Stärkstes Pressing der Saison nutzt Luzerner Verunsicherung / FCZ – Luzern in der Züri Live-Analyse

Zum dritten Mal in Folge geht der FCZ nach einem Tor aus dem Hohen Pressing oder Gegenpressing mit 1:0 in Führung. Die Zürcher überliessen zu Beginn Luzern den Ball und praktizierten das bisher stärkste Pressing dieser Saison, noch stärker als beim Auswärtsspiel in Basel (mit einer der zwei bisherigen Vorrundenniederlagen). Vorausgegangen waren dem Treffer zügige Kombinationen mit zwei Seitenwechseln der Zürcher. Dies nachdem der FCZ zuvor über Wochen kaum mehr solche Treffer erzielt hatte.

Den Assist zum 1:0-Führungstreffer gegen den FC Luzern erhält bei Züri Live Nikola Boranijasevic gutgeschrieben. Dies obwohl er als Viertletzter am Ball war. Sein Zuspiel auf der rechten Seite versuchte Tosin erfolglos als Steilpass für Marchesano weiterzuleiten und erlief dann höchstselbst den verunglückten Querpass in den eigenen Strafraum des Luzerners David Domgjoni. Der Grund sind die Regeln, die bei der Bestimmung von Assists, Pre-Assists, Vorlagen und Pre-Vorlagen bei Züri Live seit langer Zeit angewendet werden. 
1. Die Vorlagenkette wird nur unterbrochen, wenn der Gegner mehr als eine Ballberührung hintereinander hat (egal ob durch einen oder mehrere Spieler). Eine einzelne Ballberührung gilt nicht als Ballkontrolle des Gegners. Daher zählt die FCZ-Passfolge vor dieser Ber¨ührung als Assist und Pre-Assists. 
2. Pro Tor oder Torchance wird jeder beteiligte Spieler nur einmal gezählt. Torschütze Tosin wird also nicht auch noch zusätzlich ein Assist gutgeschrieben, sondern dem Spieler vor ihm in der Vorlagenkette (Boranijasevic). Dies unter anderem, um die Anzahl Torbeteiligungen und Chancenbeteiligungen korrekt eruieren zu können. 
3. Bei direkt abgeschlossenen Penaltys und Freistössen wird die Vorlagenkette zur Entstehung des Penaltys oder des Freistosses berücksichtigt -  bei direkt abgeschlossenen Cornern oder indirekt abgeschlossenen Standards nicht. 

Chieffo macht den Tramezzani – mit komplett anderer Wirkung

Wie in der Vorschau beschrieben traf im Letzigrund ein bezüglich Personal und Grundformation eingespieltes Team auf einen Gegner mit vielen Veränderungen. Der neue Trainer Sandro Chieffo versuchte es im Vergleich zu seiner Auftaktniederlage gegen Basel mit weiteren personellen und taktischen Wechseln. Er passte das System dem Gegner an. Ein Vorgehen, welches Sion-Coach Tramezzani mit seinem Team zuletzt durchaus erfolgreich umgesetzt hatte, um seine Mannschaft zu stabilisieren. In Luzern scheint dieselbe Methode hingegen vor allem das eigene Team zu verwirren.

Luzern fehlen Automatismen / FCZ lässt nicht locker

Beim Aufbau hinten heraus fand die Luzerner Hintermannschaft die üblichen Anspielstationen auf den Flügeln nicht mehr. Nicht nur aus taktischen Gründen, sondern auch weil aus der Verunsicherung heraus mehrere Spieler beim FCL sich nicht exponieren wollten und im Zweifelsfall versteckten. Gleichzeitig versuchte der neu reingekommene Lorik Emini als alleiniger Sechser das Spiel an sich zu reissen. Er und Holger Badstuber standen sich mehrmals im Spielaufbau gegenseitig im Weg. Kosovo-Verteidiger David Domgjoni spielte beim 1:0 des FCZ Tosin den Ball in die Füsse. Der Nigerianer feierte sein Startelfdébut nach langer Verletzungspause und einer Reihe von gelungenen Joker-Einsätzen mit der frühen Führung.

Tosin an allen vier Toren beteiligt / Marchesano wieder „der Alte“

Domgjoni muss auch das 3:0 durch seinen Gegenspieler und Nationalteamkonkurrenten Mirlind Kryeziu auf seine Kappe nehmen. Tosin ist auch an diesem Treffer und damit an allen vier Zürcher Toren entscheidend beteiligt, denn er ist der Mann, der Domgjoni ohne eine Obstruktion zu begehen den Weg versperrt, wodurch Kryeziu entwischen kann. Auch nach diesem 3:0 in der 20. Minute liess das Team von Trainer Breitenreiter dem Gegner kaum Möglichkeiten zum Verschnaufen und eroberte weiterhin Bälle durch Pressing hoch in des Gegners Hälfte. FCZ-Angriffe durch die Mitte waren am gefährlichsten. Die frühe Auswechslung gegen YB (wenn auch wegen Gelb-Rot Gefährdung) könnte für Antonio Marchesano ein kleiner Weckruf gewesen sein. Gegen Luzern war der Tessiner nach einer zwischenzeitlichen kleinen persönlichen Baisse wieder überragend wie zu Beginn der Saison!

Kein Super League-Fussball mehr in 2. Halbzeit

Luzern kam durchaus zu seinen Chancen. Yanick Brecher stand bei einem Weitschuss von Filip Ugrinic in der 7. Minute falsch und rettete dafür in der 34. Minute gegen Marvin Schulz, als der FCZ erstmals ungenügend in die Defensive umgeschaltet hatte und zusätzlich für einmal Kryeziu und Aliti im eigenen Strafraum indisponiert waren. In der Zweiten Halbzeit gab sich Luzern dann zunehmend auf. In der Pause hatte Trainer Chieffo mit seinen Wechseln die Defensive gestärkt. Das sah dann in den zweiten 45 Minuten nicht mehr wirklich nach Super League-Fussball aus. Etliche Spieler konnten sich ohne allzu viel Gegenwehr durch die gegnerischen Reihen durchdribbeln. Trotz in dieser Phase FCZ-Konterchancen im Minutentakt stand es am Ende in der Expected Goals-Statistik nur 3:1 für den FC Zürich.

Telegramm

FCZ – Luzern 4:0 (3:0)
Tor: 2. Tosin (Boranijasevic) 1:0, 12. Marchesano (Tosin) 2:0, 20. Kryeziu (Guerrero) 3:0; 57. Tosin (Ceesay) 4:0.
FCZ – Brecher; Omeragic, Kryeziu, Aliti; Boranijasevic (78. Rohner), Dzemaili (88. Kamberi), Doumbia (78. Seiler), Guerrero; Marchesano; Ceesay (59. Kramer), Tosin (59. Gnonto).
Luzern – Müller; Burch, Badstuber, Domgjoni (46. Grether); Schulz, Emini (62. Tasar), Frydek; Gentner (79. Rupp), Ugrinic; Sorgic (46. Ndenge), Ndiayé (67. Cumic).

Tosin startet – Chieffo erneut mit Umstellung / Aufstellungen FCZ – Luzern

Im Letzigrund treffen heute eine Mannschaft, welche sich in den letzten Wochen und Monaten einspielen konnte auf eine mit zuletzt relativ vielen Wechseln in den Startaufstellungen und an der Seitenlinie: siehe Match-Vorschau.

Beim FCZ darf heute der in den letzten Teileinsätzen überzeugende Tosin für Kramervon Beginn weg auflaufen.

Der FC Luzern stellt seine Mannschaft so wie es auf dem Matchblatt ausschaut erneut um. Wir lassen uns bezüglich taktischer Formation überrraschen – am wahrscheinlichsten ist eine Spiegelung des Zürcher 3-4-1-2.

Eingespielter Stamm vs. neue Besen / FCZ – Luzern Vorschau

Der FCZ hat mit einem eingespielten Stamm, Teamspirit und Effizienz zuletzt einige enge Partien auf seine Seite ziehen können. Der Unterschied zum nächsten Gegner Luzern besteht in dieser Saison bisher vor allem in den erzielten Toren, und diesbezüglich unter anderem der Beteiligung des treffsicheren, physisch und auch spielerisch stark verbesserten Assan Ceesay und den beiden Aussenläufern Adrian Guerrero und Nikola Boranijasevic auf Zürcher Seite. Diese Elemente fehlen Luzern. Der FCZ hat zudem eine aussergewöhnliche Quote an direkt verwandelten Freistössen mit drei verschiedenen Torschützen (Marchesano, Kryeziu, Coric). Zuletzt sind dank der Rückkehr von Blaz Kramer und Aiyegun Tosin aus dem Lazarett in der Vordermannschaft Alternativen für effektive Einwechslungen entstanden.

Dem FC Luzern fehlt es hingegen zur Zeit an Selbstvertrauen im Abschluss. Mit Sandro Chieffo ist neu ein Zürcher Cheftrainer bei den Innerschweizern. Seine taktischen (4-2-3-1) und personellen Umstellungen im ersten Spiel gegen Basel (1:3) standen unter dem Motto „Back to the roots“. Das Mittelfeld wird häufig mit langen, hohen Bällen überspielt und in der Angriffszone setzt man auf Wucht und schnelles Direktspiel – so wie man Luzern von früher her kennt. Seit dem FCZ-Wiederaufstieg waren die Duelle mit dem FCL insgesamt ungefähr ausgeglichen, mit leichten Vorteilen für die Innerschweizer, die in drei von vier Saisons ein Punkteplus gegen den FCZ aufzuweisen hatten.

Chieffo brachte gegen den FCB den kosovarischen Nationalspieler David Domgjoni für die bisher grösste Luzerner Schwachstelle Badstuber erstmals von Beginn weg. Dazu standen Patrick Farkas und Varol Tasar auf der rechten Seite in der Startformation. Dem von Olympiakos ausgeliehenen Nikola Cumic gelang mit einem Lupfer in der Nachspielzeit sein erstes Super League-Tor. Defensiv ist das Team wie der Basel-Match gezeigt hat aber weiterhin anfällig auf Umschaltsituationen – so wie das der FCZ lange Zeit gewesen war. Ein unter dem Strich positives Element im Innerschweizer Team war bisher der 36-jährige Christian Gentner. Voraussichtlich kommt es im Letzigrund im Zentrum zum Direktvergleich mit dem 35-jährigen Blerim Dzemaili. Dabei treffen 430 Bundesligaspiele auf 280 Serie A-Partien.

Züri Live (mit Experte Urs Meier) überträgt die Partie live aus dem Letzigrund ab 17:55: www.zuerilive.ch

Mit Demut und Pragmatik den Bann gebrochen / FCZ – YB in der Züri Live-Analyse

Nach sieben langen Jahren ist der Bann gebrochen. Der FCZ gewinnt erstmals wieder in der Super League gegen YB. In dieser ganzen Zeit hatte man nie wirklich aus den Misserfolgen gegen die Berner gelernt. Eine solche Partie auf Züri Live in voller Länge zu kommentieren, welche trotz „guten Ansätzen“ zum dutzendsten Mal auf das übliche 0:4 zusteuerte, wurde mit der Zeit qualvoll. Man fragte sich immer wieder: Warum kann der FCZ nicht mal gegen YB so aufspielen, wie dies Servette immer wieder zustande bringt? Oder zumindest einen Punkt ermauern wie Lugano oder GC?

FCZ verwickelt YB in viele Zweikämpfe

Nur die Formbaisse YB’s hätte auch diesmal nicht gereicht. Es brauchte wirklich die davor jahrelang in solchen Spielen fehlende Pragmatik und Demut des Trainerduos Breitenreiter / Scholtysik, um die unheilvolle Serie zu brechen. Die Idee, der FCZ müsse auch gegen einen Gegner wie YB mitspielen, wurde hochkant über Bord geworfen. Der verführerische Stolz überwunden. Der FCZ stand deutlich tiefer als noch im mit 0:4 verlorenen Hinspiel im Wankdorf und verteidigte auf allen Positionen Eins zu Eins, Mann gegen Mann – und dies fokussiert sowie diszipliniert. Dies war auch notwendig, denn bei Aussenläufern, welche die gegnerischen Aussenverteidiger angreifen und einer Dreierabwehr, die sich Mann gegen Mann um den YB-Dreimannsturm kümmert, war in der Regel keine Absicherung vorhanden. Hefti und Garcia versuchten jeweils mit Vorstössen mit Ball am Fuss Richtung Zentrum die Blockade zu brechen, ihre Doppelpässe seitlich in der Angriffszone waren aber nicht erfolgreich. Viele Zweikämpfe, Fouls und Einwürfe brachen den Rhythmus des Spiels, was Aussenseiter FCZ zugute kam. Der Spitzenkampf wurde so schlussendlich zu einem der ereignislosesten Super League-Spiele der letzten Jahre. Normalerweise füllen die Notizen von Züri Live zu einem analysierten Spiel fünf bis sechs A4-Seiten – diesmal knapp anderthalb.

Ein Spiel für Fidan Aliti

Beide Mannschaften kamen kaum zu Abschlüssen. Die mit Abstand beste Torchance der 1. Halbzeit hatte Adrian Guerrero alleine vor YB-Keeper Guillaume Faivre nach Vorarbeit von Ceesay, Dzemaili, Doumbia und Aliti. Es war eine Abwehrschlacht mit 140 Top-Defensivaktionen, eine Partie, in welcher ein Fidan Aliti wieder mal so richtig in seinem Element war – so wie es letzte Saison häufiger der Fall gewesen war. Szenenapplaus erhielt der Linksfuss in der 38. Minute, als er im eigenen Strafraum auf dem Hintern rutschend Meschack Elia gezielt den Ball wegstibitzte. Mirlind Kryeziu hatte seinen Gegenspieler Jordan Siebatcheu fast komplett im Griff – so eng wurde in dieser Saison wohl noch kein Gegenspieler vom FCZ gedeckt. Becir Omeragic setzte zusätzlich zu seiner guten Defensivarbeit Offensivakzente.

Ante Coric desorientiert und unkonzentriert

In der 1. Halbzeit hatte das Zürcher Mittelfeldzentrum defensiv grosse Probleme. Dzemaili und Doumbia hatten ihre Positionen vor der Abwehr gegen Aebischer und Sierro nicht im Griff und waren in der Rückwärtsbewegung zu langsam. Antonio Marchesano musste nach zwei hohen Beinen gegen Christopher Martins vorsichtshalber schon vor der Pause ausgewechselt werden. Sein Ersatz Ante Coric wirkte desorientiert. Seine lasche Körpersprache setzte sich nahtlos fort in unüberlegte Aktionen. In der Nachspielzeit war das schlechte Zweikampfverhalten des Kroaten hauptverantwortlich dafür, dass Aebischer zu seinem Pfostenschuss (beste YB-Chance der Partie) kam und anschliessend nach einem unnötigen Foul Corics an Fabian Lustenberger nochmal einen Freistoss in Strafraumnähe treten durfte.

Probleme im Zentrum und „Maskottchen“ Kramer

Offensiv wurde das Zürcher Mittelfeldzentrum sowieso in der Regel mit Hohen Bällen aus der Hintermannschaft auf die Forwards überspielt und “innen vor“ gelassen. Dzemaili mit seinen Schwankungen zwischen Übermotivation und Passivität war erneut einer der fehlerbehaftetsten Spieler beim FCZ – diesmal wurde dies aber durch überdurchschnittlich viele gelungene Defensivaktionen (mehr als) kompensiert. Nach der Pause konnten sich Dzemaili und Doumbia dann steigern, ohne allerdings ihre Fehler ganz abstellen zu können. Bei Blaz Kramer verlief die Formkurve umgekehrt: mit mehreren engagierten und effektiven Defensivsprints und guten Kopfballweiterleitungen in die Partie gestartet, baute der Slowene nach der Halbzeitpause stark ab. Die Trainer scheinen ihn auch etwas als das „Maskottchen“ des Teams zu sehen – 6 Einsätze, 6 Siege. Mit weniger Einsätzen eine hundertprozentige Siegquote haben bisher auch Tosin, Kamberi und der zur Zeit zwischen Ersatzbank und Militärdienst pendelnde Seiler.

Joker Tosin nutzt Berner Schwachstelle

Wie so häufig in der Super League kam der FCZ in einem typischen 0:0-Spiel schlussendlich durch die Ausnutzung der Schwachstelle des Gegners zum Erfolg. Die Aussenverteidiger-Backups Lefort und Maceiras vermögen mit dem Niveau des Restes der gelb-schwarzen Mannschaft nicht mitzuhalten. Der zum dritten Mal eingewechselte Comebacker Tosin brachte zum dritten Mal entscheidende Impulse, stibitzte Maceiras im Pressing den Ball weg, bediente erst Doumbia, dann Boranijasevic, dieser liess ebenfalls Maceiras aussteigen und brachte mit dem schwächeren linken Fuss eine butterweiche für die Berner Abwehrreihe nicht zu verteidigende Flanke auf den mit idealem Timing startenden Wilfried Gnonto. Der 18-jährige Italiener feierte sein zweites Super League-Kopfballtor.

Telegramm

FCZ – YB 1:0 (0:0)
Tor: 83. Gnonto (Boranijasevic) 1:0.
FCZ – Brecher; Omeragic, Kryeziu, Aliti; Boranijasevic, Dzemaili (65. Hornschuh), Doumbia, Guerrero; Marchesano (42. Coric); Ceesay (82. Tosin), Kramer (65. Gnonto).
Young Boys – Faivre; Hefti, Bürgy (86. Lustenberger), Lauper, Garcia (62. Maceiras); Martins (84. Kanga); Aebischer, Sierro (62. Rieder); Elia (62. Mambimbi), Siebatcheu, Moumi.

Promo für den Schweizer Fussball! Bilanz des ersten Jahrzehnts Promotion League und Bewertung der SFV-Spielklassen-Reform

Der Schweizerische Fussballverband hat entschieden, ab der Saison 2022/23 die Spielklassenstruktur von der Promotion League über die 1. Liga bis zur 2. Liga Interregional leicht anzupassen.

Neue SFV-LigastrukturQuelle: football.ch

Die U21 des FC Zürich ist seit dem Start der Promotion League 2012/13 in dieser eingleisigen „Dritten Liga“ des Schweizer Fussballs dabei. 16/17 und 17/18 erreichte das Heerenschürli-Team mit Izer Aliu, Toni Domgjoni, Kevin Rüegg, Fabian Rohner und Co. jeweils den 5. Platz. Die letzten drei Jahre war man eher im Abstiegskampf involviert.

U21-Kader sind zu 80-90% tatsächlich „U21“

Bisher war die Anzahl der U21-Teams in der Promotion League auf maximal vier limitiert. Tatsächlich waren zuletzt nach dem Abstieg von St. Gallen volle fünf Jahre durchgängig nur drei Reserve-Teams (FCB, FCZ und Sion) in der obersten Amateuerklasse gewesen. Basel war dabei der einzige Klub, der es in all den Jahren schaffte, mit einem (fast) reinen U21-Team jeweils die Klasse zu halten. Die Rotblauen setzten höchstens punktuell aus Verletzungen zurückkommende Kaderspieler der 1. Mannschaft in ihrer Zweiten Mannschaft ein – abgesehen von jungen Offensivtalenten, die formell zur Ersten Mannschaft gehörten, aber dort aufgrund der grossen Konkurrenz wenig Chancen auf Einsätze hatten.

YB hat beim Aufstieg diesen Sommer am Ende einer verkürzten Saison davon profitiert, dass die U21-Teams gegenüber den Amateurmannschaften aufgrund der Coronasituation einen klaren Vorteil hatten. Die Berner fahren diese Saison im „Oberhaus“ eine ähnliche Linie wie der FCB. Dass der FC Sion sich so lange in der Promotion League hat halten können, liegt vor allem an einer trotz tiefer Einwohnerzahl, grosser Distanzen und hoher Wintersportaffinität erstaunlich produktiven Walliser Nachwuchsarbeit. Gleichzeitig spielen aufgrund der überdurchschnittlichen Grösse des Profikaders einzelne Profis konstant in der Reserve.

FCZ: Rodriguez und Montolio als erfahrene Verstärkungsspieler

Der Weg des FCZ lag in den letzten Jahren irgendwo in der Mitte zwischen diesen Polen. Im Gegensatz zu früheren Zeiten hat man die U21 zuletzt nicht mehr so regelmässig wie früher zur Heranführung von Spielern aus dem Super League-Kader nach Verletzungen benutzt. Stattdessen wurde das U21-Kader mit ein bis zwei gestandenen Führungsspielern verstärkt – tendenziell ein Innenverteidiger und ein Mittelstürmer. Aktuell agiert in der Zentralen Abwehr der 25-jährige aus dem Villarreal-Nachwuchs stammende Genis Montolio (rund 75 Partien auf Drittliganiveau in Spanien) sowie weiter vorne der zurückgekehrte Schwamendinger Mittelfeldtechniker Roberto Rodriguez (31). Theoretisch gehört auch noch Stürmer Shani Tarashaj (26) dazu, aber dieser spielt ebenso zur Zeit keine Rolle wie José Gonçalves (36), welcher mittlerweile als Teammanager häufig für die 1. Mannschaft unterwegs ist.

U21-Teams im Spitzenamateurfussball mitentscheidender Faktor für Erfolg der Nati

Aus rein egoistischer Sicht hätte der FCZ eher gegen die Reform sein müssen, um den Vorteil der Höherklassigkeit gegenüber der Mehrheit der Konkurrenten beibehalten zu können. Was zählt ist aber die Nützlichkeit eines Ligasystems für den Schweizer Fussball insgesamt. In Sachen Schweizer Nachwuchsförderung ist die Anpassung der Spielklassenstruktur eine gute Sache. Die Schweiz hat in der Talententwicklung viele Nachteile, wie der aufgrund der geringen Bevölkerungszahl eingeschränkte Talentpool oder ein fehlender Titel auf A-Nationalteam-Stufe als Referenz. Der grösste Vorteil im Vergleich mit vielen anderen Ländern war in den letzten Jahren hingegen immer, dass die Schweizer Jungs dank der Integration der U21-Teams in den Spitzenamateurfussball in der Regel in jüngerem Alter zu regelmässigen Wettbewerbspartien gegen Männerteams kommen.

Zwei Wege führen nach Rom über den Spitzenamateurfussball

Ähnlich wie die besten Mädchen enorm davon profitieren, gegen Jungs spielen zu können, profitieren Jungs davon, schon früh gegen richtige Männer antreten zu dürfen. Kein Training und kein Test kann eine solche Wettkampferfahrung ersetzen! Dies zeigt sich immer wieder in den internationalen Vergleichen auf Junioren-Nationalteamstufe und später auch in der A-Nationalmannschaft. Die grosse Mehrheit der aktuell erfolgreichen Nati hat in jungen Jahren einen ganz entscheidenden Schritt in Richtung nationale und internationale Reife im Spitzenamateurfussball genommen – sei es innerhalb oder wie im Fall von Renato Steffen oder Christian Fassnacht gar ausserhalb einer professionellen Fussball-Akademie! So holt man sich schon früh die Wettkampfhärte und Frechheit, um einem Paul Pogba in einem EM-Achtelfinal in der entscheidenden Szene den Ball vom Fuss zu klauen. Der Vorteil eines Manuel Akanji, Yann Sommer, Denis Zakaria, Noah Okafor, Xherdan Shaqiri oder Djibril Sow gegenüber einem Steffen oder Fassnacht war, dass sie neben den wertvollen Einsätzen gegen Top-Amateurteams in den Akademien zusätzlich zahlreichere und in aller Regel bessere Trainings hatten.

Ewige Rangliste Promotion LeagueQuelle: Transfermarkt.ch, Stand: 2.12.21

Promotion League oder 1. Liga Classic?

Der grosse Vorteil einer U21 auf Stufe Promotion League ist sicherlich, dass diese im Vergleich zur 1. Liga Classic oder 2. Liga Interregional nicht nur physisch, sondern auch technisch und taktisch gefordert wird. Rund die Hälfte der Spieler der Promotion League-Teams hat zumindest Challenge League-Erfahrung. Vor allem ist der Schritt von der Promotion League in die Challenge League oder Super League weniger gross.

Welche Vorteile hat die 1. Liga? Die grössten Talente in einem U21-Team sind in der Regel nicht die am häufigsten sondern die jüngsten eingesetzten Spieler. Im Team von 12/13 (siehe Grafik weiter oben) also Nico Elvedi, Saidy Janko, Francisco Rodriguez oder der später verletzungsgeplagte Marvin Graf – oder heute Stürmer Labinot Bajrami (stammt ursprünglich vom FC Winterthur und ist über einen durch die „Malenovic-Affäre“ ziemlich kurzen Zwischenschritt bei GC im Heerenschürli gelandet).

Würden diese Top-Talente, um die es im Hinblick auf die 1. Mannschaft ja schlussendlich mehrheitlich geht, eine Stufe tiefer in der 1. Liga mehr zum Einsatz kommen? Antwort: ein bisschen ja. Das Hauptkriterium für den richtigen Zeitpunkt ihres ersten Einsatzes im Erwachsenenfussball ist allerdings der physische Entwicklungsstand und diesbezüglich gibt es zwischen der 1. Liga und der Promotion League keinen allzu grossen Unterschied.

Punkte pro Saison Promotion LeagueQuelle: Transfermarkt.ch, Stand: 2.12.21

Mehr als 40 Profiteams`! Die Schweiz am oberen Rand ihrer Möglichkeiten

Die in der Promotion League, 1. Liga und 2. Liga Interregional engagierten Männer sind genauso wie die Frauen der Women’s Super League Spitzenamateure und bewegen sich somit in einem gleichzeitig sehr abwechslungs- wie anforderungsreichen Alltag als ambitionierte Sportler mit Beruf, Ausbildung und teilweise auch schon eigener Familie. Das Zuschauerpotential reicht auf diesen Stufen nicht aus, um mit den geringen Einnahmen den Spielern und Spielerinnen echte Saläre bezahlen zu können. Dabei unterstützen die sportbegeisterten Schweizer ihre Lieblingsteams so treu in den Stadien, dass mehr als 40 Profimannschaften mit entsprechend Tausenden von Arbeitsplätzen in Fussball und Eishockey unterhalten werden können. Das ist sehr viel. Das deutsche Bundesland Niedersachsen beispielsweise (gleiche Einwohnerzahl wie die Schweiz) hat in Fussball, Eishockey, Handball und Basketball zusammengenommen rund 10-15 Profimannschaften. Auch wenn man berücksichtigen muss, dass Teile Niedersachsens zu den Einflussgebieten Hamburgs und Bremens gehören, steht die Schweiz im Vergleich sehr gut da.

Deshalb ist die Spitze der Schweizer Fussballpyramide mit zwei 10er-Ligen ideal. Da die Challenge League unter Profibedingungen betrieben werden kann, sind die Spieler und Klubs mit der Super League konkurrenzfähig und bieten daher das ideale Biotop für den letzten Schritt zum Spitzenniveau. Was passiert, wenn ein Land von der Grösse der Schweiz die obersten Ligen zahlenmässig verwässert, sieht man aktuell sehr schön am Beispiel von Österreich, wo das einst sehr ansehnliche sportliche Niveau der zweithöchsten Liga innert kürzester Zeit in den Keller gesunken ist. Was eine Ligavergrösserung in der Super League oder Challenge League alles für schädliche Auswirkungen auf Talentförderung, Zuschauerzahlen, Arbeitsplätze und den sportlichen Wettbewerb hätte, erklärt der folgende Artikel: Vergeudetes Talent, weniger Zuschauer, geschlossene Liga: Warum eine Aufstockung der Super League für den Schweizer Fussball gefährlich wäre.

Mehr regionale Derbies

Die Spitzenamateure bewegen sich im Spannungsfeld und Übergangsbereich zwischen der Profi- und der Amateurwelt und werden dies immer tun. Schon manch ein Spieler, Funktionär oder Zuschauer eines Klubs aus der 2. Liga Interregional hat sich die Frage gestellt, ob er nicht lieber ein Derby gegen das Nachbardorf in der 2. Liga oder 3. Liga Regional hätte, als in einen anderen Kanton zu reisen, um dort gegen einen wenig bekannten Gegner auf höherem Niveau anzutreten. Die grösste Änderung der aktuellen Reform der SFV-Spielklassenstruktur setzt genau an diesem Punkt an.

Auch wenn die Promotion League und die 1. Liga-Gruppen leicht vergrössert werden, wird der Spitzenamateurbereich insgesamt durch die starke Reduktion der Anzahl Teams in der 2. Liga Interregional massiv reduziert – zugunsten der regionalen Ligen. Einige regionale Derbies wie Rorschach-Goldach – St. Margrethen, Seuzach – Wiesendangen oder Schattdorf – Altdorf könnten wiederbelebt werden. Diejenigen, die sich aber für den Spitzenamateurfussball mindestens auf Stufe 2. Liga Interregional entscheiden, werden dafür noch etwas mehr investieren müssen. Es entsteht eine klarere Abgrenzung als bisher.

Spitzenamateurfussball profitiert von Nachwuchs-Akademien

Spitzenamateur-Teams wie Breitenrain, Köniz, YF Juventus oder SC Brühl bestehen zu grossen Teilen aus Spielern, die in den Jugendakademien der Profiklubs ausgebildet worden sind. Es trifft also in der Promotion League in gewisser Weise die ältere Generation auf die jüngere Generation der Akademien. Von den eigenen Nachwuchsspielern aus der weiter oben aufgelisteten FCZ U21-Generation der Saison 12/13 hat mehr als ein Drittel mehr oder weniger direkt den Weg in den Spitzenamateurfussball gefunden. Weitere sind nach zwei bis fünf Profijahren, in denen sie sich letztendlich nicht nachhaltig auf höchster Stufe etablieren konnten, später noch zusätzlich dazugestossen. Dazu kommen Spieler, die ihren Weg „von unten“ an die Spitze des Amateurfussballs geschafft haben. Sie alle haben mit den U21-Teams sowie vielen weiteren Spitzensportlern anderer Sportarten in der Schweiz gemeinsam, dass sie viel in ihren Sport investieren, ohne davon leben zu können. Und sie alle können Stolz darauf sein, dass sie in den Spitzenamateurligen einen ganz wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der künftigen Schweizer Nationalmannschaft beitragen.

„Wild Cards“? Wozu?

Zum Abschluss doch noch ein kleiner Kritikpunkt an der SFV-Reform: Wofür „Wild Cards“ in der ersten Saison? Und nach welchen Kriterien werden diese überhaupt vergeben? Das ist ein unnötiger Präzedenzfall. Die U21-Teams sollen sich wie alle anderen von Anfang an auf sportlichem Weg für eine höhere Liga qualifizieren. Dies bedeutet dann automatisch, dass sie für die höhere Liga auch wirklich sportlich bereit sind.

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