FCZ mit direktem Wiederaufstieg – was ist dieser Erfolg wert?

Weil das formstarke Schaffhausen zu Hause Neuchâtel Xamax 2:1 besiegt, reicht dem FCZ ein Unentschieden gegen Servette bereits in der viertletzten Runde zum sofortigen Wiederaufstieg in die Super League. Dies vor schaffhausen-xamax-endresultat-21allem dank hervorragenden ersten vier Monaten von Mitte Juli bis Mitte November. In dieser Phase blühte Oliver Buff in seiner Lieblingsrolle als hängende Spitze auf, und die neuverpflichteten Zürcher ohne FCZ-Vergangenheit, Adi Winter und Robi Rodriguez, brachten eine gute Mentalität in die Mannschaft.

Dabei gab es kurz vor dem ersten Saisonspiel zu Hause gegen den FC Winterthur noch einige Baustellen. Ein Teil der Spieler hatte noch Trainingsrückstand, andere wirkten überspielt. Zum ersten Spiel hin war der FCZ dann aber parat. „Die grosse Kulisse beim Kantonsderby gegen Winterthur war ein starkes Zeichen der Fans“, sagt FCZ-Trainer Uli Forte heute, 10 Monate später, wo der Aufstieg Tatsache ist. Von Mitte Juli bis Mitte November spielte die Mannschaft stark auf. Im Winter war es dann umgekehrt. In den letzten Testspielen vor Rückrundenstart gegen Dinamo Bukarest und St.Gallen glänzte das Team mit spielerischer Qualität und hohem Rhythmus. Beim Rückrundenauftakt in Genf fehlte dann aber plötzlich die Zielstrebigkeit und der letzte Biss.  Dies zog sich durch den ganzen Frühling hindurch. Zwar gab es seit der Winterpause auch etwas bessere Partien – im grossen Ganzen erinnerten viele Auftritte hingegen eher an schlechtere Saisonphasen der letzten Jahre in der Super League.

Trotzdem hat der FCZ bereits nach 33 von 36 Runden 79 Punkte gesammelt und nur zwei Partien verloren. Nach dem Abstieg aus der Super League den direkten Wiederaufstieg zu schaffen, ist sportlich durchaus vergleichbar mit dem Gewinn eines Cuptitels. Seit der Abschaffung der Barrage ist der FCZ die erste Mannschaft, welcher dies gelungen ist! Servette (5.), Lausanne (6.) und Aarau (4.) landeten nach ihrem Abstieg alle im Challenge League-Mittelfeld. Dass umgekehrt die Challenge League in ihrer aktuellen Form sehr kompetitiv ist, zeigt sich unter anderem daran, dass die letzten 10 Aufsteiger in ihrem ersten Super League-Jahr allesamt en suite den Klassenerhalt geschafft haben! Der letzte Aufsteiger, welcher gleich darauf wieder abstieg, war der von Pierre Littbarski trainierte FC Vaduz in der Saison 2008/2009.

Wer aufsteigt, bleibt im Normalfall also erst mal oben, und wer absteigt bleibt erst mal unten. Über die letzten 14 Saisons betrachtet sind nur vier der 18 Absteiger direkt wieder aufgestiegen. Zuerst Neuchâtel Xamax 2006/2007 mit Trainer Gérard Castella und Spielern wie dem jungen Raphaël Nuzzolo, Pascal Zuberbühler und dem Challenge League-„Knipser“ par excellence Moreno Merenda. Merenda war dann zwei Jahre später auch Teil der erfolgreichen Mission „Wiederaufstieg“ des FC St.Gallen unter Trainer Uli Forte. Sowohl Xamax, als auch St.Gallen zogen in ihrer Challenge League-Saison in ein neues Stadion ein. Forte blieb in St.Gallen zweieinhalb Jahre im Amt, bis im Verlauf der nächsten Abstiegssaison Jeff Saibene das Szepter von ihm übernahm. Dieser realisierte in der darauffolgenden Saison den dritten sofortigen Wiederaufstieg der Challenge League-Geschichte. Castella, Saibene und zwei Mal Forte habe dieses Kunststück also vollbracht.

super-league-absteiger-punkte-pro-spiel(Es fehlen in der Darstellung die Super League-Absteiger, welche Konkurs gegangen sind: Servette 05/06, Xamax 12/13)

Bis dato (*33. Spieltag) hat der FC Zürich in der aktuellen Saison 2,39 Punkte pro Spiel geholt. Das ist der zweitbeste Wert aller Absteiger der letzten 14 Jahre. Nur Uli Fortes St.Galler der Saison 08/09 hatten mit 2,6 Punkten einen noch besseren Schnitt. Damals wurde allerdings noch in einer 16-er Liga gespielt. Lugano war der einzige ernsthafte Konkurrent, gegen welchen in der ganzen Saison ganze zwei Partien ausgetragen wurden. Die Mehrheit der Konkurrenten wie Gossau, Locarno, Stade Nyonnais oder La Chaux-de-Fonds war deutlich unterlegen. Einen weiteren Unterschied zu damals sieht Trainer Forte in der Zusammenstellung der Mannschaft. St.Gallen hatte bereits ein kämpferisch starkes Team, welches von der Spielweise her gut in die Challenge League passte. Der FCZ habe hingegen immer zu den technisch stärksten Mannschaften der Super League gehört, und brauchte im letzten Sommer daher dringend als Ergänzung kampfstarke Spieler wie Winter, Voser oder Cavusevic.

 

Nur der jüngste und älteste Feldspieler erreichten Normalform: FCZ – Servette Spielbericht und Highlights

Der FCZ zeigt gegen ein ebenfalls seit einigen Partien nicht mehr überzeugendes Servette eine seiner schlechtesten Saisonleistungen und war am Ende mit dem Unentschieden noch gut bedient, auch wenn das Schussverhältnis 21:9 lautete. 15 Zürcher Abschlüsse gingen nebens Tor, meist deutlich. In allen Linien fehlte die Präzision. Normalform erreichten nur der 18-jährige Kevin Rüegg und der 35-jährige Alain Nef. Es schien von aussen betrachtet von der ersten Minute an der Esprit und Siegeswille zu fehlen. Von innen betrachtet wurde fehlende mentale Frische oder Übermotivation als Gründe ausgemacht.

Die im Vergleich zum Winterthur-Spiel neu in der Startformation stehenden Dwamena, Schönbächler, Kukeli und Bangura brachten alles andere als frischen Wind. Dwamena arbeitete defensiv zu wenig mit und agierte unkonzentriert im Abschluss, Schönbächler hat auch auf Challenge League-Niveau in den Zweikämpfen keine Chance, Kukeli fiel gegenüber seinem Nebenmann Rüegg klar ab, und für Bangura gilt das gleiche wie bei Schönbächler – was für einen Innenverteidiger besonders schlecht ist.

Einige FCZ-ler werden am Donnerstagabend im LIPO Park vor Ort sein. Beim aktuellen Formstand wird die Partie Schaffhausen – Xamax mit ziemlicher Sicherheit ein Spiel auf deutlich höherem Niveau werden, als FCZ – Servette. Und Schaffhausen ist ein Heimsieg zuzutrauen, welcher die definitive Entscheidung im Aufstiegskampf bringen würde. Dies hätte angesichts des Auftrittes gegen Servette für den FCZ durchaus auch Vorteile im Hinblick auf das Heimspiel gegen Wil am Samstag. So oder so: wann und wo der Aufstieg klar gemacht wird, spielt keine Rolle. Hauptsache, es klappt. Jede Saison hat ihre eigene Geschichte und die Saison 2016/2017 war aus Sicht der FCZ-Afficionados und -Beobachter in jedem Fall eine ausgesprochen erinnerungswürdige.

https://soundcloud.com/fcz-radio/fcz-servette-11-highlights

FCZ – Servette 1:1 (0:0)

Tore: 53. Nsamé (Pont) 0:1. 69. Koné (Penalty, Dwamena) 1:1.

FCZ: Vanins; Brunner, Nef, Bangura, Stettler; Rodriguez (61. Winter), Rüegg, Kukeli, Schönbächler (83. Rohner); Buff (55. Koné), Dwamena.

Servette: Frick; Sauthier, Mfuyi, Pont, Faug-Porret; Fabry, Cespedes; Vitkieviez (73. Fargues), Alphonse (84. Caslei), Delley (73. Le Pogam); Nsamé.

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Mehr Sport als Aggression: Winterthur – FCZ Highlights und Nachbetrachtung

„Mehr Aggression als Sport“ betitelte „Tele Züri“ im Nachgang zum Kantonsderby einen seiner Beiträge. Wie üblich schwingen in den Redaktionsstuben diejenigen das Szepter, die gar nicht vor Ort waren. Denn wer dabei war, wird bestätigen: es war deutlich mehr Sport als Aggression zu sehen, und dazu eine wie schon im Dezember an gleicher Stätte geradezu exemplarisch positive Atmosphäre. Damit ist nicht ein „egal wer das Tor schiesst, wir hüpfen und jubeln alle auf Kommando dumm herum“-Ding wie aus den Werbespots einer international viel zu bekannten Biermarke gemeint. Im Gegenteil: es wurde klar Position bezogen. Es gab in den neutralen Sektoren auf der Gegentribüne und der Haupttribüne so viele Zuschauer mit blau-weissem oder rot-weissem Schal, Foular oder Trikot wie sonst nie. Weil das bei einer Partie FCW gegen FCZ eben möglich ist.

Die Konkurrenz und Rivalität war zu spüren, dies aber immer im Sinn des klassisch englischen Sportsmanship. Nach dem Spiel war der Vorplatz vor der Libero-Bar noch lange komplett voll. Es schien etwas vom Geist der miteinander gut bekannten Vereinsgründer der im Jahre 1896 mit nur wenigen Wochen Abstand aus der Taufe gehobenen Klubs in der Luft zu liegen. In einem Mainstream-Medium würde es nun heissen: „Zürcher und Winterthurer feierten gemeinsam“. Nein, taten sie nicht. Friedlich Seite an Seite wurde in angeregten Diskussionen der Match verarbeitet, verdaut und runtergespült. Aber feiern? Der FCW hatte 0:3 verloren. Und die FCZ-Fans werden auch erst feiern, wenn der Aufstieg definitiv feststeht.

Ausgelassener war die Stimmung nach dem wichtigen Sieg in der FCZ-Kabine. Irgendwann fuhr der FCZ-Mannschaftsbus mit einem Hupkonzert an der johlenden Menge vorbei, aus der bunt gemischt wahlweise Zeigefinger oder Mittelfinger in die Höhe gestreckt wurden. Während dem Spiel hatte mit Hilfe der Verantwortung übernehmenden gemischten Fans auf der Gegentribüne ein Böllerwerfer sofort dingfest gemacht werden können. Auch dies ein aussergewöhnlicher Vorgang in einem Schweizer Stadion, und Ausdruck des guten Vibes auf den Rängen. Der Böller war auf dem Spielfeld in der Mitte zwischen Raphael Dwamena und Patrik Schuler explodiert. Während der Ghanaer kaum mit der Wimper zuckte, sank Schuler zu Boden. Nach der Partie räumte er im Interview mit Züri Live ein: „es war der Schock“. Nach dem dritten Zürcher Tor wurde ein  Böller aus der FCZ-Kurve Richtung feiernde FCZ-Spieler geworfen. Dieser explodierte in der Nähe von Antonio Marchesano, der sich kurz das Ohr hielt, und dann weiter jubelte. Ein 10-jähriger Junge auf der Tribüne reagierte trotz grösserer Distanz zum Geschehen stärker auf den Knall. Dass dann Tages-Anzeiger und Tele Züri aus dieser Reaktion heraus anschliessend die Mär konstruierten, es sei ein Böller auf die Tribüne geworfen worden, ist wieder eine andere Geschichte.

Von den anschliessenden Scharmützeln am Bahnhof haben die meisten Matchbesucher nichts mitbekommen. In letzter Zeit haben gerade aus dem Schaffhauser Umfeld rund um Challenge League-Spiele „Mutproben“ in Form von Provokationen kleiner Fangrüppchen gegen eine zahlenmässig überlegene gegnerische Fanschar zugenommen. Je grösser dabei der Schutz durch das dazwischenstehende Polizeiaufgebot, desto frecher und aggressiver treten die „Kleinen“ dabei auf. Nach dem Herblinger Park-Eröffnungsspiel Schaffhausen – Winterthurer folgten zwei vermummte „Schaffhauser“ den gegnerischen Fans bis auf den Bahnsteig, provozierten diese und wurden daraufhin von rund 30 gewaltbereiten Winterthurern gejagt. Vor Wochenfrist nach dem Spiel Schaffhausen – Aarau waren die mitgereisten Aarauer von einem grossen Polizeiaufgebot abgeschirmt und auf der anderen Seite die zu Provokationen aufgelegten Schaffhauser noch weit zahlreicher als noch gegen Winterthur. Auch am Match Winterthur – FCZ soll der Böllerwerfer von der Gegentribüne ein Schaffhauser gewesen sein. Wie man allerdings in Friedenszeiten auf die Idee kommen kann, aus 10 Metern Höhe ein Metallteil auf eine Gruppe auf den Zug wartender Fussballfans zu werfen, ist erbärmlich, feige, nicht nachvollziehbar, und hat auch mit einer Mutprobe nichts mehr zu tun. Der 27-jährige schwer verletzte FCZ-Fan hat auf jeden Fall unsere volle moralische Unterstützung!

Zum Spiel: der FCZ setzte Winterthur von Beginn weg unter Druck. Das Pressing funktionierte mit dem gut antizipierenden Oli Buff hinter Moussa Koné besser und geordneter als zuletzt mit dem Zweimannsturm Dwamena/Koné. So konnte nach einem Ballgewinn von Stettler und Marchesano und dem Pass Buffs in die Tiefe Koné früh das wichtige 1:0 erzielen. Kevin Rüegg zeigte erneut eine gute Leistung und Antonio Marchesano war erstmals auch defensiv ein einigermassen solider Wert. Die in der Matchvorschau angesprochenen vier Offensivwaffen des FC Winterthur griffen diesmal nicht.

Erstmals seit zwei Monaten erzielte Winti kein Tor. Dies hatte auch damit zu tun, dass der FCZ kaum gegnerische Standards in Strafraumnähe zuliess und Gianluca Frontino nicht seinen besten Tag erwischte. Die Offensivwaffe N. 1 kam aber trotzdem zum Zug – Silvio setzte allerdings nach dem langen Ball hinter die Abwehr von Kamber aus der „Roth-Position“ kurz nach dem Zürcher 0:2 den Ball alleine vor Andris Vanins knapp vorbei. Auch Manuel Sutter konnte nach Doppelpass mit Frontino am Strafraum von einer Unaufmerksamkeit Cédric Brunners nicht profitieren. Nach der verletzungsbedingten Auswechslung Brunners in der 73. Minute stellte Trainer Uli Forte auf Dreierabwehr mit Winter und Stettler als Aussenläufer um.

Winterthur – FCZ 0:3 (0:1)

Tore: 2. Koné (Buff) 0:1; 58. Buff (Marchesano) 0:2, 90.+1 Dwamena (Rodriguez) 0:3.

Winterthur: Minder; Schuler, Katz, Schättin; Di Gregorio (46. Sutter), Ljubicic (82. Hebib), Radice; Kamber, Gazzetta (60. Sliskovic); Frontino, Silvio.

FCZ: Vanins; Brunner (73. Bangura), Nef, Kecojevic, Stettler; Winter, Rüegg, Marchesano, Rodriguez; Buff (69. Dwamena), Koné (77. Schönbächler).

 

 

Interviews mit Oliver Buff, Marco Schönbächler und Patrik Schuler

Oli Buff sieht im Live-Interview nach der Partie die Differenz im Kantonsderby in der individuellen Klasse auf den letzten 30 Metern und bestätigt, dass seit letztem Dezember keine Vertragsgespräche mit dem FCZ mehr stattgefunden hätten. Es sieht also stark nach einem Ende seiner FCZ-Zeit aus (12 Jahre, die Hälfte seines Lebens). Buff wirkt traurig, aber keineswegs verbittert. „Wenn ich gehe, dann will ich dies erhobenen Hauptes tun. Die Scharte des Abstieges persönlich mitzuhelfen auszumerzen, ist mir sehr wichtig. Wichtig ist der Verein und der Aufstieg. Die Frage, ob ich bleibe oder nicht, ist im Vergleich dazu eine kleine Sache“. Der Zürcher äusserst sich zudem lobend über das Team und die sportlichen Verantwortlichen: „Der Trainer hat mir das Vertrauen gegeben auf der Position, auf der ich schon immer gerne spielen wollte. Es ist eine Super-Truppe, hervorragend zusammengestellt, es passt einfach dieses Jahr. Falls ich im Sommer gehe, wünsche ich der Mannschaft viel Erfolg in der kommenden Saison (hoffentlich) in der Super League.“

https://soundcloud.com/fcz-radio/buff-wichtig-ist-mir-der-verein-und-der-aufstieg

Der von einer Verletzung für den jungen Julian Roth ins Team zurückgekehrte Winterthurer Captain Patrik Schuler gibt nach dem Spiel Entwarnung. Ein von der gemischt besetzten Gegentribüne geworfener Böller war neben Schuler und Raphael Dwamena explodiert. Der Winterthurer hielt sich das Ohr und ging zu Boden: „Alles gut. Es war der Schock“, gibt dieser nach dem Spiel auf Züri Live Entwarnung. Er habe keine Beschwerden. Zum Spiel meint das 27-jährige Winterthurer „Urgestein“: „Kämpferisch und vom Auftritt her können wir uns nicht viel vorwerfen. Mit mehr Effizienz wäre für uns heute mehr dringelegen. Ausserdem waren wir in den ersten zehn Minuten nicht parat. Das ist schade.“

https://soundcloud.com/fcz-radio/schuler-es-war-zum-gluck-nur-der-schock

Flügelspieler Marco Schönbächler sah den FCZ als das effizientere Team. Die Leistung von Winterthur sei gut gewesen. Natürlich hätte er lieber von Anfang an gespielt, sagt „Schönbi“ auf Nachfrage von Toni Gassmann (Züri Live), „aber der Trainer hat so entschieden“. Für die kommende Woche weicht der 27-jährige ebenfalls nicht vom üblichen Profisportlerjargon ab: „Wir müssen auf uns schauen, egal was Xamax macht. Wir müssen gewinnen. Erst wenn der Aufstieg auch wirklich Tatsache ist, können wir feiern.“

https://soundcloud.com/fcz-radio/schonbachler-wir-schauen-nur-auf-uns

 

Die vier Offensivwaffen des FC Winterthur – Kantonsderby in der Züri Live-Vorschau

19 Grad und leicht bewölkt soll es am Matchtag um 17:45 beim Anpfiff zum Kantonsderby durch Schiedsrichter Sandro Schärer auf der Schützenwiese sein. Von Nebel ist in der Wettervorhersage nicht die Rede. Der Match wirft trotzdem seine Schatten voraus. Nach vier Siegen und sechs ungeschlagenen Challenge League-Begegnungen in Folge zeigte Winterthur am letzten Sonntag beim 1:2 in Wohlen erstmals wieder eine eher mässige Leistung.

Viele sagen: angesichts des gesicherten Ligaerhaltes war der Kopf bereits beim letzten echten Highlight der Saison – dem Heimspiel gegen den FCZ. Mehr als 8‘000 Tickets sind bereits abgesetzt – es wird erneut ein ausverkauftes Haus erwartet. Und wie im Dezember wird wohl etwa die Hälfte der Zuschauer aus FCZ-Anhängern bestehen. Die Vorfreude und die Anspannung sei auch in der Mannschaft zu spüren, sagt am Vortag FCZ-Trainer Uli Forte an der gut besuchten Pressekonferenz.

Auch die nahende Meisterschaftsentscheidung spielt dabei natürlich eine Rolle. Aufgrund der klar besseren Tordifferenz als Xamax sollten zwei Siege im Normalfall für den Aufstieg reichen: „den ersten dieser beiden Siege wollen wir in Winterthur holen“, lässt Forte keine Zweifel über das einzige Ziel für Samstag. Gewinnt der FCZ in den kommenden drei Partien der Englischen Woche (in Winterthur, plus die Heimspiele gegen Servette und Wil) mindestens sieben Punkte, dann wäre der sofortige Wiederaufstieg schon in einer Woche sicher perfekt.

Wenig überraschend erwartet Forte in Winterthur aber „ein enges Spiel, wie schon im Dezember, als wir erst kurz vor Schluss die Entscheidung herbeiführen konnten“. Die Zielsetzung ist dieselbe, wie gegen Le Mont, nicht aber die Erwartungshaltung und die Tonalität. Denn damals forderte der Zürcher die drei Punkte ultimativ „ohne wenn und aber“.

Winterthur hat in den letzten sieben Partien immer getroffen und dabei im Schnitt pro Partie fast 2,5 Tore erzielt. Dies vor allem auch dank eingeübter Spielzüge, die immer wieder praktisch identisch umgesetzt werden. Züri Live beschreibt die aktuell vier gefährlichsten Offensivwaffen Winterthurs.

Offensivwaffe Nr. 1: Bei hoch stehenden Gegnern spielt der halbrechte Verteidiger Julian Roth gerne aus der Hüfte heraus einen hohen Ball gerade oder leicht zur Mitte gezogen auf Radice oder Silvio hinter die Abwehr – erstmals erfolgreich angewandt beim 1:2-Anschlusstreffer im Cup-Viertelfinal bei YB. Gegenstrategie: Roth darf in der Nähe der Mittellinie kein Raum und Zeit gegeben werden, um seinen langen Ball zu spielen.

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Offensivwaffe Nr. 2: Ebenfalls bei relativ hoch stehender Abwehr – Gianluca Frontino (oder Karim Gazzetta) löst sich vom Bewacher und bietet sich zwischen den Linien an, leitet den Ball dann schnell direkt weiter in die Tiefe für den lauernden Silvio. Gegenstrategie: Bewegt sich Frontino zwischen die Linien müssen die Alarmglocken läuten, und einer der Innenverteidiger ihm sehr eng auf den Fersen bleiben.

offensivwaffe-2-winterthur-rueckrunde-1617Offensivwaffe Nr. 3: Die linke Seite mit dem schnellen, zielstrebigen und spielerisch starken Luca Radice ist die offensiv gefährliche Seite der Winterthurer, gerade auch beim Umschaltspiel – auch weil der halblinke Verteidiger Tobias Schättin sich in der Regel drei bis vier Mal pro Spiel effektiv in den Angriff einschaltet. Der schnelle Ball Schättins an den nahen Pfosten auf Manuel Sutter hat beim 2:2-Ausgleich bei YB gut funktioniert – darum haben die beiden den Spielzug beim 2:1-Führungstreffer im Letzigrund gegen den FCZ vor zwei Monaten gleich nochmal identisch wiederholt. Gegenstrategie: Vorbereitet darauf sein, dass Winterthur über ihre linke Seite gerne Überzahlsituationen schafft. Vor allem darf sich der Rechte Aussenverteidiger nicht so herauslocken lassen, wie dies Voser in der abgebildeten Szene passiert ist.

offensivwaffe-3-wintrthur-rueckrunde-1617Offensivwaffe Nr. 4: Gianluca Frontino war in den letzten Wochen der effektivste Standardspezialist der Liga. Bei Eckbällen suchte er zuletzt immer den Kopf von Mittelfeldspieler Robin Kamber (1,87m). In Aarau spielte Frontino Anfang April den Ball von der rechten Seite zwei Mal identisch auf Kamber – beim ersten Mal konnte Torhüter Pelloni noch parieren – der zweite Kopfball sass. Nur drei Wochen später probierten es die beiden gegen den gleichen Gegner auf der Schützenwiese in der Anfangsphase zum dritten Mal – zum zweiten Mal mit Erfolg. Gegenstrategie: Frontinos Bälle sind mit Raumdeckung nicht einfach zu kalkulieren. Deshalb sollte sich ein hartnäckiger Manndecker auf Kamber fokussieren.

offensivwaffe-4-winterthur-1617-rueckrundeIm Tor steht bei Winterthur der im Sommer zu YB zurückkehrende David Von Ballmoos, welcher sich auf seinem Status als designierter Mvogo-Nachfolger etwas auszuruhen scheint, und in der aktuellen Saison eher Rückschritte gemacht hat. Unter anderem hat der Emmentaler vor zwei Monaten im Letzigrund dem FCZ den 2:2-Ausgleich geschenkt. Die Dreierabwehr mit Roth, Katz und Schättin ist offensiv überdurchschnittlich potent, nach hinten aber auch fehleranfällig und nicht besonders zweikampfstark. Der Sechser Kreso Ljubicic spielt eine durchschnittliche Saison. Der aus dem Servette-Nachwuchs stammende Karim Gazzetta hat zuletzt grosse Fortschritte gemacht und ist ein agiles und beachtenswertes Element im Winterthurer Mittelfeld.

Der aus dem FCB-Nachwuchs stammende Robin Kamber stand sich in seiner noch jungen, aber bereits wechselvollen Karriere bisher meist selbst im Weg. Talent wäre zweifellos vorhanden. Seine grösste Stärke ist der Abschluss mit beiden Füssen und seit neuestem auch per Kopf. So effizient wie aktuell unter Romano/Zuffi war der 21-jährige bisher noch nie in seiner Karriere. Auf der linken Aussenbahn findet der Winterthurer Luca Radice bei seinem Stammklub zur Zeit wieder zu alter Stärke und war vor zwei Monaten auch für die Winterthurer Führung im Letzigrund verantwortlich. Der aus dem FCZ-Nachwuchs stammende Leandro Di Gregorio zeigt auf der rechten Seite hingegen wechselhafte Leistungen. Er kämpft um seine Zukunft als Profi.

Der von Schaffhausen gekommene Gianluca Frontino wird in Winterthur wieder auf seiner Paradeposition als hängende Spitze eingesetzt und dankt es mit vielen Torbeteiligungen. Er ist das Winterthurer Pendant zu Oliver Buff oder Antonio Marchesano beim FCZ, gehört sicherlich nicht zu den schnellsten Offensivkräften der Liga, kann aber jederzeit für die Differenz sorgen.  Der ehemalige FCZ-Stürmer Silvio ist aktuell in Form und hat in den letzten fünf Partien sechs Tore und ein Assist beigesteuert. Im Dezember auf der Schützenwiese bekam ihn Umaru Bangura nicht in den Griff. Der FCZ konnte das Spiel nur gewinnen, weil Alain Nef die Manndeckung Silvios übernahm.

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Der FCZ bereitete sich im Freitagstraining mit Videostudium und anschliessend auf dem Platz spezifisch auf den FCW und dessen Spielsystem vor. Wer einen roten Überzieher anhatte, spielte einen Winterthurer. Die Rollen wurden mehrmals gewechselt, so dass dies jeder mal tun musste. Der Fokus lag dabei für die blauen „Zürcher“ auf der Offensive, aber es wurden auch einzelne defensive Aspekte von Trainer Uli Forte angesprochen.

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Michael Kempter und Andris Vanins sind wieder im Training dabei, beide sind aber noch fraglich für den Samstag. Ist Vanins bereit, dann steht er auf der Schützenwiese auch wieder im Tor. Kevin Rüegg wird nach seinen zuletzt starken Leistungen wohl ziemlich sicher erneut in der Startformation stehen – möglicherweise neben Antonio Marchesano, der sich zuletzt bei seinen Teileinsätzen ebenfalls empfehlen konnte. Eventuell kehrt Oliver Buff in die Startformation zurück. Der viel beanspruchte Raphael Dwamena könnte vor den zwei kapitalen Heimspielen nächste Woche gegen Servette und Wil auf der Schützenwiese von der Bank kommen. Roberto Rodriguez ist nach seiner Sperre zurück. Nicolas Stettler spielte zuletzt solide und wird wohl selbst dann auf der linken Seite auflaufen, wenn Kempter wieder fit  sein sollte.

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Le Mont bis zum 2:0 mit bewundernswerter Leistung

Der FC Le Mont wurde bei seinem zweiten und vorläufig letzten Auftritt im Letzigrund angesichts der turbulenten Woche mit einer für die Profis schwierig zu verdauenden plötzlichen Kehrtwende ihres Präsidenten Serge Duperret in der Lizenzfrage von den Trainern John Dragani und Claude Gross hervorragend auf die Partie eingestellt. Bis zum 2:0 von Raphael Dwamena in der 58. Minute rannten, spielten und verteidigten die Waadtländer diszipliniert auf hohem Niveau. Es wurde ein Abnützungskampf, in welchem sich der FCZ trotz klarer Leistungssteigerung im Vergleich zum Aarau-Spiel sich jede Torchance lange und hart erarbeiten musste.

Der von Dzengis Cavusevic gut per Kopf aufgelegte zweite Treffer liess dann die Dämme beim Gegner etwas brechen – die schnellen Schönbächler, Koné und Rohner kamen nun zum Zug, und konnten die offensivere Ausrichtung des Gegners zu drei weiteren drei Toren nutzen – auch weil man konsequent nachsetzte und den Gegner nicht zum Verschnaufen kommen liess. In den letzten fünf Minuten liess das Letzigrund-Team dann doch noch etwas nach, was der eine Minute vor Schluss eingewechselte Patrick Bengondo nach einem von Torhüter Brecher etwas zu stark nach vorne abgewehrten Abschluss Cabrals per Kopf noch zum Ehrentreffer nutzte. Das einzige Tor der 1. Halbzeit hatte in der 15. Minute Cédric Brunner mit seinem ersten Meisterschafts- und Kopfballtor nach einer Freistossflanke Marchesanos erzielt, nachdem Kopfballspezialist Alain Nef mit seinem Lauf an den nahen Pfosten die Le Mont-Abwehr düpiert hatte.

FCZ – Le Mont 5:1 (1:0)

Tore: 15. Brunner (Marchesano) 1:0; 58. Dwamena (Cavusevic) 2:0, 61. Dwamena (Schönbächler) 3:0, 83. Schönbächler (Koné) 4:0, 85. Koné (Schönbächler) 5:0, 90. Bengondo (Cabral) 5:1.

FCZ: Brecher; Brunner, Nef, Bangura, Stettler; Winter, Rüegg (84. Rohner), Marchesano, Schönbächler; Cavusevic (74. Buff), Dwamena (67. Koné).

Le Mont: Favre; Epitaux, Tall, Rogulj, Marazzi; Krasniqi (71. Titié), Ndzomo, Cabral, Kilezi (62. Mobulu); Sessolo; Cortelezzi (89. Bengondo).

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