FCZ Sommer-Fazit: Nils Reichmuth überzeugt, gutes Bar-Début, Katic weiterhin Schwachpunkt

In den letzten Jahren hat wohl noch nie ein FCZ-Trainer so stark auf Kontinuität gesetzt, wie Bo Henriksen – selbst André Breitenreiter nicht. Dieser Eindruck deutete sich bereits letzte Saison an und verstärkte sich in der Sommervorbereitung noch weiter. Weder personell, noch bezüglich Spielformation noch von der Spielweise her gibt es Experimente. Henriksen und die sportliche Führung insgesamt setzt darauf, dass die einzelnen Spieler und das Team als Ganzes sich in der anstehenden Saison weiterentwickeln und zusammenwachsen. Super League-Klubs sind mit Ausnahme von YB und FCB kaum je in der Lage, Spieler für die 1. Mannschaft verpflichten oder heranziehen zu können, die sofort „einschlagen“. Jeder neue Spieler bringt normalerweise gewisse Mankos mit: noch nicht ganz reif für die Liga, schlechte Statistiken, länger verletzt gewesen oder zuletzt in einer tiefer einzuschätzenden Liga gespielt. Wenn man die richtige Wahl trifft, kann so ein Spieler dann aber in der dritten oder vierten Saison, manchmal auch schon in der zweiten aufblühen. Der FCZ hat viele Spieler im Kader, deren Entwicklungspotential noch nicht ausgeschöpft ist oder die bisher noch nicht ihr wahres Gesicht gezeigt haben.

Aliti, Krasniqi, Bar mit „Nationalmannschafts-Handicap“

Der FCZ betont in seinen eigenen Publikationen die resultatmässig erfolgreiche Testspielserie (fünf Siege in fünf Spielen). Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass die Resultate ausschliesslich gegen unterklassige Teams zustande gekommen sind. Selbst bei den Zweitligisten Schaffhausen und Greuther Fürth standen zu den Zeitpunkten, als der FCZ den jeweiligen Sieg klar gemacht hat, einige äusserst unerfahrene Junioren auf dem Platz. Die Wahl der Testgegner muss trotzdem nicht falsch gewesen sein. Die graduelle Steigerung der Stärke der Gegner von Spiel zu Spiel entspricht dem jeweiligen Vorbereitungsstand. Es lassen sich so die im Training eingeübten Inhalte einfacher im Spiel umsetzen. Zu starke Gegner, speziell zu Beginn der Vorbereitung, bergen die Gefahr, dass man zu früh in den Kampf- und Wettkampfmodus gerät – und dabei die Inhalte zu kurz kommen. Letztendlich haben Testspielgegner und – resultate sowieso noch nie etwas über den Erfolg oder Misserfolg beim Saisonstart ausgesagt.

Auf individueller Ebene haben Testspiele hingegen durchaus eine gewisse Aussagekraft. Berücksichtigt werden muss dabei allerdings der unterschiedliche Vorbereitungsstand. Die in den Nationalteams engagierten Kaderspieler sind erst später dazugestossen und haben dementsprechend ein Handicap. Dies kann dem Einen oder Anderen den Platz in der Startformation zum Saisonstart kosten. Vor allem bei Fidan Aliti oder Bledian Krasniqi ist dies relevant, aber natürlich auch bei Neuverpflichtung Arad Bar, der erst im letzten Test gegen die SpVgg Greuther Fürth sein Début im FCZ-Trikot gefeiert hat. Tosin ist davon vermutlich weniger stark betroffen, da seine Position in der Hierarchie der Stammformation gesicherter ist. Die sich grundsätzlich auf dem Sprung in die Super League befindlichen Stürmer Calixte Ligue und Labinot Bajrami kamen den ganzen Juni lang noch in den U18-Playoffs und nun dafür in der Vorbereitung der 1. Mannschaft nicht zum Einsatz – Ligue war (genauso wie Innenverteidiger Kryeziu) beim letzten Test gegen Greuther Fürth angeschlagen, Bajrami zusammen mit Stephan Seiler zudem ebenfalls auf der Tribüne.

Arad Bar überzeugt beim ersten Auftritt

Der FCZ agierte wie schon letzte Saison meist unter Trainer Henriksen (mit Ausnahme von einzelnen Partien gegen den FCB oder YB) ausgerichtet auf Ballbesitz und soweit es die Temperaturen zuliessen auch so häufig wie möglich hochstehend. Dabei offenbarten sich selbst gegen schwächere Gegner einmal mehr die grossen Schwächen der Dreierkette, wenn die Mannschaft hoch steht. Nikola Katic ist wie über weite Strecken der Rückrunde weiterhin der grosse Schwachpunkt – sehr langsam, fällt häufig falsche Entscheidungen, überschätzt sich, spielt viele Fehlpässe – nicht selten im eigenen Strafraum – und gibt dann wahlweise dem Platz, dem Schiedsrichter oder den Mitspielern die Schuld dafür. Lindrit Kamberi, Fabio Daprelà oder Fidan Aliti sind alle ebenfalls keine Sprintraketen. Mit einfachen hohen Bällen hinter die Zürcher Abwehr wird es so tendenziell jedes Mal sehr gefährlich. Mit Daprelà hat der FCZ einen weiteren Linksfuss verpflichtet, der deutlich mehr Ruhe und Sicherheit ausstrahlt, als Katic, vorläufig aber wohl auf der halblinken Position (für Aliti) zum Einsatz kommen wird. Die Rückkehr von Mirlind Kryeziu auf die zentrale Innenverteidigerposition (mit Daprelà als Alternative) an Stelle von Katic, würde der Zürcher Hintermannschaft mehr Stabilität und Sicherheit verleihen. Auf der rechten Innenverteidigerposition machte nicht nur in dieser Vorbereitung, sondern auch schon zuvor Daniel Denoon (U21) den sichereren und reiferen Eindruck als der vom FC Wil zurückgeholte Silvan Wallner – Physis und Speed bringt er ebenfalls mit.

Arad Bar vor der ersten Einwechslung im FCZ-Trikot mit der Nummer 8

Der vom israelischen Zweitligisten Maccabi Petah Tikva verpflichtete Arad Bar hat bei seinem ersten Einsatz gegen Greuther Fürth gleich mal gezeigt, was er drauf hat. Auf seiner angestammten Position im Zentralen Mittelfeld hat sich zwar mittlerweile das Duo Condé / Mathew ziemlich gut eingespielt, der israelische U21-Nationalspieler steht aber sicherlich als offensivere Variante zu Beginn schon für Teileinsätze zur Verfügung und hat sich mit seinem Drive und starken Flanken, obwohl er Rechtsfüsser ist, gleich auch noch als erste Alternative für Adrian Guerrero auf der linken Seite empfohlen – noch vor den ebenfalls auf dieser Position getesteten Fischer und Guzzo.

Ohne Marchesano im Dreimann-Sturm

Coach Bo Henriksen liess in jedem der fünf Vorbereitungspartien mit Dreierabwehr und fast durchgehend mit flachem Vierermittelfeld spielen. Die Formation der drei Forwards änderte sich hingegen. Gegen Kreuzlingen spielte man in der 1. Halbzeit noch mit nur einem 6-er (Hanke) und den beiden 8-ern Nils Reichmuth und Seiler hinter dem Zweimannsturm Rohner / Okita. In der 2. Halbzeit war es dann bereits die Formation mit den zwei 6-ern Condé / Mathew und davor den beiden Reichmuth-Brüdern auf der Doppel-10 hinter der einzigen Spitze Marchesano. Gegen Dietikon bildete bis zum verletzungsbedingten Ausfall Marchesanos der Tessiner die Doppel-10 mit MIguel Reichmuth und wurde dann durch Fischer ersetzt. Nils Reichmuth ersetzte seinen Bruder Miguel zur Pause. Einzige Sturmspitze war erst Okita und dann Avdijaj.

Gegen Rapperswil-Jona begann man dann erstmals mit einem klassischen Dreimann-Sturm mit Linksfuss Nils Reichmuth auf dem rechten und Rechtsfuss Okita auf dem linken Flügel – mit Donis Avdijaj in der Mitte. Nach den Wechseln spielte Hanke auf der Zehn hinter dem Zweimannsturm Santini / Nils Reichmuth. Gegen Schaffhausen begann der Dreimannsturm Rohner / Avdijaj / Okita, der sich im Verlaufe der Partie durch Wechsel zum Trio Nils Reichmuth / Santini / Afriyie wandelte. Gegen Greuther Fürth blieb Henriksen beim Dreimannsturm und begann mit Rohner / Tosin / Okita. Nach einer Stunde ersetzte Afriyie Tosin in der zentralen Sturmposition. Nach 75 Minuten wurden auch Rohner und Okita ausgewechselt. Nun lautete das Sturmtrio Nils Reichmuth / Afriyie / Avdijaj. Für das letzte Spielviertel kam dann auch noch Santini rein, Afriyie rückte auf den Flügel und Nils Reichmuth auf die Doppel-6. Damit beendete man die Testspielreihe mit dem Sturmtrio Afriyie / Santini / Avdijaj.

Reichmuth & Reichmuth: FCZ geht mit Brüderpaar in die Saison

Was auffällt: die Art und Weise wie die vordersten drei Spieler formiert wurden, war in erster Linie abhängig vom vorhandenen Personal. Zu Beginn der Vorbereitung stand kein einziger klassischer Mittelstürmer zur Verfügung. Ab der zweiten Partie mit dem verletzungsbedingten Ausfall Antonio Marchesanos zeichnete sich mit der Zeit dann immer mehr der klassische Dreimannsturm als aktuelle Lösung ab. Ivan Santini und der junge Labinot Bajrami sind typische Mittelstürmer. Der Grossteil der Zürcher Forwards ist vorne hingegen flexibel einsetzbar. Avdijaj, Rohner, Afriyie, Ligue, Okita und Tosin haben alle schon viele Spiele sowohl auf der Flügelposition wie auch im Sturmzentrum gemacht. Man kann im Gegensatz zur Situation vor ein paar Jahren heute wahrlich nicht davon sprechen, dass der FCZ zu wenig Stürmer hätte. Zudem ist eine grosse Diversität von unterschiedlichen Stürmertypen vorhanden. Nils Reichmuths ideale Position ist auf der Zehn oder als hängende Spitze – er wurde in der Vorbereitung aber auch als Rechter Flügel eingesetzt. Letztendlich hat nicht zuletzt der neue Champions League-Sieger das Stereotyp vom zwingenden Profil des blitzschnellen Offensivflügels etwas ins Wanken gebracht. Auch technisch starke „Zehner“-Typen können auf dem Flügel ihre Wirkung gut entfalten.

Mehr als acht Jahre ist es her, als mit den Verteidigern Raphaël und Philippe Koch letztmals ein Brüderpaar im Kader der 1. Mannschaft stand. Jetzt ist es mit den Mittelfeldspielern Nils (21) und Miguel (19) Reichmuth wieder soweit. Zumindest vorerst: denn eine Leihe speziell von Miguel ist denkbar. Beide haben ihre Qualitäten eher im technischen Bereich. Rechtsfuss Miguel zeigte in den Testspielen ordentlich bis gute Leistungen. Linksfuss Nils ist torgefährlicher, und bringt mit den zwei Challenge League-Jahren in Wil mehr Erfahrung mit. Er hat in dieser Sommervorbereitung am meisten gespielt, und liegt zudem bei den Torvorlagen vorne. Mittlerweile ist Nils noch etwas zielstrebiger geworden und bringt auch eine gewisse für die Super League notwendige Pace mit, so dass er als der wohl grösste Gewinner der Sommer-Testspielserie bezeichnet werden kann. Letztendlich zählt aber Sonntag 23. Juli, 16:30 gegen Yverdon-Sport im Letzigrund!

«Die Sozialkompetenz wird zu wenig berücksichtigt»

Blick ins FCZ-Leistungszentrum. Grosses Interview mit dem Leiter Academy, Heinz Russheim – TEIL 1 von 4

Wer ist das Herz eines Vereins? Einige würden sagen: die 1. Mannschaft. Für andere ist es die Vereinsführung. Die Dritten meinen: natürlich die Fans! Es gibt aber auch noch eine vierte Sichtweise: die Nachwuchsabteilung! In ihr entwickeln sich die zukünftigen Identifikationsfiguren und Botschafter des Klubs. Sie tragen schon seit früher Jugend das Vereinswappen auf der Brust und in jeder Altersstufe heisse Derbys aus. Sie sprechen die Sprache der Fans und können auswärtige Zuzüge in den Klub einführen. Die Juniorenabteilung bildet ausserdem die handfeste Verbindung zur aktiven Fussballfamilie der Region. Jeder Amateurverein ist stolz, wenn er einen eigenen Jungen in den Profiklub bringen kann.

Blerim Dzemaili (Oerlikon, Unterstrass, YF Juventus), Fabian Rohner (SV Höngg) und Gianni De Nitti (Red Star) stammen von Stadtvereinen. Lindrit Kamberi (Volketswil), Selmin Hodza (Uster), Ilan Sauter (Maur) und Yanick Brecher (Männedorf) aus der Agglomeration. Mirlind Kryeziu und Bledian Krasniqi können sich hingegen an ihr Leben vor dem FCZ fast nicht erinnern. Sie traten praktisch gleichzeitig in die Schule und den Stadtclub ein. Miguel Reichmuth kam mit 12 Jahren vom schwyzerischen Ibach. 

Leiter Academy Heinz Russheim vor dem Home of FCZ

Leiter Academy beim FC Zürich ist Heinz Russheim. Seit mehr als 11 Jahren im Verein, seit April 2013 als Technischer Leiter. Anders als die Mehrheit seiner Pendants bei Schweizer Klubs bringt Russheim einen fundierten pädagogischen Background mit: Sportlehrerstudium an der ETH, Tätigkeit als Lehrer und Ausbildner in der Allgemeinbildung an Berufsschulen, beim Bundesamt für Sport oder an der ETH. Bis 2009 hat er noch selbst Schule gegeben. Der FCZ gehört seit vielen Jahren im Nachwuchsbereich zu den besten Ausbildungsklubs der Schweiz und führt das Label des Schweizerischen Fussballverbandes als eines der Nationalen Leistungszentren. Russheim hat Heinz Moser als neuen Leiter Entwicklung zur Seite gestellt erhalten, der vom SFV kommend das Konzept gleich selbst in einem Klub in die Tat umsetzen kann. Moser ist zuständig für «den Roten Faden» durch den ganzen Klub inklusive Frauen und Profis und die langfristige Entwicklung. Russheim ist der Leiter des Nachwuchsbereiches der Jungs (Academy und Footeco), in welchem auch ein paar der talentiertesten Mädchen aktiv sind.

Züri Live: Heinz Russheim, wir befinden uns im dieses Jahr neu eröffneten «Home of FCZ». Der FC Zürich hat als erster von mehreren Vereinen das Zertifikat «Leistungszentrum» vom Schweizerischen Fussballverband erhalten. Muss man nun Jahr für Jahr «zittern», ob man das Label wieder erhält, oder ist dies mit dem aktuellen Angebot gesichert?

Heinz Russheim: Das ist zur Zeit ziemlich fix. Als wir uns 2015 beworben haben, konnten wir darlegen, dass wir alle Kriterien erfüllen. Wir erfüllten sie bereits, bevor es das Label überhaupt gab. Und es gibt nicht Jahr für Jahr wieder neue Kriterien. U16-, U18- und U21-Trainer müssen festangestellte Profis sein. Auch den Talent Manager, Leiter Goalies oder Leiter Athletik hatten wir schon vorher zu 100% angestellt. In einem Leistungszentrum darf man diese Rollen nicht auf verschiedene Personen splitten.  

ZL: Zuletzt wurde heiss über den Super League-Modus diskutiert. Für den Ausbildungsbereich scheint aber vor allem die Aufstockung der Super League auf 12 Mannschaften nicht ungefährlich zu sein. Das Geld für die Jugendakademien kommt ja letztlich aus dem Profifussball. Wenn Klubs wie Aarau, Thun, Xamax, Wil, Schaffhausen oder Vaduz durch das Fehlen der besten zwei Gegner weniger Einnahmen generieren, kriegen sie dann nicht Probleme mit der Finanzierung ihres Spitzenjuniorenbereiches?

HR: Da müsste man die Einnahmenstruktur analysieren. Wenn durch die zwei Top-Klubs, die in die Super League verschwinden, in der Challenge League die Zuschauerzahlen sinken, dann hätte das schon einen negativen Einfluss auf die Finanzierbarkeit der Nachwuchsabteilungen. Wenn aber die Zuschauereinnahmen keinen wesentlichen Teil des Budgets abdecken, sehe ich nicht einen riesigen Einschnitt – ausser die Sponsoren würden aufgrund des Zuschauerrückgangs und damit verminderter Attraktivität die zugesprochenen Gelder ebenfalls kürzen.  

ZL: Was hat sich für Dich persönlich mit dem Einzug ins Home of FCZ verändert?

HR: Die Wege sind natürlich wesentlich kürzer geworden. Bisher habe ich jeweils gependelt. Am Mittwoch bin ich beispielsweise um 8 Uhr im Heerenschürli ins Training, dann in die Geschäftsstelle im Stadtzentrum und dann um 13 Uhr wieder raus nach Schwamendingen fürs Nachmittagstraining. Auch die Kommunikation intern ist direkter. Wenn es etwas mit der Buchhaltung zu diskutieren gibt, kann man drei, vier Zimmer weiter schnell fragen gehen und muss kein Mail schreiben. 

ZL: Nicolas Chappuis hat den Sprung in den Staff der 1. Mannschaft geschafft – ein Verlust für die Academy?

HR: Ja klar. Einerseits ist jeder, der raufgeht, grundsätzlich ein Verlust. Andererseits ist es ein gutes Zeichen für die Academy. Ich mag mich noch erinnern, als Chappuis vor etwa acht Jahren von Etoile Carouge in die U14 gekommen ist. Er war Assistent von Magnin. 2018 als Magnin in die 1. Mannschaft befördert wurde, hatten Chappuis und ich zwei Wochen lang die U21 zusammen. Erst ich mit ihm als Assistent, dann er mit mir als Assistent. Dann war er Assistent bei Massimo Rizzo’s U18 und letzte Saison U17-Cheftrainer, dazu verantwortlich für das technische Equipment und die Spielanalysen. Wenn die 1. Mannschaft jemanden aus dem Academy-Staff «absaugt», ist das für mich nicht primär ein Verlust. Ich habe gegenüber Ancillo und Heliane Canepa immer betont, dass für jede Position in der 1. Mannschaft ein valabler Kandidat im Nachwuchs vorhanden sein sollte – egal ob Konditionstrainer, Cheftrainer oder Goalietrainer.

Nicolas Chappuis, Spielanalyst der 1. Mannschaft

ZL: Was sind die Kriterien, auf die beim FCZ bei der Trainerauswahl für die Academy am meisten geachtet wird?

HR: Die Diplome sind vorgegeben, da gibt es Mindestanforderungen: ab U16 aufwärts das A-Diplom. In den Stufen darunter gibt es ebenfalls die entsprechenden Auflagen (B-Diplom). Durch das Bestehen der Prüfung beweist ein Trainer, dass er die notwendige Fachkompetenz hat. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen «sehr gut» oder nur «knapp» bestehen. Aber die Prüfung ist nur eine Momentaufnahme. Ein Tag. Eine 5,5 ist zwar für den Moment besser als eine 4,5, aber der Kandidat hat vielleicht ein ganz anderes Prüfungsthema erwischt, als sein Studienkollege. Es heisst noch gar nicht, dass er dann auch der bessere Trainer sein wird. Für mich wird die Sozialkompetenz immer wichtiger. Der Umgang mit den Spielern ist zentral.

ZL: Und dies täglich…

HR: Ja. Ich hatte grad gestern ein Gespräch mit einem Gymischüler bei uns. Die haben über 30 Stunden Schule, dazu Hausaufgaben, Prüfungsvorbereitung. Und trainieren bei uns vier Mal abends. Wenn dann einer mal etwas müde ist, muss der Trainer die Empathie mitbringen, dafür Verständnis zu haben. Das hat man als Trainer und Mensch – oder man hat es nicht. Beim A-Diplom lernt man das auf jeden Fall nicht. Fordernd kann man trotzdem sein. Aber Verständnis für die Chancen, Gefahren, Freuden und Ängste der Jugendlichen muss vorhanden sein, und der Trainer muss damit umgehen können.

ZL: Bei einem Profiklub wie dem FCZ gibt es Legenden, Spieler mit Verdiensten, die man aufgrund der Klubpolitik gerne nach der Spielerkarriere in der Organisation halten möchte. Man kommt dann auf der Suche nach einer passenden Position schnell mal auf die Idee «Nachwuchstrainer» – obwohl der Ex-Profi möglicherweise nicht die beste Besetzung dafür ist. Hat sich in diesem Punkt mittlerweile etwas getan? Hat ein von der Sozialkompetenz und Pädagogik her starker Nachwuchstrainer eines kleinen Vereins aus der Region gute Chancen, sich in der Auswahl der Bewerber gegen einen Ex-Profi durchzusetzen?

HR: Wenn man keinen Hintergrund als Spielerprofi hat, ist es sehr schwer, bei den Grossvereinen reinzukommen. Wir hatten Fischer, Magnin oder Petrosyan. Colatrella hat ebenfalls in der obersten Liga gespielt, Romano war auch Profi.

ZL: Zumindest von der U15 an abwärts scheint es aber weniger Ex-Profis auf der Trainerposition zu geben…

HR: Ja, U15 kommt mir jetzt auch grad keiner in den Sinn. Der Einstieg ist aber meist in der U14 – und dann geht es direkt in das Leistungszentrum (U16). Man muss wissen: vor etwa 20 Jahren war die Philosophie des SFV, möglichst vielen ehemaligen Super League- und sowieso National-Spielern den Einstieg als Trainer zu ermöglichen. Denn diese haben die Erfahrung beispielsweise auch vor 50’000 Zuschauern zu spielen. Sie wissen, was auf dem Platz abläuft. Sie haben einen grossen Rucksack. Sie haben das Fachliche als Profispieler selbst erlebt und umgesetzt: «Was mache ich im Pressing? Wohin stehe ich? Wie verteidige ich?». Grundsätzlich alles. Das war die Stossrichtung.

Meines Erachtens hat man etwas zu wenig darauf geachtet, dass die Sozialkompetenz die dominante Qualität ist, die ein Nachwuchstrainer haben muss – ganz klar wichtiger als vieles andere. Diese Meinung wird nicht von allen geteilt. Natürlich muss ein Nachwuchstrainer im Spitzenjuniorenfussball eine Ahnung davon haben, was auf dem Fussballplatz abläuft. Aber das Pendel schlägt für mich zu stark in Richtung ehemalige Top-Spieler aus. Der Umgang mit einer U16 oder U18 ist nicht das Gleiche, wie mit der 1. Mannschaft. Sie trainieren zwar gleich viel, aber der Juniorenspieler macht nebendran noch eine Lehre, geht in die Schule, ist in der Entwicklung, in der Pubertät – das braucht vom Trainer spezielle Kompetenzen.

Thomas Tuchel oder Julian Nagelsmann waren als Spieler nicht auf dem Niveau ihrer jetzigen Mannschaften. Sie arbeiten erfolgreich, weil sie einen sehr guten Umgang mit ihren Spielern pflegen. Franz Beckenbauer vertraute als DFB-Teamchef fast ausschliesslich auf seine Sozialkompetenz. Das Training leitete ein Anderer.

ZL: Gut mit Jugendlichen umgehen zu können, ist eine spezielle Qualität… In gewisser Hinsicht schwieriger als mit Männern.

HR: Was heisst schwieriger? Das würde der Aufgabe der Eins-Trainer auch nicht gerecht. Dort kann man beispielsweise auch einmal eine «Diva» in der Mannschaft haben. Wie geht man damit um?

ZL: Im Nachwuchs hat man natürlich als Trainer etwas mehr Autorität und Möglichkeiten, Druck auszuüben. In der 1. Mannschaft ist der Trainer wohl das schwächere Glied im Mannschaftsgefüge. 

HR: Das ist zwangsläufig so. Wenn’s nicht läuft, dann muss bei den Profis immer wieder der Trainer gehen. Auch wenn es häufig nicht die richtige Entscheidung ist.

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Trends der Vorrunde setzen sich fort – FCZ-Testspielbilanz Winter 21/22

Nur drei Testspiele hat der FCZ in der Wintervorbereitung 21/22 absolviert und dabei gegen den Wuppertaler SV und das polnische Spitzenteam Pogon Szczecin (Spitzname: „Hafenarbeiter“) in Belek unentschieden gespielt – und eine Woche vor Rückrundenstart den FC Wil im Heerenschürli 1:0 geschlagen. Erstmals konnte dabei die 1. Mannschaft direkt aus der frisch bezogenen Kabine im neuen „Home of FCZ“ direkt hinaus auf den Platz zum Testspiel laufen. Auch die Büro-Crew ist bereits weitgehend in Schwamendingen eingerichtet. DIe eigentlichen FCZ-Trainingsplätze sind allerdings immer noch im Umbau.

Viel Pressing in den ersten beiden Testspielen

Gegen Wuppertal liess Trainer Breitenreiter in den zwei Mal 60 Minuten jeweils mit Viererabwehr spielen – zuerst mit einem Rhombus im Mittelfeld, dann in einem 4-3-3 (präziser: 4-1-2-3) wie in den Cuppartien in Solothurn und Yverdon. In den anderen beiden Partien formierte sich die Mannschaft dann wieder im üblichen 3-4-1-2. Beim 3:3 gegen Wuppertal agierte der FCZ viel im Pressing – sowohl die eigenen wie auch die gegnerischen Tore entstanden aus FCZ-Pressingsituationen. Ähnlich agierte man 35 Minuten auch gegen Pogon und ging durch einen Marchesano-Ablenker am nahen Pfosten nach einem Dzemaili-Freistoss von der Seite zwischenzeitlich mit 1:0 in Führung.

Déjà Vu bei Standards

Dzemaili trat im letzten Testspiel gegen den FC Wil auch die Mehrzahl der Eckbälle. Aus einem solchen von der rechten Seite entstand das einzige Tor der Partie. Es war praktisch eine Kopie des 3:3-Ausgleichstreffers im August in St. Gallen mit einem schönen Aliti-Ablenker auf Höhe des nahen Pfostens und Gnonto, der den Ball am entfernten Pfosten auf oder vielleicht auch bereits etwas hinter der Torlinie ins Netz lenkte – nur wurde diesmal der Ball eher flach statt hoch gespielt. In einer weiteren Szene hätte Gnonto das Skore erhöhen können. Diese war sozusagen eine Kopie seines 2:0-Führungstreffers vor der Winterpause in Lausanne. Diesmal lenkte Kamberi nach einem Eckball den Ball an die Fünfergrenze, wo Gnonto mit seinem Abschluss aus einer 180 Grad-Drehung an Wils Torhüter Marvin Keller scheiterte. Viele Torchancen liess auch Blaz Kramer liegen, worüber sich der Slowene ärgerte. Gleichzeitig hat sich sein Engagement in der Defensive und im Spielaufbau seit seiner Rückkehr vor der Winterpause im Vergleich zu vorher stark verbessert.

Im 4-1-2-3 über die Seiten anfällig

Im 4-1-2-3 hatte der FCZ defensiv Probleme. Die Aussenverteidiger hatten bei einem so hoch stehenden Flügel zu wenig Unterstützung, wurden über beide Seiten überspielt und im eigenen Strafraum stand nach der Flanke gleichzeitig immer wieder ein Gegenspieler frei. Das erinnerte an eine Reihe von Gegentoren in den letzten Saisons. Die Kombination von äusserem Innenverteidiger plus weit nach hinten arbeitendem Aussenläufer zusammen mit den aussen helfenden Mittelfeldspielern im 3-4-1-2 hat sich zur Abdeckung der Seiten in der Vorrunde und auch der Wintervorbereitung deutlich besser bewährt.

Mets trotz „Wacklern“ ein Startelfkandidat

Auch personell hat sich über den Wintermonat wenig geändert. Die Hierarchie im Tor ist klar. Mirlind Kryeziu wird weiterhin die zentrale Position in der Dreierabwehr einnehmen. Gerade gegen Wil wurde der FCZ in erster Linie über Spieleröffnungen Kryezius nach vorne gefährlich. Neben den Standards. Auf diesen Erfolgsfaktor baut man auch in der Rückrunde. Und diesbezüglich hat man eine hohe Variabilität im Kader. Guerrero, Marchesano, Coric nicht dabei? Dann tritt halt Dzemaili oder Khelifi an – die können das auch sehr gut. Und die Automatismen bei den Standards werden mit zunehmendem Saisonverlauf eher noch besser.

In der Sommervorbereitung war Becir Omeragic am letzten Testspieltag gegen Kriens und Xamax im Heerenschürli zumindest noch zwei Mal zu einem Teileinsatz gekommen. Diesmal reichte es nicht mal dafür. In allen Testpartien dieser Saison zusammengezählt lief der Genfer ganze 74 Minuten auf. Auf der einen Seite hat Trainer Breitenreiter sicherlich das Vertrauen in ihn, auch ohne Testspielminuten in den Beinen. Falls er aber in einer Woche gegen seinen Stammklub noch nicht bereit wäre, dann könnte es zu einer Dreierabwehr mit drei Linksfüssern Mets, Kryeziu und Aliti kommen – mit Mets auf der rechten Seite. Der Este hat wohl einen leichten Vorteil gegenüber Kamberi, auch wenn er gegen Pogon das Gegentor verursacht und einen identischen Fehler (diesmal ohne Folgen) gleich nochmal gegen Wil begangen hat.

Gogia in Zukunft vermehrt auf der linken Aussenbahn?

Auf den Aussenbahnen ist die Situation ebenfalls klar. Bornijasevic und Guerrero sind eine Bank und haben sich ihren erspielten und vor allem erlaufenen Status verdient. Rohner ist der Ersatz auf rechts. Links hat Fidan Aliti gute Ansätze gezeigt, auch wenn er speziell gegen Wil auch etwas unglücklich agiert hat. Andy Gogia gibt sich Mühe, sich defensiv zu verbessern, wenn er als Aussenläufer eingesetzt wird. Ob er mittlerweile wirklich über 90 Minuten auf Super League-Niveau auf dieser Position solide genug auftreten könnte, ist noch eine offene Frage. Aber eine solche Variante scheint zumindest die deutlich bessere Option zu sein, als das System auf zwei offensive Flügel zu ändern. In einer solchen Formation hat Gogia in Wettbewerbsspielen und Tests jeweils enttäuscht. Defensiv gefordert zu werden, tut Gogia und seinem Spiel besser, als wenn er zu viel (vermeintliche) Pausen und Zeit zum Nachdenken hat.

Gnonto und Dzemaili im Aufschwung, Khelifi eine Alternative im Sturm

Im Zentrum scheint alles auf ein Duo Doumbia / Dzemaili herauszulaufen. Dzemaili versucht noch einmal auf ein höheres Niveau zu kommen, was natürlich ein Wettkampf gegen die Zeit ist. Man hat es bei Servette’s ehemaligem Weltklassemann Gaël Clichy gesehen, der zuletzt altersbedingt nicht mehr so dominant aufgetreten ist, wie noch zu Beginn seiner Servette-Zeit. Oder Christian Gentner – der Musterprofi hat nach Manuel Neuer von allen Aktiven am zweitmeisten Bundesligaeinsätze und konnte in der Vorrunde bei Luzern zwar noch mithalten, aber keine wesentlichen Impulse setzen. Auf jeden Fall scheint die Formkurve Dzemailis aktuell nach oben zu zeigen. Wie weit und lange dies in der Super League noch reicht, wird sich zeigen. Bledian Krasniqi zeigte ein paar gute Ansätze, aber von ihm muss sicherlich noch mehr kommen, wenn er einen Stammplatz erobern will. Antonio Marchesano stand gegen Wil nicht im Einsatz. Im letzten Sommer schafften er und andere Zürcher Akteure es genau auf den Saisonstart in Lugano in die beste Verfassung zu kommen. Auch aktuell wieder gegen Servette in einer Woche?

Ante Coric und Moritz Leitner sind zur Zeit etwas aussen vor. Stephan Seiler scheint einen kleinen Schritt nach vorne gemacht haben und wirkte etwas reifer. Von den beiden aus der U21 ins Trainingslager mitgenommenen Jungs wurde Rechtsverteidiger Selmin Hodza auf verschiedenen Positionen eingesetzt, vorwiegend als „Achter“ im Zentralen Mittelfeld. Er bekundete sowohl mit dem Niveau bei den Profis wie auch mit der Position Mühe. Anders der flinke Techniker Miguel Reichmuth, welcher als Alternative für die 10-er oder 8-er Position durchaus einen gewissen Eindruck beim Trainerteam hinterlassen haben dürfte. Auch Henri Koide ist definitiv wieder zurück von seiner Verletzung und hätte dem FCZ als Alternative im Sturm durchaus helfen können. Der Fokus liegt aber auf seiner Entwicklung und Spielpraxis – und die holt er sich in der Rückrunde in der Challenge League bei Xamax auf einem höheren Niveau als der Promotion League. Kramer hat in der Vorbereitung ein Mal getroffen – trotzdem scheinen ihm noch etwas weitere Erfolgserlebnisse zu fehlen. Ob Tosin zum Rückrundenstart fit ist, ist noch unsicher. Eine Bank ist hingegen seit der Schlussphase der Vorrunde Wilfried Gnonto. Der Italiener scheint seine gute Form über den Winter konserviert zu haben. Salim Khelifi ist am ehesten eine Alternative im Sturm und hat da mehr überzeugt, als auf der Achterposition. Khelifi steht da in Konkurrenz zu Rodrigo Pollero. Einer von beiden könnte aufgrund der möglichen Abwesenden zum Auftakt die Chance auf einen Teileinsatz haben.

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