4-3 kommt der Raumaufteilung im Pressing und den Qualitäten der Spieler entgegen. Das Team von Trainer Uli Forte profitierte vor 20’000 Fans aber auch von der Uneingespieltheit des Gegners und dessen grösstem Schwachpunkt, Linksverteidiger Souleyman Doumbia, der beide Tore Raphael Dwamenas mitverschuldete. Es war nach den Heimspielen gegen Winterthur und Le Mont und dem Auswärtsmatch in Schaffhausen im Frühling der vierte Doppelpack des Ghanaers im FCZ-Dress.

GC – FCZ 0:2 (0:1)

Tore: 23. Dwamena (Winter) 0:1; 82. Dwamena 0:2.

GC: Lindner; Lavanchy, Vilotic, Bergström, Doumbia; Pickel (80. Bajrami), Fasko; Jeffren, Sigurjonsson (68. Munsy), Andersen; Djuricin (68. Avdijaj).

FC Zürich: Vanins; Nef, Bangura, Kukeli; Winter (78. Brunner), Rüegg, Sarr, Pa Modou; Koné (60. Rodriguez), Frey (86. Cavusevic), Dwamena.

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