Monat: Dezember 2016
FCW vs. FCZ: mehr als ein Kantonsderby – Geschichte, Eindrücke, Atmosphäre und Meteo-Bericht von Züri Live
Sammlung von Medienberichten zum Spiel:
http://fcwinterthur1896.com/derby-im-nebel/
Nef und Forte führen FCZ über Ziellinie der 1.Saisonetappe: FCW – FCZ Tore, Stats & Spielinfos
Der FC Winterthur lieferte wie bisher viele andere Ligagegner auch gegen den FCZ die bisher beste Heimspielleistung der Saison ab. Es brauchte ein beherztes Eingreifen von Trainer Uli Forte von der Seitenlinie mit einer taktischen Umstellung auf die zuletzt meist praktizierte Dreierabwehrkette bereits nach 10 Minuten, damit der Gast aus Zürich im Nebelmeer zwischen den sieben Winterthurer Hügeln die Partie besser in den Griff bekam. Die Limmatstädter kämpften mit der negativen Formkurve einiger seiner Akteure. Gegensteuer konnten dabei vor allem die kampfstarken Adrian Winter und Alain Nef geben.
FCZ-Toptorschütze Winter war wie schon bei der Saisoneröffnung gegen WINTERthur im Letzigrund an beiden Treffern zum 2:0 entscheidend beteiligt. Sein gut ge-time-ter Ball aus dem Mittelfeld heraus für Rodriguez hinter die Abwehr beim 2:0 verdient dabei spezielle Erwähnung. Vor allem Vize-Captain Nef aber war es, der in den letzten Wochen vor der WINTERpause den abbauenden FCZ über die Ziellinie der Ersten Saisonetappe rettete. In drei der vier letzten Partien war der Zürcher der Züri Live-Most Valuable Player. Gegen Winterthur übernahm Nef mit seinem typischen Durchsetzungswillen nach einiger Zeit im 1.Durchgang vom überforderten Bangura die Bewachung des zuvor gefährlichsten Winterthurers und Ex-FCZ-ler Silvio. Der Brasilianer hatte ab diesem Zeitpunkt so gut wie keine Bewegungsfreiheit mehr.
Der dritte im Bunde mit Note „9“ war gegen Winterthur (nach dem Heimspiel gegen Villarreal zum zweiten Mal diese Saison) Andris Vanins, von dem unter anderem beim Stande von 1:0 gegen den aus kurzer Distanz abschliessenden Luka Sliskovic eine starke Doppelparade notwendig war. Einiges an Licht, aber noch mehr Schatten war bei Marco Schönbächler zu sehen, über den viel lief. Wie so häufig in den letzten Partien schwankte Schönbi zwischen Nonchalance und aggressiver Übermotiviertheit, und fand die richtige Mischung in Bezug auf den mentalen Fokus nicht, auch wenn auf der positiven Seite die Gelb-Rote Karte gegen Guillaume Katz im wesentlichen durch die Antrittsschnelligkeit der Zürcher Nummer 27 zustande kam.
Armando Sadiku ist immer noch relativ weit von seiner besten Verfassung entfernt, konnte sich aber diesmal im Vergleich mit seinen zuletzt wenig erbaulichen Einsätzen steigern, weil er sich viel mehr in den Dienst der Mannschaft stellte, und war vor allem in der Chancenvorbereitung so produktiv wie bisher noch nie seit dem Saisonauftakt gegen denselben Gegner. Ebenfalls eine Steigerung war zum Vorrundenabschluss bei Sangoné Sarr zu konstatieren. Der Senegalese war diesmal viel stärker aufs Wesentliche und die einfachen Dinge fokussiert, als zuletzt üblich.
Ancillo Canepa: „Reservepolster gibt Motivation für Rückrundenvorbereitung“
Ancillo Canepa nach dem letzten Vorrundenspiel in Winterthur im Gespräch mit Toni Gassmann für Züri Live und Radio Stadtfilter:
Grosse Halbzeitbilanz der Challenge League, 1.Teil
Nach der Hälfte der absolvierten Meisterschaft in der Challenge League können die zehn beteiligten Clubs in folgende drei Kategorien eingeteilt werden, je nachdem ob sie über, unter oder den Erwartungen entsprechend klassiert sind:
Im Ersten Teil schauen wir auf die drei Teams, welche in der Vorrunde die Erwartungen übertroffen haben.
Neuchâtel Xamax FCS: Weiterhin Aufstiegskandidat
Der Club profitierte in den letzten beiden Transferperioden vom zuerst mutmasslichen, danach eingetroffenen Konkurs des FC Biel, verlor nach Beginn der Saison mit Mickaël Facchinetti (Thun) und Cédric Zesiger (GC) jedoch zwei wichtige Spieler wegen Transfers in die Super League. Trainer Michel Decastel hatte für viele Aufgaben die richtige Lösung. Und Raphael Nuzzolo präsentierte sich sofort als wirkungsvoller Leader der Mannschaft. Mit Pedro Teixeira und Dilan Qela entwickelten sich dazu zwei Nachwuchsspieler aus der eigenen U18 zu hoffnungsvollen Kräften.
Auf dem Kunstrasen in der heimischen Maladière gewann Xamax sieben Spiele und holte alleine schon so 21 Punkte. Einzig der FC Zürich und der FC Wohlen vermochten dort zu gewinnen. Besonders denkwürdig war der 3:2-Sieg gegen den FC Wil. Die Ostschweizer verloren kurz vor Schluss Jocelyn Roux nach einer Roten Karte und trafen danach durch Gjelbrim Taipi mit einem Penalty den Pfosten. Sie vergaben so das mögliche 1:3. In der Nachspielzeit erzielten die erwähnten Teixeira und Qela für Xamax noch zwei Tore zum vielumjubelten Sieg.
Das Spielfeld der Maladière liegt über dem Feuerwehrdepot der Stadt Neuchâtel. Lief einmal ein Spiel in der ersten Halbzeit noch nicht so gut, so stürmen die Einheimischen nach der Pause wie die Feuerwehr los und wendeten das Spielgeschehen. Der gegenwärtige Challenge League Rekordspieler Mustafa Sejmenovic (295 Einsätze für Yverdon, Baulmes, Biel und Xamax) schoss in der ersten Saisonhälfte drei Tore nach Eckbällen und ist damit der treffsicherste Verteidiger der Liga. Das belegt die Gefährlichkeit der Neuenburger bei Standardsituationen, die meistens von Nuzzolo ausgeführt wurden. Xamax darf im Rennen um den Aufstieg noch nicht ganz abgeschrieben werden. Hätten die Welschen beide Spiele gegen den FCZ gewonnen statt verloren, so wären sie punktgleich mit den Zürchern.
FC Wohlen: Von Niederhäusern mit guten Leistungen
Ausgerechnet nach der 1:3-Niederlage in der 6. Runde gegen den FC Wil verliess Trainer Martin Rueda die Freiämter und wechselte zu den Ostschweizern. Der FC Wohlen stand zu diesem Zeitpunkt nach vier Niederlagen in Serie mit 4 Punkten auf dem zweitletzten Rang. In die Saison startete Rueda mit einem Sieg in Baulmes gegen den FC Le Mont. Wohlen war dadurch vor dem FCZ gar erster Leader in der neuen Saison. Nach der 2. Runde und einem 0:0 daheim gegen Xamax standen die Aargauer noch auf dem 2. Rang, hinter dem FC Schaffhausen. Es folgten sechs Niederlagen in Serie. Und der neue Trainer Francesco Gabriele wurde von den Aargauer Medien schon zu Beginn seiner Amtszeit abgeschrieben, besonders nachdem man in Genf bei Servette 6:1 verlor und auch das Kantonsderby gegen den FC Aarau mit 1:4 zu einem Desaster wurde. Wohlen stand nun auf dem letzten Rang der Tabelle.
In Schaffhausen gelang danach ein überraschender 0:1-Sieg, ehe auf der Niedermatten der FCZ trotz des Europa League-Spiels drei Tage zuvor gegen Osmanlispor überzeugend mit 0:5 auftrumpfte. Danach aber liessen die Aargauer richtig aufhorchen. Das sehr heimstarke Xamax wurde in Neuenburg mit 1:4 ausgekontert. Janko Pacar liess sich als dreifacher Torschütze feiern. Mit 18 Punkten aus den letzten 10 Spielen kletterte der FC Wohlen auf den überraschenden 6. Rang. Auswärts waren die Freiämter besonders stark, stehen sie doch mit 15 Punkten auf dem 3. Platz dieser Wertung. Während der alte Trainer mit 0,667 Punkten eine eher schlechte Bilanz aufweist, und am neuen Wirkungsort bereits wieder entlassen wurde, arbeitet der neue mit einer Bilanz von 1,5 Punkten pro Spiel deutlich erfolgreicher.
Der FC Wohlen ist so die Wundertüte der Liga, unberechenbar und zunehmend stabiler in der Abwehr und sehr konterstark. Florian Stahel ist angekommen in der Challenge League und Sead Hajrovic hat sich in der Mannschaft doch noch zu einem stabilen Verteidiger entwickelt. Was ein treffsicherer Stürmer ausmacht, verdeutlicht Janko Pacar mit 6 Toren und 3 Assists aus 15 Spielen. Das ehemalige Talent des FC Luzern hatte in den letzten 7 Jahren 9 Mal den Club gewechselt, ehe der FC Wohlen Pacar im Sommer von Petrolul Ploiesti aus Rumänien ablösefrei verpflichtete. Die vom FCZ ausgeliehenen Spieler kamen folgendermassen zum Einsatz: Nils Von Niederhäusern, 7 Einsätze/630 Minuten (Stammspieler mit viel Offensivwirkung), Marvin Graf, 0/0 (verletzt), Kilian Pagliuca 2/36 (einmal davon eingewechselt und 29 Minuten später wieder ausgewechselt).
Der Saudi Monquez al-Yousef machte den FC Wohlen schuldenfrei, zieht sich nach 196 Tagen als Mäzen zurück und übergibt das Aktienpaket grösstenteils wieder in heimische Hände. Es würde mehr als überraschen, würde der FC Wohlen nicht auch nächste Saison in der zweithöchsten Liga spielen.
FC Le Mont: Umstellung auf Dreierabwehr könnte Klassenerhalt sichern
Die Waadtländer entwickelten sich im Laufe der bisherigen Spielzeit zu einem sehr unbequemen Gegner, der mit nur 12 erzielten Toren 21 Punkte gewann, weil die Defensive auch nur 19 Tore zuliess. Die zusammen mit Xamax drittbeste Abwehr war so die Basis für das Gelingen, das trotz der schwächsten Offensive zustande kam. Der spezielle defensive Erfolg begann in der 9. Runde gegen Neuchâtel Xamax mit der Umstellung von Trainer John Dragani auf eine Dreierabwehr, die von den gelernten Innenverteidigern Francois Marque, Ibrahim Tall und Lucas gebildet wurden. Daraus erwuchs eine Serie von sieben Spielen mit 13 Punkten, mit nur einem Gegentor bis zur 15. Runde. Im heimischen Stade Sous-Ville in Baulmes wurde so Xamax 1:0 bezwungen. Beachtenswert war zudem das 1:1 im Letzigrund gegen den FCZ vor 8’489 Zuschauern, der neuen Rekordkulisse für die Fussballer von Le Mont.
Wie immer mit dabei war dort auch ihr grösster und treuester Fan, der 14-jährige Emmanuel Masmejan. Züri Live war schon lange begeistert von ihm und er wurde in den vergangenen Jahren auf dem Sender auch mehrmals lobend erwähnt. Beim Match gegen den FCZ im für einmal auch von Medienvertretern gut besuchten „Sous-Ville“ erzählte der Züri Live-Kommentator daher Michel Wettstein (BLICK) von Emmanuel. Dieser machte daraufhin beim Rückspiel im Letzigrund eine Story daraus, die sogar über die Landesgrenzen hinaus für Aufmerksamkeit sorgte. Seither hiessen die Platzspeaker Emmanuel in vielen Challenge League-Stadien vor der Partie speziell willkommen und es wird jeweils auf Kosten des Gastgebers für sein leibliches Wohl gesorgt.
Francois Marque jedoch missbrauchte im Letzigrund das Gastrecht auf üble Weise. Er provozierte dort mit hinterhältigen und vordergründigen Aktionen seine Gegenspieler und die Betreuer und wurde zusammen mit Alain Nef nach dem Spiel mit einer Roten Karte bestraft, für die der Franzose nur vier Spielsperren bekam. Wegen der zuvor erhaltenen vierten gelben Karte verpasste Marque aber noch einen weiteren Einsatz. Mit Alain Nef, der zu schlichten versuchte, erwischte Schiedsrichter Lionel Tschudi übrigens den falschen Spieler des FCZ.
Bei den Waadtländern fiel im Mittelfeld besonders der ehemalige Lausannois Helios Sessolo als wirbliger, laufstarker und unberechenbarer Spieler auf. Ein Grund für die Misère in der Offensive war auch das verletzungsbedingte Fehlen von Stürmer Luis Pimenta während der acht Spiele, in denen Le Mont nur zwei Tore schoss. Sollte die Defensive so stabil bleiben, wird in Baulmes auch nächste Saison Challenge League-Fussball zu sehen sein.
Von Toni Gassmann, Mitarbeit: Lukas Stocker
Spiel der taktischen Umstellungen: Winterthur – FCZ 0:2 Highlights
Der FC Zürich gewinnt nach dem 2:0 zum Auftakt im Letzigrund auch das Kantonsderby zum Abschluss der Vorrunde vor erneut grosser Kulisse mit 2:0, und auch diesmal ist Adrian Winter an beiden Toren direkt beteiligt. Zu Beginn war Winterthur die bessere Mannschaft, die frühe taktische Umstellung schon nach rund 10 Minuten von Vierer- auf Dreierabwehr half dem FCZ dann aber, besser in die Partie zu kommen. Als Trainer Uli Forte dann auch noch den aufsässigen Nef an Stelle des etwas leichtgewichtigen Bangura ins Zentrum beorderte, und dieser sofort die zuvor gefährliche Winterthurer Sturmspitze Silvio aus dem Spiel nehmen konnte, kippte die Waage immer mehr auf die Seite der Stadtzürcher. Winterthur blieb aber mit Gegenangriffen auch nach der Gelb-/Roten Karte gegen Verteidiger Guillaume Katz, der zwei Mal gegen Schönbächler zu spät kam, in der Offensive mindestens gleich gefährlich, wie zuvor. Nef war es auch, der die beste Winterthurer Chance von Sliskovic zum vermeintlichen 1:1 gemeinsam mit Torhüter Vanins dank viel Spielintelligenz und Einsatz bereinigen konnte. Insgesamt lag der Ball vier Mal im Winterthurer Netz. Einmal wurde ein schönes Fallrückziehertor von Moussa Koné wegen gefährlichem Spiel nicht anerkannt, beim zweiten Fall anerkannten Schiedsrichter Hänni und sein Assistent zuerst den Weitschusstreffer von Rodriguez, liessen sich dann aber von den protestierenden Winterthurern noch umstimmen – der Schuss war knapp am in Offsideposition stehenden Cavusevic (eventuell von diesem noch leicht berührt) vorbeigestreift.
FC Winterthur – FC Zürich 0:2 (0:0)
Tore: 65. Winter (Schönbächler) 0:1, 90.+8 Rodriguez (Winter) 0:2.
Winterthur Startformation: Von Ballmoos; Katz, Russo, Schättin; Avanzini, Nicola Sutter, Ljubicic, Radice; Dessarzin, Silvio, Manuel Sutter.
FC Zürich Startformation: Vanins; Voser, Nef, Bangura, Alesevic; Winter, Sarr, Marchesano, Schönbächler; Koné, Sadiku.
FC Zürich ab 10.Minute: Vanins; Nef, Bangura, Alesevic; Winter, Sarr, Marchesano, Voser; Koné, Sadiku, Schönbächler.
FC Zürich ab 30.Minute: Vanins; Bangura, Nef, Alesevic; Winter, Sarr, Marchesano, Voser; Koné, Sadiku, Schönbächler.
Winterthur ab 40.Minute: Von Ballmoos; Avanzini, Russo, Schättin; Dessarzin, Nicola Sutter, Ljubicic, Radice; Silvio, Manuel Sutter.
FC Zürich ab 60.Minute: Vanins; Bangura, Nef, Alesevic; Winter, Sarr, Marchesano, Voser; Schönbächler, Sadiku, Rodriguez.
FC Zürich ab 66.Minute: Vanins; Bangura, Nef, Alesevic; Winter, Sarr, Marchesano, Voser; Schönbächler, Cavusevic, Rodriguez.
Winterthur ab 69.Minute: Von Ballmoos; Avanzini, Russo, Schättin; Dessarzin, Kamber, Ljubicic, Radice; Silvio, Manuel Sutter.
Winterthur ab 79.Minute: Von Ballmoos; Avanzini, Russo, Schättin; Manuel Sutter, Kamber, Ljubicic, Radice; Silvio, Sliskovic.
Winterthur ab 83.Minute: Von Ballmoos; Avanzini, Russo, Schättin, Di Gregorio; Kamber, Ljubicic, Radice; Manuel Sutter, Sliskovic.
FC Zürich ab 87.Minute: Vanins; Bangura, Nef, Alesevic; Winter, Sarr, Marchesano, Kempter; Schönbächler, Cavusevic, Rodriguez.
Vorschau Winterthur – FCZ
Von Toni Gassmann @ZüriLive
Das erste Bild eines FCZ-Spiels
Die erste, der Öffentlichkeit zugängliche Fotografie eines Fussballspiels des FC Zürich stammt vom 24. Oktober 1897 und zeigt einen Ausschnitt der Begegnung mit dem FC Winterthur auf dessen Schützenwiese. Das Spiel endete vor 50 Zuschauern mit 2:0 für den Heimclub. Gleichzeitig ist dieses Bild auch die erste bekannte Aufnahme eines Fussballspiels an diesem Ort.
Photo: FC Winterthur Klubarchiv
Wenn sich der FC Winterthur und der FC Zürich am Montag, 12. Dezember zum letzten offiziellen Wettbewerbsspiel im Jahr 2016 in der Schweiz treffen werden, so werden sie das noch am gleichen Ort, dieser traditionellen und traditionsreichen Heimstätte tun, wie vor etwas mehr als 119 Jahren. Allerdings wird die Kulisse mit 9400 Zuschauern viel grösser sein als damals und auch das Stadion und dessen Umgebung sehen mittlerweile etwas anders aus. Sollte der FC Winterthur wieder mit 2:0 gewinnen, so wäre das eine Überraschung, denn der FC Zürich wird als klarer Favorit aus der Kantonshauptstadt anreisen. Es ist über 40 Jahre her, seit auf der Schützenwiese so viele Zuschauer einem Spiel beiwohnten.
Igor Tadic und der Winterthurer Trainer, Herbst 2015
Schaffhausens Stürmer Igor Tadic leitete in der 15. Runde der Challenge League Saison 2015/2016 am 8. November 2015 mit seinem Tor zum 0:1 für den FC Schaffhausen im Derby auswärts gegen den FC Winterthur die Niederlage und auch die nachmalige Entlassung von Trainer Jürgen Seeberger ein. Das Spiel endete mit 0:2. Winterthur spielte konzept- und zusammenhangslos und hatte kaum eine richtige Tormöglichkeit. Nach einer weiteren blamablen Leistung eine Runde später in Wohlen mit einer „glücklichen“ 3:2-Niederlage sahen sich die Verantwortlichen des FC Winterthur dazu veranlasst, die Trennung vom bisherigen Trainer zu vollziehen, damit der FC Winterthur nicht ans Tabellenende rutschen sollte. Das Spiel im Freiamt hätte gut und gerne mit 7:2 verloren werden können. Mit Umberto Romano und Dario Zuffi als Interimstrainer an der Seitenlinie gelang es schliesslich, auswärts in Chiasso und daheim gegen Biel, die beiden letzten Spiele vor der Winterpause zu gewinnen und so den FC Winterthur im Tabellenmittelfeld zu halten.
Umbruch im Sommer 2016
Per 1. Januar 2016 wurde Sven Christ als neuer Trainer angestellt. Er wollte mit dem FC Winterthur dominant auftreten, hoch stehen und ein aggressives Pressing betreiben sowie mutig spielen. Ende Saison landete der FC Winterthur mit 43 Punkten aus 34 Spielen auf dem leicht enttäuschenden 6. Tabellenrang, noch hinter dem FC Schaffhausen. Sven Christ forderte, dass die Spieler ihre Komfortzone verlassen sollten und ortete in der Mannschaft unter anderem ein Mentalitätsproblem.
Im Sommer wechselten daher mit Jan Elvedi, Sead Hajrovic, Dennis Iapichino, Marco Köfler, Sandro Foschini, Tunahan Cicek, Musa Araz, Claudio Holenstein, Ramon Cecchini, Stefano Milani, Patrick Bengondo, Joao Paiva und Christian Fassnacht insgesamt 13 Spieler den Club freiwillig oder unfreiwillig. Einzig für Araz (Lausanne-Sport) und Fassnacht (Thun) bedeutete der Clubwechsel einen Aufstieg.
Zur Mannschaft stiessen 17 Spieler: Gianluca Calbucci (U21), Romain Dessarzin (Lausanne), Leandro Di Gregorio (Zürich), Karim Gazzetta (Servette), Robin Kamber (Vaduz), Tiziano Lanza (U21), Kreso Ljubicic (Biel), Jordi Nsiala (Oberwallis Naters), Luca Radice (Aarau), Julian Roth (U21), Daniele Russo (St. Gallen), Marc Schmid (U21), Carlos Silvio (Wolfsberger/AUT), Luka Sliskovic (Biel), Sandro Stalder (U21), Manuel Sutter (Vaduz), Nicola Sutter (Thun).
Igor Tadic und der Winterthurer Trainer, Herbst 2016
Und wieder war es der Schaffhauser Igor Tadic, der den FC Winterthur aufrüttelte, diesmal in der 16. Runde am 27. November 2016, als er in der 84. Minute zum entscheidenden 0:1 für den angereisten Tabellenletzten aus Schaffhausen traf, der seit der 4. Runde kein Spiel mehr gewinnen konnte und in dieser Phase ausser einem Unentschieden auf der Breite gegen den FC Winterthur alle andern zehn Spiele verlor. Im Gegensatz zum Spiel ein Jahr zuvor auf der Schützenwiese gegen Schaffhausen, besassen die Winterthurer eine ausreichende Anzahl an guten, eigenen Möglichkeiten, offenbarten aber auch grosse defensive Schwächen. Genau seit diesem Zeitpunkt gehört der FC Winterthur zum erweiterten Kreis der Abstiegskandidaten, denn mittlerweile befindet sich der Club auf dem 8. Tabellenrang, gerade einmal fünf Punkte vor dem Tabellenletzten. Hätten die Schaffhauser in ihren letzten beiden Spielen gegen Chiasso und Wohlen gepunktet, so sähe die Lage für den FC Winterthur noch bedenklicher aus und natürlich auch für dessen Trainer, der mittlerweile auch wegen der leicht prekären Lage etwas unter erhöhtem Druck steht.
Unbefriedigendes Abschneiden
Die Gründe für dieses unbefriedigende Abschneiden sind vielfältig:
Da ist einmal das gestiegene Niveau in der Challenge League mit dem sehr bestimmenden FC Zürich, dem konstant guten Neuchâtel Xamax, dem reichen FC Wil, dem besser besetzten FC Aarau, dem Servette FC mit einzelnen herausragenden Spielern, dem unbequemen und defensiv sehr starken FC Le Mont, der Wundertüte FC Wohlen und den auswärtsstarken, jungen Tessinern aus Chiasso. Demgegenüber hat sich der FC Winterthur zumindest resultatmässig nicht wirklich verbessert. Und ausgerechnet gegen den defensivschwachen Tabellenletzten FC Schaffhausen gewann der FC Winterthur nur einen Punkt, der zudem auswärts etwas glücklich erkämpft werden konnte.
Besonders fiel bisher ins Gewicht, dass der FC Winterthur ohne konstantes Herzstück spielen musste. Zehn verschiedene Zweier-Kombinationen bildeten jeweils zu Beginn einer Partie das zentrale, defensive Mittelfeld. Die eigentlich dafür vorgesehenen Kreso Ljubicic und Gianluca D’Angelo spielten erst im Laufe der 2. Serie mit. D’Angelo ist nun aber wieder verletzt. Marco Mangold, zu Beginn der Saison vom Trainer aussortiert, entwickelte sich zum besten und konstantesten Spieler auf dieser Position, ehe er sich verletzte und seither die letzten fünf Spiele verpasste.
Die beiden Stürmer Manuel Sutter und Carlos Silvio trafen in den letzten Wochen kaum noch und vergaben teilweise klarste Möglichkeiten, was sich besonders im Heimspiel gegen den FC Schaffhausen rächen sollte. So gelangen dem FC Winterthur in den letzten sieben Spielen nur noch vier Treffer, zwei davon erzielte der Gegner gleich selber. Und nur ein Tor schoss mit Manuel Sutter ein Stürmer.
Nur in vier von 17 Spielen kassierte der FC Winterthur kein Tor. Hingegen gelang in fünf Spielen kein eigener Treffer. Kaum einmal zeigte das Team eine konstant gute Leistung in einem ganzen Spiel. In Aarau, Neuchâtel und Genf reichte je eine 0:1-Führung nur für zwei Punkte. In Neuchâtel ging man sogar nach drei Gegentreffern aus Standardsituationen mit 4:1 richtig unter. Und die Heimbilanz von 11 Punkten aus 8 Spielen ist auch nicht befriedigend.
Höhepunkte
Trotz einer 0:2-Niederlage zum Saisonauftakt im Letzigrund war das Spiel gegen den FC Zürich ein Höhepunkt, weil 13’704 Zuschauer die bisherige Challenge League-Rekordkulisse in dieser Saison bildeten und weil die Spieler des FC Winterthur von rund 2’500 mitgereisten Gästefans nach dem Spiel noch minutenlang gefeiert wurden, obwohl sie das Spiel nach Toren von Rodriguez oder Winter und Sadiku verloren hatten. Höhepunkte aber waren auch der etwas glückliche 3:0-Sieg gegen den FC Wil und die Wende zum 3:2-Sieg gegen den Servette FC nach einem 1:2-Rückstand. Nach diesem Spiel hatte der FC Winterthur eine damalige Erfolgsserie auf sieben Pflichtspiele ohne Niederlage ausgebaut.
Das Erreichen des Cupviertelfinals gegen die Berner Young Boys nach Siegen in Yverdon, bei Stade Lausanne-Ouchy und daheim gegen den FC Chiasso ist auch ein Erfolg und fiel zu zwei Dritteln in diese Phase. Ein Fussballfest und ein Höhepunkt soll nun für den FC Winterthur auf der heimischen Schützenwiese das letzte Spiel des Jahres 2016 werden. Der Club hat alles dafür getan, sich als guter Gastgeber zu präsentieren. Dieses Spiel wird den bisherigen Schnitt von 2’663 Zuschauern anheben auf 3’412. Das ist die dritthöchste Anzahl der Liga.
Heutige Aufstellung des FC Winterthur
Der vom BSC Young Boys ausgeliehene Torhüter David Von Ballmoos ist der beständigste qualitative Wert in der bisherigen Saison beim FC Winterthur. Der Emmentaler befindet sich im Kader der Schweizer U21-Nationalmannschaft, ist einer der drei besten Torhüter der Challenge League und soll in Bern dereinst die Nachfolge von Yvon Mvogo antreten und trainiert einmal pro Woche beim BSC Young Boys, um dort Kontakt halten zu können und Präsenz zu zeigen. Seine Fortschritte waren besonders vor einem Jahr beinahe schon von Spiel zu Spiel zu erkennen. Von Ballmoos wird heute im Tor stehen.
Davor spielten die Löwen in letzter Zeit öfters mit drei Innenverteidigern: heute dürften dies Tobias Schättin, Daniele Russo und der wieder genesene Guillaume Katz sein. Die Viererreihe im Mittelfeld könnten Luca Radice, Nicola Sutter, Kreso Ljubicic und Michel Avanzini bilden und vor ihnen die offensiven Manuel Sutter und Romain Dessarzin stehen. Alleinige Sturmspitze wird Carlos Silvio sein. Möglich ist aber auch ein Fünfermittelfeld mit Nicola Sutter und Kreso Ljubicic als Doppelsechs. Von Ballmoos, Nicola Sutter und Carlos Silvio wären nach einer heutigen gelben Karte im nächsten Spiel gesperrt.
Die ehemaligen FCZler
Carlos Silvio ist ein technisch guter physisch recht starker und trotzdem einigermassen beweglicher Stürmer, der den Ball halten kann und mannschaftsdienlich agiert. Wenn er gelegentlich im Abschluss etwas eigensinniger auftreten würde, hätte er bestimmt mehr als seine bisherigen vier Tore erzielt. Er besitzt einen Stammplatz.
Diesen verloren hat, teilweise systembedingt, teilweise wegen defensiven Schwächen, der ehemalige FCZler Leandro Di Gregorio, der jeweils die Standards ausführt. Und Jordi Nsiala konnte bis jetzt noch nicht nachweisen, mehr als ein Ergänzungsspieler zu sein. Di Gregorio und Nsiala dürften auf der Bank sitzen. Marco Mangold, unter anderem zusammen mit Leandro Di Gregorio, Maurice Brunner, Philippe Koch, Innocent Emeghara und Admir Mehmedi 2009 in der U21 des FC Zürich, hat, wie bereits im Herbst 2015 einmal, den Fuss gebrochen und ist verletzt. Mangold verpasste bereits den Saisonauftakt gegen den FC Zürich, weil er damals nicht im Kader war.
Steilpass von Dani Gygax auf Toni Gassmann: „FCZ verliert noch ein Spiel“
Dani Gygax ist sehr optimistisch und glaubt, dass der FCZ Ende Saison ungeschlagen aufsteigen wird – Toni Gassmann kontert und ist anderer Meinung:
„Cürüksu köpft alles weg“: Osmanlispor – FCZ Stats & Spielinfos
Der FCZ versucht es auf dem harten Untergrund in Ankara vorwiegend über die Flügel und stellt mit 27 Flanken einen neuen Saisonrekord auf. Davon stammte ein Drittel von Adrian Winter. Die Osmanlispor-Innenverteidiger Prochazka und vor allem Captain Cürüksu lassen aber praktisch nichts anbrennen. Dies vor allem weil dem Team von Uli Forte ein Spieler wie Franck Etoundi fehlt, welcher in der Luft immer sehr durchsetzungsfähig und auch präzis agieren konnte. Der aktuell beste offensive Kopfballspieler ist Alain Nef. Dieser kann aber als Verteidiger nur bei Standards in den Strafraum kommen. Osmanlispor gestand dem FCZ aber nur zwei Freistösse in Strafraumnähe und keinen einzigen Eckball zu! Sicherlich kein Zufall… So hatte der FCZ eine seiner wenigen guten Chancen in der Anfangsphase, als Nef einen Brunner-Einwurf Richtung Sangoné Sarr verlängern konnte. Der Senegalese vermochte den Kopfball aus sechs Metern aber nicht zu drücken.
Der FCZ versucht es vorwiegend über die besser zu bespielende Gegentribünenseite, in der 1.Halbzeit über links mit Roberto Rodriguez und in der 2.Halbzeit über rechts mit Adrian Winter. Der auffälligste Akteur ist der agile Rodriguez mit vielen starken Offensivaktionen. Fehlpässe gibt es auf diesem Untergrund relativ häufig von praktisch allen Spielern auf beiden Seiten. Selbst dem sonst überragenden Cürüksu unterläuft mal eine Bogenlampe. Zwei Mal spielt auch Rodriguez einen Pass etwas übermotiviert zu früh – eines dieser Fehlzuspiele führt zum vorentscheidenden Konter Osmanlispors zum 0:1. Cavusevic bleibt vorne im Zentrum praktisch wirkungslos, so wie später auch Sadiku. Die eingewechselten Schönbächler und Koné versuchen das Ding zwar noch zu drehen, aber Schönbi will in der einen oder anderen Szene etwas zu viel erzwingen, und Koné scheint sich trotz Pfostenschuss im aktuellen System auf der Halbposition weniger wohl zu fühlen, als in der Sturmspitze oder auf dem Flügel – da er da seine Schnelligkeit nicht gleichermassen ausspielen kann.
Bei den „Osmanen“ in Ankara: Reisebericht aus einer skurrilen Welt
Das Journalisten-Leben kann schön sein! Zumindest bei Reisen in bestimmte Länder. Erstmal: der Preis! Zuvor immer individuell angereist, war Züri Live diesmal erstmals im Europacup bei der offiziellen Journalistenreise im Charter mit der Mannschaft dabei. Denn es wäre selbst in einer günstigen Absteige individuell nicht wirklich billiger gekommen. Aber hier handelte es sich um ein Viersternhotel! Mit Direktflug! Mit allen Transfers!
Ging es in Länder wie Spanien oder Tschechien waren die Preise der Journalistenreise jeweils gigantisch und individuell locker für weniger als die Hälfte organisierbar. Die Reise nach Ankara war so günstig, dass selbst ein Journalist einer grösseren Schweizer Zeitung bereit war, das Ganze aus dem eigenen Sack zu bezahlen, bevor er im letzten Moment seine Redaktion doch noch überzeugen konnte, dass die mögliche Qualifikation für die Sechzehntelfinals durch einen einheimischen Zweitligisten vielleicht doch die Spesen wert ist.
In den Tagen vor dem Abflug wurde es dann aber richtig kurios. Zuerst kam die Meldung von einem Upgrade. Die paar wenigen Journalisten wurden in ein 200 Meter entferntes nobles Fünfsterne-Hotel umquartiert. Einfach so. Ohne Begründung. Ohne Aufpreis. Mit der Mannschaft hatte das Ganze nichts zu tun, denn die war in einem dritten Hotel untergebracht. Etwas später leitete das Schweizer Reisebüro ein weiteres Gratisangebot vom Türkischen Tour Operator weiter: eine zuvor im Programm nicht eingeschlossene «City Tour» .
Der «lokale Guide» hiess Fatih und wurde extra aus Izmir eingeflogen. Teilweise in Holland aufgewachsen sprach und verstand er im Gegensatz zu 95% der Angestellten des Fünfsternehotels Englisch. Gleich von der ersten Minute im Bus kam Fatih zur Sache. Probleme und Korruption gäbe es ja überall auf der Welt. Ein Parlamentarier, der die Beerdigung eines «Terroristen» besucht, würde doch überall auf der Welt vor Gericht gestellt. Eine Journalistin, die einen Gerichtstermin versäumt, würde doch überall auf der Welt ins Untersuchungsgefängnis gesteckt. Später kam Fatih dann nochmal auf die «City Tour» zurück, die offenbar bei den Schweizer Journalisten keinen grossen Ansturm ausgelöst hatte und versuchte es diesmal über die persönliche Schiene. Er selber sei auch zum ersten Mal in Ankara und würde unbedingt gerne morgen die Atatürk-Monumente besuchen. Wer will mitkommen? Das Interesse blieb aber lau – schliesslich war man ja auf einer Arbeitsreise mit dem Auftrag, über sportliche Dinge zu berichten.
Was auf dem Anflug als erstes auffiel: in den Bergen um Ankara (auf rund 1’000 Meter über Meer gelegen) hat es mehr Schnee, als in den Österreichischen Alpen. Die Topographie der Grossstadt ist speziell, in ein sehr hügeliges Gelände gebaut, auf einem vielerorts nicht wirklich stabilen Untergrund. Es wird trotzdem viel gebaut. Grosse finanzielle Mittel aus dem nationalen Staatsetat fliessen direkt in die Landeshauptstadt. Eine grosse Anzahl an Gebäuden sieht aber leer oder unfertig aus. Die vielen Moscheen sind zum grössten Teil neueren Datums. Und überall sind grossflächige Türkische Flaggen aufgehängt.
Auch das Europa League-Spiel von Osmanlispor gegen den FC Zürich wurde in der ganzen Stadt mit Plakaten und Bannern auf den Hauptverkehrsachsen und Bushaltestellen beworben. Trotzdem kamen aus der Fünfmillionenstadt nur schätzungsweise 8’500 Zuschauer ins abgelegene Osmanli Stadi am Rande der Berge. Etwa gleich viele wie zuletzt in der Meisterschaft gegen Besiktas. Zu normalen Ligaspielen gegen Teams wie Eskisehir sind es rund 2’000 bis 3’000.
Bereits zwei Stunden vor Spielbeginn waren hunderte von Ordnern und Sicherheitskräften in und ums Stadion bereit auf ihren Plätzen. FCZ-Fans waren zu Spielbeginn erst etwa 25 anwesend. Stück für Stück erhöhte sich die Zahl bis zur Pause auf etwas mehr als 200. Dies machte sich akkustisch bemerkbar. Waren die Zürcher am Anfang gegen die grosse Überzahl der einheimischen Zuschauer kaum zu hören, konnten sie den Wettbewerb neben dem Feld mit der Zeit immer ausgeglichener gestalten.
Optisch war der Anblick des Gästesektors allerdings gewöhnungsbedürftig. Keine Fahnen, keine Banner. Dem Vernehmen nach wurde dies von Osmanlispor untersagt und dabei unter anderem mit von der UEFA verbotenen politischen Statements argumentiert. Ein Hohn! Das Stadion, die Fahnen, die Lieder der einheimischen Fans waren nichts anderes als ein einziges grosses politisches Statement. Mit mehreren Ausrufezeichen!!! Übergrosse Osmanische Kriegerfiguren am Stadioneingang und sogar am Spielfeldrand. Die immer gleiche martialische Musik, zu welcher die Zuschauer jeweils Fähnchen schwenken mussten. Eine Reihe von Flaggen auf der Gegentribünenseite, welche die glorreiche Geschichte nachzeichnen soll, von den Seldschuken über die Osmanen bis zur Türkischen Republik. Man kann es auch so formulieren: nimmt die UEFA ihr Verbot bezüglich politischer Statements wirklich ernst, dann dürfte in diesem Stadion ohne ein paar gröbere Modifikationen eigentlich gar nicht gespielt werden.
Einen eigentlichen einheimischen Fansektor als solchen gab es nicht. Vielmehr waren die einheimischen Zuschauer auf allen Tribünen in corpore aktiv in den Support der Mannschaft involviert. Dieser war zugegebenermassen ziemlich abwechslungreich. Über Echogesänge, Schalparaden und spezielle Parolen je nach Spielsituation war alles dabei. Vor dem Erreichen der Sechsminutenmarke wurde im ganzen Stadion der Countdown runtergezählt und dann an verschiedenen Orten im Stadionrund Konfetti in die Luft geworfen. Etwas skurril war, dass just mit Spielbeginn in einer Ecke des Stadions eine Blaskappelle zu spielen begann. Neben Osmanlispor-Fähnchen wurden an die Zuschauer auch Türkei-Fahnen verteilt, und als dann nach dem 2:0 der Sieg von Osmanlispor perfekt war, wurde dieser mit «Türkiye! Türkiye!»-Rufen aus dem weiten Stadionrund gefeiert. Dies war ja bereits vom Hinspiel in Zürich bekannt, als von den den Gästeklub mit Türkei-Fahnen bewaffnet unterstützenden Zuschauern die meisten aus politischen Motiven im Stadion waren, nicht weil sie wirklich Osmanlispor-Fans sind.
FCZ-Trainer Uli Forte wurde an der Pressekonferenz nach der Partie von einem einheimischen Journalisten nach den Chancen von Osmanlispor im weiteren Verlauf der Europa League befragt. Im für Forte aussergewöhnlichen Widerwillen auf diese Frage zu antworten, steckte eine ganze Menge Ärger, der ganz offensichtlich nichts mit der Niederlage zu tun hatte. Forte hielt sich aber an die an Spieler und Umfeld im Vorfeld herausgegebene Vorgabe, fokussiert aufs Sportliche zu bleiben, und sich von Schikanen nicht zu einer Reaktion provozieren zu lassen.
Laut Türkischen Journalisten wird Osmanlispor direkt aus den Steuereinnahmen Ankaras finanziert. Für Spieler wie Badou Ndiayé gab es Interesse aus der Bundesliga und von Topklubs in Frankreich. Dieser verlängerte stattdessen seinen Vertrag bei Osmanlispor bis 2020. Wohl eher nicht wegen dem interessanten und wechselhaften Wetter in der Hochebene von Ankara. In einer VIP-Loge im Stadion anwesend war der Oberbürgermeister von Ankara und Osmanlispor-Gründer, Melih Gökcek mit seiner Familie – ein AKP-Mitglied und enger Vertrauter von Staatspräsident Erdogan.
Gökcek und seine Söhne Osman und Ahmet propagieren die Türkei als Weltmacht, welche über die anderen Völker herrschen soll. Gökcek war stolz darauf, dass einige Spieler, deren Konterfei in der Form eines mittelalterlichen Kriegsbanners an der Haupttribüne hängt, ihn nach der Partie mit Winkzeichen aufforderten, in die Kabine zu kommen. Anschliessend stellte er sich vor dem Spielereingang des Stadions gerne den Türkischen TV- und Radiostationen – ständig bewacht von sieben bis acht wachsamen Bodyguards, die sich eng um ihn gruppierten.
Als Gökcek danach in die kalte Ankara-Nacht hinaus gefahren wurde, versendete er gleich 10 Tweets als Ausdruck der Freude an seine 3,5 Millionen Follower, darunter eines mit dem Bild von Osmanlispor-Trainer Mustafa Akcay als Sultan Fatih Mehmed, dem Eroberer von Konstantinopel 1453 und dem Spruch «Entweder werde ich die UEFA (Europa League) erobern oder die UEFA mich». Der angesprochene Akcay hatte verstanden, und liess sich am folgenden Tag denn auch in der regierungstreuen Zeitung «Sabah» zitieren, dass der Europa League-Final in Stockholm das Ziel von Osmanlispor sei.