Henriksen & Co. wollen an das Servette-Heimspiel anknüpfen / Luzern – FCZ Vorschau

Der FCZ ist in nach Erwarteten Gegentoren bisher das defensiv stärkste Team – und steht trotzdem auf dem letzten Platz der Super League-Tabelle. Torhüter Brecher hat beinahe 50% mehr Tore kassiert als er aufgrund der gegnerischen Torchancen hätte kassieren müssen. David Von Ballmoos (und Anthony Racioppi) als Gegenstück retteten YB hingegen vor mehr als der Hälfte der Erwarteten Gegentore! So sind es im Vergleich statt gerundet 18 und 19 Gegentreffer nun 27 und 9. Sion und Luzern sind wie der FCZ ebenfalls Teams, die den Gegnern eigentlich deutlich weniger gute Torchancen zugestanden haben, als es die Gegentore ausdrücken.

Luzern: Offensiv Nummer 1 und Testspiel-Champion

Gegner FC Luzern hat gleich gegen vier Bundesligisten getestet und dabei eine ausgeglichene Bilanz erzielt: 3:0-Sieg gegen den VfB Stuttgart, 1:5-Niederlage gegen den FSV Mainz, sowie Unentschieden gegen Remis gegen GC (0:0). Das Team von Mario Frick hatte somit in der Testphase nicht nur das anspruchsvollste Programm aller Super League-isten, sondern gemessen an den Gegner auch die besten Resultate.

Der FCL ist ausserdem gemessen an den Erwarteten Toren das offensiv stärkste Team der Vorrunde – vor Basel, St. Gallen und YB. Angeführt von Max Meyer (6) und dem sich im Aufbautraining befindlichen Dejan Sorgic (4) trafen gleich elf verschiedene Spieler in der Liga ins Netz. Der FCZ war die Mannschaft mit der schlechtesten Chancenverwertung der Liga – statt 13 hätte man gemessen an den Torchancen 20 Treffer in 16 Partien (und damit mehr als Servette) erzielen müssen. Gleich erging es dem FC Basel weiter vorne in der Tabelle. YB, GC und St. Gallen hingegen profitierten von einer gemessen an ihren Chancen maximalen Torausbeute.

Frick zuletzt zwei Mal hintereinander mit taktischer Umstellung gegen den FCZ

Luzern hat in der Vorbereitung wie im letzten Spiel vor der Winterpause in Bern vorwiegend im 4-2-3-1 gespielt, das ihrem Schlüsselspieler Max Meyer am meisten entgegen kommt. Angefangen hatten die Innerschweizer die Saison in einem 4-1-2-1-2. Mario Frick änderte zuletzt aber zwei Mal hintereinander in Spielen gegen den FCZ seine taktische Formation. Auch diesmal wieder? Die Defensivprobleme auf der Rechten Seite sollen wohl dadurch gelöst werden, dass WM-Fahrer Mohamed Dräger auf der Flügelposition spielt und von Pius Dorn unterstützt wird. Somit könnten trotz dem Rücktritt von Christian Gentner vier Deutsche in der Startformation stehen.

Der FCZ wird voraussichtlich in Ballbesitz im zuletzt üblichen 3-3-2-2 auflaufen (statt wie zuvor 3-4-1-2). Die taktischen Anpassungen höher zu stehen und mit nur einem Sechser zu spielen, zeichneten sich kurz vor der Winterpause ab, wurden in den Testspielen weiter verfeinert und voraussichtlich auch in der Meisterschaft so fortgesetzt. Bei gegnerischem Ballbesitz kann daraus temporär ein 3-4-3 werden. Wenn allerdings stärker mannorientiert verteidigt werden soll, dann würde es sich anbieten, im Zentrum in der gleichen Formation mit einem Sechser und zwei Achtern zu bleiben, weil so das übliche Luzerner 4-2-3-1 gespiegelt würde. Allerdings würde sich in diesem Fall eher eine Verteidigung im 4-3-3 empfehlen. Denn das 3-3-2-2 würde wohl bei Mannorientierung auf den Seiten zu unnötigen Komplikationen führen.

Zwei FCZ-Generationen reisen mit Ambitionen nach Luzern

Auf der Sechserposition ist Cheick Condé zu erwarten. Ole Selnaes ist grundsätzlich wieder einsatzbereit und Bledian Krasniqi drängte sich in den Testspielen auf. Trotzdem haben die Teamleader Marchesano und Dzemaili, der bei einem Startelfeinsatz als Captain auflaufen wird, wohl die Nase vorn. Der 36-jährige Zürcher hat gute Erinnerungen an Luzern und wirkt motiviert vor seinem möglicherweise letzten Halbjahr seiner Karriere. Der 17-jährige Calixte „Juni“ Ligue hat zwei Jahrzehnte nach Dzemaili die FCZ Academy durchlaufen und könnte dessen Sohn sein. Er wird beim Auftakt nach der Winterpause ebenfalls im Aufgebot stehen. Verletzt fehlen nur Yanick Brecher und Ivan Santini, der im letzten Test gegen den FC Wil angeschlagen ausgewechselt werden musste. Vorne läuft es auf das Duo Tosin / Okita heraus, die sich gegen Hannover im Umschaltspiel die Tore gegenseitig aufgelegt haben. Roko Simic scheint aber nahe an einer Startelfnominierung dran zu sein. Zivko Kostadinovic, der den verletzten Yanick Brecher ersetzt, hat diese Saison nach einem 0:0 gegen den FC Winterthur und einem 4:0 gegen den SC Cham noch ein „Clean Sheet“.

Transferspekulationen – die Kandidaten des FCZ Forums im Überblick

Vorfreude ist die schönste Freude. Und zur Zeit der Vorfreude gehören im Fussball unabdingbar die Transferperioden. Es wird über Zu- und Abgänge spekuliert, diskutiert. An diese personellen Rochaden knüpfen sich die Hoffnungen der Fans auf eine bessere Runde – diesmal die um zwei Spiele verlängerte Frühlingssaison. Zusätzlich befeuert wurde die Diskussion im FCZ-Umfeld durch Aussagen des Trainers und des Präsidenten nach dem Ende der in den nationalen Wettbewerben enttäuschenden Herbstrunde. 

Von Wohlen bis Hoffenheim – breite Palette an Wunschspielern

Es werden fortlaufend Namen in den Ring geworfen, so dass man sich manchmal an die noch vor ein paar Wochen heiss diskutierten Kandidaten kaum mehr erinnert. Züri Live schafft Abhilfe mit einem Überblick über alle vom 1. November bis heute im FCZ Forum diskutierten Transferkandidaten. Die Spekulationen und Vorschläge stammen dabei teilweise aus Drittquellen, teilweise aus dem Forum selbst. Auf Züri Live-Vorschläge oder vermutete Transferziele des Klubs soll dabei weitgehend verzichtet werden. Der Überblick fokussiert sich auf die Kandidaten aus dem FCZ Forum.

Das Feld der vorgeschlagenen Neuverpflichtungen ist breit gefächert. Es reicht von einem Spieler aus dem Schweizer Amateurbereich bis zu Bundesliga- und Serie A-Akteuren. Von einem Marktwert von Null bis vier Millionen Franken. Letzteren Betrag sind Jacob Bruun Larsen (Hoffenheim) sowie Josh Maja (Bordeaux, Ligue 2) gemäss “Transfermarkt“ wert. Der Amateurspieler ist der 17-jährige Alessandro Vogt vom FC Wohlen. Nur wenige der aufgeführten Kandidaten sind keine Offensivspieler, mehr als die Hälfte sind Mittelstürmer.

Eingrenzung des Kandidatenkreises durch die Kriterien „Kurzfristiger sportlicher Nutzen“ und „Realisierbarkeit“

Gruppiert werden die Kandidaten nach den Kriterien «Kurzfristiger sportlicher Nutzen» und «Realisierbarkeit». Das Kriterium «Realisierbarkeit» zeigt die Wahrscheinlichkeit nach Einschätzung von Züri Live, dass der FCZ oder ein mit dem FCZ vergleichbarer Klub den entsprechenden Spieler in dieser Winter-Transferperiode verpflichten könnte – vorausgesetzt der Spieler ist wechselwillig. Der Wechsel von Stephan Seiler von Winterthur zum FCZ wurde bereits bekannt gegeben. Daher liegt die Realisierbarkeit für Seiler bei 100%. Die vom FCZ in die Challenge League verliehenen Wallner, Koide und Nils Reichmuth haben mit 80% ebenfalls eine hohe Realisierbarkeit. Will der Spieler und will der FCZ, dann würde der Leihklub Wil oder Xamax einer vorzeitigen Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls zustimmen – oder müsste möglicherweise sogar aufgrund einer Klausel.     

Eine Realisierbarkeit von 0% hat der Schwedische Mittelfeldspieler Darijan Bojanic von Hammarby, dessen Wechsel nach Südkorea bereits in trockenen Tüchern ist. Ebenfalls eine äusserst tiefe Realisierbarkeit sieht Züri Live bei Bruun Larsen, Dawid Kownacki (Düsseldorf) oder Maja. Stürmer dieses Kalibers würden in der Super League wie Formel 1-Maschinen bei einem Bergrennen auf einer Schweizer Passstrasse wirken. Sie sind für eine andere Umgebung gemacht und werden sich auch weiterhin auf Top-Niveau bewegen.

Neuverpflichtung, die im ersten Halbjahr nicht einschlägt, als Normalfall

Eine immer noch sehr tiefe, aber aufgrund von Sonderfaktoren trotzdem leicht höhere Realisierbarkeit haben Spieler wie Ricardo Rodriguez (Torino), Mark Uth (1. FC Köln), Smajl Prevljak (KAS Eupen), Simone Zaza (vereinslos), Andrea Compagno (FCSB) oder Yacine Brahimi (Al Gharafa). Prevljak und Compagno spielen bei Klubs, die nicht viel höher als der FCZ einzustufen sind, Brahimi in Saudi Arabien, Uth und Zaza hatten zuletzt Verletzungsprobleme und brauchen eventuell einen neuen Anlauf und Rodriguez möchte zum FCZ zurückkehren – wenn auch wahrscheinlich nicht schon jetzt. Würde Rodriguez seinen Platz in der Nationalmannschaft nicht mehr haben, wäre dies aber sicherlich ein Faktor, der die Rückkehr zum FCZ beschleunigen würde.

Das zweite Kriterium zeigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Spieler dem FCZ kurzfristig (im Frühling) einen sportlichen Nutzen bringen würde. 100% beträgt diese Wahrscheinlichkeit bei keinem Spieler, Bruun Larsen oder Rodriguez erhielten einen sehr hohen Wert. Bei Uth ist nicht sicher, wie schnell er nach seinen körperlichen Problemen wieder in Form kommt. Und Kownacki hat ein paar wenige Schwachpunkte im Kurzpassspiel sowie in der Luft. Typischerweise sind diejenigen Spieler, die den FCZ praktisch sicher verstärken würden, für diesen kaum realisierbar. Alle Spieler, die mit mehr als 60% Wahrscheinlichkeit kurzfristig dem FCZ helfen können, sind zu höchstens 10% realisierbar. Dies offenbart die Schwierigkeit der Aufgabe des Sportchefs – und dass unter diesen Bedingungen ein Spieler, der im ersten Halbjahr nicht gleich einschlägt, eher der Normalfall, als ein Spezialfall ist. Dies gilt dementsprechend auch für die Neuverpflichtungen des Sommers 2022.

Moussa Konaté – abgetaucht nach Siegtor im Türkischen Cupfinal

Die Trendlinie ist in der Grafik gestrichelt eingezeichnet. Spieler, die sich oberhalb dieser Linie befinden, kommen für den FCZ zum jetzigen Zeitpunkt tendenziell in Frage. Diejenigen, die sich darunter befinden, tendenziell nicht.  In der linken unteren Ecke anzutreffen und damit am wenigsten in Frage kommt Yacine Brahimi. Er verdient in Saudi-Arabien sehr gut und hat gleichzeitig unter den dortigen Bedingungen bereits ziemlich stark an Qualität eingebüsst, so dass er dem FCZ kaum mehr helfen könnte. Ebenfalls kaum in Frage kommen Moussa Koné, Milan Pavkov, Christoffer Nyman, Moussa Konaté, Nikola Stulic, Nikola Krstovic, Matej Vydra, Mario Gavranovic und Simone Zaza. Gründe dafür gibt es verschiedene – beispielsweise finanzielle. Selbst der zur Zeit arbeitslose Vydra oder der in der Slowakei bei Dunajska Streda engagierte Krstovic könnten für den FCZ bereits zu teuer sein. Nyman hat beschränkte Fähigkeiten und lebt stark von seiner Mentalität und Captain-Rolle bei seinem Stammverein IFK Norrköping. Er würde in der Schweiz nicht so gut funktionieren. Vydra kommt zusätzlich aus einem Kreuzbandriss. Bei Zaza (ohne Klub) gibt es ebenfalls relativ grosse gesundheitliche Fragezeichen (Rücken, Knie). Stulic und Krstovic sind Vollblutstürmer mit Abschlussqualitäten, die mit ihrer etwas rudimentären Ballführung sowie Beweglichkeit aber gegen die relativ flinken und schnellen Super League-Verteidiger Probleme bekämen – speziell Stulic. Sie haben ihre Tore bisher gegen Gegner auf tieferem Niveau erzielt. 

Pavkov ist wie Brahimi in Saudi-Arabien sportlich in eine Negativspirale geraten. Koné (Nîmes) und Gavranovic (Kayserispor) sind Umschaltfussballer, die von ihren Qualitäten her nicht zum Fussball von Bo Henriksen passen. Moussa Konaté ist sowieso eine Story für sich: immer haarscharf an der Grenze zum Offside – auf dem Platz, und manchmal auch daneben. Beim für das Wallis legendären Cupfinal 2015 im St. JaKob Park hatte er so für Sion gegen den FCB das frühe 1:0 erzielt (Endresultat: 3:0). Im Mai dieses Jahres wurde Konaté nun zum zweiten Mal in seiner Karriere Cupsieger. Ausgeliehen zu Sivasspor hatte der Senegalese fast ausschliesslich Kurzeinsätze gehabt und dabei kein einziges Mal das Tor getroffen. Dann wird er im Türkischen Cupfinal iin der 111. Minute eingewechselt und erzielt auf Zuspiel des Ex-Luzerners Olarenwaju Kayode nur zwei Minuten später das Siegtor für Sivasspor zum 3:2. Mario Gavranovic (Kayseri) hatte nach einer Stunde mit einem Ballverlust im Mittelfeld Sivas zurück ins Spiel gebracht. Nach diesem Triumph sollte Konaté wieder zu seinem eigentlichen Arbeitgeber Dijon zurückkehren. Wie schon zuvor in Amiens wollte er aber auch in Dijon nicht in der Ligue 2 antreten und tauchte nach seinem Leihjahr in Tunesien und in der Türkei zum Trainingsstart einfach nicht mehr auf. Der 29-jährige Senegalese soll sich beim Sporting Club Gagnoa in der Elfenbeinküste aufhalten. Dijon überlegt sich rechtliche Schritte.        

Die Leistungsträger der Meistermannschaft 21/22 wurden alle in der Challenge League geformt

Generell kommen Kandidaten, die nicht einen höheren kurzfristigen sportlichen Nutzen als die FCZ-Leihspieler bringen, eher nicht in Frage. Matteo Di Giusto blüht bei Aussenseitern auf, die auf Umschaltspiel setzen. Er braucht Platz für sein Spiel und ist kein Ballbesitzfussballer. Linksfuss Sofian Bahloul (Wil) ist für die Super League wohl zu wenig widerstandsfähig. Das gleiche gilt noch stärker ausgeprägt für Camilo Mena (Valmiera). Die Durchsetzungsfähigkeit auf Super League-Niveau geht zumindest kurzfristig auch den beiden aus dem Rückraum torgefährlichen Mohamed Dhaoui (von Chikhaoui-Klub Etoile Sahel) und Shkelqim Vladi (Aarau) etwas ab, wobei beide sich mittel- bis langfristig diesbezüglich noch entwickeln können. Sie liegen auf jeden Fall knapp über der Trendlinie. Klar darüber liegen Alessandro Vogt (Wohlen) und Rayan Philippe (Hesperingen). Der 17-jährige Vogt ist ein Stürmertyp à la Cédric Itten und wäre sicherlich schon heute ein Spieler für die U21 in der Promotion League . Rayan Philippe ist bereits 22 und stärkt aktuell in Luxemburg mit mehr als zwei Skorerpunkten pro Spiel sein Selbstvertrauen. Dort kann der grossgewachsene Dribbler auch mit einer nicht allzu engen Ballführung reüssieren. Er wäre erstmal für einen (ambitionierten) Challenge League-Klub ein interessanter Mann. Natürlich wäre es grundsätzlich eine Option für den FCZ, einen Spieler wie Dhaoui oder Philippe erstmal zu übernehmen und in die Challenge League oder eine vergleichbare Liga auszuleihen. Das wäre aber ein finanzielles Risiko.

Die aus dem eigenen Nachwuchs stammenden Leihspieler Nils Reichmuth, Henri Koide und Silvan Wallner profitieren auf jeden Fall von ihren Einsätzen in der Challenge League. Die Leistungsträger der Meistermannschaft 21/22 haben gemeinsam, dass für sie alle die Challenge League ein wichtiger Entwicklungsschritt in ihrem Werdegang war: Yanick Brecher, Mirlind Kryeziu, Ousmane Doumbia, Antonio Marchesano, Assan Ceesay. Kryeziu, Doumbia und Marchesano hatten gar mehrere Stationen in der zweithöchsten Schweizer Liga. Auch Bledian Krasniqi und Lindrit Kamberi trugen einen wesentlichen Anteil zum Titel bei. Sie sind die aktuell positiven Beispiele des Challenge League- Werdegangs. Beide wurden zwei Jahre dahin ausgeliehen, bevor sie den Schritt in den erweiterten Kreis der Stammkräfte (erste 16 des Kaders) beim FCZ schafften. Rohner war ein Jahr in Wil. Kostadinovic bringt ausgiebig Challenge League-Erfahrung mit. Dass einen zwei Jahre in der Challenge League nicht automatisch in den engeren Kreis der 1. Mannschaft bringt, zeigt das Beispiel Ilan Sauter. Er wurde von Anfang an beim FCZ etwas überschätzt. Einzelne glanzvolle Auftritte bei den Junioren täuschten über seine allgemeinen Schwachpunkte hinweg.

Silvan Wallner und Nils Reichmuth brauchen noch Zeit

Stephan Seiler (22) wurde von Winterthur zurückgeholt. Mit seiner Explosivität kann er im Gegenpressing ein wichtiger Faktor werden. Allerdings muss er sich in der Rückwärtsbewegung und bezüglich Standfestigkeit noch steigern – so wie Bledian Krasniqi (21), der sich in dieser Hinsicht in den letzten ein, zwei Jahren deutlich verbessert hat. Nils Reichmuth (20), Henri Koide (21) oder Silvan Wallner (20) jetzt zurückzuholen, würde wenig Sinn ergeben. Sie können aktuell alle drei der Mannschaft wenig helfen.  Wallner spielt in Wil wieder auf seiner angestammten Innenverteidigerposition. Ob dies langfristig so bleiben wird, ist fraglich. Wallner war auch schon im Spitzenjuniorenbereich ein überdurchschnittlich fehleranfälliger und unkonstanter Spieler. Dies hat sich in seiner ersten Saison in Wil nicht geändert.

Die Äbtestädter profitieren neben der guten Arbeit des Trainerteams in dieser bisher erfolgreich verlaufenen Saison stark davon, dass neben Mittelfeldspieler Muntwiler und Stürmer Silvio mit dem Spanier Genis Montolio von der FCZ U21 nun auch noch ein Leader für die Hintermannschaft dazugekommen ist. Die Mischung stimmt. Wallner braucht für seine Entwicklung sicherlich nicht nur die folgende Rückrunde, sondern danach wie Krasniqi und Kamberi auch noch eine zweite Saison in der Challenge League. Bereits in seiner zweiten Saison in Wil befindet sich Nils Reichmuth. Die erste war durch die späte Ankunft und die Krankheit zum Ende der Saison faktisch auf ein halbes Jahr verkürzt. Er ist etwas weiter in seiner Entwicklung als Wallner. Aber auch Reichmuth benötigt im Minimum noch diese Frühlingsrunde im Bergholz.

Koide, Mehmedi, Sohm, Janko: Rückkehrer-Optionen mit Mankos

Der ältere der beiden Reichmuth-Brüder zeichnet sich durch sein gutes Raumverständnis, Positions- und präzises Passspiel aus – und ist im Strafraum torgefährlich, weshalb er in der Vergangenheit auch schon als hängende Sturmspitze eingesetzt wurde. Der Linksfuss muss aber analog Bledian Krasniqi in Wil noch zu einem kompletteren Spieler reifen. Denn auf den aktuellen Qualitäten alleine lässt sich noch keine Profikarriere aufbauen. Henri Koides Skorerpunkte pro Einsatzminuten sind gut, aber es unterlaufen ihm wie Silvan Wallner noch zu viele für sein Team schmerzhafte Fehler. Xamax läuft es diese Saison sportlich erneut nicht und Koide war an den beiden bisher einzigen Saisonsiegen nicht entscheidend beteiligt, was seine Position nicht stärkt.  Er ist zudem ein Umschaltspieler, der wohl nicht optimal zur aktuellen Spielweise des FCZ in der Nach-Breitenreiter-Ära passt.

Knapp unter dem Strich in der Züri Live-Grafik liegen auch Admir Mehmedi (Antalyaspor), Simon Sohm (Parma), Ivan Prtajin (SV Wehen) und Saidy Janko (Vfl Bochum). Mehmedi hat zuletzt zwar in einem Test gegen Napoli ein Tor erzielt, würde nach seinen vielen Verletzungspausen trotz seiner Erfahrung und dem FCZ-Herz dem Stadtclub wohl kurzfristig wenig helfen können. Die zuvor schon international unterdurchschnittliche Handlungsschnelligkeit ist noch weiter reduziert, was auf seiner Position ein entscheidender Faktor ist. Simon Sohm hat speziell im Spiel mit Ball herausragende Qualitäten, gerade in defensiver Hinsicht fehlt ihm aber wie schon zu seiner Zeit in der 1. Mannschaft des FCZ weiterhin die Konstanz. Janko ist ein kräftiger Rechtsverteidiger mit Schwächen im Passspiel. Er wäre die Variante mit stärkerem Fokus auf defensiven Qualitäten im Vergleich zu Boranijasevic. Es ist aber nicht die Position, auf der beim FCZ am meisten Bedarf herrscht. Der ehemalige Schaffhausen-Stürmer Prtajin schiesst in der 3. Liga Deutschlands viele Kopfballtore, ist beidfüssig und glänzt mit präzisen Weiterleitungen von hohen und tiefen Bällen im Spielaufbau. Gegen die taktisch gewiefteren und schnelleren Super League-Verteidiger würde er allerdings weniger häufig so frei zum Abschluss kommen, wie dies zur Zeit der Fall ist.

Der Favorit: Djibril Gueye

Nachdem wir die Kandidaten mit sehr tiefer Realisierbarkeit und zu tiefem kurzfristigem sportlichen Nutzen abgehakt haben, kommen wir nun zum Kreis der vielversprechendsten der FCZ Forum-Transferkandidaten. Als Favorit kristallisiert sich dabei Djibril Gueye vom Lettischen Überraschungsmeister Valmiera heraus. Die Mannschaft aus der Kleinstadt im Norden des Landes hat vor einem Monat zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte den nationalen Titel geholt. Gueye machte dabei im Fernduell mit dem FC Riga am letzten Spieltag mit einem Kontertor zum 2:0 in der Nachspielzeit in Liepaja alles klar.

Gueye weist gewisse Ähnlichkeiten aber auch Unterschiede zu Assan Ceesay auf. Ebenfalls grossgewachsen und «schlaksig», kann der Senegalese mit seinen langen Beinen im Rücken einer gegnerischen Abwehr entwischen. Seine Abschlussqualitäten sind etwas schlechter als bei Ceesay in der Saison 21/22, aber besser als bei Ceesay in den Saisons davor. Im Gegensatz zu Ceesay bringt Gueye zusätzlich Defensivqualitäten mit. Er kann als Alternative auch im Zentralen Mittelfeld eingesetzt werden und ist in der Lage, gute lange Bälle zu spielen. Gueye ist bereits 26 Jahre alt, was viele potentielle Interessenten abschreckt und daher die Realisierbarkeit eines Transfers erhöht. Nach vier Jahren bei zwei Erstligisten aus Dakar hat er erst vor etwas mehr als zwei Jahren den Schritt nach Europa zu Valmiera gemacht. Er scheint mittlerweile gut adaptiert an den europäischen Fussball und bereit, den nächsten Schritt zu machen. Gueye wirkt wie ein reifer Spieler, der Verantwortung übernimmt und nun in seine beste Karrierephase kommt. Diese Aspekte erinnern wiederum an Ousmane Doumbia, der im noch reiferen Alter von 28 Jahren erst den Schritt in die Super League zum FCZ geschafft, und dann in der Meistermannschaft auch neben dem Platz eine wichtige Rolle eingenommen hat.  

Baltikum bleibt für den FCZ interessant

Bei Valmiera sind insgesamt vier Senegalesen engagiert. Als Ausnahme von der Regel nur im FCZ Forum erwähnte Spieler zu besprechen sei hier noch Linksverteidiger Pape Fall (22) erwähnt. Ebenfalls grossgewachsen, mit guter Technik und verwertbaren Flanken, aber auch diszipliniert in der Rückwärtsbewegung, scheint der Linksfuss als Alternative für Adrian Guerrero als Linker Aussenläufer fast ideal geeignet.  Einzig seine ungestümen Tacklings müsste Fall noch zu reduzieren und dosieren lernen. Bezüglich sportlichem Nutzen auf gleicher Stufe aber wohl schwieriger zu realisieren ist Gueye’s lettischer Teamkollege Raimonds Krollis. Mittelstürmer Krollis ist mit 21 Jahren Captain des neuen Lettischen Meisters und mit 2,5 Millionen Euro auf Transfermarkt aktuell der wertvollste Spieler aus dem Baltikum. Er wirkt nach aussen fast wie eine Kopie von Bohdan Vyunnik, ist aber etwas weniger lauffreudig, dafür eher ein typischer Strafraumstürmer. Krollis hat als erster Spieler überhaupt seines kleinen Stammklubs Metta den Sprung in die Lettische Nationalmannschaft geschafft. In der Liga hat Krollis in der abgelaufenen Saison 24 Tore erzielt. Allerdings muss dabei klar herausgestrichen werden, dass er weder im Nationalteam noch im Klub bisher jemals ein Tor gegen einen Gegner erzielt hat, der sich auf Super League-Niveau bewegt. Gelegenheiten dazu gab es auch noch kaum.

Ebenfalls mit 60% Wahrscheinlichkeit bezüglich sportlichem Nutzen für den FCZ und wohl ein klein bisschen einfacher zu realisieren als Krollis sind die Sturmkandidaten Mathias Oyewusi (23) und Nicolai Jörgensen (31). Oyewusi ist in der Schweiz bekannt durch seinen Doppelpack gegen Basel mit dem Oli Buff-Klub Zalgiris aus Litauen. Drei Monate vorher hatte Oyewusi in der Champions League-Qualifikation auch schon gegen Malmö getroffen (Zalgiris gewann 1:0 und 2:0), konnte dann aber gegen den späteren FCZ-Gegner Bodö/Glimt nicht nachlegen (0:5, 1:1). Seine zwei Treffer im St. Jakob Park täuschen ein wenig darüber hinweg, dass der grossgewachsene Nigerianer kein klassischer Vollstrecker ist, sondern auf Super League-Stufe wohl als Flügelstürmer besser aufgehoben wäre.

Teddy Okou – Schrittfrequenz wie eine Nähmaschine

Der 31-jährige Nicolai Jörgensen ist ein Landsmann von FCZ-Coach Henriksen. Dies und das Timing könnte dazu führen, dass der FCZ diesen normalerweise für die Zürcher nicht erschwinglichen Stürmer zumindest mal für das nächste Halbjahr engagieren könnte. Jörgensen ist seit ein paar Monaten vereinslos, weil der deutlich über dem FCZ einzustufende FC Kopenhagen keine Verwendung mehr für ihn hatte. Gespräche mit Ligakonkurrent OB hätten sich gemäss Jörgensen zerschlagen. Er tendiert zu einem Wechsel ins Ausland und wäre unter anderem offen für die USA. Jörgensen ist ein technisch und taktisch sehr gut ausgebildeter 1,90m-Mann mit Vergangenheit bei Leverkusen, Kaiserslautern und Feyenoord, wo er vor allem in der ersten von fünf Saisons seine beste Zeit hatte. Jörgensens Spiel kann auch etwas zu lehrbuchmässig daherkommen – es fehlen die für einen Mittelstürmer nicht unwichtigen Haken, Ösen und Überraschungsmomente. Für eine Mannschaft, die Ballbesitz haben will, aber sicherlich auf Super League-Niveau eine gute Lösung.

Teddy Okou ist ein kleingewachsener Forward aus der Region Paris mit der Schrittfrequenz einer Nähmaschine. Im FCZ Forum wurde über den Einsatz des Linksfusses als Aussenläufer und damit Alternative zu Adrian Guerrero debattiert. Auf dieser Position wäre Okou aber sicherlich Fehl am Platz. Er kann hingegen auf allen Positionen vorne eingesetzt werden, am ehesten Flügelstürmer oder Mittelstürmer. Nachdem der heute 24-jährige in Frankreich vom Talentkarussell abgeworfen worden ist, hat er im Januar bei Stade Lausanne-Ouchy unter den Coaches Meho Kodro und Anthony Braizat einen Neustart machen können. Die grosse Frage ist, ob Okou auch in der Super League reüssieren könnte, oder ob die körperlichen Nachteile zu schwer wiegen. Am Einsatzwillen würde es sicherlich nicht mangeln. Okou scheint bereits jetzt in der Challenge League seinen Körper immer wieder ans Limit zu treiben, was nach speziellen Sprints jeweils zu leichten muskulären Problemen auf dem Platz führt.

Iker Pozo – möglicher FCZ-Ergänzungsspieler von Manchester City

Ebenfalls über dem Strich liegt in der Züri Live-Grafik schliesslich Iker Pozo von Manchester City. Die Realisierbarkeit sollte bei ihm das kleinere Problem sein. Der Zentrale Mittelfeldspieler ist teilweise ein ähnlicher Fall wie Arnau Comas vom FC Basel. Im Alter von zwölf Jahren wechselte der 22-jährige Spanier von Real Madrid zu Manchester City und verbrachte dort fast das ganze letzte Jahrzehnt in der Akademie. Bei einer Leihe vorletzte Saison zum holländischen Zweitligisten FC Eindhoven spielte Pozo zum bisher einzigen Mal im Männerfussball. Technisch, taktisch und im Passspiel muss man Pozo sicherlich nicht viel erklären oder vormachen. Ob er sich allerdings auch auf Super League-Niveau durchsetzen könnte, ist unklar. Eine Leihe nach Rijeka ist dieses Jahr im Sand verlaufen. Im Zentralen Mittelfeld hat der FCZ mit Krasniqi / Condé bereits ein talentiertes Duo mit Potential, das sich auch gut ergänzt. Dazu möchte Ole Selnaes trotz bisher durchzogenen Leistungen eine wichtige Rolle einnehmen. Stephan Seiler ist zurück. Pozo könnte da erstmal allenfalls als zusätzliche Alternative fungieren. Zum Ballbesitzfussball würde er passen.

«Dann geh ins Footeco von GC…»

Blick ins FCZ-Leistungszentrum. Grosses Interview mit dem Leiter Academy, Heinz Russheim – TEIL 4 von 4

Züri Live: Heinz Russheim, wie kommt es überhaupt, dass Brüder in verschiedenen Nachwuchsabteilungen landen?

Heinz Russheim: Zum Beispiel weil der eine FCZ-Fan ist – und der andere GC. 

ZL: Heute sind ja aber die Gebiete für Footeco aufgeteilt…

HR: Ja. Wenn nun aber ein Junge kommt und sagt: «mein Herz schlägt für GC», sage ich: «Dann geh ins Footeco von GC». Ich könnte ihm das theoretisch verbieten, da die Gebiete zwischen den Klubs aufgeteilt sind. Was passiert dann aber? Variante A: Er sagt kategorisch: «Das FCZ-Trikot ziehe ich nicht an». Solche Fälle gibt es. Der würde dann in Wiedikon bleiben und verzichtet aufgrund seiner Liebe zu einem Verein auf Juniorenspitzenfussball. Variante B: Er kommt mit Murren trotzdem, wird aber niemals sein Potential abrufen können, wenn er das Trikot nicht gerne trägt. Darum haben wir schon vor längerer Zeit mit dem Technischen Leiter von GC ein klares Gentlemen’s Agreement gemacht. Wenn ein Talent sagt, es sei ein eingefleischter Fan vom anderen Klub, dann lassen wir ihn dorthin ziehen.

ZL: Die Einteilung in der Region Zürich ist etwas speziell. Der FCZ hat aus der Vergangenheit das Image als «Arbeiterverein», aber beim Footeco-Einzugsgebiet ist es eher umgekehrt. Der FCZ hat die Goldküste, den Züriberg, die schönen Lagen – auch Pfnüselküste, Greifensee und so weiter. GC hingegen hat das Unterland, oder in der Stadt Altstetten und Affoltern, wo eher die «Arbeiter» von heute leben.

HR: Ja, das ist speziell.

ZL: Im Eishockey gibt es ein ähnliches Phänomen: ein teurer Sport, der daher tendenziell von den Kindern der oberen Mittelschicht gespielt wird. Aber die Fans sind eher vom Land. Beim FCZ kommt ein nicht unwesentlicher Teil der eigenen Spieler eher aus bevorzugten Wohngegenden, die Zuschauer hingegen vielfach nicht.

HR: Das war ja damals eine ganz harte Verhandlung. Man kann Fan sein von der beschlossenen Aufteilung oder nicht. Ich respektiere beides. Persönlich finde ich es gut. Denn wenn wir das nicht hätten, müssten wir in der ganzen Grossregion Zürich mit rund 150 Vereinen scouten. Nach Rafz, nach Bülach, überall. Jetzt sind es 42. GC und Winterthur haben die anderen Gebiete. Wir gehen nur noch schauen, ob es bei unseren Vereinen noch mehr Talente hat, die in einer 1. Runde nicht gesehen worden sind.

Die Anzahl Talente im Gesamtgebiet ist fix – obs aufgeteilt ist oder nicht. So ist es effizienter und wir sind näher bei den Leuten. GC und der FCZ haben plus/minus gleich viele Junioren zur Verfügung – gemessen auf Stufe E-Junioren. Die Anzahl Vereine ist nicht bedeutend, sondern die Anzahl E-Junioren. Man weiss: pro 1’000 Junioren gibt es so und so viele Talente. Wie hat man also die Aufteilung gemacht? Man ist zusammengesessen und hat sich gefragt: wo ist GC zuhause? Antwort: im Unterland. Also hat man dort einen Kreis gemacht. Um den FC Winterthur hat man ebenfalls einen Kreis gemacht. FCZ: ebenfalls. Dann fingen die Diskussionen an. Zum Beispiel kann man nicht die ganze Stadt Zürich einem Verein zuteilen. Sonst hätte beispielsweise GC zu wenig. Dann bleibt noch das Oberland, die Pfnüselküste und Goldküste. Da muss man dann die Zuordnung so vornehmen, damit es ein Gleichgewicht  bei der Anzahl E-Junioren gibt.

ZL: Der Standort ist also in erster Linie entscheidend. Heerenschürli und Niederhasli.

HR: Genau. Dann muss man aber auch noch die Partnervereine berücksichtigen. Der Partner des FCZ war früher Rappi. Und Red Star war bei GC. Interessanterweise haben beide Vereine unabhängig voneinander das Gefühl gehabt, der andere Klub wäre der bessere Partner. Rapperswil-Jona ist also vor etwas mehr als zehn Jahren zu GC gekommen. Und Red Star zum FCZ. Wenn also Red Star der Partner ist, macht es ja Sinn, dass man auch gleich die nähere Umgebung als Partner beim Footeco hat. Weil es ein potentieller Standort ist. Und wenn der FCRJ Partner von GC ist, macht es natürlich Sinn, dass die Region rund um den Obersee mit Wangen, Lachen etc. zu GC geht. Die unmittelbar angrenzenden Gemeinden des Oberlands mit Wald und Rüti sind darum ebenfalls GC zugeteilt worden. Beide Vereine wollten eigentlich um keinen Preis zu GC. Das musste man ein bisschen erzwingen.

ZL: Ausgerechnet der Stammklub von Ancillo Canepa….

HR: Ja klar, auch meiner… Dann hat man geschaut, wie weit kann oder muss Winti Richtung GC- und FCZ-Gebiet vorstossen? Die Linie wurde dann bis Effretikon – Pfäffikon ZH gezogen. So ist das Ganze entstanden.

ZL: Aus Pfäffikon kommen doch aber die drei Kissling-Brüder beim FCZ?

HR: Ja, weil Pfäffikon zuvor mal im Einzugsgebiet des FCZ war. Dann hat man das mal bereinigt.

ZL: Für die Partnerklubs ist das Ganze ja auch ein grosser finanzieller Aufwand. Wie wird dies geregelt?

HR: Die erhalten Geld von uns. Für das Label gibt es Subventionen des Verbandes für die U16 und die U15 von Red Star. Das ist klar definiert. Ein U15-Trainer beispielsweise löst CHF 30’000.- aus. Der ganze Betrag, den wir wegen den Mannschaften von Red Star bekämen, gehen direkt zu Red Star. Das hat sich gut bewährt.

ZL: Wie viele Scouts sind insgesamt von Seiten FCZ für die Rekrutierung und Selektion für die Footeco-Stufen unterwegs?

HR: Wir haben einen Pool von 20-25 Leuten, die wir zu den uns zugeteilten Teams in der Region zu E-Junioren und D-Junioren- Spielen senden. Eher selten müssen wir auch noch C-Junioren anschauen. Denn es kann sein, dass ein eigentlicher D-Junior bereits bei den C-Junioren spielt. Diese Scouts sind nicht wirklich Angestellte.

ZL: Sie werden aber schon etwas entschädigt?

HR: Spesenaufwand. Und dann kann einer davon vielleicht noch einen Kaffee trinken, nachdem der Benzintank gefüllt ist. Auf höherer Stufe schauen wir uns dann natürlich die nationale Ebene an. Die harte Realität sieht so aus, dass ein U15-Spieler im Breitenfussball praktisch null Chancen hat, es noch zu schaffen.

ZL: Wobei ich das Gefühl habe, dass die Coca-Cola Liga an Qualität gewonnen hat in den letzten Jahren…

HR: Ja, aber die haben trotzdem praktisch keine Chance mehr. Es kann ausnahmsweise mal sein, da sind wir wieder bei den Beispielen Servette oder YB. Es gibt Spieler, bei denen kein Mensch weiss, warum die nie aufgefallen sind. Dann siehst du einen stämmigen Spieler und denkst: okay, für den Moment reicht es für ihn, es in den Kader zu schaffen. Er kann von der Physis her etwas bringen. Dann bringt er auch den Mitspielern was. Aber wenn es ein kleiner, filigraner ist, ist die Wahrscheinlichkeit sehr klein.

ZL: Weil er die technische Ausbildung nicht hat…?

HR: Ja. Es fehlt einfach das Trainingsalter. Ausnahmen gibt es, wenn einer zu einem frühen Zeitpunkt mental noch nicht bereit dazu ist, seinen Stammverein zu verlassen. Das gibt es ganz selten. Dass einer in der U12 noch nicht will und bis zur U13 wartet. Aber wenn er in der U14 nicht dabei ist, wird es ganz schwierig.

ZL: Nochmal zurück zu einzelnen Brüderpaaren. Die Haile-Selassies gehören zu denen, die zur Zeit auf dem Sprung sind wie ein paar andere Brüderpaare ebenfalls. Wir haben die Reichmuth-Brüder. Oder Hodzas. Was gibt es zu diesen Spielern zu sagen?

HR: Dass alle aufgezählten in dieser letzten Saison Freude gemacht haben. Bei den Reichmuths: einer ist ausgeliehen, der andere bei der 1. Mannschaft dabei. Es wäre sensationell, wenn es wieder einer packt für die 1. Mannschaft. Bei Haile-Selassie wurde der eine wegtransferiert, der andere stösst Richtung 1. Mannschaft. Ob er es schaffen wird, kann ich nicht beurteilen. Mirlind Kryeziu beispielsweise hatte lange Zeit Schwierigkeiten, sich zu etablieren. In der Meistersaison war er dann eine Säule der Mannschaft. Weil ein Trainer gekommen ist, der in ihn als Fussballer vernarrt war. Das gibt Rückenwind. Dass nicht alle Trainer gleich auf einen Spieler ansprechen, ist menschlich. Es soll keiner kommen und behaupten, er behandle alle gleich. Das gibt es nicht. Das Ziel muss sein, alle gleich FAIR zu behandeln. Das Potential haben alle. Von fünf bis sechs Spielern, die das Potential haben, wird am Ende nur einer oder zwei sich durchsetzen.  

ZL: Mit Maren Haile-Selassie habe ich ein paar mal geredet und habe ihm gesagt, dass ich bei seinem jüngeren Bruder Kedus etwas mehr Talent sehe. Und er hat dies sicherlich nicht nur von mir gehört. Ich hatte schon das Gefühl, dass ihn das nochmal am Ehrgeiz gepackt hat. Zuvor hatte er etwas zu wenig aus seinen Möglichkeiten gemacht. Als dann der jüngere Bruder angefangen hat von unten Richtung 1. Mannschaft zu pushen, scheint Maren nochmal einen Schub bekommen zu haben.

HR: Die grosse Frage ist: «Was ist ein Talent?». Ein Talent ist ein Mensch, der in seinem Gebiet überdurchschnittliche Ansätze hat. Was braucht es für den Fussball? Man kann das anhand des aus Holland stammenden TIPS-Schemas evaluieren. «T» steht für Technik. Da sind fünf Elemente drin. Ich kann in einem Element top sein und in den anderen vier nicht. Da ist es dann fragwürdig, ob man von einem Talent sprechen kann. «I» steht für Intelligenz / Kognition / taktisches Verständnis, «P» für Persönlichkeit, «S» für Schnelligkeit. In Holland sind sie zum Schluss gekommen, dass für die Talentdiagnostik Schnelligkeit der entscheidende Faktor ist, «S» steht aber auch allgemein für Athletik.

Es reicht nicht, wenn ich in einem der Bereiche weit überdurchschnittlich bin und in einem anderen weit unterdurchschnittlich. Man darf keinen Bereich haben, der «unter die Tischkante fällt». Ein einziger leistungslimitierender Bereich kann den Weg in die Super League verbauen. Alle Bereiche «knapp über der Tischkante» nützt aber auch nichts. Dann bräuchte ich zwingend mindestens einen, in dem ich beinahe unwiderstehlich bin. Es gibt aber auch Talente, die haben keinen unwiderstehlichen Bereich, sind aber in allen Bereichen gut bis sehr gut. Dominant bei Spielern ist letztendlich der Faktor Mentalität – analog der Sozialkompetenz bei den Trainern. Ohne Mentalität nützt der ganze Rest nichts. In allen Bereichen muss man «über der Tischkante» sein und im Endeffekt hilft die Mentalität, all diese Bereiche auszuprägen. Und das ist eben auch ein Talent.

TEIL 1: «Die Sozialkompetenz wird zu wenig berücksichtigt»

TEIL 2: «Wir sind nicht Ajax»

TEIL 3: «Bei Zwillingen wird es irgendwann schwierig»

«Bei Zwillingen wird es irgendwann schwierig»

Blick ins FCZ-Leistungszentrum. Grosses Interview mit dem Leiter Academy, Heinz Russheim – TEIL 3 von 4

Züri Live: Kommen wir zum Fokusthema dieses Interviews: Brüderpaare – und Schwestern. Aktuell gerade Liliane und Sydney Schertenleib. Die jüngere, Sydney, hat die letzte Saison bei den Jungs in der U15 gespielt. Am FIFA/Blue Stars U19-Frauenturnier war sie als 15-jährige aus meiner Sicht eine der zwei besten Spielerinnen…

Heinz Russheim: Ja, sie ist in der aktuellen Saison bei den Jungs in der U16, und wir schauen wie lange es geht. Wenn sie dieses Niveau bis Ende Saison mitgehen könnte, wäre das phänomenal, einmalig. Es ist immer noch so, dass bei den Jungs ein anderer Fussball gespielt wird, auch wenn bei den Mädchen das Niveau ebenfalls steigt. Es gibt keinen Grund, ein Mädchen, welches gut genug ist, nicht zu integrieren. Sie nimmt dadurch natürlich einem Jungen den Platz weg. Aber es gibt keinen «Sozialplatz» für die Jungs. Für Mädchen auch nicht. Und mit dem Spielerpass gibt es auch keine Probleme, da es keinen Vereinswechsel braucht.   

ZL: Ähnlich ist es ja für die Jungs. Sie profitieren davon, wenn sie so früh wie möglich wettkampfmässig mit und gegen Männer spielen können. Das scheint mir ein Vorteil der Schweiz gegenüber Ländern wie England zu sein. Schweizer Toptalente, die früh in die Akademien von Premier League-Klubs wechseln, stagnieren dort in der Regel und werden von weniger talentierten Gleichaltrigen, die in der Schweiz geblieben sind, in der Entwicklung überholt.

HR: Ja, das ist die Frage: was wäre passiert, wenn diese Toptalente in der Schweiz geblieben wären?

ZL: Man sieht es an Beispielen wie Granit Xhaka oder Xherdan Shaqiri. Sie haben die ganze Nachwuchsausbildung in der Schweiz durchlaufen und sich dann über die Super League bei den Profis etabliert. Sie sind heute die Leistungsträger der Nationalmannschaft.

HR: Die richtigen Karriereentscheidungen zu fällen, gehört halt eben auch zu den Eigenschaften eines echten Toptalentes.

ZL: Auf den ersten Blick scheint mir, dass es beim FCZ so viele Brüderpaare gibt wie bei keinem anderen Klub. Woher könnte das kommen?

HR: Zufall. Ob wir wirklich mehr haben als andere Vereine kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Gefühlsmässig haben wir relativ viele. Einen Grund dafür finde ich aber nicht. Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit grösser, dass ein jüngerer Bruder ein guter Fussballer wird, wenn der ältere auch gut ist. Denn der jüngere eifert häufig dem älteren nach. 

ZL: Gibt es auch den Fall, dass der jüngere Bruder als Talent entdeckt wird, und dann holt man im Nachhinein auch noch den älteren dazu? 

HR: Bei uns gibt es keinen Freipass für einen Bruder. Das wäre völlig falsch. Ein einfallsloses Auswahlkriterium. Wir haben eine begrenzte Anzahl Ausbildungsplätze. Wir nehmen diejenigen, die es verdient haben.

ZL: Das kann ich als Beobachter von aussen bestätigen. Die beim FCZ spielenden Brüder haben alle ihren Platz verdient. Manche gehören gar zu den Besten ihres Jahrganges. Wird es aber vielleicht in den Stammklubs in der Region zum Gesprächsthema unter den Gleichaltrigen, wenn der jüngere Bruder ein, zwei Jahre nach dem älteren auch noch zum FCZ wechselt?

HR: Bei uns ist es so, dass wirklich alleine die Qualität entscheidet. Ich weiss schon, dass im Schweizer Fussball manchmal Geschichten kursieren. Dass Eltern sagen: «der Talentierte kommt nur zu Euch, wenn ihr den Bruder auch nehmt». Ich habe null Sympathie für so eine Entscheidung. Aber ich weiss, wie das Geschäft läuft.

ZL: Interessant finde ich die Dynamik zwischen dem älteren und dem jüngeren Bruder…

HR: …es gibt ja auch noch Zwillinge….

ZL: Genau. Die Freis – und die Elvedis früher…

HR: Ja. Dort ist Jan dann weggegangen…

ZL: ..nach Winterthur…

HR: Ja. Inwiefern das sein musste, weiss ich nicht. Da war ich nicht involviert.

ZL: Der Vater war damals ja auch beim FCZ.

HR: Ja, er ist jetzt noch hier. Aber es war auf jeden Fall der einzig richtige Entscheid. Wenn Brüder altersmässig auseinander sind, dann geht’s. Bei Zwillingen hingegen wird es irgendwann mal schwierig. Nehmen wir als Beispiel das Zwillingspaar Filip und Luka Frei. Die habe ich auseinandergenommen. Das Problem ist: irgendwann kommt ein Verein und sagt: «wir wollen den Einen hier verpflichten – und den Anderen nicht». Bei einem internationalen Transfer kann man nicht zwei «im Multipack» verkaufen. Und dann würde es sehr schwierig, wenn die zwei das vorher nicht schon gelernt haben.

Wir haben die beiden auseinandergenommen nach der U16. Der eine ging in die U17, der andere in die U18. Es war ein Kampf, weil die beiden unbedingt zusammenbleiben wollten. Es gab auch Diskussionen mit den Eltern und dem Spielerberater. Nach einem halben Jahr sind dann diejenigen Beteiligten, die ursprünglich am kritischsten waren, gekommen und haben gesagt, dass es der einzig richtige Entscheid war. Es war positiv in jeder Beziehung. Die beiden haben immer noch eine enge Beziehung, aber sie konnten im Fussball eine eigene Identität entwickeln. Anders ist es nicht möglich. Bei den Elvedis ging einer zu einem anderen Verein. Letztendlich geht es um das Individuum. Dann haben wir die Brüder Janko…

ZL: Die sind ziemlich weit auseinander.

HR: Ja. Da ist natürlich die Problematik viel kleiner. Wir hatten aber auch Geschwisterpaare oder Cousin / Cousine. Wie Djibril und Coumba Sow.

ZL: Cavars sind ein Beispiel für Geschwister.

HR: Ja. Marin ist schon länger weg.

ZL: Jetzt sind noch Martina und Mihael da.

HR: Mihael ist in der U16. Dass es Geschwister sind, hat bei uns auf die Auswahl keinen Einfluss. Dafür würde ich beide Hände ins Feuer legen.

ZL: Wir publizieren bei Züri Live ja einen monatlichen Podcast. Eine Ausgabe war mit dem Spielerberater Dino Lamberti. Er betreut gleich zwei FCZ-Brüderpaare, die beiden Hodzas und die beiden Di Giustos. Für mich haben alle vier gemeinsam, dass sie neben ihren sonstigen Qualitäten alle eine sehr gute Mentalität mitbringen. Ist es in der Beziehung des Klubs mit den Eltern einfacher, wenn es um den jüngeren Bruder geht? Sie haben ja den ganzen Prozess bereits mit dem älteren durchgemacht.

HR: Ob das wirklich einfacher ist, weiss ich nicht. Würde ich nicht so unterschreiben. Es gibt schon Konstellationen, wo es schwieriger sein könnte: wenn der Ältere top ist und der Jüngere nicht. Ich kenne keinen konkreten Fall, aber theoretisch könnte von Angehörigen gesagt werden: «der Erste bleibt nur, wenn ihr den zweiten auch aufnehmt». Ich kenne keinen solchen Fall. Wenn es so wäre, dann würde ich dem nicht zustimmen. Dann müsste unter Umständen der Ältere wieder gehen. Erpressen lasse ich mich nicht.

Bei Matteo und Nevio Di Giusto war der Jüngere zuerst bei GC, der Ältere bei uns. Der Jüngere ist dann auch zu uns gekommen, weil für die Familie der Aufwand mit Jungs bei zwei verschiedenen Klubs zu gross war. Wenn die Mutter den Einen fahren muss und der Vater den Anderen… Wir wussten, dass beide gute Fussballer sind. Über die Qualitäten des Jüngeren mussten wir nicht lange diskutieren. Die waren top. Der Impuls kam von der Familie, dass entweder beide zu GC sollen oder beide zum FCZ.

ZL: GC wäre ja eigentlich von Baden aus etwas näher gewesen….

HR: Ja, das ist so. Der Jüngere war schon früh bei GC, als wir den Älteren von Baden geholt haben. Da kommt man als Familie natürlich in die Zwickmühle. Das kann man nicht bewältigen. Sowohl Niederhasli wie auch Schwamendingen lagen nicht gerade am Weg.

ZL: Bei den Rodriguez-Brüdern war es auch schon so, dass der Älteste bei GC war, der Mittlere beim FCZ,…

HR: Das ist dann aber natürlich nicht so ein Problem. Ricardo musste niemand ins Training fahren. Er hat im Quartier gewohnt. Höchstens Roberto musste zu GC gebracht werden.

hier geht’s zu Teil 4

TEIL 1 von 4 – «Die Sozialkompetenz wird zu wenig berücksichtigt»

TEIL 2 von 4 – «Wir sind nicht Ajax»

Stadion-Hammer: Ende einer Ära im Schweizer Fussball

Im ganzen Trubel um die Modus-Diskussion haben der FC Winterthur, der FC Wil und der FC Vaduz mit ihrem erfolgreichen Antrag um eine drastische Reduktion der Stadionanforderungen für die Super League still und heimlich für eine kleine Revolution gesorgt. Es ist eine viel weitreichendere Entscheidung als der Modus. Ohne Übertreibung ist damit an der GV der Swiss Football League vom Freitag im Schweizer Fussball eine Ära zu Ende gegangen.

Dank Stadionkatalog der SFL: Europacup in Thun, Frauen-Länderspiele in Schaffhausen

Die Denkmäler dieser Ära sind die gebauten Stadien neue Maladière in Neuenburg, Stockhorn Arena in Thun, wefox Arena in Schaffhausen, die Tissot Arena in Biel und die Tuilière in Lausanne. Dazu kommen die sich immer noch in Planung befindlichen Projekte in Aarau und Lugano. Ausserdem wurde auch der Um- und Ausbau der Stadien in Vaduz, Winterthur und Wil durch diese Ära geprägt. Diese Stadien sind alle Kinder eines Blatt Papiers (beziehungsweise PDF). Nämlich des in den letzten rund zwei Jahrzehnten gültigen Stadionkataloges (Kategorie A) der Swiss Football League. Um diese Kriterien erfüllen zu können, und damit in der obersten Schweizer Fussball-Liga mitspielen zu dürfen, haben mittelgrosse Schweizer Klubs enorme finanzielle und zeitliche Aufwände geschultert, etliche Abstimmungskämpfe geführt, den Standort gewechselt, die eigene Organisation angepasst und zusätzliche Eigentümer, teilweise aus dem Ausland, mit ins Boot geholt. Und um das Ganze finanziell überhaupt realisieren zu können, wurden zur Querfinanzierung und wegen der tieferen Bodenpreise in Thun, Schaffhausen oder Biel Stadien mit Mantelnutzung an der Peripherie gebaut.

Neue Maladière, Neuchâtel (Eröffnung: 2007)

Alles wurde dafür getan, um ein modernes Stadion errichten zu können, welches die Minimalanforderungen der Liga erfüllt. Und damit auch einen Vorteil gegenüber denjenigen Konkurrenzstädten zu haben, die dies nicht zu Stande brachten. Der Komfort, die Sicherheit und die Zuschauerzahlen wurden dank diesen neuen Stadien erhöht. Es kommen mehr Frauen und Kinder zu den Spielen. Der FC Thun konnte 13 Europacuppartien im eigenen Stadion mit echtem Heimvorteil spielen (unter anderem mit Siegen gegen Partizan und Rapid), statt nach Bern ausweichen zu müssen. Die Stockhorn Arena und die wefox Arena sind zu populären Heimstätten für die Spiele der Frauen-Nati geworden. In Biel werden viele Junioren- und Frauen-Cupfinals und Junioren-Länderspiele ausgetragen. Der ausgebaute Vaduzer Rheinpark hat einige ausverkaufte Länderspiele gegen grosse Fussball-Nationen gesehen. Die Winterthurer Schützenwiese erhielt eine schöne, neue Gegentribüne – als Teil eines umfassenden Ausbauprojektes, dessen Dringlichkeit sich nun aber stark reduziert hat.

Administrative Aufstiegshürden neu für alle stemmbar

Die bisherigen hohen Anforderungen haben für den Schweizer Fussball viel Gutes getan. Trotzdem ist der nun von Winterthur, Wil und Vaduz beantragte und von den Klubs der Swiss Football League beschlossene Rückschritt in Sachen Infrastruktur zum jetzigen Zeitpunkt positiv zu werten, speziell für den sportlichen Wettbewerb und für „die Kleinen“. Bei der Gesamtkapazität wurde eine Halbierung von 10’000 auf 5’000 Plätze beschlossen, bei den Sitzplätzen gar eine von 6’500 auf nur noch 1’000 Plätze. Dazu kommt eine Einjahresfrist zur Erfüllung dieser Anforderungen für Aufsteiger. Nur die Anforderungen für die Sicherheit und TV-Übertragungen müssen von Anfang an erfüllt werden (wobei wie diese Saison beim FC Winterthur dabei je nach Umständen eine Kulanzfrist von ein paar Wochen oder Monaten sicherlich gewährt wird).

Stockhorn Arena, Thun (2011)

Dies ändert die Situation fundamental. Die administrativen Aufstiegshürden werden wesentlich reduziert. Bis zu diesem Entscheid gab es mit Thun, Xamax, Schaffhausen und Lausanne-Sport nur vier Challenge League-Klubs, welche die Infrastrukturvoraussetzungen für die Super League mitbrachten. Winterthur durfte diesen Sommer überhaupt nur dank einer Sonderregelung aufsteigen. Nun sollte grundsätzlich jeder Challenge League-Klub aufsteigen können. Selbst ein Klub, der die reduzierten Anforderungen nicht erfüllt, kann erst mal aufsteigen und sich dann im Verlauf der Vorrunde immer noch überlegen, einen Stadionausbau im vernünftigen Rahmen in Angriff zu nehmen und / oder bei Klassenerhalt für eine gewisse Zeit in ein grösseres Stadion im Umkreis umzuziehen.

Brügglifeld olé?

Winterthur ist ein Paradebeispiel sowohl für einerseits die positive Wirkung des Druckes, den der bisherige Stadionkatalog erzeugt hat, und der gleichzeitig aber auch etwas überzogenen Standards, die darin formuliert wurden. Der aktuelle Rückschritt in den Anforderungen ist massiv. Kurzfristig ist das kein Problem. Es hilft sogar, speziell im Zuge der Super League-Vergrösserung das Wettbewerbsprinzip Aufrecht zu erhalten. Langfristig könnte es aber schon wieder zu einer Situation führen wie in den 80er und frühen 90er-Jahren, wo verfallende und nicht mehr zeitgemässe Infrastrukturen zum damaligen Zuschauerschwund beigetragen haben.

Tissot Arena, Biel-Bienne (2015)

Der FC Aarau gehörte wohl nicht ganz ohne Hintergedanken nicht zu den Promotoren des Antrages. Während andere Klubs bei einem Standortwechsel fast immer mit einer zentrumsferneren Location vorlieb nehmen müssen, will der FCA mit seinem im Grunde schon seit den 90er-Jahren pendenten Stadionprojekt vom in der Gemeinde Suhr gelegenen Brügglifeld ins deutlich zentrumsnähere Torfeld Süd umziehen. Macht der Entscheid der Swiss Football League vom Freitag den Aarauern im letzten Moment noch einen Strich durch die Rechnung, weil ein Verbleib im Brügglifeld plötzlich wieder eine Option werden könnte? Auch der Neubau des Cornaredo in Lugano ist durch diesen Entscheid nicht mehr wirklich zwingend. Anders sieht die Situation in Zürich aus. Wie in Genf, Basel oder Bern gehen die Anforderungen an ein Fussballstadion in einer Stadt wie Zürich sowieso über die SFL-Mindestanforderungen für Super League-Stadien hinaus – egal ob bisherige oder neue.

Eröffnung wefox Arena (damals LIPO Park), Schaffhausen (2017)
Tuilière, Lausanne (2020)

Ligaaufstockung plus Schottenmodus: Die «Kleinen» sind die Verlierer

Nach der Liga-Generalversammlung diese Woche kommt nun also letztendlich die bereits vorher beschlossene Ligaaufstockung auf 12 Teams zusammen mit dem «Schottenmodus». Diese beiden Neuerungen haben einen gemeinsamen Nenner: die «Kleinen» sind die Verlierer.

Die «Grossen» profitieren vom «Schottenmodus»

Es ist kein Zufall, dass mit YB die Nr.1 der letzten Jahre am meisten gegen die Playoffs geweibelt hat und die in der Meisterschaft seit Jahrzehnten chronisch erfolglosen Welschen und Tessiner Klubs fast geschlossen dafür waren. Playoffs hätten den «Kleinen» eine grössere Chance im Kampf um Meisterschaft und Europacup-Plätze gegeben. Auch der FCZ hätte vom Playoff-Modus sicherlich profitiert. In einzelnen wichtigen Spielen ist man in den letzten Jahren immer wieder über sich hinausgewachsen – und hatte mit Ausnahme der Zaubersaison 21/22 über eine volle Meisterschaft mit 36 Runden jeweils keine Chance auf Erfolg. Schottland wird seit Jahrzehnten, sicherlich nicht nur, aber auch wegen dem «Schottenmodus» von Celtic und Rangers dominiert.

Mit dem «Schottenmodus» werden die bestehenden Machtverhältnisse also tendenziell zementiert. Trotzdem war Züri Live genauso wie der FCZ und alle Fankurven gegen die Playoffs. Denn diese hätten uns eine extrem lange praktisch bedeutungslose «Aufwärmphase» von Juli bis April gebracht. Im Gegensatz zum Eishockey mit seinem «Best of 7» über drei Monate hätte die entscheidende Meisterschaftsphase im Schweizer Fussball nur ein paar wenige Tage gedauert. Sehr löblich zu erwähnen: FCZ-Präsident Ancillo Canepa hat wie schon zu seiner Zeit im Ligakomitee als einer von ganz wenigen Klubvertretern zu jedem Zeitpunkt in erster Linie an den Schweizer Fussball als Ganzes gedacht, und nicht an die Interessen des eigenen Klubs.

Nach Nati A-Aufstockung steht im Eishockey die Nati B vor dem Kollaps!

Bei der Frage der Playoffs auf der Seite der «Grossen» zu stehen war aus Züri Live-Sicht richtig. Bei der Ligagrösse hingegen nicht! Mit der Aufstockung auf 12 Teams wollen grössere Klubs wie FCZ, GC, St. Gallen, Luzern oder Sion die Abstiegsgefahr verkleinern. Die Super League «klaut» dafür der Challenge League ihre zwei besten Teams. Dadurch sinken Qualität, Zuschauerzahlen und Einnahmen in der zuletzt immer attraktiver werdenden zweithöchsten Liga. Im schlimmsten Fall bricht dem Schweizer Fussball so ein wettbewerbsfähiges Unterhaus weg, wo sich Nationalspieler wie Sommer, Akanji, Zakaria oder Freuler den letzten Schliff vor ihrem Durchbruch in der Super League holten. Zudem sind mehrere Spitzen-Juniorenorganisationen von Challenge League-Klubs so deutlich schwieriger zu finanzieren.

In welche Richtung es nach einer Super League-Aufstockung gehen kann, führt aktuell das Schweizer Eishockey plastisch vor Augen, wo nach Aufstockungen der obersten Liga auf 14 Teams die Nationalliga B (Swiss League, 10 Mannschaften) vor dem sportlichen und finanziellen Kollaps steht! Traditionsklubs wie SC Langenthal oder EHC Winterthur überlegen sich einen Rückzug. Ähnlich könnte es im Fussball bald Thun, Xamax, Aarau, Bellinzona oder Schaffhausen ergehen.  

Die «Kleinen» Profiklubs schneiden sich ins eigene Fleisch

Leider haben Schweizer Klubvertreter, Journalisten und Fans in den letzten Jahren bei all den Diskussionen um eher kosmetische Modusfragen viel zu wenig Zeit investiert, um die viel tiefgreifenderen Folgen einer Ligaaufstockung ernsthaft und ganzheitlich zu analysieren. Hätten sie dies getan, hätten viele kleine Profiklubs mit der Ligaaufstockung nicht eine Idee unterstützen können, die ihnen selbst letztendlich am meisten schaden wird.

Der Köder für die «Kleinen» sind die zwei zusätzlichen Plätze in der Super League. Der dafür zu bezahlende Preis einer Schwächung der Challenge League ist aber viel zu gross! Denn die meisten dieser kleinen Teams werden weiterhin mehr Zeit in der Challenge League, als in der Super League verbringen. Für 24 Profiklubs im Eishockey und 22 im Fussball (insgesamt 46) ist die Schweiz wahrscheinlich zu klein. Dass die Grenze im Fussball wohl bei 20 liegt, wurde in einer früheren von der Swiss Football League in Auftrag gegebenen Studie bereits einmal festgestellt. Und bei 20 ist die Formel 10+10 ideal.

Erhöhung Challenge League-Anteil an zentralen TV- und Marketing-Geldern auf 30-40% jetzt eine Notwendigkeit!

Man kann nur hoffen, dass die Klubvertreter auch mit dem Beispiel des Eishockeys vor Augen den Fehler einsehen und mittelfristig zum erfolgreichen 10+10 zurückkehren. Ansonsten sind schmerzhafte Einschnitte bei Qualität, Nationalmannschaft, Zuschauerzahlen, Arbeitsplätzen, Wettbewerbsfähigkeit und Juniorenförderung unvermeidlich. Um den Super-GAU zu vermeiden, sollten die Super League-Klubs als kurzfristige Massnahme ihre Kollegen in der Challenge League dafür entschädigen, dass sie ihnen ihre zwei besten Teams und damit wichtige Einnahmen «klauen».

Als Kompensation muss daher der prozentuale Anteil der Challenge League-Klubs an den TV- und Marketing-Geldern der Swiss Football League möglichst rasch von aktuell rund 20% auf 30-40% erhöht werden! Den Super League-Klubs bricht damit kein wesentlicher Einnahmenblock weg. Zumal für die Super League der «Schottenmodus» kommerziell deutlich attraktiver ist, als der zuvor im Raum stehende «Playoff-Modus» mit weniger Spielen, verringerter Planbarkeit und erhöhter Langeweile während den 10 Monaten bis zu den Playoffs. Für die durch die Super League-Aufstockung benachteiligten Challenge League-Klubs wäre es hingegen eine willkommene Entlastung.

Züri Live-Artikel vom 10.Mai 2022: SWISS FOOTBALL LEAGUE – 23 GRÜNDE GEGEN LIGA-AUFSTOCKUNG UND PLAYOFFS

FCZ wie erwartet mit Hornschuh, Lugano startet ohne Haile-Selassie / Lugano – FCZ Vorschau und Matchblatt

Seit Lausanne-Sport in der Saison 13/14 hat keine Mannschaft nach 14 Runden weniger Punkte als der FCZ auf dem Konto gehabt. Und im ganzen letzten Jahrzehnt hat kein Super League-Team weniger Tore erzielt als die aktuelle Ausgabe des FC Zürich mit nur neun Treffern in 14 Runden. In Lugano steht ein weiteres Keller duell an, auch wenn die Tessiner punktemässig zum breiten Mittelfeld gehören, das vom 2. bis zum 9. Platz reicht. Nach dem Auswärtspunkt von Winterthur in Luzern ist schon jetzt klar, dass der FCZ als Tabellenletzter überwintern wird.

Lugano spielt diese Saison bisher mit Viererabwehr. Aktuell gehen den Tessinern aber etwas die Aussenverteidiger aus. Arigoni wird wohl von rechts auf links wechseln und rechts könnte der gelernte Innenverteidiger Hajrizi zum Zuge kommen. Babic könnte der Ersatz für den in Genf bei seinem erfolgreichen Torabschluss am Kopf verletzten Celar sein.

Wird Coach Henriksan für den FCZ wieder eine ähnliche Equipe aufs Feld schicken, wie in London? Condé fehlt auf jeden Fall gesperrt. Dzemaili wäre eine Option, ist aber fraglich. Somit könnte Hornschuh im Cornaredo zum Handkuss kommen. Mets wäre eine Option in der Verteidigung für Aliti. Okita spielte in London zu Beginn auf der 10er-Position. In Lugano könnte wieder Marchesano oder Krasniqi diese Rolle einnehmen – und damit Rohner auf die Bank verdrängen.

Bei Lugano sitzen Haile-Selassie und Hajrizi zu Beginn auf der Ersatzbank. In der Abwehrreihe erhält Hajdari eine Chance von Beginn weg. Der Basler kann auch Linksverteidiger spielen, was gleichzeitig auch die ursprüngliche Position von Routinier Daprelà ist.

Der FCZ spielt genau wie gedacht. Hornschuh spielt also von Beginn weg neben Selnaes. Auf der Ersatzbank sind mit Krasniqi, Santini, Vyunnik, Mets, Hodza und Sauter nur sechs statt der erlaubten acht Feldspieler.

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