Umaru Bangura als Feuerwehrmann gefragt / YB – FCZ Spielinfos & Stats

Gegen den zu Hause offensivstarken Leader aus Bern kommt der FCZ so stark unter Druck, wie noch nie in dieser Saison. 99% Form und 99% Aufmerksamkeit genügt im Wankdorf nicht. Der Zentrale Verteidiger Umaru Bangura ist deutlich häufiger als Feuerwehrmann gefordert, als normal. Dies vor allem auch weil der sich zuletzt in guter Verfassung präsentierende Cédric Brunner gegen den zur Zeit giftigsten Offensivmann der Liga, Roger Assalé, genauso wie Pa Modou Jagne an seine Grenzen stösst. Dank der Umstellung auf ein defensiver ausgerichtetes 3-5-2 hat der FCZ in Bern bis zum Schluss reelle Chancen auf zumindest einen Punkt.

Kevin Rüegg ist nach dem 1:1 gegen St. Gallen in der 7. Runde zum zweiten Mal MVP. Auf seiner halbrechten Achterposition erstickt er viele Berner Angriffe über diese Seite bereits im Keim und sorgt zusammen mit Adrian Winter und Raphael Dwamena selbst für den ein oder anderen gefährlichen Angriff. Der Ghanaische Stürmer zeigt eine ansprechende Leistung. Er hat sich bezüglich Torerfolgen bei bisher 3 Toren und 2 Assists in der Meisterschaft sicherlich mehr erhofft. Die aktuell fehlende Effizienz des Ghanaers ist einer der Hauptgründe für die geringe Anzahl Tore beim FCZ. Abschlusschancen hat der 22-jährige genug. Und es scheint nicht viel zu fehlen, damit es «Klick» macht. Dwamena muss lernen, dem Gegner mehr weh zu tun, als «nur» jeweils eine Gelbe Karte für taktische Fouls zu provozieren.

Im auf zwei Mann reduzierten Sturm mit deutlich weniger Pressing wurde Michi Frey bei seinem Stammklub etwas seiner Stärken beraubt, aber insgesamt war auch sein Auftritt ordentlich, wenn auch in gewissen Szenen etwas übermotiviert. In der 81. Minute kam Stephen Odey zu seinem Meisterschaftsdébut, zeigte bei seinem Kurzeinsatz aber wie schon im Cup bei Stade Lausanne-Ouchy erst mal grosse Probleme mit dem Rhythmus, der Zweikampfhärte und seinen taktischen Aufgaben. Anders Moussa Koné, der innert kürzester Zeit fast ein Maximum herausholen konnte. Seine besten Leistungen im FCZ-Dress hat Koné fast ausschliesslich als Joker gebracht, und in Bern demonstrierte er einmal mehr, warum er für diese wichtige Rolle so prädestiniert ist.  

Dr Summer isch vrbii – die grosse Super League-Transferbilanz

Die Internationale Transferperiode ist zu Ende. Auch wenn national noch der eine oder andere kleinere Transfer getätigt werden könnte, ein guter Zeitpunkt, über diese „Saison vor der Saison“ Bilanz zu ziehen mit ein paar Stichworten zu jedem Super League-Klub.

Basel – Stürmerwechsel

Der FCB hat im Sturm Marc Janko, Seydou Doumbia und Andraz Sporar durch Ricky Van Wolfswinkel und den ehemaligen FCZ-Junior Dimitri Oberlin ersetzt. Matias Delgado ist zurückgetreten. Die neue Offensive ist etwas weniger namhaft und erfahren als zuvor und hat ihre Stärken vor allem in anderen Bereichen. Die ganze Mannschaft muss sich im Spielaufbau daher stärker auf Van Wolfswinkel und Oberlin ausrichten. Gerade in der Offensive werden talentierte Spieler, die bisher auf der Tribüne sassen, endlich eine Chance erhalten. Dazu gehören auch solche aus dem eigenen Nachwuchs wie Manzambi, Pululu oder Schmid. Taktisch hat die Mannschaft weiter Fortschritte gemacht, die Identität und lokale Verwurzelung hat aber tendenziell weiter abgenommen.

YB – Transfersieger

Die Zuzüge von YB diesen Sommer lesen sich wie eine Hitparade der begehrtesten Talente aus der Schweiz und näheren Umgebung: Christian Fassnacht, Jordan Lotomba, Nicolas Moumi, Jean-Pierre Nsamé, Djibril Sow, Pedro Teixeira. Jedes Toptalent, das nicht bei „drei“ auf den Bäumen war, landete bei YB. Das Ergebnis liest sich zusammen mit der bereits bestehenden prominent besetzten Equipe wie eine Mannschaft, die in zwei, drei Jahren Meister werden kann, wenn sie zusammenbleibt. YB ist der klare Transfersieger und profitiert dabei von einer gewissen Passivität des FCB auf dem diesjährigen Transfermarkt und den Millionen aus den Transfers von Zakaria, Mvogo und Ravet.

Lugano – Europa-Offensive

Die Tessiner haben im Hinblick auf die Europa League-Gruppenphase aufgerüstet wie noch selten zuvor in den letzten Jahren. Alexander Gerndt ist für Schweizer Verhältnisse ein Topstürmer, Bnou Marzouk, Bottani, Manicone, Yao oder Daprelà bringen einiges an Potential mit. Mit Pierluigi Tami und diesem Personal tritt Lugano spielbestimmender auf, als letzte Saison mit den Konterfussballern Alioski und Sadiku. Die hinteren Reihen (Verteidiger, Torhüter) sind personell etwas dünn besetzt. Aber im allgemeinen hat Lugano den letztjährigen dritten Platz genutzt, um nachhaltig einen Sprung nach vorn zu machen.

Sion – Ab durch die Mitte

Qualitativ haben FCB und YB die noch etwas besseren Spieler geholt, und quantitativ waren die Transferaktivitäten von Lugano vergleichbar. Multipliziert man aber Quantität mal Qualität, dann ist Sion ganz oben zu finden. Präsident Christian Constantin wechselte die Cupfinal-Verlierermannschaft praktisch komplett aus und verpflichtete dabei Top-Shots wie Kasami, Adryan, Di Marco, Uçan, Schneuwly oder Lenjani. Der Schwachpunkt: abgesehen davon, dass sich das neue Team erst finden muss, ist es nicht wirklich ausgewogen besetzt. Gerade aus der prominent besetzten Mittelfeldzentrale werden immer wieder Spieler auf der Bank oder gar Tribüne Platz nehmen müssen. Auf den Seiten ist die Mannschaft hingegen quantitativ eher dünn besetzt, und im Abwehrzentrum qualitativ eher Super League-Durchschnitt.

Lausanne-Sport – Waadtländer Identität weg

Falls in Lausanne die Strategie gewesen wäre, durch eine identitätsstiftende Waadtländer Achse ein Team für die Zukunft aufzubauen und die Zuschauer wieder zurück ins Stadion zu locken, hätte man Jordan Lotomba (zu YB), Olivier Custodio (zu Luzern) und Nassim Ben Khalifa (zu St. Gallen) unbedingt halten müssen. Mit Zeqiri kam zwar eines der besten Sturmtalente der Schweiz von Juventus zurück und Joël Geissmann ist ein interessanter Mittelfeldspieler, aber der Schwachpunkt, die fehlende individuelle Defensive Qualität wurde nicht behoben. Bei Lausanne denken auch Innenverteidiger bereits an den Spielaufbau bevor überhaupt der Ball erobert worden ist.

Luzern – Jugendpolitik

Auch wenn das Kader insgesamt nicht jünger geworden ist, kommen die Nachwuchsleute noch mehr als zuvor konsequent zum Einsatz. Kein anderes Team hat eine so junge zentrale Achse mit Knezevic, Schulz, Custodio oder Ugrinic, dazu Torhüter Omlin. Zur Zeit gibt es noch etwas viele Fehler im Spiel, die der FCZ zuletzt in der Swissporarena nur teilweise hat ausnutzen können. Die Verantwortung liegt noch stärker als zuvor auf erfahreneren Spielern wie Claudio Lustenberger, Christian Schwegler oder Tomi Juric.

Thun – Fragezeichen

Nicht jede Thuner Transferkampagne ist erfolgreich. So zum Beispiel der Sommer vor drei Jahren, als Andres Gerber Spieler wie Lotem Zino, Andrija Kaludjerovic, Christian Leite, Alexander Gonzalez, Gianluca Frontino oder Marco Mangold verpfichtete. Ist es diese Saison wieder ähnlich? Zwar wurden für die Lücke im Abwehrzentrum richtigerweise mit Gelmi, Rodrigues und Alessandrini gleich drei Alternativen geholt. Aus unterschiedlichen Gründen brauchen diese aber noch Zeit, um auf die volle Leistungsfähigkeit zu kommen. Nicolas Hunziker enttäuschte bisher ebenso wie zuvor bei GC. Am ehesten positiv aufgefallen ist bisher Nuno Da Silva (Breitenrain) als Joker. Eine Wundertüte wird Moreno Costanzo sein. Grundsätzlich wird das Spiel der Berner Oberländer aber von früheren Verpflichtungen wie Spielmann, Tosetti oder Rapp und den langjährigen Stützen wie Hediger getragen.

GC – Goalieproblem gelöst

Neuverpflichtung Heinz Lindner hat sich bisher noch nicht als einer der Toptorhüter der Liga etabliert, aber aus GC-Sicht ist die Torhüterposition dank dessen Verpflichtung zumindest nicht mehr die grosse Schwachstelle der Mannschaft. Auch wenn Jeffren seine Qualitäten angedeutet hat, sind bei den Grasshoppers aber in erster Linie die vor dem Sommer verpflichteten oder aus dem eigenen Nachwuchs stammenden Spieler tonangebend. Dass Sportchef Mathias Walther keinen echten Ersatz für Munas Dabbur verpflichten konnte, ist mit einem Trainer Murat Yakin nicht mehr so schlimm, denn dieser lässt sowieso häufig ohne gelernten Stürmer spielen.

St.Gallen – stabileres Mittelfeld

Das grosse Thema des St.Galler Transfersommers war, dass mit Albian Ajeti eines der grössten Schweizer Sturmtalente gehalten werden konnte. Dafür machte kurz darauf Sportchef Christian Stübi selbst einen Abgang. Eine Verstärkung hat sicherlich das Mittelfeld erfahren. Gegen den FCZ bildeten aussergewöhnlicherweise mit Stjepan Kukuruzovic und Gjelbrim Taipi zwei Linksfüsser das Zentrum, dazu hat der Österreicher Peter Tschernegg gute Ansätze gezeigt. Im Vergleich mit den ungenügenden Gaudino, Cueto oder Gouaida stellt das neue Mittelfeld eine Verbesserung dar.

FCZ – Zentimeter und Mentalität

Die Transferkampagne des FCZ unterscheidet sich fundamental vor allem von derjenigen YBs. Während die Berner mit viel Geld Talent im Überfluss einkauften, setzt der Letzigrund-Club auf günstige Transfers mit Fokus auf Mentalität und „Zentimeter“, wie sich Trainer Uli Forte gerne ausdrückt – Zentimeter in der Höhe und in der Breite wohlgemerkt. Vor 14 Jahren hatte Lucien Favre als neuer „Daniel Jeandupeux“ den FCZ auf westschweizerische spielerische Qualitäten, Technik und Ästhetik gepolt. Mit Ernst Graf im Nachwuchs und Fredy Bickel als langjährigem Sportchef wurde diese Spielweise im ganzen Klub mitgetragen, auch von den wichtigsten Nachfolgern auf der Trainerposition – Challandes, Fischer und Meier. Der alte Haudegen Sami Hyypiä hatte keinen Einfluss auf die Transferpolitik, aber mit Uli Forte weht nun ein anderer Wind. Der FCZ wird deutlich physischer, wie dies Forte-Teams schon immer waren. So sind denn auch langjährige Weggefährten wie Winter und Pa Modou sowie weitere ehemalige Spieler wie Frey und Nef tragende Säulen der aktuellen Mannschaft, welches teilweise dem Forte-Team in St.Gallen ähnelt, mit welchem dieser ebenfalls aufgestiegen war. Zu jener Zeit hatten die Grünweissen auch schon einmal mit Sandro Calabro und Tim Bakens fussballerisch völlig untaugliche „Zentimeter“ aus Holland geholt – und wieder abgestossen. Beim FCZ verpflichtet wurden nun grösstenteils Spieler, die zuvor in Sion, St. Gallen, Bern oder Luzern verschmäht worden waren. Das zur Ergänzung dringend notwendige Talent soll dabei der eigene Nachwuchs (Rüegg, Haile-Selassie, Rohner, Kryeziu,…) und der Afrikanische Kontinent (Sarr, Dwamena, Koné, Odey,…) liefern.

Moussa Koné wie „Flasche leer“ / FCZ – YB Stats und Spielinfos

YB-Trainer Adi Hütter brachte mit Djibril Sow („Speziell, gegen die Südkurve zu spielen, wenn man früher selber drin stand“) und Christian Fassnacht beide Spieler aus der FCZ Academy, und dazu die beiden Ex FCZ-ler Steve Von Bergen und Loris Benito in der Startformation. In diesem kampfbetonten Spitzenspiel gab der FCZ in der 1. Halbzeit den Takt vor und hatte insgesamt deutlich mehr Top-Defensivaktionen, als Top-Offensivaktionen. Im Angriffsdrittel hatte der FCZ nicht viele gute Szenen, weder Defensiv noch Offensiv, was in erster Linie daran lag, dass die Stürmer, speziell Michi Frey, viel im Mittelfeld und teilweise gar im Backfield aushalfen bzw. aushelfen mussten.

Sangoné Sarr schafft es leider seit Monaten nicht, seine Fehlpassquote nachhaltig zu senken. Dies ist ein wesentliches Problem für das ganze Team. Mit einer besseren Passquote von Sarr oder Palsson wären drei Punkte möglich gewesen – so aber kam der FCZ in der Zweiten Halbzeit zu stark unter Druck. Roberto Rodriguez zeigt weiter aufsteigende Form – seltsam ist nur, dass ausgerechnet er, der nicht unbedingt der schnellste Offensivmann im Team ist, so häufig steil in die Tiefe geschickt wird.

Der zu Saisonbeginn nicht wirklich überzeugende Cédric Brunner zeigte auf halblinks in der Abwehr seine bisher mit Abstand beste Saisonleistung (inklusive Testspiele). Es scheint die Position zu sein, wo er sich zur Zeit am wohlsten fühlt. Weiterhin unsicher wirkte Neuverpflichtung Victor Palsson, zumal er zusätzlich wegen den Ausfällen von Bangura und Alesevic (in Chippis leicht am Knie verletzt zur Pause ausgewechselt) sowie der fehlenden Spielberechtigung Thelanders im Abwehrzentrum aushelfen musste. Erfreulich war, Antonio Marchesano wieder auf der Ersatzbank zu sehen. Sein erster Saisoneinsatz in einem Wettbewerbsspiel scheint nicht mehr weit entfernt zu sein.

Eine totale Enttäuschung war der eingewechselte Moussa Koné – wie „Flasche leer“, eine Nichtleistung, für die es nur die Tiefstnote „1“ geben kann. Trainer Forte war so erbost und erschrocken ob dem Bärendienst, welcher Koné dem Team nach der Auswechslung von Rodriguez erwies, dass er sich nicht mehr zu getrauen schien, weitere Spieler einzuwechseln. Der schon bereitstehende Cavusevic musste wieder zurück auf die Bank. Dass Forte nicht das volle Wechselkontigent ausschöpft, ist äusserst selten.

 

FCZ – YB 0:0 – Spielbericht und Highlights

Der Spitzenkampf zwischen den beiden Tabellenersten im Letzigrund wurde seiner Bezeichnung gerecht – von Beginn weg um jeden Ball erbittert gekämpft – ob am Boden oder in der Luft. Der FCZ mit der Achse Frey – Rüegg – Nef gab die Marschrichtung vor, und ging von Anfang an Vollgas.  Da Neuverpflichtung Thelander noch nicht spielberechtigt war, und Bangura ausfiel, spielte Victor Palsson in der Innenverteidigung. Wie schon in der Zweiten Halbzeit in Chippis hatte der Isländer dabei aber Orientierungsprobleme im Deckungsverhalten und produzierte einige Fehlpässe von hinten heraus. Und wie schon im Wallis im Duell mit Manuel Mvuatu (2,02 m) stützte er sich im Luftduell wie auf einem Pferdpauschen beim grossgewachsenen Guillaume Hoarau (1,92 m) auf, um diesen zu überspringen.

YB konnte in der Zweiten Halbzeit mit neuer Taktik (Christian Fassnacht beispielsweise begann auf dem Flügel im Dreimannsturm, wechselte dann ins Mittelfeld und beendete die Partie als Sturmspitze neben dem eingewechselten Nsamé) das Szepter mehrheitlich übernehmen. Trotz „Europacupsandwich“ (ZSKA Moskau als Brot, Super League-Spitzenkampf als Fleisch) und Auswärtsspiel konnten die Berner in Halbzeit Zwei im Gegensatz zum FCZ nochmal zulegen, was durchaus etwas über die aktuellen Stärkeverhältnisse zwischen den beiden Teams aussagt. Schiedsrichter Klossner fuhr wie auch generell die anderen Schiedsrichter in der Schweiz seit Saisonbeginn eine tolerantere („englischere“) Linie, was grundsätzlich zu begrüssen ist. Es trägt wesentlich zur Attraktivität der Spiele bei, und die Entscheide wirken weniger willkürlich. Auch wenn dann in der Zweiten Halbzeit Klossner und sein Assistent leider ein Vergehen von Kevin Mbabu im eigenen Strafraum,  als dieser den in Richtung Rodriguez rollenden Ball mit dem Arm blockierte, übersahen.

FCZ – YB 0:0 (0:0)

Tore: Je eines war an beiden Enden des Feldes aufgestellt.

FC Zürich: Vanins; Nef, Palsson, Brunner; Winter, Rüegg, Sarr, Pa Modou; Dwamena, Frey, Rodriguez (69. Koné).

BSC Young Boys: Von Ballmoos; Nuhu, Von Bergen, Benito; Mbabu, Sanogo, Sow, Lotomba (46. Schick); Fassnacht, Hoarau (74. Ravet), Assalé (46. Nsamé).

NZZ und Sonntagszeitung: „müde“ Berichterstattung von einem intensiven Spiel

Es ist der Alptraum jedes fussballverrückten Jugendlichen. Eine neue Flamme tritt in dein Leben und konkurriert mit dem Lieblingsverein um Aufmerksamkeit. Du nimmst sie zum ersten Mal an einen Match mit. Von der ersten Minute an geht es zur Sache, es ist ein packender Kampf um Biegen und Brechen. Aber schon nach 20 Minuten haucht dir jemand ins Ohr: „Mir ist langweilig!“. Du bist völlig verwirrt, ja geradezu perplex. Wie kann man das nur langweilig finden? Du brauchst erst mal eine gewisse Zeit, um zu begreifen: sie lebt Fussball nicht, sie atmet Fussball nicht, Fussball ist halt einfach nicht ihr Ding.

Der FCZ ging am Samstag im Letzigrund ins Spiel, als würde mit jedem Ballgewinn die Welt gerettet werden können, und YB hielt stark dagegen: „Hätten wir das nicht gemacht, hätten wir hier keinen Punkt geholt“, konstatierte YB-Coach Adi Hütter richtigerweise nach der Partie im Teleclub. Michi Frey warf sich wie ein Berserker in jedes noch so aussichtlos scheinende Luftduell, Sekou Sanogo schlug gleich drei Mal ungestraft einem Gegenspieler die Hand oder den Ellbogen ins Gesicht, und Loris Benito war immer wieder so hauteng an Raphael Dwamena dran, als wäre zu Spielbeginn ein Malheur mit einem Sekundenkleber passiert.

Nach so einer Partie also schafft es Moritz Marthaler in seinem Spielbericht für die Sonntagszeitung doch tatsächlich folgendes in seinen Laptop zu tippen: „Man schien sich nicht wehtun zu wollen, zu wohl war es ihnen dort oben in der Tabelle, dem Ersten und dem Zweiten, und so war das Gipfeltreffen mehr Spitzenkrampf als Spitzenkampf.“ Der Autor lässt es nicht dabei bewenden, seine pauschale Einschätzung der Partie („enttäuschendes Spiel“) einmal kundzutun. Marthaler scheint Angst zu haben, seine Message käme beim Leser nicht an, wenn er sie zu wenig häufig wiederholen würde. Es sei eine „zähe Angelegenheit“ im Letzigrund gewesen. Wenn eine Mannschaft zu Beginn Vorteile gehabt habe, dann der FCZ, in einem „höchst durchschnittlichen Fussballspiel“. Warum hatte der FCZ leichte Vorteile gehabt? „Sie spielten den ein oder anderen Fehlpass weniger“, YB sei hingegen „träge“ geblieben. Die zweite Halbzeit habe „nur bedingt Linderung“ für die über 15‘000 Zuschauer gebracht in einer „äusserst schwerfälligen Veranstaltung“.

Erstaunlich unter diesen Umständen, dass im Letzigrund gerade im zweiten Durchgang auf den Rängen eine ausserordentlich gute Stimmung herrschte, und der bravouröse Einsatz der eigenen Spieler immer wieder mit Szenenapplaus bedacht wurde. Aber für alle Leser, die erst gegen Ende des Artikels „eingeschaltet“ hatten, wiederholte es Marthaler trotzdem nochmals: es  sei ein „bescheidenes Remis“ gewesen und dem FCB würde ein „müdes 1:0“ gegen Lugano schon zur Tabellenführung reichen. In einem Schulaufsatz würde der Lehrer bei Marthaler zum Rotstift greifen, und notieren: „Zu viele Wiederholungen“ – doppelt unterstrichen. Aber immerhin stellt der SZ-Autor in Bezug auf die Tabellensituation Rechenkünste unter Beweis, die seinem Nachbarn auf der Pressetribüne Stephan Ramming von der NZZ (am Sonntag) offenbar abgehen.

Dieser kam zum Schluss, YB und Zürich hätten sich „auf bescheidenem Niveau duelliert“. Immerhin hat er den Kampf und die Härte im Spiel registriert, spricht aber trotzdem von „hohen Erwartungen an den Spitzenkampf“, die enttäuscht worden seien: „das spielerische Niveau war tief und der Unterhaltungswert überschaubar“. Auch Rammings Urteil ist vernichtend. Während aber in einem Fussballspiel die Anzahl Torchancen stark davon abhängt, was der Gegner zulässt, kann ein Journalist eigentlich nur sich selbst im Wege stehen. So auch Ramming: „Gewinnt Basel aber heute Sonntag gegen Lugano, kann der Meister bereits wieder zum FCZ aufschliessen“. Da ist man versucht zu sagen: die Erwartungen an die NZZ als traditionsreichste Zeitung der deutschsprachigen Welt waren hoch, sind aber enttäuscht worden. Das inhaltliche Niveau war tief und der Schreibstil bescheiden. Und der Journalist ist nicht einmal in der Lage, eine Tabelle zu lesen – oder er hat die Einführung der Dreipunkteregel vor zwei Jahrzehnten noch nicht ganz mitbekommen.

Eine solche Berichterstattung der beiden Sonntagszeitungen im Stile der nörgelnden fussball-desinteressierten neuen Freundin lässt einen Fussballenthusiasten, der im Letzigrund dabei war, ziemlich perplex zurück. Aber vielleicht ist ja die Schlussfolgerung dieselbe: Fussball ist halt einfach nicht ihr Ding.

 

 

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