Luzern hat sich mittlerweile auf dem dritten Platz hinter Servette und dem FC Basel etabliert und liegt fünf Punkte vor dem FC Zürich. Der FCZ hat in dieser Saison bisher eine negative Bilanz gegen den FC Luzern. Die letzte Direktbegegnung im Januar in der Swissporarena wird noch lange in Erinnerung bleiben – mit rekordhohen drei Penaltys und zwei Platzverweisen – alle (auf dem Platz oder nach VAR-Checks) ausgesprochen gegen den FC Zürich. Luzern erzielte beim 3:1 alle drei Tore aus den Penaltys, während der FCZ in Unterzahl mit einem von Kamberi verwerteten Krasniqi-Freistoss zum 1:3 kam. Tyron Owusu und Thibault Klidjé waren auf Luzerner Seite die beiden Spieler welche den klaren Auftrag hatten, möglichst viele Situationen zu kreieren in denen es zu diesen Penaltys und Platzverweisen kommen konnte – oder wie es FCL-Trainer Mario Frick nach der Partie im TV-Interview formulierte: „Dorthin zu gehen, wo es weh tut“.
Vorsicht vor Laufwegen von Owusu und Klidjé
Dies haben Owusu und Klidjé mittlerweile auch gegen andere Gegner praktiziert, aber bei weitem nicht mit so viel „Erfolg“. Zuletzt beim 1:1 gegen den FCB blieb Schiedsrichter Urs Schnyder nach dem Tackling von Adrian Barisic gegen Owusu im Strafraum auch nach VAR-Intervention von Nico Gianforte trotz Berührung bei seiner Entscheidung von „kein Foul“. Etwas, was man sich damals gegen den FCZ auch von Sven Wolfensberger gewünscht hätte, als bei der VAR-Intervention von Lionel Tschudi wegen eines angeblichen „Fouls“ von Daniel Denoon gegen Thibault Klidjé dieses Foul auf den Video-Bildern nicht erkennbar war. Wolfensberger wurde interessanterweise erneut mit der Leitung der Partie FCZ – Luzern betraut. Der FCZ sollte sich aber natürlich nicht auf den Schiedsrichter fokussieren, sondern vor allem vor Owusu und Klidjé gewarnt sein, die mit abrupten Richtungsänderungen immer wieder den Kontakt mit rückwärtslaufenden Verteidigern suchen.
Der FC Zürich war mit einem sehr mutigen und intensiven Fussball nach der Winterpause gestartet. Die Penaltys und Platzverweise in Luzern sowie der verschossene Elfmeter Chouiars gegen Basel waren die ersten aber noch lange nicht letzten teilweise externen, teilweise selbst verschuldeten Rückschläge in den folgenden Partien. Die Stossrichtung eines dominanteren Fussballs bleibt bestehen. Der FCZ schafft es aber noch nicht, dies gegen nominell gleich starke oder stärkere Gegner wie beispielsweise dem FC Luzern auch durchzusetzen. Nach den letzten Partien mit einer Serie von teilweise hanebüchenen VAR-Interventionen hätte man aber definitiv wieder mal etwas Wettkampfglück verdient.
FCZ weiterhin mit Baustelle „Linksverteidiger“
Die Baustelle „Linksverteidiger“ bleibt aber weiterhin bestehen. Da Junior Ligue gegen Luzern möglicherweise krankheitshalber fehlen könnte, wird wohl Daniel Denoon wie schon im Januar zentral neben Mariano Gomez verteidigen. Doron Leidner wird weiterhin nur noch in der U21 eingesetzt. Den in der Vorrunde gute Ansätze zeigenden und im Winter zu Deportivo La Coruña ausgeliehenen Nemanja Tosic könnte man aktuell gut gebrauchen. Dieser sah im Duell mit Junior Ligue, der mittlerweile Innenverteidiger spielt, aber zu wenig Einsatzchancen. In Spanien spielte der Serbe bisher aber auch erst 45 Minuten. Rodrigo Conceiçao hatte mit seiner Unvorsichtigkeit im Laufduell gegen Tyron Qwusu die 1:3-Niederlage in Luzern eingeleitet. Zuletzt beim 1:3 gegen Servette zeigte der Portugiese, dass er dem Team mit seiner wilden Spielweise als Einwechselspieler bei Rückstand am besten helfen kann. Seine Einsätze von Beginn weg waren zuletzt hingegen ungenügend. Benjamin Mendy wiederum hätte Coach Ricardo Moniz wohl gegen Luzern in der Startformation vorgesehen gehabt, aber der Franzose war zuletzt ebenfalls krank gemeldet.
Gegen Servette zeigte sich nach dem Seitenwechsel erneut, dass Steven Zuber von der Linken Seite aus effektiver agiert als im Zentrum, wo ihm als Fixspieler auf engem Raum die Reaktions-Schnelligkeit fehlt. Als weitere Alternative im Sturmzentrum neben Torschütze Damienus Reverson und Mohammad Mahmoud gab heute in Lugano Vincent Nvendo sein Début in der FCZ U21, wurde aber zur Pause ausgewechselt. Nicht mit dabei im Tessin sind unter anderem Joseph Sabobo, Neil Volken und Dylan Munroe. Möglich, dass einer von diesen drei im Letzigrund im Kader gegen Luzern steht. Janoah Markelo war unter der Woche ebenfalls krank, könnte es aber möglicherweise noch rechtzeitig auf die Partie gegen Luzern schaffen.
Der FCZ hat in dieser Saison bisher eine negative Bilanz gegen Servette. In beiden Begegnungen setzten die Genfer auf Konterfussball und dabei wiederum vor allem auf Dereck Kutesa. Der FCZ trat beide Male mit Dreierabwehr an und liess Kutesa auf der Seite dabei zu viel Raum. Die rechte Zürcher Seite hatte jeweils grosse Probleme. Lindrit Kamberi hätte in der ersten Partie im Letzigrund (1:3, dritthöchste Zuschauerzahl der bisherigen Saison) eigentlich zur Pause ausgewechselt werden müssen. Im zweiten Spiel (1:1 im Stade de Genève) ging es Rodrigo Conceição nicht viel besser. Servettes Stärke im Umschaltspiel hat sich seither weiter akzentuiert. Die Schlüsselspieler Cognat und Stevanovic sind zusätzlich wieder besser in Form und vorne setzten sich zuletzt Neuverpflichtung Ndoye sowie die eigenen Junioren Varela und Ouattara als zusätzliche „Waffen“ in Szene. Servette liegt sowohl in der Formtabelle der letzten fünf Partien als auch in der Jahrestabelle 2025 vor dem 27. Spieltag auf dem 1. Platz der Liga. Gegen keinen anderen Gegner hat der FC Zürich in der Super League zudem so eine schlechte Heimbilanz. Ein leichter Aufwind ist auch beim FCZ zu verspüren, aber es wartet ein schwerer Brocken.
Wird Perea durch Ligue ersetzt?
Andeutungen von FCZ-Coach Moniz an der Pressekonferenz vor der wegweisenden Partie gegen Servette lassen vermuten, dass der verletzte Juan José Perea im Sturmzentrum durch Junior Ligue ersetzt werden könnte. Moniz sprach von zwei zusätzlichen Positionen auf denen dadurch Änderungen vorgenommen werden müssten. Dies wäre die Verschiebung des in Lugano als Linksverteidiger auflaufenden Denoon zurück in die Innenverteidigung und dessen Ersatz auf links durch möglicherweise Conceição.
Ob dies allerdings eine vielversprechende Lösung wäre, scheint zweifelhaft. Die Abwehrkette mit Ligue im Zentrum und Denoon links funktionierte in Lugano hervorragend. Auch Ballet hat sich zuletzt verbessert. Es wäre sicherlich interessant zu sehen, wie er sich gegen Kutesa macht. Conceição enttäuschte hingegen zuletzt ziemlich stark. Und Mendy ist wohl weiterhin noch nicht ready für die Startformation. Ausserdem gibt es im Sturmzentrum viele Alternativen. Mahmoud machte bei seinen Teileinsätzen einen sehr guten Eindruck. Und dann gäbe es da auch noch Emmanuel (In Lugano für Perea eingewechselt), Reverson, Oko-Flex oder sogar Greco. Zuber, Markelo, Chouiar, Gbemin, Ballet und Gomez sind zur Zeit ziemlich sicher gesetzt. Krasniqi scheint aktuell in ein kleines Loch gefallen zu sein. Für ihn könnte allenfalls wieder Tsawa beginnen.
Wie für den Clasico in Basel war der FCZ auch für das Derby voll parat gewesen – und genauso verliert er auch diesmal das anschliessende Spiel. Grosser Unterschied: das 1:4 in St. Gallen war eine hochklassige Partie, die trotz des klaren Resultates über Details entschieden wurde und auch vom FCZ hätte gewonnen werden können. Das Duell mit Servette hingegen gestaltete sich wie der Kater nach der Derby-Party vor vollem Haus. Es fehlte speziell im zweiten und dritten Viertel der Partie an so ziemlich allem: Esprit, Fokus, Zusammenspiel. Dass der FCZ in dieser Saison bisher zu Hause schlechter auftritt als auswärts zeigte sich in dieser Partie akzentuiert. Die Spieler-Durchschnittsnote von 5,3 bestätigt den Gesamteindruck des bisher schlechtesten Saisonspiels.
Sieben FCZ-Starter defensiv ungenügend
Man kann dabei auch nicht wirklich eine Halbzeit, einen Mannschaftsteil oder eine Spielphase aus der schlechten Bewertung rausnehmen. Einzig die Einwechselspieler (mit Ausnahme von Conceição) waren etwas besser als die Starter. Die für die Schlussphase hereingekommenen Ifeanyi Mathew und Daniel Afriyie sind die einzigen Zürcher mit einer Note “8“. Sieben von elf Spielern aus der Startformation waren hingegen defensiv ungenügend. Dementsprechend ist die Defensivnote des Teams mit 4,9 nach dem 0:3 zu Hause gegen Vitoria Guimaraes zum zweiten Mal im negativen Bereich. Die Abwesenheit Antonio Marchesanos war defensiv noch mehr spürbar als offensiv. Die Koordination des Pressings funktionierte nicht – unter anderem beim ersten Gegentor. Unter Thomas Häberli hat Servette zuletzt schrittweise verschiedenste Anpassungen an der Spielweise vorgenommen. So wird nach Vorbild vieler Premier League-Teams neu häufig mit einer Dreierkette von hinten aufgebaut und dabei einer der beiden Aussenverteidiger ins Mittelfeldzentrum gezogen. Auf solche taktischen Kniffe reagierte der FCZ aber relativ gut. Das Problem lag in erster Linie an der ungenügenden defensiven Intensität von Perea und Co..
Beim FCZ wird der verletzte Stratege Antonio Marchesano schmerzlich vermisst. Die Offensive ist ein Totalausfall. Es dauert mehr als eine Stunde, bis das Heimteam Genfs Goalie Jérémy Frick erstmals zu einer Parade zwingt.
– Pascal Ruckstuhl und Yannick Peng, Blick
In der defensiven Phase lag der grösste Unterschied zwischen den beiden Teams und wurde die Partie entschieden – Servette verteidigte konsequenter und herzhafter als der FCZ. Es gab defensiv wie offensiv beim FCZ nicht zu wenig gute Aktionen, sondern in beiden Fällen zu viele Minuspunkte. Man liess mit überdurchschnittlich vielen Fehlern ab Mitte der 1. Halbzeit einen aussergewöhnlich zurückhaltenden und stark aufs Konterspiel ausgerichteten Gegner ins Spiel kommen. Das erste Gegentor entstand durch das Ausnutzen eines temporären Energieabfalls des ganzen Zürcher Teams – das zweite und dritte aus Kontern. In den letzten fünf Spielen hat der FCZ ein Gegentor pro Partie aus Kontern erhalten – eindeutig zu viel.
Häberli-Team mit schmalem Kader – und überragenden Kutesa & Stevanovic
Nikola Katic hatte Probleme mit dem Verteidigen an der Mittellinie – umso mehr da auf der anderen Seite ein Dereck Kutesa stand – oder eher lief. Nach GC’s Lee hatte zudem auch Servette mit Crivelli einen Mittelstürmer, der viele Kopfballduelle im Mittelfeld gegen die grossgewachsenen aufgerückten FCZ-Innenverteidiger gewinnen konnte. Nach einem guten Saisonstart war es nun nach dem Derby die zweite ungenügende Katic-Note in Folge. Lindrit Kamberis Leistung als Rechter Aussenläufer war ebenfalls schlecht. Neben den Defensivproblemen gegen Kutesa & Co. stimmte auch die offensive Abtimmung beim FCZ über diese Seite überhaupt nicht.
Servette wirkte dabei im Letzigrund trotz ihrer Erfolgsserie keineswegs unbezwingbar. Zu Beginn drohten die Genfer etwas unter die Räder zu kommen. Trainer Häberli musste Abwehrchef Rouiller noch während der 1. Halbzeit vom Platz nehmen, weil dieser bereits früh Gelb/Rot-gefährdet war. Dessen Ersatz Adams machte seine Sache danach gut. Ansonsten war aber spürbar, dass die Genfer von den aktuellen Spitzenteams das wohl schmalste Kader haben. Der FCZ konnte immer wieder Schwachpunkte des nicht immer zu Startformation zählenden Magnin ausnutzen. Das eine Chance in der Startelf erhaltende Eigengewächs Ouattara (U20-Nationalspieler) blieb blass. Eingewechselte Akteure wie Baron, Simbakoli oder Sawadogo machten das Team spürbar schwächer und brachten so dem FCZ Aufwind, so dass es am Ende wenigstens noch zum 1:3 reichte. Fast alles bêim Häberli-Team hängt zur Zeit an den sich in sehr guter Form befindlichen Kutesa und Stevanovic.
Zu wenig Torchancen mit Dreierabwehr-System
Im ersten Viertel starteten Krasniqi, Condé, Emmanuel und Ligue gut in die Partie. Gomez tauchte mehrmals weit vorne auf, zeigte in vielversprechenden Situationen aber zu wenig Übersicht. Der nach der Partie von Coach Ricardo Moniz wegen zu wenig Kreativität kritisierte Mounir Chouiar war der Einzige, der sich nach dem 0:2 an der Ehre gepackt fühlte und eine deutliche Reaktion zeigte. Aus diesem Grund hatte er am Ende von allen Startern auch die beste Note (7). Offensiv konnte sich der FCZ wie schon seit mehreren Wochen im Dreierabwehr-System zu wenig Torchancen herausarbeiten. DIe Niederlage war auch aufgrund der Expected Goals-Werte (0,58 vs. 1,95) verdient. Die aktuellen Probleme von Lindrit Kamberi auf der rechten Aussenbahn wurden im Derby von seinem Tor übertüncht. Ihn hätte Moniz gegen Servette spätestens zur Pause durch Markelo ersetzen müssen. Dann hätte der FCZ wohl noch eine Chance in dieser Partie gehabt. Auf der linken Seite führte hingegen die Einwechslung von Conceição für Ligue in der 55. Minute zu einer klaren Verschlechterung.
Personalien – Chouiar mit Reaktion nach zweitem Gegentor
Mounir Chouiar: Zu Beginn unkonzentriert und eher passiv. Wie schon bei der Partie in St. Gallen scheint zudem der Schiedsrichter etwas gegen ihn zu haben (die Schiedsrichter-Assistenten waren dieselben, der Head nicht). Wacht nach dem 0:2 auf, zeigt eine Reaktion, kommt über den Kampf ins Spiel und steigert sich so auch offensiv.
Cheick Condé: Dank seiner individuellen Qualität unter dem Strich nicht ungenügend. Agiert aber wie üblich wenn keine ältere Respektsperson wie Mathew, Marchesano oder früher Dzemaili in seiner Nähe ist launisch und mit schlechter Körpersprache. An allen drei Gegentoren mit zu passivem Verhalten wesentlich beteiligt.
Lindrit Kamberi: Defensiv mit Problemen, offensiv passte gar nichts zusammen. Ist über die ganze bisherige Saison hinweg in den Zweiten Halbzeiten mit einem Notenschnitt von 4,4 deutlich schlechter als in den Ersten Halbzeiten (5,5).
Bledian Krasniqi: Wie im Derby bester FCZ-Spieler der Ersten Halbzeit – diesmal aber nicht auf eine besonders überzeugende Weise, sondern vor allem weil der Rest des Teams nicht performte.
Calixte “Junior“ Ligue: Gehörte zu den Besseren der 1. Halbzeit und steigerte sich in den zehn Minuten nach dem Pausentee bis zu seiner Auswechslung noch weiter. War als Einziger an allen vier ersten Torchancen beteiligt.
Umeh Emmanuel: Guter Start in die Partie. In der 2. Halbzeit kaum zu sehen.
Juan José Perea: Das Kopfballtor beim Okita-Eckball in der 90. Minute ist der einzige Abschluss des Mittelstürmers in dieser Partie. Hat bisher in den Zweiten Halbzeiten einen um eine ganze Note tieferen Züri Live-Notenschnitt als in den Ersten Halbzeiten. Dies aufgrund seines kräfteraubenden Spielstils. Ist aber trotzdem immer für ein Tor gut und wird bis zum Ende auf dem Platz gelassen. Holt sich aber wie schon in St. Gallen in der Nachspielzeit eine Sperre.
Ifeanyi Mathew: Nach dem Auswärtsspiel in St. Gallen zum zweiten Mal MVP. Bringt nach seiner Einwechslung speziell offensiv mehr Struktur ins Zürcher Spiel.
Jonathan Okita: Sein guter Eckball zum 1:3 ist sein erster seit beinahe drei Monaten und führt gleich zu einem Tor.
Daniel Afriyie: Defensiv ein klarer Gewinn in der Schlussphase. Trägt dazu bei, dass der FCZ am Ende das bestimmende Team ist. Hält beim Anstoss Servettes nach dem 1:3 Perea nach dessen zu frühem Loslaufen beim ersten Versuch an der MIttellinie wie ein Rennpferd in der Box zurück, bis der Schiedsrichter gepfiffen hat.
Yannick Brecher: Schon vor dem ersten Gegentor ein ungenügender Auftritt und dann auch noch an allen drei Gegentoren mitschuldig.
Nikola Katic: Nach dem Derby zum zweiten Mal in Folge ungenügend. Steigert sich in der Schlussphase nach der Auswechslung Kutesas. Gegen Ende bei laufendem Spiel Trash-Talk mit der Servette-Bank.
Der Loser: Nikola Katic
Der Zürcher Abwehrchef hatte heute Abend einen schwachen Tag und hatte insbesondere mit Kutesa grosse Mühe. Immer wieder kam er einen Schritt zu spät, und beim 0:2 war er es, der das Abseits klar aufhob.
– sport.ch
Kommentare: Kutesa spielt die Saison seines Lebens
Randnotiz: Stephan Rammings Hobby
Und dann merkte er es doch noch. Es lief die 90. Minute, und Juan José Perea jubelte nach seinem Kopfballtor, als hätte der FCZ-Stürmer in letzter Sekunde den Siegtreffer erzielt. Dem war freilich nicht so, es war für den FCZ eine Art Trostpflaster nach einem Spiel, das die Zürcher auch mit fünf oder sechs Gegentreffern hätten verlieren können. Als auch Perea dies wieder einfiel, hielt er sich zurück, streckte nur den Zeigfinger wedelnd in die Luft und rannte aus dem Servette-Strafraum. […] Schon als sich die erste Halbzeit dem Ende zugeneigt hatte, musste man Angst haben, dass sich Moniz selbst Schmerzen zufügte ob der Vorstellung seiner Mannschaft. Er hatte sich den kleinen Finger in den Mundwinkel gesteckt und malträtierte ihn so heftig, wie einst Alex Ferguson seine Kaugummis geplagt hatte.
Stephan Ramming, Neue Zürcher Zeitung, bei seinem langjährigen Hobby, FCZ-Spieler, -Trainer und -Funktionäre als „unterbelichtet“ darzustellen
Das Spitzenspiel FCZ – Servette (1:3) vom Sonntag wurde zum ungleichen Duell, in welchem der Leader und Heimklub als unterlegenes Team wirkte. Man traf dabei auf den letzte Saison auch im Europacup sehr erfolgreichen Cupsieger 2024. Servette ist über Jahre mit grosser personeller Kontinuität gewachsen. Die Abläufe sind bis ins Detail eingespielt. Servette hat weder eine Startruppe, noch eine Mannschaft von Top-Talenten zur Verfügung. Die Leistungsträger wie Jérémy Frick, Steve Rouiller, Timothé Cognat, Miroslav Stevanovic oder Dereck Kutesa sind alles Spätzünder, die sich in einem ersten Schritt im Profibereich nicht durchsetzen konnten. Sie haben sich bei Servette in einem “sicheren Hafen“ über längere Zeit entwickeln können und ihre Rolle gefunden. Beim FCZ wirkt im Vergleich dazu vieles kurzfristiger ausgerichtet. Die Warnsignale der letzten Partien, in welchen abgesehen von den Resultaten wenig zusammenpasste, wurden im Heerenschürli ignoriert.
Positiv: Standards, Kampfgeist und Leistung gegen Rivalen
Trotzdem gibt es bezüglich der aktuellen FCZ-Mannschaft einige positive Punkte zu erwähnen. Kampf- und Teamgeist stimmen. Und die Breite im Kader ist im Vergleich zu den letzten Jahren gross. Zu Beginn der Saison fiel vor allem der verbesserte Fitnessstand von Nikola Katic und Mirlind Kryeziu auf, was sich sowohl offensiv wie auch defensiv positiv aufs Zürcher Spiel auswirkte. Ganz vorne ist Juan José Perea mit seinem Torhunger eine “Bank“. Der Kolumbianer verliert zwar die Mehrzahl seiner Zweikämpfe, und wirkt manchmal längere Zeit als nicht am Spiel beteiligt, aber er gibt nie auf und nutzt fast jede sich bietende Chance in bestmöglicher Weise. Kombinations- und Flachpassspiel sind dabei nicht seine Stärke: Perea ist als Instinktfussballer der Mann der aufspringenden Bälle und unübersichtlichen Situationen.
Die aussergewöhnlich positive FCZ-Bilanz bei offensiven Standardsituationen kommt auch nicht von ungefähr. Individuelle Qualitäten (Chouiar, Krasniqi, Perea, Gomez) spielen dabei eine Rolle. Die Standards sind aber auch gut einstudiert. Mit einfachen, aber effektiven Mitteln wird den Gegnern immer wieder ein Schnippchen geschlagen. Ebenfalls positiv: der FCZ ruft in den für die Fans wichtigsten Partien im Derby und Auswärtsklassiker gute Leistungen ab und gewinnt diese Spiele. Auch die Leistung beim 2:2-Unentschieden in Bern gegen YB war gut. Eine Parallele findet sich da zur Frauen-Equipe, welche ebenfalls die Auswärtspartien bei den Top-Teams FCB und Servette gewinnen konnte – die Punkte dann aber gegen Aarau oder St. Gallen liegen lässt.
Falsche Schlüsse aus den Siegen gegen FCB und GC
Von den Siegen in Basel und gegen GC liess man sich aber auch zu falschen Schlüssen verleiten. In Basel setzte man das erste Mal in einem Meisterschaftsspiel unter Ricardo Moniz auf die Dreierabwehr – und der 2:0-Auswärtserfolg im St. Jakob Park schien oberflächlich betrachtet dieser taktischen Änderung Recht zu geben. Nach dem Derbysieg war Lindrit Kamberis Weitschusstor mit seinem schwachen LInken Fuss ein Hauptthema. Etwas unter ging dabei, dass der Auftritt von „Lindi“ insgesamt mässig war, und er auch gegen die Grasshoppers seine in dieser Saison ungenügende Verfassung nicht verbergen konnte. Gegen ein starkes Servette traten solche Schwachpunkte offensichtlich zu Tage.
Tatsächlich erspielt sich der FC Zürich seit der Umstellung auf eine Dreierabwehr in der Liga kaum noch gute Torchancen. Siege in Basel, im Derby oder gegen Sion waren in erster Linie der Effizienz, den Standardqualitäten und auch einem gewissen Glücksfaktor geschuldet. Davor war das anders gewesen. Mit der Viererabwehr kam man zu Chancen und erzielte viele Tore. Nicht zufällig hatte man bis vor der aktuellen Runde zusammen mit drei LIgakonkurrenten die meisten Tore auf dem Konto (18). Mit der Viererabwehr kam man zu Beginn der Saison auf zwei bis zweieinhalb Erwartete Tore pro Ligaspiel. Eine Quote, die regelmässig für drei Punkte gut ist. Mit der Dreierabwehr kommt der FC Zürich hingegen bloss noch auf 0,75 Erwartete Tore pro Ligapartie. Dazwischen liegen Welten!
Fataler Systemwechsel ohne Not
Trotz seiner 60 Jahre hat Ricardo Moniz als Cheftrainer keine Erfahrung mit der Dreierabwehr. Ihm scheint das Gespür für die passende Spielweise, Besetzung und Mischung zwischen Offensive und Defensive abzugehen. Mit einem System, das klar auf die Mitte ausgerichtet ist, will er über die Seiten vorstossen und “an die Grundlinie kommen“. Samuel Ballet, potentiell ein Königstransfer, wurde auf der Aussenläuferposition schnell verheizt und ist nun verletzt. Von den körperlichen Voraussetzungen her ist der Berner für diese Position nicht geschaffen und lief dementsprechend sofort am Anschlag. Ganz allgemein verletzen sich aktuell zu viele FCZ-Spieler ohne Fremdeinwirkung. Seit seinem Amtsantritt hatte Moniz lange Zeit zwischen dem 4-1-2-1-2 und dem 4-3-3 hin und her gewechselt. Das erste System eignet sich gut für aggressives und schnelles Umschaltspiel, das zweite, wenn man Dominanz über die Flügel aufbauen will.
Das Wechselspiel zwischen diesen beiden Systemen funktionierte gut, wurde dann aber im Hinblick auf das Cupspiel in Le Locle und dem anschliessenden Klassiker in Basel ohne Not geändert. Zwar hatte man gegen Luzern eine schlechte 1. Halbzeit gespielt, was aber an misslungenen personellen Änderungen und nicht am System lag. So kam Daniel Denoon nach längerer Verletzungspause praktisch ohne Spielpraxis zu seinem Super League-Début – und dies auch noch auf einer unpassenden Position. Auch der Halbpositions-Stürmer Okita musste auf dem Flügel auflaufen. Die Unterlegenheit gegen Vitoria Guimaraes wiederum hatte in erster Linie mit individuellen und kollektiven Qualitätsunterschieden zu tun.
Auf den Aussenläuferpositionen fehlt adäquates Personal
Mit dem Ausfall von Antonio Marchesano gibt es noch einen Grund weniger, an der Dreierabwehr festzuhalten. Der Tessiner spielt gerne mit diesem System, da er damit seine grössten Erfolge gefeiert hat. Aktuell hat man aber vom Profil, der Qualität und dem Formstand her auf der Schlüsselposition Aussenläufer kein auch nur annähernd mit Boranijasevic / Guerrero (Meistertitel 2022) oder Rüegg / Pa Modou (Cupsieg 2018) vergleichbares Duo. Die Position des angeschlagenen Rüegg hat sich beim FC Basel übrigens durch den Zuzug von Joe Mendes vom portugiesischen Spitzenklub Braga (3 Millionen Marktwert), der sich auf seiner Rechten Seite bereits gut mit Xherdan Shaqiri versteht, keineswegs verbessert.
Marchesano fehlt dem Team auch als Defensivleader. Seit seiner Ankunft in Zürich organisiert der Tessiner das Pressing und geht dabei jeweils mit gutem Beispiel voran. Das Hierarchie-Manko im vorderen Teil der Mannschaft sollte mit Ifeanyi Mathew zumindest teilweise eliminiert werden. Die Idee mit dem Zentrums-Duo Condé / Krasniqi ist nicht grundsätzlich schlecht. Die beiden können sich sowohl offensiv wie defensiv ergänzen. So kann Krasniqi das oft mangelhafte Positionsspiel Condés rund um den eigenen Strafraum mit seinen Defensivsprints ausbügeln. Zudem hat Krasniqi nach seinem schlechten Auftritt in St. Gallen zuletzt wieder deutlich besser gespielt. Allerdings sind die Leistungen des zu grossen Schwankungen tendierenden Condé mit Mathew an seiner Seite viel konstanter. Und die Stürmer benötigen ebenfalls klare Anweisungen von einem erfahrenen Mann wie Mathew, der Verantwortung übernimmt.
Tosic scheint nahe an der Startformation dran zu sein
Nach mehr als einem Viertel der Saison ist eine Quartalsbilanz auch bezüglich den einzelnen Spielern angebracht. Und es ist der Zeitpunkt gekommen, klare Entscheidungen zu treffen – auch damit das Kernteam noch mehr zusammenrücken kann. Yanick Brecher spielt 24/25 bisher klar schlechter als in seiner starken Vorsaison. Zivko Kostadinovic hatte in Le Locle seinen wohl bisher fokussiertesten Auftritt im FCZ-Trikot. Von unten drängen die jungen Huber und Morozov nach oben. Trotzdem scheint es noch verfrüht zu sein, auf dieser Position eine Baustelle zu eröffnen. Das Innenverteidigerduo Katic / Kryeziu vom Beginn dieser Saison war nicht perfekt, aber gut genug. Gomez im Zentrum zwischen den beiden kann zwar die ein oder andere Situation als “Libero“ ausbügeln, was allerdings auch dem “Stellenprofil“ dieser Position entspricht, welches Katic oder Kryeziu fast genauso gut erfüllen können.
Insgesamt wirkte der FCZ zum Saisonstart in Yverdon mit der Viererkette Gomez / Katic / Kryeziu / Tosic sowohl offensiv wie defensiv besser aufgestellt. Bei Tosic hat man im Gegensatz zu Leidner das Gefühl, dass es wenig braucht, damit er der Mannschaft als Linksverteidiger helfen kann. Als zweite Wahl auf verschiedenen Aussenpositionen kann auf den etwas “wilden“ Rodrigo Conceiçào zurückgegriffen werden. Der schnelle, physisch starke, in der Spieleröffnung gute und mittlerweile fünf Saisonspiele in der Promotion League in den Beinen habende Daniel Denoon kann als Ersatz in der Innenverteidigung fungieren. Neben Leidner reicht es hingegen auch Hodza und Derby-Torschütze Kamberi mit ihrem aktuellen Leistungsniveau nicht, der Mannschaft zu helfen.
4-3-3 passt am besten zum Kader
Im Zentrum war Cheveyo Tsawa vor seiner Gesichtsverletzung bereits mindestens auf Augenhöhe mit Cheick Condé – ein echter Konkurrenzkampf. Falls Condé seine Konstanz nicht wieder findet und gleichzeitig Tsawa die Verletzung mental hinter sich lassen kann, macht ein Wechsel auf dieser Position Sinn. Mohamed Bangoura hat das benötigte Potential, braucht aber noch einige Spiele in der Promotion League, um sich der 1. Mannschaft anzunähern. Jahnoah Markelo ist der aktuelle Senkrechtstarter. Bei seiner aktuellen Form kann man ihn auf der Rechten Seite auf fast jeder Position bringen, auch Aussenläufer – obwohl das nicht seine Idealposition ist. Dylan Munroe spielt auf dem Flügel einen sauberen, kontrolliereten Fussball und ist als Rechter Flügel in einem 4-3-3 eine valable Alternative – im Gegensatz zu Markelo auf anderen Positionen hingegen eher nicht. Emmanuel wiederum macht gemessen an seinen bisherigen Auftritten zur Zeit vorwiegend auf dem Linken Flügel Sinn. Auch Turping und Sabobo können im Moment eigentlich nur als Flügelstürmer auf Super League-Niveau bestehen. Sie sind damit weitere Argumente, die für ein 4-3-3 sprechen. Auch das Herzstück Condé / Mathew / Krasniqi spricht für dieses System.
Spielt der FCZ hingegen weiterhin in einem 3-4-2-1 / 3-4-1-2, ist Junior Ligue sowohl die beste (aber nicht optimale) Wahl für die Linke Aussenläuferposition, als auch gleichzeitig die beste Alternative für Juan José Perea als Mittelstürmer. Nur Ligue ist es zuzutrauen mit seinen wuchtigen nahtlosen Drehungen mit Ball am Linken Fuss sich im Strafraum durchsetzen zu können. Bei Daniel Afriyie ist dies nicht der Fall, Der Ghanaer zeigt defensiv viel Einsatz, hat aber trotz vieler Einsätze seit einem Jahr kein Liga-Tor mehr erzielt. Mit seiner Wendigkeit ebenfalls noch eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit im Strafraum kann man Armstrong Oko-Flex attestieren. Falls bei der Rückkehr des verletzten Samuel Ballet immer noch mit Dreierabwehr gespielt wird, würde er als Alternative auf der Mittelstürmerposition für Juan José Perea besser taugen, denn als Aussenläufer.
Wer spielt in Sion?
Für die Auswärtspartie in Sion empfiehlt sich dringend die Rückkehr zur Viererabwehr – am besten in Form des 4-3-3. Personell braucht es auch aufgrund des Ausfalls Marchesanos mit Mathew einen weiteren Teamleader in der Startaufstellung – am besten auf einer Achterposition. Auf der Sechserposition sollte Tsawa den gesperrten Condé ersetzen. Für den ebenfalls gesperrten Perea kommt auf der Mittelstürmerposition am ehesten Junior Ligue in Frage. Mariano Gomez kann je nach System und Konstellation durch Nemanja Tosic, Rodrigo Conceição oder Daniel Denoon ersetzt werden. Der gegen Servette ungenügende Chouiar muss sich wieder steigern.