Hohes Pressing des FCZ 30 Minuten erfolgreich, dann überfordernd / YB – FCZ in der Züri Live-Analyse

Auch in der fünften Auswärtspartie ist Antonio Marchesano erneut der Züri Live-MVP! Und dies auf einer eher ungewohnten Position links in einem Dreiermittelfeld. Weitere positive Konstanten im ersten Saisonviertel sind bisher Ousmane Doumbia, Assan Ceesay und Marc Hornschuh, der als Defensivfeuerwehrmann (normalerweise mit Impulsen als Einwechselspieler im Mittelfeld, in Bern vorwiegend in der Rolle als „Libero“ von Beginn weg) bisher noch nie enttäuscht hat.

FCZ mit konstant Hohem Pressing im 5-3-2

Der FCZ spielt in Bern gegen den Serienmeister erstmals mit einem von der Formation her defensiven 5-3-2, allerdings kombiniert mit beinahe konstant Hohem Pressing bis weit in die Zweite Halbzeit hinein. Man hatte das Spiel in der ersten halben Stunde klar unter Kontrolle. Ungewöhnlich für den FCZ bei einem Super League-Auftritt im Wankdorf. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die eklatante Leistungssteigerung von Stürmer Assan Ceesay im Vergleich zu letzter Saison – auch im Pressing und Defensivverhalten allgemein. Im ersten Spielviertel (22,5 Minuten) hatten gleich fünf FCZ-Spieler eine Züri Live-Note 10 (Marchesano, Ceesay, Hornschuh, Guerrero, Leitner). Man sah auch sonst neue Elemente. Zum Beispiel war im Spielaufbau Überzahl über die Seiten kreieren in den letzten Jahren nie eine Spezialität des FCZ gewesen. Dies haben viel eher YB und andere Super League-Gegner jeweils gegen den FCZ angewandt. Die Berner haben ihre Spielweise unter David Wagner geändert, agieren viel häufiger in Hauruck-Manier und weniger mit spielerischen Mitteln, als zuvor unter Gerardo Seoane – was in der Champions League gegen einen Top-Gegner gut funktioniert hat.

Fehlende taktische Reaktion auf nachlassende Kompaktheit und Laufvermögen

Ein taktischer Fehler war dann aber, dass man versucht hat, das Hohe Pressing über die vollen ersten 45 Minuten durchzuziehen. Nach 30 Minuten gab es in kurzer Folge immer mehr klare Anzeichen, dass dies ein zu optimistisches Unterfangen war. Die Passwege konnten nicht mehr konsequent zugestellt werden – und sofort blühte YB auf, mit weiten Bällen und direkten Weiterleitungen, und genoss den Raum, den ihnen Zürich durch die abnehmende Kompaktheit bot. Vor allem wurde ab der 30. Minute YB’s spielmachender Sechser Christopher Martins nicht mehr wie zuvor von den Zürchern konsequent am Spielaufbau gehindert. Die Folge davon war schlussendlich der Berner Führungstreffer noch vor dem Halbzeitpfiff – wieder durch Christian Fassnacht. In 19 Partien gegen seinen Jugendklub hat Fassnacht 16 gewonnen bei mittlerweile sieben Toren und vier Assists, davon eines zum 2:0 Michel Aebischers in der 64. Minute. Dieser beendete die Partie statistisch gar mit zwei Treffern und einem Assist.

FCZ-Chancenplus auch nach der Pause

Nach dem „Pausentee“ funktionierte das Hohe Pressing des FCZ dann wieder etwas besser – bis zur Auswechlung der defensiv wichtigen Doumbia und Aliti in der 62. Minute. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der FCZ auch nach der Pause mehr gute Torchancen als der Gegner gehabt – aber Gogia zögerte bei einer Fünf gegen drei-Situation im gegnerischen Strafraum zu lange, Marchesano schoss einen Freistoss an den Aussenpfosten und Ceesays Abschluss wurde von Camara noch ins Aussennetz abgelenkt. Breitenreiter brachte Krasniqi und Gnonto und stellte ganz auf ein 4-2-3-1 um.

YB lange Zeit mit Mühe aufgrund der ungewohnten taktischen Marschroute des FCZ

Situativ beim Spielaufbau aus Abstössen bei Yanick Brecher hatte der FCZ schon seit Spielbeginn die 4-2-3-1 Formation angewandt (mit Guerrero am linken und Gogia am rechten Flügel) und schien damit YB zu Beginn auch etwas überrascht zu haben. Denn es hatte sich in den letzten Wochen in der Super League gezeigt, dass der übliche Spielaufbau mit drei Mann hinten im Zentrum gegen die Berner wenig bringt – durch ihr geschicktes Anlaufen, gute Raumaufteilung und vor allem sehr hohe defensive Aufmerksamkeit von allen gelbschwarzen Stürmern und Mittelfeldspielern, können sie einen der drei aufbauenden Verteidiger in der Regel aus dem Spiel nehmen. Ganz allgemein war die Häufigkeit und Konsequenz des Hohen Pressings des FCZ für YB eine ungewohnte Erfahrung. So bestand das YB-Spiel über weite Strecken aus Konterangriffen im eigenen Stadion – insgesamt 13. Seit dem 2:1-Heimsieg gegen den FC St. Gallen im November 2015 hatten die Gelb-Schwarzen in Wettbewerbspartien nicht mehr so viele Konterangriffe spielen können / müssen.

Duo Leitner / Krasniqi hat Sechserposition nicht im Griff

Das Duo Leitner / Krasniqi hatte die Sechserposition nicht im Griff und gestand YB vor der FCZ-Abwehr viel zu grosse Räume zu. Die Berner nutzten dies sofort mit hohen Bällen aus der Abwehr zwischen die Zürcher Linien aus – exemplarisch beim 2:0 durch Aebischer in der 64. Minute, als Fassnacht mit einem Hohen Ball von Von Ballmoos angespielt wurde. Die Zürcher Innenverteidiger fühlten sich nun genötigt, sich vermehrt aus ihrer Position zu lösen und auf der verwaisten Sechserposition Feuerwehr zu spielen – was natürlich nicht immer gelang und hinten noch grössere Löcher aufriss, zumal Hornschuh und Omeragic nach der Systemumstellung nur noch zu zweit waren. Zudem konnten Boranijasevic und Guerrero durch ihre zurückgezogene Positionierung im 4-2-3-1 auch nicht mehr mithelfen, die Räume auf den Halbpositionen, die von YB so gerne angespielt werden, zuzustellen. In der 69. Minute hatte Assan Ceesay am nahen Pfosten direkt vor Von Ballmoos wohl die grösste Zürcher Chance – sechs Zürcher waren zu diesem Zeitpunkt im gegnerischen Strafraum – im direkten Gegenzug erzielte Aebischer das 3:0. Die Partie im Wankdorf war der erste Match der Saison, wo der ansonsten im Abschluss sehr effiziente FCZ diese Qualität nicht aufbringen konnte.

Moritz Leitner: verbessert, bietet YB aber zu viele Räume an

Moritz Leitner zeigte sich in der Ersten Halbzeit in Bern vor allem in Ballbesitz wacher und fokussierter im Vergleich zu seinen ersten drei Wettbewerbseinsätzen im FCZ-Trikot (alle mit Züri Live-Note 3). Ohne Ball stand er hingegen weiterhin noch zu häufig etwas alibimässig im luftleeren Raum, wo er keine echte defensive Funktion erfüllte und wichtige Räume für den Gegner öffnete. Nach der Pause nahm seine Leistungskurve zudem auch im Spiel mit Ball stark ab und nach der Einwechslung von Krasniqi bestätigte sich erneut die Vermutung nach der Inkompatibilität dieser zwei sehr ähnlichen Spieler, welche sich bereits im ersten gemeinsamen Einsatz in Solothurn angedeutet hatte. Leitner übernahm von Marchesano die mit dem rechten Fuss zu tretenden Eckbälle (im Wechsel mit Linksfüsser Guerrero) und tat dies gut. Marchesano konnte sich so noch mehr ganz auf seine Freistösse konzentrieren und wurde von Leitner auch einmal am nahen Pfosten selbst mit einem Corner bedient (Kopfball knapp darüber). Beim vorentscheidenden 2:0 YB’s ist Leitner sowohl in der Entstehung wie auch bei der Vollendung durch den aufrückenden Aebischer zu wenig aufmerksam. Drei von fünf Einwechslungen (Krasniqi, Pollero, Dzemaili) waren schlecht. Insgesamt hat der FCZ beim Züri Live-Notenschnitt aber seit dem Derby wieder eine aufsteigende Tendenz und in der YB-Partie die höchste Anzahl Defensivpunkte in dieser Saison.

Andy Gogia weiter fehlerhaft

Akaki Gogias Auftritte gleichen weiterhin einer Achterbahnfahrt. Neben guten Aktionen schleichen sich immer noch zu viele Fehler ein: zu spätes Entgegenkommen zum Ball, vom Fuss wegspickende einfache Bälle, „telefonierte“ Zuspiele, die zu gefährlichen Konterangriffen des Gegners führen, ungenau gespielte Bälle auch auf kurze Distanz, Flanken ins Niemandsland und zu passives Verhalten im Pressing und in den Zweikämpfen. Seine beste Aktion hatte der deutsche Offensivspieler in der 16. Minute, als er Moumi bei einem im Ansatz schnellen Gegenstoss YB’s mit einer Kopfballklärung ins Seitenaus energisch stoppte. Blerim Dzemaili wiederum machte bei seinem ersten Liga-Teileinsatz seit vier Monaten wieder da weiter, wo er in der Rückrunde aufgehört hatte, stand im Mittelfeld dem eigenen Mitspieler Antonio Marchesano im Weg, vergass seine Position zu besetzen und spielte Alexandre Jankewitz aus kurzer Distanz einen unerklärlichen Fehlpass direkt in die Füsse – daraus folgte ein gefährlicher YB-Konter, der nur dank der Abschlussschwäche des eingewechselten YB-Stürmers Wilfried Kanga (mit 23 Jahren bisher insgesamt fünf Karrieretore auf Stufe Profifussball) nicht zum Erfolg führte.

Telegramm

BSC Young Boys – FC Zürich 4:0 (1:0)
Tore: 45.+4 Fassnacht (Martins) 1:0; 64. Aebischer (Fassnacht) 2:0, 69. Aebischer (Moumi) 3:0; 89. Elia (Aebischer) 4:0.
Young Boys – Von Ballmoos; Hefti, Lauper, Zesiger (46. Camara), Garcia; Fassnacht, Martins (85. Jankewitz), Aebischer, Moumi (76. Sulejmani); Elia, Siebatcheu (76. Kanga).
FCZ – Brecher; Boranijasevic, Omeragic, Hornschuh, Aliti (62. Gnonto), Guerrero; Doumbia (62. Krasniqi), Leitner (78. Dzemaili), Marchesano; Ceesay (70. Pollero), Gogia (70. Rohner).

Ein Marchesano „on fire“ überdeckt einige Mankos / St. Gallen – FCZ in der Züri Live-Analyse

Antonio Marchesano erfreut sich einer ausgezeichneten Verfassung. Im sechsten FCZ-Wettbewerbsspiel der Saison ist der Tessiner zum vierten Mal der Most Valuable Player – oder anders gesagt: bisher in allen Auswärtspartien! In St. Gallen ist er an allen drei FCZ-Treffern beteiligt, zwei davon sind seine Standards. Und: nach Luzern und Solothurn erzielt Marchesano zum dritten Mal in sechs Matches ein Direktes Freistosstor – historisch! Auch Ousmane Doumbia gelingt im Kybunpark eine starke Leistung, währenddessen die dritte Zentrumsposition ein Schwachpunkt war: Bledian Krasniqi und der für ihn eingewechselte Moritz Leitner liessen Einiges zu wünschen übrig.

Leitners und Krasniqis Mankos

Immerhin: eine leichte Steigerung im Vergleich zum Cupspiel in Solothurn und dem Derby war bei Moriz Leitner sichtbar. Trotzdem wirkte der Bayer auf dem Platz weiterhin wie ein „überzähliger“ Spieler, welcher tendenziell das Zürcher Spiel mit Ball verlangsamt und im Spiel ohne Ball die Kompaktheit beeinträchtigt sowie Zweikämpfen, speziell in der Luft, aus dem Weg geht. Bis anhin vermochte Leitner den ersten Eindruck eines weiteren für den heutigen Fussball auf Super League-Niveau zu langsamen und verspielten Zentralen Mittelfeldspielers in der Tradition von Sertic, Popovic und Dzemaili noch nicht zu beseitigen. Krasniqi, der im Spiel mit Ball Räume und Geometrien wie kaum ein anderer FCZ-Kaderspieler sieht, geht dieses visionäre Element im Spiel ohne Ball noch ab – speziell wenn wie in St. Gallen der Gegner deutlich schneller agiert, als dies Challenge League-Mannschaften tun. Immerhin verhinderte Krasniqi bei St. Galler Kontern zwei Mal mit beherzten Sprints in der Rückwärtsbewegung Schlimmeres. Auch Fabian Rohner muss defensiv noch klarer agieren und sich in jeder Aktion entscheiden: Tiefe abdecken? Passweg zustellen? Ball erobern? Zu häufig macht er weder das eine noch das andere richtig und kann somit von einem überlegt agierenden Gegner relativ einfach überspielt werden.

Andy Gogias Achterbahnfahrt / zwischen Görtler und Gnonto fliegen erneut die Fetzen

Andy Gogia gelang mit einem von Lüchinger abgefälschten Drehschuss im Strafraum zum zwischenzeitlichen 1:1 sein erster Liga-Treffer für den FCZ. Er ist zur Zeit der Spieler in der FCZ-Mannschaft mit den grössten Leistungsschwankungen sowohl zwischen den Spielen wie auch innerhalb einer Partie. In St. Gallen beispielsweise folgte auf ein sehr gutes erstes Viertel ein schlimmes zweites. In der Zweiten Halbzeit stabilisierte sich dann sein Auftritt, wobei er ab der 60. Minute auf der rechten Aussenläuferposition mehr Mühe bekundete, als zuvor im Sturm. Bemerkenswert in der Entstehung von Gogias Premièrentreffer übrigens das Assist, ein hervorragender Chip-Ball von Ousmane Doumbia über den im Weg stehenden Schiedsrichter Cibelli hinweg. Ein Vorteil von vier Direktbegegnungen pro Saison wie in der Schweizer Super League ist, dass auf dem Platz zwischen den Spielern Geschichten entstehen und weitergesponnen werden können. So die mittlerweile fast schon garantierten mit Haken und Ösen geführten Duelle zwischen Lukas Görtler und Wilfried Gnonto. Die versteckten Fouls des Deutschen kommen beim heissblütigen jungen Italiener natürlich jeweils alles andere als gut an. Er bleibt für einen 17-jährigen dabei aber bewundernswert professionell. Und erzielt sein zweites Super League-Tor per Kopf nach einer blendend ausgeführten Cornervariante von Marchesano über Fidan Aliti.

Sorgenkinder in der Hintermannschaft

Nach dem Derby auch in St. Gallen ein ungenügender FCZ-Keeper: Yanick Brecher steht mehrmals nicht am richtigen Ort, macht aktivistische Zwischenschritte und trifft die falschen Entscheidungen. Dazu kommen für seine Verhältnisse ungewöhnlich viele Probleme bei der Spieleröffnung. In der Schlussphase hat Brecher zudem Glück, dass dank der Offsideposition von St. Gallens Victor Ruiz sein Fehler nicht mit dem Siegtor der Grünweissen bestraft wird. Auch Becir Omeragic ist angefangen mit dem Cupmatch in Solothurn in eine kleine Baisse gefallen. In St. Gallen verlor er beispielsweise seine Luftduelle mehrheitlich deutlich, auch wenn er in der besseren Position als der Angreifer war. Dafür war von Fidan Aliti erstmals unter dem neuen Trainer Breitenreiter ein Auftritt zu sehen, der an die letzte Saison erinnerte, als Aliti einer der wichtigsten Leistungsträger im Team war.

Telegramm

St. Gallen – FC Zürich 3:3 (2:1)
Tore: 20. Guillemenot (Lüchinger) 1:0, 23. Gogia (Doumbia) 1:1, 39. Kempter (Lüchinger) 2:1; 59. Marchesano (Freistoss, Krasniqi) 2:2, 67. Diakité (Ruiz) 3:2, 76. Gnonto (Aliti) 3:3.
St,. Gallen – Zigi; Lüchinger (86. Stillhart), Stergiou, Fazliji, Kempter; Diakité; Görtler, Youan; Ruiz (86. Babic); Guillemenot (63. Besio), Schubert (69. Duah).
FCZ – Brecher; Omeragic, Kryeziu, Aliti; Rohner (60. Gnonto), Krasniqi (60. Leitner), Doumbia, Guerrero; Marchesano (90.+2 Hornschuh); Ceesay, Gogia (90. Wallner).

Das Breitenreiter-Team im Formcheck (FCZ-Sommer, Teil 3)

Wilfried Gnonto fällt auf durch seinen Kampfgeist und sein Engagement, welches er für seine Farben einsetzt – auf und neben dem Platz. Und nicht nur gegen Kriens, sondern zuvor auch schon gegen Aarau brachte er einen ansprechenden Kopfball aufs gegnerische Tor. Sogar ein für seine Verhältnisse völlig ungewöhnlich präziser und wuchtiger Kopfballtreffer gelang Blaz Kramer nach einer Musterflanke Rodrigo Polleros gegen Xamax. Abgesehen von dieser einen Szene kam vom Uruguayer im ersten Einsatz noch nicht viel. Interessant war sein toller Assist auch deshalb, weil er in der Challenge League bei gerade mal sechs Assists und gleichzeitig 26 Toren in 60 Partien eindeutig als Finisher aufgefallen war – und selbst die paar wenigen Assists waren (fast) alles keine Flanken. Assan Ceesay hatte in seinen ersten Einsätzen Mühe, steigerte sich dann aber parallel mit seinem kongenialen Partner Antonio Marchesano in der letzten Partie gegen Kriens.

Hadern mit Doumbia

Stephan Seilers Auftritte in den Testpartien waren ungenügend und an Nils Reichmuth liefen die Partien fast völlig vorbei, auch wenn gegen Ende der Vorbereitung eine kleine Steigerung ersichtlich war. Bereits gut eingefunden hat sich hingegen Bledian Krasniqi. Im Spiel mit Ball findet der 20-jährige mit seiner Vista praktisch immer die beste Lösung. Vasilije Janjicic steigerte sich im Verlauf der Vorbereitung. Mit dem taktischen Verhalten von Ousmane Doumbia scheint das Zürcher Trainerteam bisher noch mit am meisten zu hadern. Der Ivorer, welcher sich auch auf persönlicher Ebene im Team sehr wohl zu fühlen scheint, überrascht den Gegner immer wieder mit unerwarteten Balleroberungen – aber eben auch die eigenen Mitspieler und Trainer häufig mit unerwarteten Stellungsfehlern. Bis zu einem gewissen Grad sind das zwei Seiten derselben Medaille. An Buschman-Dormond kritisiert Breitenreiter, dass er zu viele «Tricks» versuche. Findet der Kanadier allerdings den Raum zum Kontern vor, wie beim 6:1-Treffer gegen Kriens (Vorbereitung für Ceesay nach einem Eckball der Innerschweizer), kann er seine Schnelligkeit ausspielen.

Energie sparen mit Boranijasevic und Aliti

Der sich in einer schwierigen Karrierephase befindliche Mirlind Kryeziu könnte aufgrund seiner Physis zu den Gewinnern unter dem neuen Trainer gehören, obwohl ihm gegen Xamax ein entscheidender Fehler unterlief, als er kurz nach der Pause den Ball vor dem eigenen Strafraum gegen Veloso verlor, was das frühe und wegweisende 2:1 für die Gäste bewirkte. Bei einer Dreierabwehr wechselte sich im Verlauf der Vorbereitung Kryeziu in der zentralen Position mit Hornschuh und Kamberi ab. Lindrit Kamberi konnte weitgehend an die positiven Eindrücke von Ende letzter Saison anknüpfen, Silvan Wallner hingegen vorwiegend an die negativen. Fidan Aliti spielte genau Fifty-Fifty als Linksverteidiger oder links in der Dreierkette – aber nie als linker Aussenläufer. Er und Neuverpflichtung Nikola Boranijasevic schienen teilweise etwas mit angezogener Handbremse in den Tests aufzutreten – als sparten sie ihre Energie für den richtigen Saisonstart auf. Willie Britto war bezüglich Positionierung teilweise das Pendant zu Aliti auf der rechten Seite – allerdings wurde er auch als Aussenläufer eingesetzt und hat gleichzeitig nicht die gleichen Einsatzchancen wie der Kosovarische Nationalspieler.

Reifen mit Frei

Adrian Guerrero ist ein Mann auf der linken Seite mit gutem Spiel- und Raumverständnis und schlägt zudem gute Standards mit dem linken Fuss – er kann aber aufgrund seiner Konstitution von Gegner auch ziemlich einfach zur Seite gedrückt werden. Dies passiert Filip Frei mittlerweile deutlich weniger als früher. Der letztjährige U20-Nationalspieler hat einen Schritt nach vorne gemacht und sich in den Vorbereitungsspielen erfolgreich von seiner besten Seite gezeigt. Sein enorm fehlerbehaftetes Spiel von früher hat er abgestellt und spielt nun sehr verlässlich, trotz gleichzeitig weiter verbesserter Dynamik. Frei wird von Breitenreiter als Alternative auf allen erdenklichen Aussenpositionen auf beiden Seiten eingesetzt, zusätzlich zur Dreierabwehr – und ist damit zur Zeit der grösste Allrounder im Team.

Aushelfen mit Hornschuh

Marc Hornschuh wurde als wichtige Kaderergänzung geholt, der auf den zentralen Defensivpositionen als verlässliche Option bereitstehen soll, wenn es ihn braucht – wohl vor allem in der Dreierabwehr, denn seine Auftritte im Mittelfeld waren jeweils wenig erbaulich. Becir Omeragic wurde am letzten Spieltag der Vorbereitung genauso wie Buschman zwei Mal als Einwechselspieler eingesetzt. Während dies bei Buschman durchaus ein Zeichen seiner aktuellen Position in der sportlichen Mannschaftshierarchie darstellte, war es bei Omeragic bedingt durch seine vorherige Ferienabwesenheit aufgrund der EM-Endrunde. Ihn schon auf das Lugano-Spiel hinzubekommen, wäre wohl zu knapp und auch etwas riskant.

Fremdgehen mit De Nitti

Bei den Torhütern feierte der von der U18 hochgezogene Gianni De Nitti seine ersten Teileinsätze im Fanionteam (einen davon im Tor des SC Kriens gegen den FCZ). Zivko Kostadinovic agierte in seiner Kernkompetenz als «Torhüter» gewohnt solide. Trainer Breitenreiter war mit seinen Entscheidungen bei den Abstössen aber nicht immer zufrieden. Yanick Brecher hatte wieder zwei, drei Unkonzentriertheiten bei Gegentreffern dabei und schrie sich in der Endphase gegen Xamax, als nichts mehr ging, vergeblich die Lunge aus dem Leib.

6:1 gegen Kriens, 1:4 gegen Xamax – wo liegt die Wahrheit? (FCZ-Sommer, Teil 1)

Totale taktische Variabilität unter Breitenreiter (FCZ-Sommer, Teil 2)

FCZ Kaderplanung 21/22, Teil 3 – knifflige Seitenpositionen

Talabidi, Wetz, Okoh – Physis und Talent für die Hinterreihe

Mehr Qualität als defensiver Leistungsträger würde hingegen der eine oder andere im Ausland engagierte Schweizer Spieler mitbringen. An erster Stelle sollte diesbezüglich das grosse Schweizer Talent Bryan Okoh (18) genannt werden, von dem erwartet werden kann, dass ihn Salzburg kommende Saison ausleihen möchte – warum nicht zum FCZ, statt wie Adamu letzte Saison nach St. Gallen? Der ehemalige FCZ-Junior Martin Angha (27) hat sich bei Fortuna Sittard in der abgelaufenen Saison gut entwickelt und ist erstmals in seiner Karriere zu einem echten Leistungsträger gereift. Allerdings wird ihn genau dies wohl einen Wechsel ausschliessen lassen, jetzt wo er sich endlich mal richtig etablieren konnte – zumal sein Vertrag erst im März um ein weiteres Jahr verlängert worden ist. Auch Allrounder Simone Grippo (32) schaut auf eine persönlich gute Saison bei Real Oviedo in der LaLiga2 zurück und wäre in seiner aktuellen Verfassung in der Lage, bei einem Super League-Klub eine defensive Führungsrolle einzunehmen. Der Zeitpunkt für eine Rückkehr in die höchste Schweizer Liga wäre auch ideal. Gaetano Berardi (32, Leeds United) ist eher der Typ erfahrener Ergänzungsspieler und möchte wahrscheinlich noch nicht aus England wegziehen. Und dann wäre da mit Michael Lang (30) noch ein Mann mit Vergangenheit beim Stadtrivalen, der in der Bundesliga noch ein Jahr Vertrag hat, aber dort schon länger aussen vor ist.

Auf der Rechten Seite braucht der FCZ unbedingt einen Backup und/oder physisch stärkere Ergänzung zu Fabian Rohner und hier gibt es aus der Challenge League durchaus interessante Kandidaten. An erster Stelle der in der abgelaufenen Saison beim FC Wil seit November unter anderem krankheitsbedingt kaum noch eingesetzte Malik Talabidi (19). Der deutsche U20-Nationalspieler hat mit seiner Kombination aus Schnelligkeit, Physis und Technik die Voraussetzungen, nächste Saison zu „explodieren“ – und zwar auch auf Super League-Niveau. Ihn erst in einigen Monaten in Betracht zu ziehen, könnte zu spät sein. Ebenfalls ein guter Kandidat wäre mit seinen physischen und technischen Qualitäten Noël Wetz (20) vom FC Thun. Der Schweizer U20-Nationalspieler (Spielertyp: Michael Lang) ist gelernter Innenverteidiger, hat sich aber im Profibereich rechts etabliert und schlägt ansprechende Flanken. Ein Flankenspezialist ist Pius Dorn (24), der 20/21 zu den besten und konstantesten Akteuren beim FC Vaduz gehörte: ein solider Rechter Aussenläufer / Aussenverteidiger für die Super League.

Kandidaten für die linke Seite wie üblich schwieriger zu finden

Nikola Boranijasevic (29, Lausanne), lebt stark von seinem Laufpensum und seinen Sprints, die er aber mit zunehmendem Alter nicht mehr so konstant wie zuletzt auf den Platz wird bringen können – und unter anderem deshalb möglicherweise seinen Vertrag in Lausanne nicht verlängert erhält. Nach Anfangsschwierigkeiten hat sich der von Stade Olympique Choletais gekommene Moussa Diallo (24) bei Servette in kurzer Zeit auf Super League-Niveau verbessert. Allerdings ist die Verfügbarkeit von Diallo für einen Klub wie den FCZ im Gegensatz zu einem Boranijasevic ziemlich unwahrscheinlich – zumal das auch finanziell ganz ordentlich aufgestellte Servette wohl nicht mehr lange auf den unter akutem Leistungsabbau leidenden Captain Anthony Sauthier setzen wird. Ebenfalls ein Super League-Kandidat ist Schaffhausens Jetmir Krasniqi (26), dem allerdings neben seiner Dynamik und guten Vorlagen in die gefährliche Zone etwas die benötigten Defensivqualitäten abgehen.

Auch auf der linken Seite benötigt der FCZ unbedingt eine bessere Alternative zu Fidan Aliti als Tobias Schättin. Zwei der drei passendsten Kandidaten aus den Schweizer Ligen stammen aus dem YB-Nachwuchs: Linus Obexer (23) von Absteiger Vaduz bringt seit mehr als drei Jahren eine hohe Konstanz in der Super League und Challenge League auf den Platz und ist trotz seinem Fokus auf Offensive auch defensiv kein schlechter Mann. Der schnelle Pascal Schüpbach (21) ist die noch talentiertere Variante, die allerdings nach seiner verletzungsgeplagten Leihsaison in Winterthur noch einen langfristigen Vertrag (2024) in Bern besitzt und in ein bis zwei Jahren durchaus Chancen auf den Durchbruch im gelb-schwarzen Trikot mitbringt. Der dritte im Bunde ist Dylan Tavares (24) von Stade Lausanne-Ouchy – technisch mit gewissen Defiziten im Vergleich zu den ersten beiden Kandidaten, dafür physisch stärker und in einem zweikampforientierten Vertikalspiel à la St. Gallen wohl der passendere Mann.

Flügel: die komplizierteste Position für die Kaderplanung

Die Flügelposition ist wohl die komplizierteste für die Kaderplanung, wenn eine Mannschaft nicht mit einer konstanten taktischen Formation spielt. Wie für jede andere Position braucht es für eine gute Besetzung natürlich Spieler mit ganz spezifischen Qualitäten. Die meisten echten Super League-Flügelspieler können auf keiner anderen Position das gleiche Niveau erreichen. In mehreren taktischen Formationen existiert die Flügelposition aber gar nicht. Gleichzeitig: falls man (unter anderem) taktische Formationen mit Flügeln benutzt, dann muss man diese Position personell in der Regel etwas mehr als „doppelt“ besetzen, da aufgrund der besonderen Wichtigkeit der Frische auf dieser Position besonders viele Wechsel während und zwischen den Spielen vorgenommen werden.

Aus dem aktuellen Kader des FCZ haben Wilfried Gnonto (17), Assan Ceesay (27) und Henri Koide (20) ihre Stärken auf dem Flügel. Salim Khelifi (27) hat sich nicht für eine weitere Saison empfehlen können (hat aber noch Vertrag). Und sein Kollege Benjamin Kololli (29) hat der Mannschaft in seiner FCZ-Zeit als einer der Führungsspieler mehr geschadet als genützt. Aiyegun Tosin (22) und Marco Schönbächler (31) wiederum spielen im Offensivzentrum besser, als auf der Seite. Valable und gleichzeitig realistische Kandidaten für diese Positionen aus den Schweizer Ligen sind eher rar gesät. Nicht unmöglich, aber eher unwahrscheinlich wäre nach unserer Einschätzung eine Leihe mit Kaufoption des dynamischen Thurgauers Julian Von Moos (20) gewesen, der aufgrund der grossen Sturmkonkurrenz und dementsprechend wenig Spielzeit am Rheinknie in seiner Entwicklung stagniert hat. Mittlerweile hat dieser „nach Redaktionsschluss“ dieses Textes zu Vitesse Arnhem gewechselt – mit Kaufoption!

Fehlende Spielzeit müsste eigentlich auch YB’s Marvin Spielmann (25) zu einem Wechsel bewegen. Neben seinen Verletzungen ist vor allem Spielmanns Problem, dass seine Qualitäten nicht zu YB’s Spielweise passen. Zu einem wie in der abgelaufenen Saison vorwiegend Konterfussball und Pressing praktizierenden FCZ würde der Oltner hingegen sehr gut passen. Sein Vertrag bei YB dauert allerdings noch volle zwei Jahre, was eine Anstellung zu einem tieferen Lohn schwierig zu bewerkstelligen macht. Sicherlich eine potentielle Verstärkung wäre der in der Rückrunde von Juve an Sion ausgeliehene Brasilianer Wesley (21), welcher aktuell an einer Adduktorenverletzung laboriert. Auf der linken Seite könnte man je nach Kontellation auch beim von Fiorentina zu Lausanne verliehenen Rafik Zekhnini (23) versuchen, dessen Leihe nach Zürich „umzuleiten“ – noch interessanter wäre auf rechts Lubomir Tupta (23. Sion), der schon in der U21 EM-Qualifikation gegen die Schweiz aufgefallen ist. Von Challenge League-Absteiger Chiasso sind sicherlich der dynamische Sebastian Malinowski (22) und der wirblige Techniker Sofian Bahloul (21) ins Auge zu fassen. Bei beiden Linksfüssern aus dem „Riva IV“ gibt es allerdings wesentliche Vorbehalte bezüglich ihrer Defensivqualitäten, und ob sie dem FCZ unter dem Strich wirklich mehr bringen könnten als ein Salim Khelifi.

FCZ Kaderplanung 21/22, Teil 1 – Trainer und Spielidee

FCZ Kaderplanung 21/22, Teil 2 – das Abwehrzentrum

FCZ-Saisonanalyse 20/21: Stark verbessertes Pressing, Problemseite Links gelöst – aber auch ein zweiter Fall „Popovic“

Letztendlich geht es im Fussball um zwei Dinge: Tore schiessen und Gegentore verhindern. Darum ist es höchste Zeit, im Zuge der Saisonanalyse 20/21 schon vor der letzten Partie gegen Vaduz dieses Thema einmal detailliert zu beleuchten. Und zwar aus der Perspektive des Teams insgesamt. Züri Live hat dazu alle Tore und Gegentore der Saisons 20/21 und 19/20 nochmal angeschaut und klassifiziert. Wie sind die Tore entstanden? Wie die Gegentore? Was für Entwicklungen sind über den Zeitraum der letzten zwei Saisons zu beobachten? Die Cup-Partien wurden dabei ebenfalls mitberücksichtigt.

FCZ folgt dem Umschaltspiel-Trend

Trotz einer leicht kleineren Anzahl an gespielten Partien hat die Anzahl erzielter Tore 20/21 im Vergleich zu 19/20 etwas zugenommen. Dramatisch abgenommen hat die Anzahl Gegentore. Die Entwicklung ist also in beiden Fällen positiv. Aus der Züri Live-Statistik geht wenig überraschend hervor, dass der FCZ viele Tore im (schnellen) Umschaltspiel erzielt und relativ wenige aus einem (vergleichsweise langsamen) Aufbauspiel heraus. Zum Umschaltspiel gehören Konter von hinten heraus, aber auch Hohes Pressing und Gegenpressing mit Ballgewinnen meist in der gegnerischen Platzhälfte. Man versucht in beiden Fällen durch schnelles Umschalten auszunutzen, dass der sich gerade eben noch in Ballbesitz befindliche Gegner umittelbar nach Ballverlust einzeln und als Mannschaft in einer schlechten Defensivposition befindet. Wer den Ball hat, will Chaos, wer den Ball nicht hat, will Ordnung. Unmittelbar nach Ballverlust herrscht in der Regel Chaos.

Im letzten Jahrzehnt hat das Umschaltspiel im internationalen und nationalen Spitzenfussball nicht zuletzt dank der Vorreiterrolle innovativer Trainer und Klubs wieder stark an Bedeutung gewonnen. Während es das Konterspiel im Fussball schon immer gegeben hat und Pressing seit den 90er Jahren immer mehr zum Standardrepertoire nicht nur im Profibereich wurde, ist die Systematik des Pressings in den letzten 10-20 Jahren stark verfeinert worden. Heute spielen selbst Amateur- und Juniorenteams taktisch auf viel höherem Niveau als noch vor nicht allzu langer Zeit die besten Mannschaften der Welt. Während sich früher das Pressing auf die Abwehrzone und später vermehrt auf das Mittelfeld fokussierte, wird heute viel häufiger als früher hoch in der Angriffszone gepresst. Neu ist vor allem aber auch die systematische Umsetzung des Gegenpressings unmittelbar nach eigenem Ballverlust.

Pressing und Gegenpressing unter Rizzo stark verbessert

Letzterer Punkt ist ein grosser Unterschied zwischen den Saisons 19/20 und 20/21 beim FCZ. Letzte Saison war das Gegenpressing beim FCZ praktisch inexistent: man hat auf diese Art und Weise kein einziges Tor erzielt – diese Saison waren es hingegen sechs! Auch die Anzahl erzielter Tore nach einem Hohen Pressing ist gestiegen. Dies bestätigt den allgemeinen Eindruck, dass Pressing / Gegenpressing unter Massimo Rizzo deutlich besser geworden sind. Der Unterschied beim Umschalten in die Defensive im Vergleich zur Magnin-Ära ist auch optisch frappant. Der FCZ der Saison 20/21 sieht viel stärker nach modernem Fussball aus, während derjenige von 19/20 noch etwas an die 90er-Jahre erinnerte: an Stelle eines kompakten nach vorne pressen oder nach hinten zurückziehen ein Mittelding an eher passivem Zurückverschieben mit grossen Distanzen zwischen den Linien. Dementsprechend kassierte man sieben Gegentore, bei welchen die Abwehrreihe zwar relativ tief stand, der Gegner aber trotzdem einfach durch einen entblössten FCZ durchkombinieren konnte. Solche Gegentore gab es unter Trainer Rizzo überhaupt nicht mehr. Auch die Anzahl Konter-Gegentore ging stark zurück. Standardgegentore wurden unter dem aktuellen FCZ-Trainer in praktisch allen Kategorien reduziert, zumal wenn man berücksichtigt, dass die Hälfte der acht Eckball-Gegentore der laufenden Saison aus den ersten drei Saisonpartien (noch unter Magnin) stammen. Wie stark der FCZ nach der „Quarantäne“ im Vierten Quartal der letzten Saison im Vergleich mit den anderen Teams überfordert war und hintenrein gedrängt wurde, zeigt der damalige steile Anstieg der Gegentore aus einer tiefen Position.

Unter Magnin versuchte der FCZ häufig mit Aufbauspiel zum Erfolg zu kommen. Das gelang aber nicht, weil man speziell vorne nicht die Spieler dazu hatte. Kramer, Ceesay, Tosin oder Khelifi sind typische Umschaltstürmer und ein Benjamin Kololli oder Denis Popovic für erfolgreiches Aufbauspiel auf heutigem Super League-Niveau zu wenig handlungsschnell. Massimo Rizzo unternahm im Zweiten Quartal der Saison einen neuerlichen Versuch, die von vielen Seiten geforderte stärkere Fokussierung aufs Aufbauspiel umzusetzen. Das Resultat: die Torproduktion rasselte in den Keller. Daher besann sich Rizzo ab dem Dritten Quartal wieder auf die Umschaltqualitäten seines Teams. Diese Einsicht war sicherlich einer der wichtigsten Faktoren, welche schlussendlich den Klassenerhalt überhaupt erst ermöglicht haben. Schon unter Ludovic Magnin hatte der FCZ gegen Gegner wie St. Gallen oder den FCB eher aus einer sicheren Deckung heraus mit Konterfussball agiert – und dies erfolgreich. Auch in der aktuellen Saison hat der FCZ am meisten Tore (12) auf Konter erzielt. Dazu kommen vier aus Kontern heraus entstandene Penaltys (drei davon von Assan Ceesay herausgeholt).

Kolollis Eckbälle nur zwei Wochen lang überzeugend

Die im Vergleich zur letzten Saison fünf zusätzlichen Penaltys (acht statt drei) kann man zusammensetzen aus den drei Ceesay-Kontern und den zwei Penaltys aus Schönbächler-Freistössen beim 3:0-Heimsieg gegen Lugano. Aus Freistössen an und für sich wurden zwei Tore mehr erzielt, als letzte Saison (vier statt zwei). Nach der Winterpause waren dies zwei Dzemaili-Freistösse in Basel und St. Gallen (wobei der zweite eigentlich misslungen war, aber von Quintilla und Zigi mit Schleifchen dran Marchesano als Geschenk aufgelegt wurde), ein direkt verwandelter Schönbächlers in Lugano und der von Marchesano verwertete Kololli Freistoss-Abpraller in Lausanne. Im Gegensatz zu letzter Saison erzielte der FCZ zudem je ein Tor aus einem Abstoss und einem Anstoss. Bei den Cornern hingegen hat man diese Saison deutlich weniger Tore erzielt (drei statt acht). Den Unterschied diesbezüglich machen zwei Wochen Ende Juni / Anfangs Juli 2020 aus, als der FCZ nach dem Restart in fünf Partien hintereinander immer ein Eckball-Tor erzielte (mehrheitlich jeweils der erste Eckball der Partie). Die drei Corner-Tore in der aktuellen Saison wurden alle zu Beginn der Saison realisiert, zwei davon im ersten Spiel mit Rizzo als Trainer in Vaduz. Der verletzungsbedingte Ausfall von Lasse Sobiech hat diesbezüglich natürlich eine wichtige Rolle gespielt – aber vor allem auch, dass Benjamin Kololli keine so guten und variantenreichen Eckbälle mehr hinkriegte wie in den erwähnten zwei Wochen der letzten Spielzeit welche die besten seiner ganzen FCZ-Episode waren.

Weitschüsse waren ein wesentlicher Problemkreis der Saison 19/20: kein anderes Super League-Team musste damals so viele Weitschussgegentore hinnehmen (sieben). Ausserdem erzielte der FCZ selbst keinen einzigen Treffer aus der Distanz. Unter Rizzo hat sich die Bilanz gedreht: nur noch ein einziges Weitschussgegentor bei nun vier selbst erzielten Treffern von ausserhalb des Strafraumes. Die defensive Verbesserung ist sicherlich der grösseren Kompaktheit des Teams insgesamt geschuldet, während in der Offensive vor allem die individuelle Entwicklung 20/21 der seit den Junioren zusammen spielenden Toni Domgjoni und Fabian Rohner eine wichtige Rolle gespielt hat. Angriffe gegen hoch stehende Gegner waren 20/21 erfolgreicher, als in der Saison davor – auch weil man die erste gegnerische Linie im Gegensatz zur Magnin-Zeit häufig hoch überspielt.

Problemseite Links endlich gelöst

Der FCZ erzielte zudem 20/21 mehr Tore auf Flanken, als letzte Saison – und kassierte gleichzeitig weniger Gegentreffer mit hohen Bällen von der Seite aus dem Spiel heraus. Die klare Negativbilanz von letzter Saison in dieser Kategorie hat sich deutlich verringert. Die räumliche Entstehung der Tore und Gegentore im Aufbauspiel bringt die enorme Verbesserung der linken Zürcher Seite plastisch zutage. Fidan Aliti (der sich gut mit Assan Ceesay verstand) ermöglichte mit seinem hervorragenden Passspiel deutlich mehr Tore über links als letzte Saison – und man kassierte aus dem Aufbauspiel nur noch ein einziges Gegentor über die langjährige Problemzone des FCZ (rechte Seite des Gegners). Die rechte Zürcher Seite kassiert hingegen immer noch mehr Tore aus dem Aufbauspiel heraus, als selbst erzielt werden. Ausserdem hat der FCZ seine Vorteile im Spiel durch die Mitte verloren.

Zusammenfassend hat sich der FCZ in der Saison 20/21 unter Trainer Massimo Rizzo noch stärker als davor dem internationalen und nationalen Trend folgend auf Umschaltspiel fokussiert. Speziell im Pressing und Gegenpressing hat man (allerdings von einem tiefen Niveau aus) klare Fortschritte gemacht. Es hat sich sowohl unter Magnin wie unter Rizzo gezeigt, dass mit dem Stärke- / Schwäche-Profil der von extern verpflichteten Spieler etwas anderes auf Super League-Niveau auch gar nicht möglich ist. Auch St. Gallen setzt auf Umschaltspiel genauso wie neuerdings wieder der FCB unter Patrick Rahmen oder beispielsweise Lugano. Bei YB sind aufgrund ihrer Dominanz die Anteile von Aufbau- und Umschaltspiel etwa ausgeglichen. Es geht aber auch anders: über weite Strecken erfolgreich auf Aufbauspiel setzten in den letzten Jahren Servette unter Alain Geiger oder der FC Thun unter Marc Schneider. Der FCZ ist von der Spielerselektion und -ausbildung in der Academy her eigentlich auch eher auf Aufbauspiel ausgerichtet und man scheint dies eigentlich für das Profiteam grundsätzlich zu bevorzugen. Für einen Weg à la Servette hätte man die richtigen Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, aber es bräuchte ein komplett anderes Profil bei den von extern verpflichteten Profis. Dies kann man kaum innerhalb einer Transferperiode gänzlich umstellen.

Blerim Dzemaili = Denis Popovic 2.0

Das Innenleben der Mannschaft ist insgesamt intakt. Man hat es in den letzten Wochen und Monaten erkennen können. Und dies obwohl die in der Hierarchie weit oben anzusiedelnden Benjamin Kololli und Blerim Dzemaili in den Wettbewerbspartien regelmässig mit schlechtem Beispiel voran gingen. Kololli spielte wie schon in der Vergangenheit zu häufig „Badi-Fussball“, Dzemaili überschätzte sich immer wieder – und flüchtete sich in kontraproduktives Lamentieren mit Schiedsrichtern und Mitspielern. Die UEFA Nations League und Vergrösserung der Teilnehmerfelder von grossen internationalen Turnieren führen zu (vermeintlich) mehr Erfolgen und Teilerfolgen von „kleinen“ Nationalteams – und damit wohl auch etwas zu einer Selbstüberschätzung von beim FCZ engagierten Spielern solcher Nationalmannschaften.

Mit Dzemaili wiederholte der FCZ in der Folgesaison den Popovic-Fehler gleich noch einmal: mit einem für die Super League zu langsamen Spieler eine zentrale „Achse“ aufbauen zu wollen. Das Missverständnis sollte man im Sommer im beiderseitigen Interesse vorzeitig beenden. Der Begriff der „zentralen Achse“ ist speziell unter älteren Fussball-Experten und -Kommentatoren in der deutschsprachigen Schweiz ein beliebtes Sujet. Nur: kein Klub hat in den letzten Jahren dieses Konzept so konsequent umgesetzt wie GC in ihrer Abstiegssaison 18/19 mit der lohntechnisch teuren zentralen Achse Lindner – Basic – Holzhauser – Andersen – Djuricin und vielen günstigen Talenten darum herum. Das Resultat: mit zwölf Punkten Rückstand auf den Barrageplatz einer der sportlich schwächsten Absteiger der Super League-Geschichte. Das Beispiel zeigt plastisch das Problem einer „Achse“: wenn ein oder zwei wichtige Achsenteile nicht halten, was sie versprechen, kracht alles in sich zusammen. Es ist ein grosses Klumpenrisiko. Eine komplett andere Strategie fährt beispielsweise Servette: die Verantwortung ist auf deutlich mehr Schultern verteilt – und die spielbestimmenden Akteure Miroslav Stevanovic und Gaël Clichy spielen Rechter Flügel und Linksverteidiger.

Transferbilanz des letzten Sommers: gut bis sehr gut

Dass die Mannschaft trotz dieser negativen Faktoren nicht auseinandergefallen ist, ist sicherlich unter anderem Antonio Marchesano zu verdanken, der sich noch einmal weiter zu einem Team-Leader entwickelt, und mit Spielern unterschiedlichster Herkunft einen guten Draht hat. Fidan Aliti und Nathan waren über weite Strecken der Saison die Lebensversicherung des Teams – in den letzten Wochen ging aber beiden kräfteintensiv agierenden Mentalitätsspielern der Schnauf aus. Genau gegenläufig die Enwicklung beim über weite Strecken seiner bisherigen FCZ-Zeit die Super League-Tauglichkeit vermissen lassenden Blaz Kramer, welcher just zum aktuellen Saisonende hin sich deutlich gesteigert hat und erstmals seit seiner Ankunft in Zürich ligareife Auftritte hinlegt. Tosins Qualitäten im Abschluss und Antritt müssten in Zukunft noch mehr zum Tragen kommen. Auffällig beim Nigerianer: im Sturmzentrum bringt er die deutlich besseren Leistungen, als wenn er über den Flügel kommt. Im Zentrum kann er seine Explosivität und Vertikalität sowohl offensiv wie defensiv in die Waagschale werfen, während er mit dem taktischen Verhalten auf der Seite immer noch seine liebe Mühe hat – in der Saison 20/21 steht für ihn zudem kein einziges Assist zu Buche: auf dem Flügel ein „No-Go“.

Fidan Aliti Audio-Highlights

An der Transferfront ist letzte Saison beim FCZ sicherlich gut bis sehr gut gearbeitet worden. Aliti, Doumbia und Sobiech waren allesamt sehr gelungene Verpflichtungen, wie es sie in dieser Dichte beim FCZ schon lange nicht mehr gegeben hat. Dazu konnten mit den Verkäufen von Sohm und Rüegg wichtige Einnahmen generiert, sowie gleich acht junge Spieler für mehr Spielpraxis grösstenteils in die Challenge League verliehen werden – was keine Selbstverständlichkeit darstellt. Ein Fehler war aber die Winter-Verpflichtung und kontinuierliche Bevorzugung Blerim Dzemailis (34, mittlerweile 35). Nachdem dieser sich über Jahre hinweg geziert hatte, zu seinem Stammklub zurückzukehren, tat er dies dann schlussendlich erst in einem Moment, als er dem FCZ mehr Schaden zufügte, als Nutzen brachte. Vor der Winterpause hatte der FCZ ein gut funktionierendes Zentrum etabliert, welches durch den selbst für Promotion League-Verhältnisse zu langsamen Dzemaili gesprengt wurde: ein wesentlicher Grund für die Leistungs- und Punkte-Baisse des FCZ nach der Winterpause. Zum Vergleich: YB holte Steve Von Bergen (30), Fabian Lustenberger (31) und Christoph Spycher (32) in einem noch deutlich leistungsfähigerenen Alter in die Super League zurück. Alain Nef kam mit 31 und konnte in diesem Alter seinem Stammklub noch helfen. Die Basler Beispiele: Alex Frei (30), Benjamin Huggel (30), Fabian Frei (29), Valentin Stocker (28) oder Marco Streller (26).

Bei Transfers darf man keinen Fehler machen.

Lucien Favre

Genfer Jungs bringens in Zürich nicht

Mit vielversprechenden Akteuren wie Krasniqi, Seiler, den Reichmuth-Brüdern oder Janjicic in der Hinterhand sollten neben den Teamstützen Marchesano und Doumbia die Talente aus dem eigenen Nachwuchs im Zentralen Mittelfeld weiterhin die wichtigste Rolle spielen. Sturm, Flügel, Rechtsverteidiger und Innenverteidiger sind sicherlich die grösseren Baustellen für allfällige Transfers. Während „Nesthäkchen“ Wilfried Gnonto bereits in seiner ersten Super League-Saison einen grossen Schritt nach vorne machte, war die Entwicklung der anderen beiden Teenager Silvan Wallner und Becir Omeragic eine Enttäuschung. Wallner gelang zu Beginn der Saison ein toller Match in Bern, aber dann zeigten sich schnell wieder die Schwächen, die ihn schon seine ganze Juniorenzeit hindurch begleiten.

Von Becir Omeragic hat man sich bei seiner sensationellen Verpflichtung im Sommer 2018 auch mehr erhofft. Über viele Jahre hinweg gelang es dem FC Zürich immer wieder, vielversprechende Talente aus der Region Genf zu verpflichten. Und allesamt hätten sie sich wohl besser entwickelt, wenn sie in Genf geblieben wären (die Voraussetzung dafür wäre allerdings zuletzt ein jugendfreundlicherer Coach der 1. Mannschaft als der konservative Alain Geiger gewesen). André Ribeiro, Guillaume Furrer, Maxime Dominguez, Kilian Pagliuca, Yassin Maouche, dazu der Waadtländer Dimitri Oberlin – die Liste ist lang. Nur Kevin Bua hat sich halbwegs durchgesetzt. Genauso wie zu früh ins Ausland wechselnde Zürcher Talente wie Angha, Muheim oder Burkart dort dann jeweils in ihrer Entwicklung stark stagnieren, passiert den Genfer Jungs in Zürich dasselbe. Zu grossen Teilen handelt es sich dabei um eine „Kopfsache“. Becir halten sein aussergewöhnliches Talent und möglicherweise auch Bruder Nedim an seiner Seite in Zürich über Wasser – aber er müsste im Normalfall mit 19 schon deutlich weiter in seiner Entwicklung sein, als er es nun tatsächlich ist – da können auch die Nationalteam-Aufgebote nicht darüber hinweg täuschen.

(Daten und Fotos: Züri Live)

Berner Mutzen gewinnen im Letzigrund selbst im Halbschlaf / FCZ – YB 1:2 in der Züri Live-Analyse

Spiel, Gegner und Taktik

YB’s Auftritt in Zürich kurz nach der vorzeitigen Erringung des Meistertitels ist eine der schlechtesten Berner Leistungen der letzten Jahre. Die übliche Konsequenz in den Zweikämpfen und dem Spiel nach vorne geht den Gelb-Schwarzen komplett ab. Lefort, Rieder, Lauper oder Elia stehen gar neben den Schuhen. Trotzdem schafft es der FCZ selbst gegen dieses vergleichsweise harmlose YB nicht auch nur einen Punkt zu ergattern. Von der ersten Saisonpartie im Wankdorf, als man die durch die kurze Sommerpause müden Berner richtig hatte fordern können, ist mittlerweile wieder weit weg. Und zum zweiten Mal nach 2019 können die Gelb-Schwarzen ihren Titel trotz „Hangover“ mit einem Sieg im Letzigrund feiern.

Zu Beginn spielt das Team von Trainer Seoane noch einigermassen ordentlich. Die Flügel der Gäste stehen eng, die Stürmer Nsamé und Mambimbi lassen sich abwechselnd zurückfallen und man sucht gegen einen in einem 4-1-4-1 auftretenden FCZ gegen den einzigen Sechser Doumbia die Lücken zwischen den Linien. Der FCZ versucht, durch Hohes Pressing Druck zu machen, welches YB mit Hohen Bällen überspielt, auch weil die Zürcher wie vor dem 0:1 durch ein Eigentor Hekuran Kryezius in der Person von Benjamin Kololli wie so häufig zu wenig konsequent den Ballführenden attackieren. Nach dem Hohen Ball in den Mittelkreis sieht dann das Duo Doumbia / Domgjoni im Duell mit Felix Mambimbi „alt“ aus.

Beim 0:2 ist es dann YB, welches ein Hohes Pressing ansetzt. Und da Christian Fassnacht seine Pressingaufgabe um Welten ernster nimmt, als auf der anderen Seite Kololli, führt dies zu einem in Bedrängnis überhastet gespielten Rückpass Domgjonis, von welchem YB-Eigengewächs Mambimbi profitiert. Bezeichnenderweise kommt der FCZ zum Anschlusstreffer in einer Szene, in welcher er sich zurückzieht – und dann von einem Fehlpass Sandro Laupers an der Mittellinie profitiert, um gegen weit aufgerückte Berner erfolgreich zu kontern. Der zuletzt aufsteigende Tendenz zeigende Kramer vollendet mit einem Lupfer.

Beim FCZ gefällt zu Spielbeginn speziell die agile und präsente Rechte Seite mit Rohner und Tosin. Danach ist der Auftritt speziell des Nigerianers aber wieder ein stetiges Auf und Ab. Der Letzigrund-Club kommt in den Startminuten besser in die Partie, als die Gäste aus der Bundesstadt. Das Defensivzentrum inklusive Torhüter Brecher erwischt hingegen einen schlechten Tag. Blerim Dzemaili ist weiterhin der Spieler mit den klar meisten schlechten Aktionen. Mit zunehmender Spieldauer in der Zweiten Halbzeit kommt der FCZ gegen immer stärker nachlassende Berner zu vielen Angriffen, Flanken und Abschlüssen, ohne aber etwas Zählbares dabei zu ergattern. Speziell die Einwechslung von Antonio Marchesano bringt dem FCZ ab der 61. Minute nochmals etwas Drive. Der ebenfalls eingewechselte Becir Omeragic sorgt mit zwei sehr guten Hereingaben auf Tosin (wobei dieser die erste mit einer effektiven Körpertäuschung für Dzemaili passieren lässt) für die zwei besten FCZ-Chancen zum Ausgleich.

Telegramm

FC Zürich – Young Boys 1:2 (1:2)
Tore: 8. H. Kryeziu (Eigentor, Elia) 0:1, 23. Mambimbi 0:2, 29. Kramer (Dzemaili) 1:2.
FCZ – Brecher; Rohner (71. Omeragic), H. Kryeziu, Nathan, Aliti (84. Gnonto); Doumbia (84. Seiler); Tosin, Domgjoni (61. Marchesano), Dzemaili, Kololli; Kramer (71. Ceesay).
BSC Young Boys – Von Ballmoos; Maceiras (81. Hefti), Camara, Lauper, Lefort; Elia, Martins, Rieder (75. Aebischer), Fassnacht (75. Maier); Nsamé (67. Siebatcheu), Mambimbi (67. Moumi).


Platz schaffen für Rohner / Sion – FCZ 2:2 in der Züri Live-Analyse

Spiel, Gegner und Taktik

Erneut baut der FC Zürich im Abstiegskampf einen Gegner auf, der verunsichert ist und nach der 0:3-Klatsche im Direktduell in Vaduz gleich auf sechs Positionen wechselt. Guillaume Hoarau steht erstmals seit fünf Monaten wieder in der Startformation. Léo Lacroix spielt zum ersten Mal in dieser Saison über 90 Minuten. Und Christian Zock ist nach zwei Monaten wieder mal dabei. Sion-Trainer Marco Walker setzt auf den zentralen Positionen mit Karlen, Hoarau, Zock, Araz, Ndoye und Lacroix voll auf Kampfgeist und hohe Bälle. Die häufig etwas fragilen Zürcher Techniker Grgic und Bamert bleiben zu Beginn draussen. Zock übernimmt die Rolle des Abräumers und die des Regisseurs in Personalunion.

Setzt man auf hohe Bälle, lässt Grgic aber draussen, dann hängt sehr viel an Matteo Tosetti. Dessen Standards sind aber gegen den FCZ nicht so konstant gut getreten wie gewohnt: womöglich ein entscheidender Faktor für den Zürcher Punktgewinn im Wallis. Trotzdem kassiert man zwei Gegentore. Erst mal aber startet der FCZ trotz in der Anfangsphase hart einsteigenden Wallisern dank effektivem Mittelfeldpressing gut in die Partie – ohne allerdings zu vielen Torchancen zu kommen. Trotzdem nicht ganz überraschend kommt die Auswärtsführung in der 14. Minute: nach einem Ballgewinn von Ousmane Doumbia vor dem gegnerischen Strafraum gegen Christian Zock (Überraschungseffekt durch plötzliches hohes Pressing) durch einen abgefälschten Tosin-Schuss.

Derselbe Tosin leitet dann aber vor der Pause mit einem unnötigen Aussenristpässchen in der eigenen Platzhälfte den Ausgleich durch Guillaume Hoaraus erstes Saisontor ein. Omeragic vergisst dabei gedankenverloren, die Flanke Iapichinos zu verhindern. Sion war zuvor in der 19. Minute nach einer Fehlerkette von Marchesano, Doumbia über vor allem Omeragic und Hekuran Kryeziu mit einer grossen Doppelchance des von Hellas Verona ausgeliehenen Lubomir Tupta im Spiel angekommen. In der 27. Minute vergibt Karlen vor dem praktisch leeren Tor, nachdem zuerst Doumbias Kopfball im Mittelfeld ungewollt rückwärts fliegt, sowie anschliessend Yanick Brecher sich mit dem Herauslaufen verschätzt und von Tupta umspielen lässt.

Wie so häufig in letzter Zeit kommt der FCZ schlecht aus der Pause. Beim Führungstreffer zum 2:1 nach sechs Minuten profitiert Sion erneut von einem unkonzentrierten Becir Omeragic: Musa Araz kommt deshalb alleine vor Yanick Brecher gleich zwei Mal in Folge ungedeckt zum Abschluss, nachdem Ousmane Doumbia mit einem Ballverlust vor dem eigenen Strafraum gegen Gaëtan Karlen dasselbe Missgeschick unterlaufen war, von welchem er gegen Christian Zock vor dem 0:1 noch selbst profitiert hatte. Yanick Brecher macht zudem in der Aktion zu viel Show. Der erste Ball von Araz fliegt direkt auf seinen linken Fuss. Anstatt ruhig stehenzubleiben und mit der richtigen Fussstellung den Ball möglichst weit wegspicken zu lassen, lässt er seine Körperteile in alle Richtungen fliegen, wehrt den Ball so nur ungenügend ab und liegt machtlos am Boden, als der zweite Abschluss kommt. Das Tor hätte allerdings wohl nicht zählen dürfen: Guillaume Hoarau steht im Offside und greift in die Aktion ein, indem er seinem Gegenspieler Hekuran Kryeziu, der eine Chance zur Klärung des Balles hätte, den Weg versperrt.

Vor allem dem eingewechselten Fabian Rohner ist es zu verdanken, dass am Ende dieser Partie die Walliser keine (drei) Punkte auf den Stadtclub gut machen können. Sein 2:2-Ausgleich in der 85. Minute steht exemplarisch für seine Entscheidungs- und Handlungsschnelligkeit, die er zusätzlich zu seiner Schnelligkeit in den Beinen mitbringt. Er profitiert dabei allerdings auch vom nicht optimalen Verhalten des aktuell grössten Sion-Schwachpunktes Sandro Theler. Sofort mit der Einwechslung von Rohner kommt Zug ins Zürcher Spiel. Schon in seiner ersten Einsatzminute holt er zwei Einwürfe heraus und kommt zu einer Abschlusschance im gegnerischen Strafraum. Nach drei Minuten kann er mit einem Lauf über die rechte Seite nach Steilpass Omeragic an Ndoye vorbei für noch mehr Gefahr im Walliser 16er sorgen. Nach fünf Minuten kommt Rohner zu einer Grosschance nach Vorarbeit von Toni Domgjoni – Iapichino rettet für den bereits geschlagenen Fickentscher. Diese Aktionen des Zürcher Einwechselspielers verunsichern Sion. Es häufen sich beim Heimteam die unnötigen Ballverluste und die Offsidelinie steht schlecht.

Neben der Personalie Rohner (und Gnonto) bringt der FCZ Sion aber auch mit zwei taktischen Umstellungen in kurzer Folge aus der Balance, zu denen sich zusätzlich auch noch eine individuell hohe Agilität und viele Positionswechsel gesellen. Die Schlussphase in Sion erinnerte von der Spielweise her mit vielen fliessenden Positionswechseln etwas an den „Total Voetbal“ der Holländer in den 70er-Jahren. Die Einwechslungen und die Veränderung der taktischen Formation hatten einen Zusammenhang, denn durch den Shift vom 4-2-3-1 erst auf ein 3-4-1-2 und dann vor allem auch noch auf ein 4-4-2 mit Rhombus wurden die Sion-Flügel durch die Zürcher Überzahl im Zentrum in die Mitte gezogen, was den Zürcher Aussenläufern / Aussenverteidigern, vor allem Rohner, viel Platz über die Seiten ermöglichte. Gleich nach dem 2:2 durch Rohner kommt durch eine Unaufmerksamkeit von Hekuran Kryeziu (und davor Seiler) Karlen zu einer guten Kopfballchance. In den letzten Minuten der Partie ist dann aber der FCZ näher dran am Sieg. Erst vergibt Kramer nach guter Tosin-Flanke eine „Hundertprozentige“ am linken Pfosten und dann macht Kololli aus einem von Seiler herausgeholten Freistoss zentral direkt vor dem Strafraum zu wenig.

Statistisch kommt der FCZ in Sion zu vielen Freistössen in Strafraumnähe (7) und wie in der letzten Begegnung mit den Wallisern zu einer grossen Anzahl an Flanken (17). Die FCZ-Startformation hat eine ungenügende Züri Live-Durchschnittsnote. Zwar resultieren aus der Partie eine saisonrekordhohe Anzahl an Top-Offensivaktionen sowie Top-Defensivaktionen im dreistelligen Bereich. Gleichzeitig sind aber auch die Fehler und Negativaktionen äusserst zahlreich. Gegen YB in Top-Verfassung reicht üblicherweise ein einzelner Fehler für ein Gegentor. Sion in ihrem Zustand nach dem Vaduz-Spiel ist hingegen nur in der Lage zu treffen, wenn mehrere Spieler des Gegners eine Fehlerkette aneinanderreihen. Und dies dürfte dem FCZ nicht passieren – schon gar so häufig. Die Einwechselspieler (vor allem Rohner und Gnonto) machen den Gesamtschnitt letztlich noch genügend. Die Probleme in der Abwehrreihe setzen sich fort und Kololli bewegt sich wieder stark in seinen üblichen teilnahmslosen Mustern.

Personalien

Becir Omeragic (2) – Rutscht immer tiefer in die Krise. Das sechste Spiel in Folge mit einer ungenügenden Note – davon die letzten drei mit einer „1“ oder „2“. Hat durchaus seine guten Aktionen nach hinten und vorne, aber die negativ zu bewertenden Situationen sind viel zu zahlreich. Schon in der 19. Minute agiert er gegen Tupta viel zu zögerlich, was diesem eine grosse Doppelchance zur Walliser Führung eröffnet. Omeragic verliert zudem beim Eckball seinen Gegenspieler Lacroix aus den Augen und ist vor allem an beiden Gegentoren entscheidend beteiligt. Nach Tosins Ballverlust ist er mit dem Kopf nicht bei der Sache und trabt gedankenverloren auf eine Position im Niemandsland und lässt Doumbia auf der Seite alleine gegen zwei Sittener verteidigen. Ausgerechnet gegen ein Sion, das in dieser Partie auf Körpergrösse und Hohe Bälle gesetzt hat, lässt Omeragic Iapichino unbedrängt flanken, was Guillaume Hoarau sein erstes Saisontor ermöglicht und dem FC Sion nicht nur in diesem Spiel, sondern im Abstiegskampf insgesamt neue Moral verleiht. Auch beim zweiten Gegentor herrscht nach Doumbias Ballverlust vor dem eigenen Strafraum Alarmstufe Rot, aber Omeragic joggt wie zuletzt häufig selbst in einer solchen Situation gemächlich in den eigenen Strafraum zurück, als ob ihn die Sache nichts anginge, und lässt so Musa Araz gleich zwei Mal hintereinander zum Abschluss kommen – beim zweiten Mal trifft der Sion-Mittelfeldmann. Die Ursprungsfehler haben zwei Mitspieler gemacht, aber ohne Omeragics geistiger Abwesenheit wären beide Gegentore ziemlich sicher nicht gefallen.

Hekuran Kryeziu (2) – Nach zwei guten Leistungen gegen St. Gallen und Servette gibt es in Sion wieder mal einen „Abschiffer“ von Heki. Sein Auftritt während der ganzen Partie war grossen Schwankungen unterworfen mit sich abwechselnden besseren und schlechten Phasen. In entscheidenden Situationen im eigenen Strafraum nicht so fokussiert wie zuletzt. Macht zeitkostende Schlenker und hat wieder eine brenzlige Situation bei einem Standard, als er Gaëtan Karlen leicht zurückhält – allerdings eher nicht penaltyreif. Verschätzt sich gleich im Gegenzug nach dem 2:2-Ausgleich Rohners und lässt Karlen völlig frei zum Kopfball kommen.

Nathan (6) – Am Brasilianer müssten sich beim FCZ viele ein Vorbild nehmen. Zu Beginn der Partie gelingt ihm nichts. Die Bälle fliegen weit entfernt von den Orten hin, wo er sie hinhaben will. Seine beste Phase der Saison ist es nicht. Und obwohl der Paulista nicht so spritzig wie in anderen Phasen der Saison wirkt, findet er trotzdem über den Kampf ins Spiel – und dreht gegen Ende der Partie sogar noch auf, ist überall anzutreffen. Mit einem energischen Sprint im Laufduell in der 78. Minute kauft er dem eingewechselten Sion-Hoffnungsträger Jared Khasa gleich zu Beginn von dessen Einsatz den Schneid ab.

Fidan Aliti (10) – Gegen Servette mal einen schlechten Tag erwischt, aber in Sion ist Aliti wieder voll da! Hat sowohl am drittmeisten Top-Offensivaktionen als auch am drittmeisten Top-Defensivaktionen der Mannschaft und macht praktisch keine Fehler. Vor allem auch dank Aliti kann sich Ceesay auf der linken Seite steigern. Kololli nutzt die guten Ansätze seines Nationalteamkollegen hingegen zu wenig aus.

Toni Domgjoni (6) – Am meisten Top-Offensivaktionen aller FCZ-ler, unter anderem mit einem präzisen 40 Meter-Diagonalball direkt nach dem ersten Gegentor und der ausgezeichneten Vorarbeit zu Fabian Rohners Grosschance in der 69. Minute. Versteht sich erneut hervorragend mit seinem schon in Juniorenzeiten langjährigen Teamkollegen Rohner. Ist aber in dieser Partie ebenfalls nicht vor Leistungsschwankungen gefeit.

Ousmane Doumbia (5) – In der Startphase der beste Zürcher, gibt es ab der 27. Minute einen Bruch im Spiel des Ivorers, als dieser sich bei einem hohen Ball im Mittelfeld verschätzt und gefährlich rückwärts köpft, was Gaëtan Karlen nach Vorarbeit von Lubomir Tupta zu einer Top-Chance vor dem verwaisten leeren Zürcher Kasten verhilft. Ab diesem Moment verliert Doumbia mehrere Bälle zu einfach, darunter denjenigen in der 51. Minute gegen Karlen, welcher zum 2:1-Führungstreffer Sions führt. Kann sich im Verlauf der 2. Halbzeit wieder steigern, als Sion sich hinten reindrängen lässt und Doumbia im Gegenpressing einige gute Aktionen hat.

Aiyegun Tosin (5) – Startete bei seinem Comeback in St. Gallen mit einer „1“, dann gegen Servette eine „3“ und nun erstmals eine genügende Note. Überzeugt auch in dieser Partie in der Sturmspitze deutlich mehr, als auf dem Flügel – unter anderem auch mit seinem Forechecking an vorderster Front. Schiesst sein viertes Saisontor und gewinnt im Abschluss wieder an Selbstvertrauen.

Assan Ceesay (5) – Fängt gerade in der Anfangsphase mehrmals vor dem eigenen Strafraum wichtige Zweite Bälle ab und leitet den Gegenangriff ein. Profitiert auf Links von Alitis Steigerung im Vergleich zum Servette-Spiel.

Benjamin Kololli (1) – Hat den Ernst der Lage immer noch nicht erkannt! Schon die Erste Halbzeit war schlecht. Vielleicht dachte er, dass nach seiner Ablage auf Tosin zum 0:1 seine Arbeit erledigt sei. Die Zweite Halbzeit grenzte dann an Arbeitsverweigerung. Kommt den Bällen nicht entgegen, ist gedanklich nicht präsent, hält sich aus Zweikämpfen weitgehend raus und seine Standards sowie Weitschüsse wirken unmotiviert. Beginnt in der Sturmspitze, spielt nach der Einwechslung Rohners in der 64. Minute zehn Minuten lang als sein Pendant am Linken Flügel, um dann die Partie sowohl im 3-4-1-2, als auch im 4-1-2-1-2 auf der Zehnerposition zu beenden. Seine Konzentrationsprobleme bleiben während der ganzen Partie positionsunabhängig die gleichen.

Fabian Rohner (10) – Genau das Gegenteil von Kololli. Kommt in der Minute seiner Einwechslung mit guter Deckungsarbeit gegen Hoarau sofort zu einem Ballgewinn und noch in derselben Minute bereits zu seinem ersten Abschluss. Zwei Mal mit Ballgewinnen am eigenen Strafraum und anschliessendem schnellen Gegenstoss. Kippt so das Spiel wieder mehr auf die Seite des FCZ. Nach einer durch Iapichino für den bereits geschlagenen Fickentscher geklärten Topchance Rohners, nutzt der junge Zürcher durch Entschlossenheit und Handlungsschnelligkeit mit seinem schwächeren linken Fuss seine zweite gute Chance zum Ausgleich. Beginnt seinen Einsatz in der 64. Minute auf dem Rechten Flügel im 4-2-3-1, spielt dann ab der 74. Minute nach der Umstellung auf Dreierabwehr als Rechter Aussenläufer und erzielt sein Tor schlussendlich als hoch stehender Linker Aussenverteidiger in einem Rhombussystem. In letzteren beiden Rollen findet er relativ viel Platz über die Seiten vor, weil Sions Flügel durch die Massierung des FCZ im Zentrum in die Mitte gezogen werden.

Telegramm

Sion – FC Zürich 2:2 (1:1)
Tore: 14. Tosin (Kololli) 0:1, 41. Hoarau (Iapichino) 1:1; 52. Araz (Theler) 2:1, 85. Rohner (Omeragic) 2:2.
Sion – Fickentscher; Theler, Lacroix, Ndoye, Iapichino; Tosetti, Zock (75. Grgic), Araz, Tupta (84. Bamert); Karlen, Hoarau (71. Khasa).
FCZ – Brecher; Omeragic, H. Kryeziu, Nathan, Aliti (83. Gnonto); Domgjoni (74. Seiler), Doumbia; Tosin, Marchesano (74. Kramer), Ceesay (64. Rohner); Kololli.

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