Autor: Lukas Stocker
FC Zürich – Sion 2:3
Überwältigendes Votum für Steven Zuber – Resultate der Züri Live-Leserumfrage zum Saisonstart
Die Resultate der Züri Live-Leserumfrage zum Saisonstart 25/26 sind da! Diese Umfrage wurde mit zahlreichen Rückmeldungen nach zwei Jahren zum zweiten Mal durchgeführt.
Top-Derbybilanz als grösstes Highlight – mit der Unterstützung der Fans
Diesmal waren die Züri Live-Leser vor allem begeistert von der Top-Derby-Bilanz unter Trainer Ricardo Moniz – mit vier Siegen und einem Unentschieden. Dieses Highlight wird genauso häufig hervorgehoben wie die Unterstützung der Fans, die bei den Highlights in solchen Umfragen immer weit vorne liegt. Die Europacup-Reisen waren hingegen ein weniger grosses Highlight wie bei der Umfrage vor zwei Jahren – klar, man hat diesmal mit Irland und Portugal „nur“ zwei Länder mit FCZ-Support beehrt – und keine Gruppenphase erreicht. 22/23 gab es Reisen bis über den Polarkreis und eine FCZ-Armada in den Strassen von London. Die zunehmende Bedeutung der Frauen-Equipe in den Erwägungen wird illustriert dadurch, dass der Cupsieg des Teams von Renato Gligoroski im Letzigrund gegen den FC Basel (1:0, Tor: Chiara Bücher) von 30% als eines der klaren Highlights der letzten Saison angesehen wird – bei der Züri Live-Umfrage zur Saison 22/23 waren es noch rund 23%, die notabene den Meistertitel der Frauen als Highlight der Saison einstuften.

Vor zwei Jahren wurde der 1:2-Anschlusstreffer von Roko Simic (aktuell Karlsruher SC) in Luzern am 21. Januar 2023 knapp vor dem Débuttor von Juni Ligue gegen Servette von den Züri Live-Lesern zum Tor der Saison gewählt. Auch diesmal obsiegt wieder ein Tor gegen den FC Luzern – diesmal ist es der trockene Abschluss von Samuel Ballet in die lange Ecke nach einem Tunnel von FCL-Linksverteidiger Andrejs Ciganiks im Letzigrund. Es war aber eine enge Entscheidung, denn die Traumkombination in Sion mit Abschluss Perea, der Bilderbuchkonter in Basel mit erfolgreichem Schlenzer Chouiars und der Weitschussaufsetzer im Derby mit dem schwächeren Linken Fuss Kamberis erzielten fast gleich viele Stimmen.

Steven Zuber: 63,3%!
Die Benotung der Vereinsführung liegt wie zu erwarten war im durchschnittlichen Bereich, wobei sich die Voten für eine gute „6“ und eine ungenügende „4“ etwa die Waage halten. Auch bezüglich Sportchef Malenovic gibt es zwei Lager, wobei in diesem Fall das Negativlager etwas grösser ist als bezüglich Ancillo und Heliane Canepa. Am besten schneidet Trainer Ricardo Moniz ab mit der grössten Anzahl Voten für eine Note „7“. Extreme Noten an beiden Enden der Skala wurden für Moniz praktisch keine vergeben.

Als besten Spieler der Saison 22/23 wählten die Züri Live-Leser mit 29% der Stimmen in dessen letzter Saison Blerim Dzemaili vor Aiyegun Tosin mit 24,2% und Captain Yanick Brecher mit 16,1% der Stimmen zum besten Spieler der Saison. Diesmal gibt es ein überwältigendes Ergebnis von 63,3% für Steven Zuber. Dies nur einige Monate nach dem unfreundlichen Empfang durch einen Teil der Fans. An zweiter und dritter Stelle folgen mit grossem Abstand Newcomer Jahnoah Markelo und der junge Stammspieler Junior Ligue – in einer Saison in welcher letzterer auf vielen verschiedenen Positionen eingesetzt worden war.

Mir händ meh vergässe als anderi je erläbed
2023 stand auch die Frage nach der besten Choreographie im Zeichen von Blerim Dzemaili. 17’700 Zuschauer sahen im Letzigrund gegen Lugano dessen Abschied von der Fussballbühne und auch die Choreographie zu seinen Ehren. Auch diesmal waren die Verabschiedungschoreos für Antonio Marchesano und Mirlind Kryeziu beliebt. Die Nummer Eins ist allerdings diesmal „Mir händ meh vergässe als anderi erläbed“ vom Auswärts-Derby am 30. März 2025.


Geringe Meisterhoffnung
Die Meisterschaft wird 24/25 zu einem klaren Zweikampf zwischen dem amtierenden Meister FCB und dem davor über mehrere Jahre weitgehend die Vorherrschaft innehabenden YB. 83,5% geben entweder dem einen oder anderen Team ihre Stimme, mit leichten Vorteilen für Basel. Dem FC Zürich trauen 8,7% den Schweizer Meistertitel zu. Danach folgt Lugano. Servette, GC, Winterthur, Lausanne-Sport und Luzern wurden von Einzelnen als Tipp für den Meistertitel ebenfalls noch erwähnt.

In Sachen Schlussrangierung sind die Züri Live-Leser optimistischer als vor zwei Jahren. Damals des FC Zürich hatte Rang 6 am meisten Stimmen erhalten. Diesmal gehen je mehr als 20% von einem 4. oder 5. Platz aus. Die Schlussrangierung der Vorsaison war ja auch etwas besser als vor zwei Jahren gewesen. Interessanterweise sieht von 255 Einreichungen des Fragebogens niemand (!) den FC Zürich auf dem 2. Platz. Meister und die letzten drei Plätze werden ebenfalls als ziemlich unwahrscheinlich angesehen. Fragen stellen sich dann aber bei den doch immerhin etwa 5% der Teilnehmenden, die den FCZ in der Meisterfrage auf dem 1. Platz getippt haben, bei der Rangierung dann aber nicht.

Markelo, Tsawa plus zwei Transfers
Vor der Saison 23/24 setzten am meisten Züri Live-Leser ihre Hoffnungen auf Donis Avdijaj, knapp vor Bledian Krasniqi und Calixte „Junior“ Ligue. Dieses Trio lag deutlich vor allen anderen genannten Kandidaten. Diesmal rechnet man vor allem damit, dass Jahnoah Markelo und Cheveyo Tsawa (weiter) „explodieren* werden. Dahinter folgen Reverson, Emmanuel und erneut Krasniqi.

Der Wunsch nach zusätzlichen Transfers ist gross. Einen Stürmer und einen Verteidiger wünscht sich die Mehrheit der Züri Live-Leser.

Das schöne Oberland lockt
In Sachen Auswärtsreisen freuen sich die FCZ-Anhänger wie schon vor zwei Jahren am meisten auf die neue Destination des Aufsteigers (diesmal Thun), dazu Basel, Winterthur und St. Gallen. Genf und Lausanne wecken als Auswärtsdestinationen am wenigsten Begeisterung.

Die Einschätzung der Ticket- und Abopreise im Letzigrund bleibt im Vergleich zu vor zwei Jahren weitgehend unverändert: eine Mehrheit findet sie weiterhin okay, annahernd 30% empfinden sie hingegen „an der oberen Grenze“. Zu teuer sind sie für 8,6% der Abstimmenden.

Stadion wird bis zum 200 Jahr-Jubiläum des FC Zürich eröffnet
In Bezug auf die Realisierung des neuen Fussballstadions in Zürich sind die Züri Live-Leser in den letzten zwei Jahren skeptischer geworden. Mittlerweile rechnet fast die Hälfte der Abstimmenden damit, dass das Stadion nie oder zumindest nicht zu ihren Lebzeiten stehen wird. Dass es bis ins Jahr 2032 eröffnet wird, glaubt nur noch ein Viertel.

Aufstrebende Eigengewächse zum Auftakt auf beiden Seiten / FCZ – Sion Vorschau mit möglichen taktischen Formationen
Zwei Tage nach dem EM-Halbfinal im Letzigrund zwischen Spanien und Deutschland startet der FCZ zu Hause gegen den FC Sion in die Saison 25/26. In der letzten Saison haben die meisten Spieler unter Coach Ricardo Moniz einen Schritt nach vorne gemacht. Bledian Krasniqi entwickelt sich immer mehr zum Leistungsträger, hat so viel gespielt und so viele Skorerpunkte erzielt wie noch nie – und kam zu seinem Début in der Kosovarischen Nationalmannschaft. Nikola Katic konnte sich im Bosnischen Nationalteam etablieren. Daniel Denoon und JP Gbamin gelang der Wechsel in eine Top-Liga.
Positive Entwicklung vieler FCZ-Spieler unter Ricardo Moniz
Mariano Gomez entwickelte sich zu einem umsichtigen Abwehrchef. Der aus dem Kreis 11 stammende Junior Ligue hatte als 19-jähriger am fünftmeisten Spielminuten des ganzen Kaders. Mounir Chouiar, JP Gbamin und Juan José Perea konnten sich nach komplizierten Zeiten anderswo nun beim FCZ wieder aufpäppeln. Lindrit Kamberi schoss als Rechtsverteidiger erneut vier Tore, davon ein Weitschusstreffer im Derby mit Links. Steven Zuber überzeugte von Anfang an, nachdem der ehemalige AEK-Meisterspieler nach einem Trainerwechsel in Athen nicht mehr wie gewohnt zum Zug gekommen war. Der zu Beginn der Saison 17-jährige Cheveyo Tsawa etablierte sich mehr und mehr als Stammspieler. Samuel Ballet weckte international Interesse.
Damienus Reverson lieferte in der wenigen Spielzeit sofort mit Toren ab. Sein vom Kroatischen Drittligisten Kustosija via Celje gekommener Landsmann Jahnoah Markelo entwickelte sich innerhalb einer Saison vom U21-Spieler zum wohl besten Rechten Flügel der Super League. Der zuvor lange stagnierende Miguel Reichmuth machte sich für die 1. Mannschaft interessant. Silvan Wallner hatte zum Saisonbeginn und vor seinem Wechsel nach Österreich die mit Abstand beste Phase seiner letztendlich relativ kurzen Karriere. Die jungen David Vujevic, Vincent Nvendo, Cosimo Fiorini, Neil Volken, Mohammad Mahmoud, Norbu Lhakpa und Parfait Coulibaly machten alle ihre ersten Schritte in der Super League und zeigten gute Ansätze. All dies bei gleichzeitig einem grossen Kaderumbruch und Umstellung des Spielsystems war eine Parforce-Leistung. Gegenbeispiele gab es nur wenige: Yanick Brecher spielte eine schlechtere Saison als 23/24, von Umeh Emmanuel wurde in seinem ersten FCZ-Jahr sicherlich eine etwas schnellere Entwicklung erwartet, Selmin Hodza stagnierte, die Linksverteidiger Doron Leidner und Benjamin Mendy enttäuschten.
Volken und Stork mit guten Einsatzchancen
Unter dem Strich waren die individuellen Entwicklungen der Spieler deutlich im Plus. Das ist die erfreuliche Basis des Teams, das gegen den FC Sion am Freitagabend die Super League-Saison 25/26 eröffnen darf. Bei den Neuverpflichtungen gibt es hingegen noch Fragezeichen. Der den Rhythmus eines Super League-Teams nicht gewohnte Ilan Sauter musste gleich in zwei Testspielen angeschlagen ausgewechselt werden. Nelson Palacio und Matthias Phaeton hatten noch kaum Zeit, sich in die Mannschaft einzufügen. Das Spielsystem 4-3-3 bleibt unter dem neuen Trainer Van der Gaag gleich. Genauso wie die letztjährigen offensiven und defensiven Rollen von für das Zürcher Spiel zentralen Akteuren wie Lindrit Kamberi, Bledian Krasniqi oder Steven Zuber. Van der Gaag hat aber von Anfang an auch seine Prägung als langjähriger Coach von portugiesischen Underdog-Teams betont. Tatsächlich macht unter ihm im Vergleich zum Vorgänger alles einen ruhigeren und ausgewogeneren Eindruck. Man geht im Pressing weniger Risiko. Und in den Testspielen hatte viel von Van der Gaags Coaching mit Absicherung zu tun. Von der guten Vorarbeit von Moniz kann Van der Gaag dabei profitieren und darauf aufbauen.
In der Sommervorbereitung wechselten sich gute und weniger gute Leistungen ab, wobei die Mannschaft von Mitchell van der Gaag gegen Gegner mit unterschiedlichem Niveau unterschiedliche Ergebnisse erzielte. (Messerscharfe Analyse der FCZ-Saisonvorbereitung auf fcsion.ch)
Zum Auftakt muss der FC Zürich auf die verletzten / angeschlagenen David Vujevic, Junior Ligue und Isaiah Okafor verzichten. Der beim letzten Testspiel in Ulm fehlende Jahnoah Markelo ist ein Fragezeichen. Für Ilan Sauter könnte allenfalls auch Gian Stork, der noch kein Wettbewerbsspiel für die U21 bestritten hat, zu seinem Super League-Début kommen. Er passt als Ergänzung besser zu Abwehrchef Gomez als der weniger schnelle letztjährige U21-Abwehrchef Ihendu. Der ebenfalls 18-jährige Neil Volken wird zudem vermutlich sein Startelf-Début feiern. Und auf welcher Position spielt Steven Zuber? In der Vorbereitung wurde er wie unter Ricardo Moniz vorwiegend auf der Doppel-Acht eingesetzt. Kann sich der FC Zürich in der gegnerischen Hälfte festsetzen, agiert Zuber dabei wie schon letzte Saison eher als der offensivere der beiden Achter, der sich zusammen mit Rechtsverteidiger Kamberi in die vordere Fünferkette bewegt, während der andere Achter dann in einem 3-2-5 eher zurückstaffelt. Beim letzten Test gegen den SSV Ulm begann Zuber die Partie allerdings wieder mal auf dem Linken Flügel.

Wieder mehr Rouge et Blanc beim FC Sion
Wie FCZ-Trainer Van der Gaag an der Pressekonferenz vor der Auftaktpartie richtig angedeutet hat, sind beim FC Sion vor allem die Vorderreihen breit und gut aufgestellt. Seit letzter Saison setzt man beim FC Sion zudem wieder deutlich mehr auf Walliser Eigengewächse als in den Jahren davor. Vor diesem Hintergrund schmerzt es Sportchef Barthélemy Constantin vermutlich, dass sich Edimilson Fernandes bei seiner Rückkehr in die Schweiz für YB entschieden hat. Mit Hajrizi und Kronig könnten zwei Walliser in Zürich in der Startaufstellung stehen und Top-Talent Adrien Llukes (17) steht ebenfalls bereits in den Startlöchern. Die letzte Saison bei Bellinzona zusammen spielenden Sauter und Nivokazi könnten direkt aufeinandertreffen. In der Abwehrreihe ist das Team von Trainer Tholot hingegen wie aktuell der FCZ eher dünn aufgestellt. Und die neue Nummer 1 Anthony Racioppi (vom 1. FC Köln gekommen) hat zuvor in der Super League noch nicht konstant gute Leistungen abrufen können.

Hauptprobe in der Stadt von Albert Einstein und Uli Hoeness
von Züri Live Deutschland-Korrespondent Toni Gassmann
Ulm und sein SSV 1846 Fussball
Ulm ist mit ca. 130’000 Einwohnenden nach 195 km von der Quelle in Donaueschingen die erste grosse Stadt am Flusslauf der Donau. Hier wurde 1879 Albert Einstein geboren, der Entdecker der Relativitätstheorie, später dann, mit grosser Relevanz für den Fussball, auch Uli Hoeness (1952) und sein Bruder Dieter (1953). Apropos relativ: Für Menschen in der Schweiz wäre Ulm eher eine grosse Stadt, die sechstgrösste, knapp vor Winterthur. Für Menschen in Deutschland wäre die Stadt im schwäbischen Teil von Baden-Württemberg eher weniger gross, die Nummer 63 der bevölkerungsreichsten Städte im ganzen Land.
In Ulm und um Ulm herum wurde in den vergangenen Jahren nach drei Insolvenzen, die letzte 2014, die Begeisterung für den „SSV Ulm 1846 Fussball“ wieder entfacht. Von der Regionalliga kletterte der Club unter Thomas Wörle, vormals bei den Frauen des FC Bayern München, im Sommer 2022 zuerst in die 3. Liga, danach 2023 direkt in die 2. Bundesliga hoch. Vereinfacht geschrieben waren eine solide Abwehr, viele Tore aus Standards und der brasilianische Tempodribbler Léo Scienza mit 12 Toren und 13 Assists Schlüssel für den Durchmarsch, der dazu durch aussergewöhnlichen Teamgeist möglich wurde. ULMAUFHALTSAM lautet denn auch der Titel des bebilderten Buches über diese historische Erfolgsgeschichte. Ähnliches erlebten in der gleichen Zeit parallel dazu Spieler und Fans der Westfalen vom SC Preussen Münster und eine Saison davor die SV Elversberg aus dem Saarland, welche 2021 in der Regionalliga Südwest vor Ulm den Aufstieg erreicht hatte.
Mit 17’000 Zuschauern war das 1925 eingeweihte Donaustadion am 3. Oktober 2023 im Drittligaspiel gegen 1860 München seit dem Jahr 2000 erstmals wieder ausverkauft. Vergleichbar ist das Stadion mit Tartanbahn um das Spielfeld herum mit dem bisherigen Stadio Cornaredo von Lugano: kurze, gedeckte Haupttribüne, lange, ebenfalls gedeckte Gegentribüne, je zum Sitzen, flache, ungedeckte Stehtreppen in beiden Kurven. Für die Zulassung zur 2. Bundesliga musste letzten Sommer eine Rasenheizung und eine Bewässerungsanlage eingebaut werden.
Durch diese Erfolge wechselten zuerst Spieler, wie Yannick Rochelt (Elversberg, jetzt Hannover) und Adrian Beck (Heidenheim), später Léo Scienza (Heidenheim) in höhere Ligen, was die Ulmer letzte Saison zu spüren bekamen. Dass trotz Trainerwechsels zum ehemaligen U19-Trainer, Robert Lechleiter, noch während der letzten Spielzeit, sogleich wieder der Abstieg folgte, scheint aber diesmal keine existenzielle Katastrophe mehr zu sein, anders, als es das jeweils in früheren Jahren gewesen war, als vieles danach zusammengebrochen war; beispielsweise nachdem Ralf Rangnick zuvor die Ulmer Spatzen 1998 in die 2. Bundesliga geführt hatte, Martin Andermatt 1999 danach der Aufstieg in die 1. Bundesliga gelungen war, verbunden mit dem sofortigen Abstieg, nicht zuletzt wegen einer denkwürdigen und vorentscheidenden 1:2-Niederlage in Rostock, früh in der Saison, als gleich vier Spieler von Ulm im Laufe des Spiels die Rote Karte zu sehen bekommen hatten, dazu Trainer Andermatt und der Manager des Clubs. Aber erst in der 90. Minute war Rostocks Victor Agali damals mit 11 gegen 7 Spielern das Siegtor gelungen. Am Ende hatten den Ulmern genau diese drei Punkte Differenz gefehlt, um mit Rostock gleichauf dazustehen. Bis heute ist es das Spiel mit den meisten Roten Karten in der Geschichte der Bundesliga und damit unrühmlich legendär. Sie waren allesamt berechtigt. Es hätten sogar noch mehr sein können.
Der FCZ vor dem Testspiel
Gemäss Insiderinformation verliefen die Trainings durch den neuen Chef Mitchell Van der Gaag sehr intensiv und gezielt ausgerichtet. Einerseits ging es inhaltlich in der Vorbereitung um den Aufbau einer sehr guten Fitness, andererseits stark um ein taktisches Konzept. Idee ist, mit gezieltem und von der physischen Beanspruchung her bewusst getaktetem Pressing, in Ballbesitz zu gelangen und so die Kräfte auf die ganze Dauer des Spiels besser zu verteilen. Dadurch soll der FCZ in Zukunft länger das Spiel kontrollieren können. Bevorzugtes System ist ein 4-3-3. Gegen den FC Magdeburg, immerhin 5. in der Schlusstabelle der letztjährigen 2. Bundesliga, hatte der FCZ eine Woche zuvor bereits eine gute Umsetzung dieses Vorhabens gezeigt, war die Mannschaft doch während allen vier Spielteilen à 30 Minuten die bestimmende Mannschaft gewesen und hatte souverän mit 2:0 gewonnen.
Die Rahmensituation um das Testspiel herum
Die Testpartie zwischen dem SSV Ulm und dem FC Zürich war ursprünglich auf den Sonntag angesetzt worden. Aber wegen der Festlegung der Swiss Football League, die Meisterschaft 2025/2026 durch den FCZ gegen den FC Sion bereits am Freitagabend zu starten, verschob der SSV Ulm die Begegnung auf Bitte des FCZ auf den Samstag.
Was auf den ersten Blick problemlos erscheint, ist bei genauerer Betrachtung als echtes Entgegenkommen der Ulmer zu sehen. Sie hatten geplant, dieses Spiel in ihre Saisoneröffnung mit Rahmenprogramm einzubetten. In Deutschland sind solche Anlässe bei Profivereinen vor dem eigentlichen Meisterschaftsstart üblicher, als bei Clubs in der Schweiz. So war es vorgesehen, im Ulmer Münster, einem bedeutenden, gotischen Bauwerk im Stadtzentrum, um 12:00 Uhr für Fans eine kirchliche Messe abzuhalten. Danach würden diese zu Fuss zum Donaustadion gelangen und dort sollten Sportdirektor Markus Thiele und Trainer Robert Lechleiter vor Publikum am Spielfeldrand befragt werden zur bevorstehenden Saison, inklusive der Verkündung der Vertragsverlängerung von Captain Jo Reichert. Weiter sollte das neue Heimtrikot präsentiert werden. Nach dem Spiel würde der Anlass speziell für die jungen Fans abgerundet mit der Gelegenheit, Autogramme ihrer Lieblinge einholen zu können. Die Behörden ordneten jedoch an, dass am Samstag im Stadion nur 5000 Zuschauende zugelassen sein dürfen, um andere Veranstaltungen nicht stärker zu konkurrenzieren. Das ganze Rahmenprogramm fand trotzdem so statt, wie geplant. Allerdings beteiligten sich dabei merklich weniger Leute an Messe und Fanmarsch, wie an einem Sonntag. Trotzdem war es auch als Ortsfremder kein Problem, ohne elektronische Hilfe zum Donaustadion zu gelangen, denn es bewegten sich immer noch genügend SSV-Anhänger in diese Richtung. Die Gastmannschaft aus der Schweiz war im Bus angereist und dabei noch etwas in einen Stau geraten. In latenter Ferienstimmung erschienen war zudem eine Gruppe von Fans des FCZ.
Aufstellungen
SSV Ulm 1. Halbzeit
Ortag
Reichert – Röser – Dressel
Brandt – Mazagg – Scholze – Kölle
Boller – Castelle
Becker
SSV Ulm 2. Halbzeit
Schmitt
Reichert (Crnovršanin) – Wenig- Westermeier
Meier – Kahvić- Löder- Mazagg (Etse)
Scholze (Vater) – Boller (Kudala) – Castelle (Aksakal)
FC Zürich
Brecher
Bemerkung zur 2. Halbzeit:
Kamberi – Gomez – Sauter (ab 19. Stork) – Volken (ab 59. Mendy)
Tsawa (ab 59. Reichmuth) – Palacio (ab 78. Bangoura) – Krasniqi (ab 59. Oko-Flex)
Emmanuel (ab 83. Di Giusto) – Reverson (ab 59. Phaëton) – Zuber
Reichmuth nach Einwechslung halblinks, Zuber halbrechts im Mittelfeld
Oko-Flex rechts am Flügel, Emmanuel links am Flügel
Das Spiel
1. Halbzeit
Im Ulm war der FCZ eine gute halbe Stunde lang offensiv harmlos und musste den Schwaben bei schnellen Vorstössen in die Tiefe durch Röser und speziell Becker grössere Möglichkeiten zugestehen, die aber Brecher mit guten Interventionen unterbinden konnte. Zuvor hatte sich Sauter nach einem Zusammenstoss im Gesicht verletzt und sich auf dem Jochbein unter dem rechten Auge eine Platzwunde zugezogen die später aufschwoll. Nach längerer Pflege auf dem Spielfeld und Behandlung in der Kabine war er nochmals kurz ins Spiel zurückgekehrt, musste dann aber trotzdem für Stork ausgewechselt werden. In dieser Phase zielten auch Röser und Boller nach einem Eckball bzw. Einwurf jeweils von rechts mit dem Kopf knapp über das Tor.
Erst in der letzten Viertelstunde vor der Pause kam der FCZ vorne zu zwei Torszenen. Zuerst prallte dem überraschten Reverson nach einer Hereingabe von Emmanuel von der rechten Seite der Ball in bester Position im Strafraum seitlich an den Oberschenkel und versprang unkontrolliert. Die zweite Gelegenheit eröffnete sich Emmanuel nach einem Ballverlust der Ulmer vor der Mittellinie. Er übersah aber den links ideal mitlaufenden und gestikulierenden Zuber, verzögerte den Lauf, zog nach innen und schloss schliesslich selber ab. Der Schuss ging rechts vorbei. Bemerkenswert ist, dass sich Zuber auch danach noch offensichtlich aufregte, in so guter Position nicht angespielt worden zu sein. Im Ansatz sollte dies die beste Chance des FCZ im ganzen Spiel bleiben. In der Nachspielzeit vor der Pause war es dann Castelle, der auf Pass von Brandt von der halblinken Seite an der Strafraumgrenze Brecher mit einem präzis geschlenzten Schuss tief in der rechten Ecke überwinden konnte. Die Führung zu diesem Zeitpunk für den SSV Ulm war verdient, gemessen an Spielanteilen und Möglichkeiten. Die Schwaben wirkten spritziger in den Zweikämpfen und stellten den FCZ mit zügig umgesetztem, vertikalem Spiel vor gewisse Probleme. Ein Beleg dafür ist auch die Gelbe Karte gegen Gomez, der Castelle einmal im letzten Moment noch vor dem Strafraum zu Fall bringen konnte. Und vom FCZ kam kein einziger Abschluss auf das Ulmer Tor.
2. Halbzeit
Zur 2. Halbzeit wechselten die Ulmer sechs Spieler aus, später noch den weiteren Rest der Startelf. Der FCZ spielte vorerst in gleicher Formation weiter, wie vor der Pause, und konnte das Spiel nun ausgeglichen gestalten. Trotzdem waren es wieder die Ulmer, welche das nächste Tor erzielten. Scholze hatte auf der rechten Seite knappen Raum und Zeit für eine präzise Flanke, welche Kahvic beim hinteren Pfosten mit perfektem Timing wuchtig einköpfen konnte. Weder die Flanke, noch den erfolgreichen Kopfball konnte der FCZ verhindern.
Mit den vier Wechseln nach einer Stunde und einer Verschiebung von Zuber vom linken Flügel auf die 8er-Postition ins Mittelfeld rechts, hatte der FCZ dann auch seine beste Phase und in der 67. Minute gleich zwei sehr gute Szenen. Zuerst traf Zuber auf Pass von Phaëton von ausserhalb des Strafraums den rechten Pfosten. In einer neuen Aktion visierte darauf Phaëton selber mit einem Distanzschuss die Lattenoberseite über dem rechten Pfosten an.
Auch der eingewechselte Mendy trat nach seiner Einwechslung offensiv noch mehrmals in Erscheinung, allerdings ohne entscheidenden Impuls. Es sollten seine allerletzten 31 Minuten im Dress des FCZ sein. Es gelang bis zur letzten Minute keiner der beiden Mannschaften mehr, eine gute Möglichkeit herauszuspielen.
Dann aber erzielte Ulm nach einem Eckball von rechts mittels Kopfball durch Etse in der 90. Minute noch das 3:0.
Fazit
Der FCZ wirkte in der 1. Halbzeit so, als würde es ihm etwas an Laufbereitschaft fehlen. Dazu wurde der Ball zu schnell wieder verloren, weil der Gegner bissiger war und konzentrierter. Über die rechte Seite entstand offensiv etwas Gefahr durch Emmanuel, speziell wenn sich Kamberi mit nach vorne einschaltete. Links aussen wirkte Zuber „verschenkt“. Das wäre aber möglicherweise schnell anders gewesen, hätte er in bester Position von Emmanuel den Pass erhalten, beim Stand von 0:0.
Lindrit Kamberi führte die Niederlage in seiner Einordnung auf die strenge Trainingswoche zurück und auf etwas müde Beine, wollte diesen Umstand allerdings nicht als Ausrede gelten lassen. Leistung und Resultat dämpfen die Erwartungshaltung vor dem Saisonauftakt in die neue Super League Saison gegen den FC Sion und dürften für die Mannschaft und Staff wichtige Hinweise geben, was es mehr braucht für einen guten Saisonstart. Eine Baustelle könnte schon jetzt die Abwehr werden, da mit Vujevic, Junior Ligue und Denoon gleich drei Verteidiger verletzt sind und letzterer den FCZ nun auch Richtung Toskana zu Pisa SC verlassen hat. Hier würde sich eine Verstärkung etwas aufdrängen.
Im Mittelfeld absolvierte Palacio seinen ersten Einsatz für den FCZ und spielte meist in zentraler Position.
Es scheint, als hätten die Spatzen auch in dieser Saison wieder eine hohe Qualität bei Eckbällen, wie in den letzten drei Spielzeiten. Und auch die weiten Einwürfe von beiden Seiten waren im ganzen Spiel von bemerkenswerter Qualität. Beim FCZ war dies nicht der Fall. Es gab dazu auch wenig Gelegenheiten, die Qualität in dieser Sparte zu beweisen.
Anzumerken gilt auch noch, dass Zürichs Sportchef Milos Malenovic das Spiel von den Medienplätzen aus verfolgte.
