Liga-Vorschau: Das sind die 12 Teams der Super League 23/24 – Teil 2: Musterschüler, Überraschungsgast und Nouveau Riche
BSC Young Boys – Der Musterschüler
Meister YB ist ganz klar der Musterschüler der Liga. Glaubt man dem Medienecho, macht die Berner Vereinsführung alles richtig – was sicherlich nicht stimmt. YB hat in den letzten Jahren beispielsweise durchaus auch seine Fehltransfers gehabt: Marvin Spielmann, Frederik Sörensen, Jordan Lefort, Quentin Maceiras, Guillaume Faivre, Kevin Varga, Kevin Rüegg oder bisher auch Donat Rrudhani. Aber die Gelb-Schwarzen machen weniger falsch als Andere. Dass die Region Bern ein sehr sportbegeistertes Publikum hat, beweist seit vielen Jahrzehnten der in der Nachbarschaft im Norden der Bundesstadt beheimatete SC Bern mit seinen auch im internationalen Vergleich beachtlichen Zuschauerzahlen im Eishockey. Und dies trotz grosser Konkurrenz in unmittelbarer Nähe durch drei weitere NLA-Klubs: Gottéron, Biel und Langnau. Obwohl Zürich, Genf und Lausanne grösser als Bern sind, schaffen es diese Städte selbst im Erfolgsfall nicht, solche Zuschauermassen in die Stadien zu locken. Dieses deutlich grössere Einnahmenpotential ist der Hauptgrund, warum YB aktuell nur besser als der FCB arbeiten muss, um regelmässig Meister zu werden. In der Öffentlichkeitsarbeit steht der YB-Sportchef und ehemalige FCZ-Meisterspieler Steve Von Bergen mittlerweile stärker im Zentrum, als der vor Jahresfrist in den Verwaltungsrat aufgestiegene Christoph Spycher. Basierend auf der Vorbereitung wird Trainer Raphaël Wicky seinem Rhombus-System (4-1-2-1-2) wohl treu bleiben, wobei auf den 8er-Positionen wie schon letzte Saison häufig verkappte Stürmer wie Elia, Monteiro, Fassnacht oder Neuverpflichtung Males zum Einsatz kommen werden.
Yverdon-Sport – Der Überraschungsgast
Stade Lausanne-Ouchys Aufstieg war eine grosse Überraschung. Klubs wie Aarau oder Thun waren neben Lausanne-Sport die Aufstiegsfavoriten gewesen. Daneben hätte man sicherlich auch den letztjährigen Barrage-Teilnehmer Schaffhausen und Vaduz weiter oben erwartet. Trotzdem hatte „SLO“ viele Spieler mit Talent in seinen Reihen, bei denen im Optimalfall immer eine Leistungsexplosion möglich scheint. Akteure wie Okou, Ajdini, Bamba, Da Silva, Hadji, Abdallah, Danho, Mulaj oder Tsoungui. Der Aufstieg von Yverdon-Sport – und dies auch noch als Challenge League-Meister – war hingegen sensationell: im Tor der als „zu klein für Profi-Fussball“ abgestempelte Kevin Martin, Routinier Anthony Sauthier schien speziell in der Rückrunde konditionell nicht mehr ganz auf der Höhe zu sein und kämpfte sich durch, Sturmtank Brian Beyer (26) schnürte vor vier Jahren noch für den FC Bassecourt in der vierthöchsten Liga die Schuhe, genauso wie Néhemie Lusuena vor sechs bis acht Jahren – und zwar für Yverdon-Sport! Der mittlerweile 25-jährige Mittelfeldspieler hat in den letzten Saisons den ganzen Weg mit den drei Aufstiegen in die Promotion League, Challenge League und Super League erfolgreich mitgestaltet und gehört immer noch zum erweiterten Stammpersonal. Auch der durch den Corona-Virus „gestohlene“ sportlich eigentlich schon so gut wie sichere Challenge League-Aufstieg der Saison 19/20 konnten ihn und seine Teamkollegen nicht stoppen. Dabei hatten die Nord-Waadtländer die Konkurrenz mit dem Cup-Halbfinaleinzug 21/22 gegen den späteren Meister FCZ und Kantonskrösus Lausanne-Sport in Sachen Super League-Reife bereits etwas vorgewarnt gehabt. Es war für den FCZ eine von fünf Niederlagen bis zum Titel am 1. Mai 2022 gewesen. Der Seebacher Marco Schällibaum übernahm vom nach Bielefeld abgewanderten Brüttiseller Uli Forte Anfangs Saison und liess YS im 4-2-3-1 antreten. Zentrale Aufstiegshelden wie Hajrovic (zu Xamax), Kabacalman (Sion) oder Koné (Thun) sind mittlerweile aber nicht mehr dabei, Silva verletzt. Über die Testspiele Yverdons ist wenig bekannt, ausser dass sie mit einem Rumpfteam absolviert wurden. Die Neuverpflichtungen kamen erst spät am Neuenburgersee an. Die Hauptprobe gegen Sochaux wurde wegen des Zwangsabstiegs des Gegners kurzfristig abgesagt.
FC Winterthur – Der Nouveau Rîche
In der Challenge League hatte der FC Winterthur jahrelang immer eines der höchsten Budgets gehabt. Nach dem Aufstieg mussten die Eulachstädter dann aber erstmal den Kopf in den Nacken werfen, und mit einer weitgehend auf überdurchschnittlichen Challenge League-Spielern aufgebauten Mannschaft den Gegnern den Ball und das Spiel überlassen. Vor allem in den Direktduellen mit Sion, wo man auch etwas Wettkampfglück hatte, machte Winti mit Coach Bruno Berner den Klassenerhalt klar. Auf dem Transfermarkt machten Sportchef Oliver Kaiser und Co. diesen Sommer nun aber einen grossen Schritt. Aus einem Top-Challenge League-Team, das in der Super League mithalten konnte, wurde in wenigen Wochen ein solides Super League-Kader. Es ist aktuell das zweitälteste Kader der Liga. Eines mit zusammengezählt bereits 1’802 Super League-Partien auf dem Buckel. Das ist mehr als doppelt so viel, als dies beim GC-Kader, dem aktuell jüngsten der Liga, der Fall ist. Dort kommen nur Amir Abrashi (in jungen Jahren mit Zuffi und Sandro Lombardi Stammspieler im talentierten Winterthurer Dreiermittelfeld) und Pascal Schürpf auf mehr als 50 Super League-Partien. Bei Winterthur trifft dies mit Silvan Sidler, Roy Gelmi, Yannick Schmid, Basil Stillhart, Roman Buess, Cico Rodriguez, Matteo Di Giusto, Samir Ramizi, Luca Zuffi, Musa Araz und Thibault Corbaz auf elf Spieler zu! Finanziell ist Winterthur mittlerweile auf Augenhöhe mit dem Rekordmeister. Nur dank Zuschüssen der chinesischen Besitzer lag GC letzte Saison bezüglich Budget überhaupt noch im unteren Mittelfeld, und nicht am Scnwanz der Liga. Bei den Einnahmen (GC: ca. 8 Mio) hat Winterthur den Kantonsrivalen mittlerweile wohl bereits überholt. Und da die GC-Besitzer ihre Beiträge allem Anschein nach in der neuen Saison deutlich reduzieren, ist die Differenz auch beim Gesamtbudget nicht mehr gross. Man beginnt beim FCW nun auch wieder Ablösesummen zu bezahlen. Eine wesentliche finanzielle Differenz zwischen GC und Winterthur existiert heute wohl nur noch bei den Frauen-Teams, wo sich GC dank lokalen Sponsoren wie Heinz Spross die Verpflichtung von Spitzenspielerinnen noch leisten kann. Die sechstgrösste Stadt der Schweiz ist nach dem Klassenerhalt von letzter Saison endlich richtig in der Super League angekommen. Auch neben dem Platz herrscht ein neureiches Flair. Die Schützenwiese wird ausgebaut und ist zum Promi-Treffpunkt geworden. Der neue Trainer Patrick Rahmen ist ein Freund der Viererkette und speziell des „Basler“ 4-2-3-1. Allerdings würde auch ein Rhombus-System gut zur aktuellen Winterthurer Mannschaft passen. Vor allem die Rückkehr Luca Zuffis ist eine emotionale Geschichte. Vater Assistenztrainer, Sohn Spieler: im Normalfall eine schwierige Konstellation für ein Team – ausser es handelt sich um die äusserst bescheiden und zurückhaltend auftretenden Dario und Luca Zuffi.