Fall „Zigi“: drei Viertel der Torhüter haben Fuss nicht auf der Linie, VAR greift aber nur für YB ein

Die Wiederholung des Penalties für YB im Spitzenspiel von heute zwischen den FC St. Gallen und dem amtierenden Meister gibt zu reden, und dies völlig zu Recht. Wirklich nur ein paar Zentimeterchen steht St. Gallen Torhüter Zigi mit seinem linken Fuss vor der Torlinie, als YB-Stürmer Guillaume Hoarau den Ball Richtung Ostschweizer Tor schiesst. Nach der Partie meinte Schiedsrichter Alain Bieri im TV-Interview, dass dies halt die Regeln seien. Die Klubs seien vor der Saison darauf hingewiesen worden. Das mag stimmen, aber was Bieri  verschwieg: diese Regeln werden so wie es scheint willkürlich umgesetzt. 

Wir haben im Archiv vier Penalties gefunden, die diese Saison definitiv (weder beim ersten Schuss, noch beim Nachschuss) nicht verwertet wurden und deshalb relevant sind für die Frage, ob der Torhüter mit einem Fuss die Linie berührt hat:

  • Lawrence Ati Zigi gegen Young Boys
  • Noam Baumann gegen St. Gallen
  • Kevin Fickentscher gegen den FC Zürich
  • Laurent Walthert gegen den FC Zürich

Und siehe da! Von den vier Torhütern schien nur einer (Walthert) seinen Fuss auf der Linie zu haben! Baumann (Lugano) gegen St. Gallens Cédric Itten und Fickentscher (Sion) gegen Benjamin Kololli (FCZ) standen ähnlich knapp wie Zigi VOR der Linie – ohne dass es der VAR für nötig befand, dies zu melden! Die berechtigte Frage stellt sich also: wenn man es schon so genau nehmen will, warum nur, wenn es YB betrifft?

Bei St. Gallen – YB war Sandro Schärer der Verantwortliche VAR wie schon vor zwei Wochen bei FCZ – Basel, als er ein klares Stürmerfoul von Cabral gegen Nathan vor dem wichtigen 0:1 schon nach 12 Sekunden übersah – siehe: FCZ – FCB Analyse

Wie in St. Gallen war Alain Bieri zudem zum Saisonauftakt FCZ – Lugano Schiedsrichter gewesen, als er die Schwalbe von Jonathan Sabbatini vor dem Penalty zum wegweisenden 0:1 als „Foul“ taxierte, und von VAR Stephan Klossner nicht auf diese Fehlentscheidung hingewiesen wurde – siehe: FCZ – Lugano Analyse

Auffallend ist zudem schon seit etwa zwei Jahren die gehäufte Besserbehandlung von YB in entscheidenden Szenen sowohl in Spielen gegen den FCZ wie auch gegen andere Gegner – siehe: YB – FCZ Analyse

Hier die vier relevanten Penalties:

Lawrence Ati Zigi steht gegen YB hauchdünn VOR der Linie:

Noam Baumann steht gegen St. Gallen hauchdünn VOR der Linie:

Kevin Fickentscher steht gegen den FCZ hauchdünn VOR der Linie:

Laurent Walthert steht gegen den FCZ als Einziger AUF der Linie:

(Standbilder: Teleclub / SRF) 

 

Nathan, Schönbi und Britto in der Startaufstellung: Vorschau FCZ – Xamax

Die Direktbegegnungen gegen Xamax waren zuletzt immer heissumkämpft mit wechselnden im Mittelpunkt stehenden Protagonisten wie Veloso, Brecher, Dixon, Hekuran Kryeziu, Kololli, Rüegg, Ceesay, Mahi, Di Nardo, Karlen, Minder oder Kramer. Zu den heutigen Protagonisten gehören beim FCZ Nathan und Marco Schönbächler, die nach ihrer Sperre zurückkehren. Dafür fehlt der Zürcher MVP der Partie in Genf vor Wochenfrist, Toni Domgjoni gesperrt. Ausserdem steht auch Willie Britto wieder mal in der Startformation, Hekuran Kryeziu beginnt erneut auf der Bank. Es gibt mit dieser Startelf sowohl die Variante mit einer Viererabwehr oder mit einer Dreierabwehr zu beginnen.

Bei Neuchâtel Xamax fällt mit Musa Araz ebenfalls ein Zentraler Mittelfeldspieler (mit gebrochener Hand) aus. Die Neuenburger mussten in den letzten drei Monaten im Gegensatz zum FCZ nur sehr wenige Gegentore einstecken. Das 1:2 in Unterzahl zum Auftakt der Rückrunde gegen Servette war die einzige Partie, in welcher Torhüter Laurent Walthert zwei Mal hinter sich greifen musste. Der ehemalige FCZ-Junior Arbenit Xhemajli vermochte sich in den letzten Wochen nicht nur aufgrund seines Siegestores in Sion neben Igor Djuric und André Neitzke zu stabilisieren, so dass der bisherige Ausfall von Marcis Oss (Torschütze im Letzigrund in der Vorrunde) nicht so stark ins Gewicht fiel, wie auch schon. Winterneuverpflichtung Geoffroy Serey Dié ist innert kurzer Frist zu einer spielbestimmenden Figur bei den Xamaxiens geworden. FCZ-Leihspieler Maren Haile-Selassie ist in den letzten drei Spielen jeweils in den letzten zehn Minuten eingewechselt worden.

Für FCZ-Trainer Magnin fehlte es in den letzten Begegnungen an “Aggressivität in den Zweikämpfen, die Eins-gegen-Eins Duelle gingen zu oft an den Gegner“. Schaut man auf die Zweikampfstatistik der einzelnen Spieler, dann sieht man allerdings, dass Rüegg, Mirlind Kryeziu, Pa Modou, Domgjoni, Kololli, Tosin und Hekuran Kryeziu im Vergleich zu ihren eigenen Werten der letzten Jahre in Genf überdurchschnittlich viele Zweikämpfe gewonnen haben. Daraus resultierte schlussendlich unter anderem auch die Ballbesitz-Überlegenheit des FCZ im Stade de Genève. Unterdurchschnittlich bezüglich Zweikampfwerten waren mit Mahi, Kramer und Marchesano drei der vier Spieler aus der Offensivreihe, dazu Simon Sohm. Ausserdem verlor der eingewechselte Adi Winter seinen einzigen Zweikampf. Es waren also fast ausschliesslich die Offensivspieler, die sich in Genf in den Zweikämpfen zu wenig durchsetzen konnten.

Frage zum Spiel: Was braucht der FCZ am meisten, um gegen Xamax den ersten Rückrundensieg zu landen??

View Results

Wird geladen ... Wird geladen ...

FC Zürich – eine der letzten Zufluchtsstätten für Auslaufmodelle des modernen Fussballs

Im klassischen Theater oder in Filmen tauchen immer wieder dieselben Figuren auf, einzig in Frisur und Kleidung an die aktuelle Mode angepasst – und manchmal nicht einmal das. So auch beim FCZ. Da gibt es die Figur des soliden Büezers, der Fussball als Arbeit versteht und es nur dank dieser Einstellung auch in die oberste Spielklasse geschafft hat. Er kommt über den Kampf ins Spiel und regt sich manchmal darüber auf, dass einige der Teamkollegen zu wenig laufen. Und da der Fussballgott manchmal gerecht ist, gelingt ausgerechnet dem Büezer die entscheidende Flanke in der letzten Sekunde einer 36 Runden dauernden Meisterschaft, die den ersten Titel seit 25 Jahren bringt. Oder er schiesst das einzige Tor seiner Karriere in seinem letzten Spiel. Oder er trifft in der Scala des Fussballs artistisch per finnischem Volkstanz-Schritt.

Mit dieser Figur kann sich der Fan identifizieren, der seit seinem 17. Lebensjahr jeden Werktag zwischen fünf und sechs Uhr aufsteht und zwei Mal wöchentlich mit viel Engagement und Herzblut eine Juniorenmannschaft trainiert. Sie taucht in jeder Spielergeneration wieder auf unter Namen wie Urs Fischer, Florian Stahel, Hannu Tihinen oder Alain Nef. Die zweite Figur ist diejenige des Künstlers, des erkannten, noch häufiger aber auch verkannten Genies. Sie liegt all denjenigen FCZ-Anhängern am Herzen, die wissen, dass es für echten Fortschritt und Innovation mehr braucht, als einzig an der Seitenlinie rauf- und runterzuhetzen. Die davon überzeugt sind, dass ein Pass von Zinedine Zidane oder ein Dribbling von Diego Armando Maradona die Welt verändern können, und die von der Schönheit der Ballbehandlung eines Roberto Baggio fasziniert sind. Die wissen, dass Künstler einen Leidensweg durchschreiten müssen, um überhaupt zu Künstlern zu werden – und es dazu Geduld und künstlerische Pausen braucht. Von Köbi Kuhn über Jure Jerkovic, Marcel Raducanu, Gocha Jamarauli und Raffael bis zu Yassine Chikhaoui durfte auch diese Figur nie fehlen.

Eine dritte Figur ist der Typ «durchgeknallter Stürmer». Wer emotional ist, instinktive Entscheidungen fällt, und in seiner Biographie schon manchen Bruch erlebt hat, der fühlt sich seelenverwandt mit einem John Linford, Fredy Chassot, Alhassane Keita, Eric Hassli oder Michi Frey. Die aufgezählten Interpreten der klassischen Figuren sind alles Fussballer aus der wilden Jugend-Ära des Fussballs. Die «Kindheitsära» war die Pionierzeit Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Es war die Zeit der «Unschuld», der improvisierten Fussballfelder und der Geldknappheit, in welcher Mäzenatentum bedeutete, den jungen Burschen einen Matchball zu spenden. In der «Jugend-Ära» (zweite Hälfte 20. Jahrhundert und noch ein paar Jahre darüber hinaus) geschah der grosse Aufbruch. Fussball wird globaler Volkssport, mit Live-Übertragungen zuerst im Radio, dann im TV, sowie eine drastische Zunahme der Anzahl Profispieler.

Mittlerweile ist der Fussball aber in eine neue Ära eingetreten. Er ist erwachsen geworden. Fertig lustig! In den Jugendjahren des Fussballs konnte ein Spieler mit viel Talent noch einen ungesunden Lebenswandel pflegen oder neben dem Fussball Vollzeit arbeiten und trotzdem international mithalten. Da wurden Nationalspieler ohne einen Schimmer von Didaktik Kraft ihres grossen Namens nach Beendigung ihrer Karriere automatisch Trainer in der höchsten Liga. Und auf dem Platz waren die Rollen klar verteilt: es gab die Wasserträger, Haudegen, Knipser und Regisseure mit dem Bewegungsradius eines imaginären Bierdeckels. Ganz unterschiedliche Typen, Charaktere, Figuren – wie im klassischen griechischen Theater.

Der Fussball hat sich professionalisiert und globalisiert. Das Niveau ist gestiegen. Die breit angelegte SFV-Ausbildungsphilosophie seit den 90-er Jahren bringt es mit sich, dass in Super League und Challenge League alle Gegenspieler taktisch und technisch gut ausgebildet sind. Weltweit bieten sich zehntausende Spieler und mindestens ebenso viele Spezialisten drumherum wie Trainer, Medizinisches Personal, Scouts, Analytiker, Ausbildner und so weiter den Klubs an, sorgen für Konkurrenz und können von diesem Sport zu 100% leben. Um nur schon auf dem Niveau einer Super League mithalten zu können, muss jeder Profispieler, vom Torhüter bis zum Mittelstürmer, heutzutage ein Mindestmass an Technik, Spielverständnis, Kraft, mentalen Qualitäten und Laufleistung mitbringen.

Bei dem Tempo, in welchem heute Fussball gespielt wird, geht es erstmal nicht darum, mit dem Ball irgendwelche Wunderdinge zu vollbringen – das können bei dieser Geschwindigkeit sowieso nur ganz wenige. Viel wichtiger ist eine solide erste Ballberührung bei hohem Tempo – und dies vor allem konstant in mindestens 90% der Fälle, dazu Beweglichkeit und Handlungsschnelligkeit. Der moderne Fussball ist besser, aber in vielen Dingen auch gleichförmiger geworden. Um mithalten zu können, darf man heute keine echten Schwachpunkte mehr haben. Gerade die Schwachpunkte waren es jeweils gewesen, die in der Vergangenheit eine Figur, einen Typen charakterisierten.

Der FCZ war immer ein Team der Typen und Charakterköpfe. Die meisten Fans, Journalisten und auch Vereinsverantwortlichen sind in der «Jugend-Ära des Fussballs» aufgewachsen und von dieser geprägt worden. Bis heute werden von allen Seiten in der 1. Mannschaft Figuren gerne gesehen, die etwas aus der Zeit gefallen scheinen. Auch gegnerische Spieler und Trainer haben die letzten Jahre wiederholt von den technischen Finessen von FCZ-Spielern geschwärmt, und gleichzeitig gerne die drei Punkte mit nach Hause genommen. Ein Mimoun Mahi beispielsweise oder ein Benjamin Kololli streicheln zwar den Ball so sanft wie einen Hundewelpen, verschleppen aber auch das Spiel wie ein Spielmacher aus den 80er-Jahren und verursachen gegen heutige laufstarke Gegner viele Ballverluste. Ein Denis Popovic ist so langsam, dass er nur in einem Team mit neun sehr laufstarken Mitspielern funktionieren kann, wie das bei seinem Ex-Klub Orenburg der Fall war. Ein Salim Khelifi oder Antonio Marchesano müssen hart kämpfen, um auf Super League-Niveau physisch und von der Reichweite her bestehen zu können.

YB beispielsweise hat im Jahr 2013 aufgehört, Spieler wie Silberbauer, Ojala oder Jemal zu verpflichten, die den Anforderungen des modernen Fussballs auf Super League-Niveau in einem oder mehreren Bereichen nicht gewachsen sind. Als einzige Ausnahme fand zwischendurch wegen der finanziellen Probleme des FC Biel Benjamin Kololli ein halbes Jahr per Leihe Unterschlupf, wurde dann aber wenig überraschend nicht weiter verpflichtet. Servette hat nach dem Aufstieg schnell gemerkt, dass ein «Bierdeckel-Fussballer» wie Sébastien Wüthrich zwar immer wieder für ein paar Skorerpunkte gut sein kann, aber die Entwicklung des Teams in Richtung modernen Super League-Fussballs behindert. Luzern hat sich aus ähnlichen Gründen von Valeriane Gvilia getrennt. Beim FCZ finden solche Spieler weiterhin Unterschlupf. Ein Grégory Sertic beispielsweise schlurfte jeweils über den Platz, als ob er am Sonntagmorgen in den Hausschuhen durchs Wohnzimmer watscheln würde. Yassin Maouche begriff nicht, dass man in der Super League keinen lockeren Plauschfussball wie mit den Copains in der Badi spielen kann.

Umso schwerer wiegt darum, dass viele dieser Künstler nicht nur ineffizient und wenig teamorientiert spielen, sondern obendrein auch noch teuer sind. Es fehlt dadurch das Geld für beispielsweise einen treffsicheren und gleichzeitig laufstarken Stürmer. Eines der Paradebeispiele ist Yassine Chikhaoui, der acht Jahre lang da und meist eben doch nicht da war, und wenn er zwischendurch wieder mal zurückkam, das Teamgefüge eher störte, als befruchtete. Es gab durchaus auch Künstler, die sich in ihrer Zürcher Zeit entwickelten, wie zum Beispiel Davide Chiumiento, der wieder lernte aufs Tor zu schiessen und sogar Kopfballduelle gegen Verteidiger wie Grégory Wüthrich zu gewinnen begann – für ein paar Monate. Es ist jedem Super League-Klub freigestellt, langsame Techniker wie Asmir Kajevic oder Andres Vasquez zu verpflichten, aber man darf dann nicht erwarten, dass man sicher in der Super League bleibt. Und selbst in der Challenge League ist es auch mit grossen Investitionen nicht einfach, mit Spielmachern alter Schule wie Markus Neumayr, die in der Defensiven Phase praktisch inexistent sind, aufzusteigen.

Wie man Wochenende für Wochenende sieht, reicht es nicht, nur acht Spieler aufs Feld zu schicken, die in allen wichtigen Bereichen auf Super League-Niveau bestehen können. Es müssen elf sein, die in allen Bereichen ein gewisses Mindestniveau mitbringen. Denn die anderen Mannschaften, auch die «Kleinen» der Liga, bringen mittlerweile meistens elf solche Spieler auf den Platz. Und, das ist mehr als nur eine Phrase: ein Team ist immer nur so gut wie ihr schwächstes Glied. Bisher war es häufig so, dass das pure Talent aus dem eigenen Nachwuchs und die Fähigkeit, sich häufig für wichtige Spiele speziell zu motivieren, immer wieder gewisse Schwachpunkte übertüncht haben. Aber der FCZ sollte sich nun langsam aber sicher von Spielern trennen, die an die gute, alte Jugend-Zeit des Fussballs erinnern –  und im modernen, erwachsenen Fussball ankommen – mit elf Spielern auf dem Platz, die als Einzelspieler und im Team in der Lage sind, läuferisch, technisch, mental, physisch sowie bezüglich Geschwindigkeit gegen jedes andere Super League-Team zu bestehen.

Zwischen alten Problemen und Hoffnungsschimmern / Servette – FCZ 4:1 unter der Lupe

Die Analyse der Partie in Genf bringt Parallelen, aber auch Unterschiede zum Basel-Heimspiel vor einer Woche mit sich. Zu den Parallelen gehört neben den vier Gegentoren, dass das Chancenverhältnis nach Expected Goals bis nach der 70. Minute ausgeglichen war. Zu diesem Zeitpunkt hätte es ähnlich wie schon gegen die Rot-Blauen eine Woche davor dem Chancenverhältnis entsprechend Unentschieden stehen müssen. Und dies obwohl die grössten FCZ-Torchancen der Ersten Halbzeit in der Chancenstatistik gar nicht mitgezählt worden sind, weil es dabei zu keinem Abschluss kam (Doppelchance Mahi / Marchesano, sowie Kololli). Da der FCZ aber aus einer Chancengleichheit wieder ein Tor weniger erzielt hatte, ging er wie schon gegen den FCB mehr Risiken ein, und kassierte dadurch noch zwei weitere Treffer.

Was zu denken geben muss: dass eine Mannschaft, die ein höheres Risiko eingeht, Gefahr läuft, mehr Gegentore zu kassieren, ist logisch – aber das erhöhte Risiko müsste gleichzeitig auch zu mehr selbst erzielten Toren führen – und dies ist beim FCZ nicht der Fall. Offensichtlich ist das Team schlecht darin, im «offenen Schlagabtausch» zu spielen, und man würde wahrscheinlich zu mehr Torchancen kommen, wenn man die Taktik und Risikodosierung in der Schlussphase nicht verändern würde – sondern nur die Intensität.

Wenn man die Partie am Fusse des Salèves auf eine Szene reduzieren will, so ist es die Entstehung des 3:1 in der 79. Minute. Der FCZ steht hoch, Becir Omeragic spielt einen guten langen Ball nach rechts vorne auf Kevin Rüegg. Gelingt in dieser Situation Rüegg eine gute Ballan- und mitnahme, dann kann er mit seinem überlegenen Speed im Vergleich mit Gegenspieler Iapichino diagonal alleine mit Ball in den Strafraum ziehen und entweder selbst schiessen oder in der Mitte Tosin beziehungsweise Kramer bedienen: eine Topchance zum Zürcher Ausgleich!

Rüegg misslingt aber die Ballmitnahme, dadurch kann ihm Iapichino den Ball «abluchsen». Der FCZ steht jetzt mit sechs Mann am gegnerischen Strafraum, aber ohne Ball – schlimmer noch: ohne Zugriff zum Ball. Marchesano rückt sogar rechts auch noch mit an die Strafraumgrenze auf, ohne den sich in Ballbesitz befindlichen Vincent Sasso auch nur im Ansatz am Abspiel stören zu können. Dadurch steht Varol Tasar völlig blank, und hat angespielt von Sasso viel Platz und Zeit, den entscheidenden Pass in die Tiefe gegen eine hoch an der Mittelinie stehende Zürcher Abwehr zu spielen. Omeragic staffelt dabei ein paar Zentimeter zu weit zurück, so dass Koné wohl auf gleicher Höhe und knapp nicht im Offside steht. Wenn bei der konternden Mannschaft in so einer Situation das Timing stimmt, ist es für jede Abwehrreihe der Welt praktisch unmöglich, einen sich bereits an der Mittellinie in Höchsttempo befindlichen gegnerischen Angreifer wie Stevanovic noch einzuholen – weil die Verteidiger wegen der Offsidefalle erst dann loslaufen können, wenn der Pass gespielt ist – und dann noch 20-30 Meter benötigen, um auf ihr Höchsttempo zu kommen.

Zu Beginn kam Pedersen-Ersatz Pa Modou gut in die Partie. Dies gab dem ganzen Team Vertrauen. Auch seine präzisen weiten Einwürfe von links waren zuletzt vermisst worden. In der 17. Minute gelang eine Traumkombination über Marchesano – Rüegg – Tosin – wieder Rüegg – Domgjoni (Aussenrist-Laserpass) – Kololli (Ablage mit der Hacke) bis zum Abschluss von Mahi. In der 36. Minute müsste Mahi am nahen Pfosten nur den Fuss hinhalten und es wäre nach guter Vorarbeit Tosins über rechts wohl ein Tor. Aber der Holländer will den Ball ins Netz «spielen», macht eine unnötige Ausholbewegung und verpasst dadurch den Ball genauso knapp wie am entfernten Pfosten Marchesano. In der 44. Minute zögert Kololli im Strafraum nach einer weiteren schönen Kombination über Marchesano – Mahi – Tosin – Domgjoni und wieder Marchesano mit dem Abschluss zu lange.

Davor war der FCZ wie es in der Rückrunde zur Normalität zu werden scheint, erneut in einer entscheidenden Szene von den Unparteiischen benachteiligt worden. Mahi will in bester Position im Strafraum schiessen. Gegenspieler Boris Cespedes sieht, dass er Mahi nur noch mit einem Foul am Abschluss hindern kann und zieht diesen am Arm so runter, dass der sich in der Ausholbewegung befindliche Zürcher Offensivmann am Ball vorbeihaut: ein klarer Penalty. Nicht gepfiffen von Schiedsrichter Dudic – was umso unverständlicher ist, als dass der Berner Referee kurz nach der Pause einen vielversprechenden Angriff des FC Zürich mit einem Foulpfiff unterband, als Kololli in einer sehr vergleichbaren Szene im Mittelfeld Cespedes am Arm zog. Dudic pfiff, obwohl das Foul von Kololli an Cespedes weniger schwerwiegend war, als dasjenige von Cespedes an Mahi im Strafraum – das Ziehen am Arm war weniger heftig und kürzer in der Dauer, zudem hatte der Gegenspieler (Cespedes) Kololli zuerst angegangen, was bei Mahi überhaupt nicht der Fall gewesen war – und dann fand die Aktion erst noch komplett abseits des Ballgeschehens statt. Da wurde mit unterschiedlichen Ellen gemessen.

Servette beging durchaus Fehler, welche der FCZ aber nicht zu nutzen wusste. Die Genfer hatten nicht einmal aus ihrem entscheidenden Fehler vor Wochenfrist in St. Gallen gelernt, als Park an der Seitenlinie gepflegt wurde und keiner der Stürmer (Tasar, Koné) dessen Position auf der linken Seite einnahm. So konnte damals St. Gallen über rechts in Überzahl gegen Iapichino angreifen und das einzige Tor jener Partie erzielen. Gegen den FCZ passierte Servette der gleiche Fehler gleich nochmal! Als Rouiller gepflegt wurde, rückte zwar Cognat für diesen in die Innenverteidigung, aber dadurch war erneut die linke Seite der Genfer entblösst – Tasar und Kyei schliefen. Rüegg hatte freie Bahn und bediente aus dem Halbfeld hinter die Genfer Abwehr Mahi, der allerdings unaufmerksam gewesen und zu früh losgerannt war. Statt einer Topchance alleine vor Jérémy Frick gabs einen Offsidepfiff.

Vor dem Spiel wurde hier Miroslav Stevanovic stark thematisiert. Der Bosnier hat tatsächlich erneut eine gute Leistung auf den Platz gebracht mit einzelnen starken Flanken und Zuspielen, und dabei gemäss «SofaScore» sogar einen internationalen Rekord der letzten fünf Jahre gebrochen, da er in sieben Grosschancen involviert gewesen sei. Trotz der drei Assists in Genf war sein Beitrag an den Servette-Toren beim 0:5 im Letzigrund vor der Winterpause noch grösser gewesen. Sein Gegenspieler Pa Modou begann in Genf gut mit einem Ballgewinn und gewonnenen Kopfballduell in den ersten vier Minuten. Man merkte, dass der Gambier der Mannschaft grundsätzlich gut tut, aber ebenso, dass er (noch) nicht in Vollbesitz seiner Kräfte ist. Wie immer, wenn er nicht ganz fit ist, war er vor allem in der Rückwärtsbewegung zu langsam. Im Dezember beim 0:5 gegen den gleichen Gegner im Letzigrund war das noch deutlich schlimmer gewesen. Dieses Spiel hatte die linke Zürcher Seite praktisch im Alleingang verloren. Trotzdem wäre in Genf die hier vor der Partie vorgeschlagene taktische Variante einer Dreier-/Fünferabwehr wie ab der 30. Minute gegen Basel wohl die bessere Lösung gewesen.

FCZ-Trainer Magnin erklärt Niederlagen gegenüber den Medienvertretern häufig mit individuellen Fehlern seiner Spieler, obwohl diese in vielen Fällen nicht in erster Linie mehr individuelle Fehler als die Gegner begehen, sondern diese einfach weniger gut auszunutzen wissen.  In Genf hingegen waren die vielen individuellen Fehler auf FCZ-Seite tatsächlich zentral für die Niederlage. Dies schlägt sich unter anderem auch in einem für diese Saison rekordtiefen Züri Live-Notenschnitt von 4,2 (sogar tiefer als bei der 0:5-Niederlage gegen Servette im Letzigrund) nieder, nachdem sich zuvor die Leistung der Mannschaft in der Rückrunde von Spiel zu Spiel verbessert hatte. Diesmal war die Fehlerhexe ominpräsent. Keiner hatte somit im Endeffekt eine höhere Note als «6», was ungewöhnlich ist.

Fangen wir mit dem Positiven an: Zu den Hoffnungsschimmern gehört der Einsatz des in der 55. Minute eingewechselten Hekuran Kryeziu, der besser spielte, als er dies im Durchschnittsfall vor seiner Verletzung getan hatte. Ganz im Gegensatz dazu steht Adrian Winter, welcher auch bei seiner dritten Einwechslung seit der doppeldeutigen «Winterpause» die Mannschaft faktisch in Unterzahl versetzte. Kramer, der andere eingewechselte Zürcher Offensivmann, erhält wie Winter von Züri Live ebenfalls eine Note «2», allerdings aus anderen Gründen. Der Slowene war nach seiner Einwechslung in der 68. Minute durchaus präsent und vergab innerhalb der ersten drei Minuten zwei Grosschancen, beide auf Zuspiel von Tosin. Die Gelegenheit in der 70. Minute vergab der Slowene, weil er trotz seiner Grösse schlecht im Kopfballspiel ist. Diejenige eine Minute später ebenfalls aus sechs Metern mit dem linken Fuss war aufgrund der aufsetzenden Flanke nicht ganz einfach zu verwerten.

Der FCZ hatte in Genf abgesehen von der Viertelstunde vor der Pause in der ganzen Partie zwischen 54% und 60% Ballbesitz. Dies ist aber nicht Kramers Fussball. Es gibt wohl keinen Stürmer der Liga, bei dem es für gegnerische Verteidiger so einfach ist, den Ball wegzunehmen, wenn er  zum Beispiel mit dem Rücken zum gegnerischen Tor einen Ball fixieren sollte. Kramer kann nur Tore erzielen, wenn er in Bewegung ist. Um in Bewegung zu sein, braucht es Räume. Um Räume vorzufinden, muss man schnell umschalten (mit dem Risiko von ebenso schnellen Ballverlusten) – und der Gegner darf nicht allzu tief stehen.

Auch die in der Startformation aufgelaufenen Forwards wie Tosin, Mahi und Kololli haben alle eine (knapp) ungenügende Note. Tosin war dabei der Barometer des Zürcher Spiels. Solange es dem Nigerianer lief, war das Chancenverhältnis ausgeglichen und der FCZ blieb im Spiel. Mit dem starken Leistungsabfall des aus Lettland nach Zürich gewechselten Offensivmannes in der Schlussviertelstunde ging dann auch die Partie verloren. Davor war die Mehrzahl der guten FCZ-Tormöglichkeiten aufgrund von Tosin-Aktionen über rechts zustandegekommen und auch den schön herausgespielten 1:1-Ausgleich in der 64. Minute hatte der 21-jährige erzielt – eine logische Folge der Zürcher Druckphase nach der Pause. Unter anderem zeigte sich in dieser Phase, warum Servette-Torhüter Jérémy Frick ligaweit statistisch zu den besten Torhütern gehört, als er beispielsweise in der 63. Minute bereits am Boden liegend das so gut wie sichere Zürcher Tor durch Pa Modou mit einem Weltklasse-Fussreflex verhinderte. Schon drei Minuten nach dem Ausgleich war Tosin dann entscheidend daran beteiligt, dass Servette schnell wieder in Führung gehen konnte. Er vergass für einen Moment, Rüegg zu unterstützen, der sich mit Cognat, Tasar und Iapichino gleich drei Servettiens gegenübersah – Tasar konnte so unbedrängt auf Koné flanken, welcher spektakulär zum 2:1 einköpfte. In der Schlussviertelstunde sah man dann  von Tosin nur noch Fehlpässe, Ballverluste und Unkonzentriertheiten – der FCZ konnte so nur noch aus dem Zentrum heraus ein, zwei Mal eine gute Aktion nach vorne kreieren.

Denn auf der linken Seite lief zu dem Zeitpunkt auch nichts mehr. Benjamin Kololli scheint zuletzt durchaus etwas gereift zu sein. Er ist etwas bescheidener geworden, verrichtet mehr Defensivarbeit, denkt etwas mehr fürs Team. Ähnliches lässt sich auch von Mimoun Mahi sagen. Die Stossrichtung stimmt, aber unter dem Strich ist es gegen die meisten Super League-Gegner immer noch zu wenig. Und es ist speziell bei Kololli immer noch auch eine Einstellungssache. Dies war gegen Servette beispielsweise bei Standards ersichtlich. Das Duo Mahi / Kololli zeigte dabei einerseits zwei Mal etwas, was man beim FCZ schon lange nicht mehr gesehen hat: überlegt durchgezogene Standardvarianten, bei denen Kololli zu zwei guten Abschlusschancen kam. Sobald Kololli dann aber Standardvarianten mit anderen Mitspielern durchführte, gingen sie schief.

Mit Rüegg versuchte er bei einem Freistoss einen Doppelpass zu spielen, aber sein erster Ball auf kurze Distanz war viel zu wenig scharf gespielt, so dass Rüegg unter Druck geriet und der Passweg zurück auf Kololli zugestellt war. Bei einem weiteren Freistoss war angedacht, dass Kololli hoch auf Pa Modou spielt, und dieser den Ball per Kopf weiterleitet. Beide Protagonisten schienen aber nicht ganz bei der Sache zu sein. Pa Modou stellte sich zuerst auf die falsche Position. Als er dies bemerkte, lief er auf schnellstem Weg hinter der Servette-Abwehrreihe an den richtigen Ort und gab Kololli ein Zeichen, dass er mit der Ausführung des Freistosses noch warten solle. Kololli begriff die Situation nicht und spielte den Ball umgehend in Richtung des winkenden Pa Modou, welcher hinter der Abwehrmauer durchlaufend aber natürlich im Offside stand, was die Unparteiischen folgerichtig auch so entschieden: eine peinliche Art und Weise, eine Freistosschance zu versemmeln.

Zusammenfassend zur Zürcher Offensivreihe: Tosin baute ab der 75. Minute ab, Mahi ist im Abschluss im FCZ-Dress bisher zu schwach (in Groningen war seine Abschlusseffizienz höher), Kramers eingeschränkter Bereich an Stärken konnte in Genf aufgrund des Gegners und der Spielentwicklung zu wenig genutzt werden – und Kololli fehlt für bessere Abschlüsse wohl auch etwas die Spielpraxis. Der zur Zeit im Abschluss effizienteste Zürcher, Marco Schönbächler, fehlte im Stade de Genève gesperrt. So gelang trotz vieler Torchancen (so viele wie noch nie in dieser Rückrunde und ein Expected Goals-Wert von 1,79) nur ein Treffer.

Erfreulich war der Auftritt von Toni Domgjoni, der bemüht war, das Spiel an sich zu reissen. Der Mittelfeldspieler aus dem eigenen Nachwuchs ist drauf und dran, in die Rolle eines künftigen Captains hineinzuwachsen. Marchesano spielte viele direkte Bälle in die Tiefe, aber nur einer seiner acht langen Bälle kam bei einem Mitspieler an: normalerweise ist seine Quote deutlich besser. Schlussendlich müssen wir dann natürlich noch zu Simon Sohm kommen. Sein grober Schnitzer vor dem 0:1 in der 23. Minute (allerdings von Cognat auch hervorragend antizipiert) war der Nackenschlag, welcher dem FCZ in Genf sehr weh tat. Die ersten 20 Minuten hatten die Zürcher gut begonnen. Dann verseuchte von einem Moment auf den anderen eine Fehlerserie das eigene Spiel: erst Marchesano, dann Mirlind Kryeziu und schliesslich der entscheidende Fehler durch Sohm. Der 18-jährige war in Genf von der Rolle, denn bis zu seiner Auswechslung in der 55. Minute unterliefen ihm noch eine ganze Reihe weiterer Schnitzer – so viele wie vorher noch nie im Dress der 1. Mannschaft. Die Mehrzahl der Servette-Grosschancen vor der Pause hatten einen Sohm-Ballverlust am Ursprung. Es war nicht alles an Sohms Einsatz in Genf schlecht, wie noch eine Woche zuvor bei Pedersen – aber für die Note «1» reichte es trotzdem allemal.

Servette – FCZ 4:1 (1:0)

Tore:  23. Kyei (Stevanovic) 1:0; 64. Tosin (Marchesano) 1:1, 67. Koné (Tasar) 2:1, 79. Koné (Stevanovic) 3:1, 90.+4 Koné (Stevanovic) 4:1.

Servette: Frick; Sauthier, Rouiller, Sasso, Iapichino; Stevanovic, Cespedes, Ondoua, Cognat (81. Imeri); Tasar (90. Alves), Kyei (65. Koné).

FCZ: Brecher; Rüegg, Omeragic, M. Kryeziu, Pa Modou; Domgjoni, Sohm (55. H. Kryeziu); Tosin, Marchesano, Kololli (81. Winter); Mahi (68. Kramer).

(Standbilder: Teleclub)

Pa Modou soll das „Schlüsselproblem“ Stevanovic lösen: Aufstellungen und Formationen Servette – FCZ

Die zuletzt angeschlagenen Becir Omeragic und Pa Modou kehren im Stade de Genève am Fusse des Salève beim FCZ wieder in die Startformation zurück. Pa Modou soll also in erster Linie das „Schlüsselproblem“ Stevanovic lösen – und für Omeragic ist es natürlich gegen seinen Jugendklub ein spezielles Spiel. Sind beide in Bestverfassung, sind sie eine wichtige Verstärkung. Ob die Bestverfassung wirklich schon wieder da ist, wird man während der Partie sehen. Die Aussagen von Coach Magnin vor der Partie („im Normalfall wären sie in Genf noch nicht dabei“) lassen keinen Raum für verfrühte Euphorie. Wie vermutet, ist zudem Stephan Seiler auf dem Matchblatt mit dabei. Blaz Kramer beginnt auf der Bank. Somit wird wohl Aiyegun Tosin als Spitze auflaufen. Pedersen ist nicht im Aufgebot mit dabei.Servette-Coach Alain Geiger löst das Problem des Ausfalls von zwei flinken Offensivspielern (Park, Schalk) leicht anders, als von Züri Live vermutet. Er bleibt dabei, Kyei und Koné nicht von Beginn an in der Startformation zu bringen, was der Walliser diese Saison noch nie gemacht hat. Diesmal erhält Grejohn Kyei den Vortritt vor seinem Stürmerkollegen. Varol Tasar wird voraussichtlich erneut im Offensivzentrum auflaufen und der Franzose Timothé Cognat als ebenfalls wirbliger Akteur die vakante Position auf der linken Seite übernehmen. Dafür bilden heute Boris Cespedes und Gaël Ondoua das Mittelfeldzentrum. Wie vermutet sitzen die jungen Imeri und Alves nur auf der Bank.

Vorschau-Artikel hier: „Der FCZ und sein Problem Stevanovic“

Wie spielt der FCZ? Stärken und Schwächen des Zürcher Spiels 2019/2020

Wofür steht der FCZ? Der FCZ ist eine Cupmannschaft. In entscheidenden Spielen gegen starke Gegner war man in den letzten Jahren im Vergleich zu den Resultaten in der Meisterschaft überdurchschnittlich erfolgreich – national und international. Der FCZ steht für konsequente Juniorenförderung – nur ganz wenige Teams in Europa geben aktuell Spielern aus dem eigenen Nachwuchs so viel Spielzeit. Der FCZ hat die grösste und kreativste Fankurve des Landes – und die erfolgreichste Frauenmannschaft. Der FCZ bringt in der Juniorenentwicklung im Vergleich zum Lokalrivalen eher die spielerisch, technisch und taktisch filigranen Spieler heraus – und weniger die physisch starken «Brechertypen». Der FCZ hat seit Daniel Jeandupeux und später Lucien Favre und Bernard Challandes, sowie heute Ludovic Magnin ein starkes «welsches» und damit teilweise verbunden auch «afrikanisches» Element.

Und wie sieht es mit der Spielweise aus? Was in dieser Hinsicht den FCZ ausmacht und was er an seiner Spielweise anpassen (oder beibehalten) muss, um wieder in die Erfolgsspur zu finden, lässt sich durchaus unter anderem aus Statistiken herauslesen. Erst mal zu den Stärken: Antonio Marchesano ist der König der intelligenten / kreativen Zuspiele («Smart Passes»). Pro 90 Minuten kommt der Tessiner auf 2,84 solcher Zuspiele und liegt damit klar vor Valentin Stocker (2,17) und Roger Assalé (1,98) ligaweit an der Spitze. Die grösste Genauigkeit bei «Smart Passes» hat hingegen mit grossem Abstand Marco Schönbächler. Seine 64.29% Passgenauigkeit bei kreativen Zuspielen sind bemerkenswert, liegen doch alle anderen Spieler der Liga unter 50%, auch Fabian Frei und Valentin Stocker, die in dieser Wertung an zweiter und dritter Position liegen. Tatsächlich ist das räumliche Vorstellungsvermögen wohl die grösste Stärke von «Schönbi» – noch vor seiner Technik und Schnelligkeit, welche sich im Ligavergleich ebenfalls auf hohem Niveau bewegen.

Bei der Anzahl Schnittstellenpässe liegt wiederum Antonio Marchesano mit 2,51 pro 90 Minuten an zweiter Stelle hinter Jonathan Sabbatini. Bei den «Key Passes» (entscheidende Zuspiele) liegen Mahi, Schönbächler und Marchesano in den Top 15 – das Spitzentrio bilden hier Tosetti, Zhegrova und Bua, die alle etwa einen solchen Pass pro 90 Minuten zustande bringen. Bei den Smart Passes ist der FCZ als Team die Nummer Zwei der Liga, bei den Key Passes die Nummer Drei (hinter YB und Basel). Zählt man hingegen einfach nur die Anzahl Pässe insgesamt pro 90 Minuten, ohne Rücksicht auf Wirkung und Präzision, dann liegt der mittlerweile zurück nach Russland gewechselte Denis Popovic mit 59 an der Spitze vor Eray Cömert, Fabian Frei, Mirlind Kryeziu und Fabian Lustenberger.

Dementsprechend ist das FCZ-Spiel auf Kreativität und das Spiel durch die Mitte ausgerichtet. Zürich kommt nur zu 14,64 Flanken pro Spiel (nr. 7 der Liga). Dass man wenig über die Seiten spielt, macht auch darum Sinn, weil die Flanken selten ankommen – nach Thun ist man mit 29,1% Präzision am zweitschlechtesten in diesem Bereich – wobei man bei dieser Statistik anmerken muss, dass sie nicht nur von den Flankengebern, sondern auch den potentiellen Flankenempfängern abhängt.

Der FC Zürich ist zudem die Nummer Eins der Liga in der Metrik «Expected Goals pro Schuss». Dies lässt darauf schliessen, dass die Zürcher Spieler im Durchschnitt für ihre Abschlüsse von allen Mannschaften am besten postiert sind. Auch bringt das Team von Trainer Ludovic Magnin nach Basel und St. Gallen den dritthöchsten Anteil seiner Abschlüsse (36,9%) aufs gegnerische Gehäuse – wohl unter anderem wegen der guten Positionierung. Das Problem ist die Anzahl der Abschlüsse insgesamt. Nur Sion kommt in dieser Saison bisher aus dem Spiel heraus weniger zum Abschluss als der FCZ. Bei der Anzahl Weitschüsse liegt der FCZ zusammen mit Sion und Xamax am Schluss der Rangliste.

Stark ist der FCZ zudem unter dem Strich bezüglich Prozentsatz der gewonnenen Luftduelle, wo das Letzigrund-Team die Nummer zwei hinter YB ist. Allerdings ist diese Statistik stark geprägt von den in der Luft ligaweit zu den besten Spielern gehörenden Nathan und Mirlind Kryeziu. Man gewinnt sehr viele defensive Kopfballduelle und hat zusammen mit dem FCB bisher am wenigsten Kopfballgegentore erhalten. Wenn es hingegen um erfolgreiche Offensivkopfbälle geht, die eine noch deutlich höhere Anforderung an Timing und Präzision stellen, sieht es ganz anders aus – bei der Anzahl erzielter Kopfballtore liegt der FCZ auf dem letzten Platz der Liga. Marchesano, Mahi und Kramer haben bisher je einen Treffer per Kopf erzielt – und dabei scheint Marchesano dank seinem Timing und Präzision der offensiv stärkste Kopfballspieler beim FCZ zu sein. Hohe Bälle auf den kleinsten Spieler zu spielen, erscheint zwar vordergründig unlogisch zu sein, würde aber für den FCZ zumindest als Variante absolut Sinn machen, nicht zuletzt auch weil Marchesano in der Regel vom Gegner in solchen Situationen eher etwas ausser Acht gelassen wird.

In Bezug auf die Effektivität des Pressings liegt der FCZ hinter St. Gallen, YB, Servette und Basel zur Zeit an fünfter Position. Noch eine Position besser klassiert ist man in der Wertung «PPDA against», was bedeutet, dass der FCZ relativ gut darin ist, gegen eine pressende Mannschaft hinten heraus Lösungen zu finden und den Ball zu behaupten. Dies ist ein wichtiger Erklärungsansatz für die guten Resultate bisher in dieser Saison gegen den FC St. Gallen.

Zürich hat nach Thun und Sion am drittmeisten Gegentore erhalten, weil man am zweitmeisten Schüsse der Gegner zulässt. Zwar ist man die Nummer drei bei der Anzahl blockierter Schüsse, kassiert aber trotzdem am meisten Weitschussgegentore. Auch Direkte Freistösse und Penalties lässt man mehr rein als der Rest der Liga. Die Anzahl der erhaltenen Tore ist zudem höher, als die erwarteten Gegentore, was auf einen eher etwas unterdurchschnittlichen Torhüter schliessen lässt.

Die beste Mannschaft der ganzen Liga ist der FCZ in den Eins-gegen-Eins Dribblings mit einer Erfolgsquote von 56,2%, was den Ruf als technisch starke Mannschaft weiter untermauert. Gleichzeitig liegt man bei der Häufigkeit dieser Eins-gegen-Eins Situationen nur auf dem fünften Platz. Dies bedeutet, dass man wohl noch häufiger ins Eins-gegen-Eins gehen sollte – vorausgesetzt die Absicherung bei Ballverlust ist vorhanden.

Zusammenfassend kann man zu folgenden (vorläufigen) Schlussfolgerungen kommen:

  • Der FCZ erhält zu viele Gegentore vor allem weil er zu viele Abschlüsse zulässt – aufgrund des Studiums der Aufstellungen scheinen ein gesunder Pa Modou und ein gesunder Omeragic Schlüsselfaktoren zu sein, um die verletzliche linke Seite zuzumachen und die Anzahl Abschlüsse des Gegners stark zu reduzieren – ausserdem ist es wichtig, dass die „Offensivreihe“ defensiv stärker wird, damit die Gegner weniger häufig in Ballbesitz im Zürcher Verteidigungsdrittel auftauchen
  • Kreatives und intelligentes Passspiel durch die Mitte, speziell auch bei Kontersituationen, ist die grosse Stärke dieses FC Zürich – daher sollte diese Spielweise noch weiter verstärkt werden, damit man selbst noch häufiger zum Abschluss kommt
  • Es ist wieder einmal Zeit für einen Meisterschafts-Sieg gegen YB: dass der FCZ gegen hoch pressende Mannschaften durchaus eine gute Falle machen kann, sieht man gegen St. Gallen
  • Falls die defensive Absicherung vorhanden ist, sollte der FCZ die Eins-gegen-Eins Duelle noch häufiger suchen
  • Antonio Marchesano sollte bei hohen Bällen in den Strafraum häufiger als Anspielstation gesucht werden, man sollte den Tessiner ganz allgemein häufiger in gute Abschlussposition bringen

(Daten: Züri Live, SFL, Wyscout)

1 2 3