Klartext zum FCZ – Neun Jahre nach „Finger weg vom Sportliche“ – Quo Vadis im November 2025

„Ich habe das Gefühl, wir sind erst jetzt richtig professionell geworden.“ Die kürzliche Aussage von Yanick Brecher zur Entwicklung des FC Zürich kontrastiert stark mit vielen Stimmen ausserhalb des Klubs. Innerhalb des Klubs berichten eigene Junioren wie David Vujevic, dass sie erst mit dem Wechsel der sportlichen Verantwortlichen „die Freude am Fussball“ wiedergefunden haben. Eltern sind begeistert, dass ihre Jungs und Mädels gezielter gefördert werden und hochmotiviert sind. Ausserhalb des Klubs hat sich hingegen ein Amalgam von Kritikern mit den unterschiedlichsten Motiven gebildet.

Inside Paradeplatz-Niveau bei Fabian Ruch

Die Opposition wird durch die schlechten Resultate seit dem Derby vor einem Monat befeuert. Die Resultate sind aber nicht ihr Ursprung. Der Kern besteht aus ehemaligen Mitarbeitenden, die Opfer des Wandels im Klub geworden sind. Ein Teil davon ist mit der organisierten Fanszene vernetzt, andere melden sich regelmässig bei Journalisten. Von diesen Journalisten gibt es wiederum einzelne, die seit Jahren oder gar Jahrzehnten persönliche Animositäten gegenüber dem FCZ, der Stadt Zürich oder der Familie Canepa hegen. Und dann gibt es auch noch Leute, die den Sportchef Milos Malenovic unsympathisch finden.

Der alteingesessene Thomas Schifferle (TA Media) greift Präsident, Sportchefs und Trainer des FC Zürich seit Jahrzehnten immer wieder auf der persönlichen Ebene an. Einzig in einer Meistersaison ist zwischenzeitlich Ruhe. Wenn es schlecht läuft, taucht zudem zuverlässig wie aus dem Nichts Stephan Ramming (NZZ) auf. Offenbar aus einer Klause an der Goldküste und seit Monaten frei von Konsum jeglichen Super League-Fussballs – aber mit immer derselben Erkenntnis: der FCZ ist „pfui!“. Von TA Media zur NZZ geflüchtet ist der Berner Fabian Ruch. Der „wunderbare Fäbu“ setzt regelmässig abenteuerliche Theorien über Milos Malenovic in die Welt, die direkt aus der Feder des Click Bait-Journalisten Lukas Hässig von Inside Paradeplatz stammen könnten.

Durchschnittsalter der Neuzugänge: 25,5 Jahre

Ruch hat eine eigentümliche Art die Kommerzialisierung des Fussballs gleichzeitig abscheulich und genial zu finden. Dazwischen gibt es nichts. Hoffenheim ist ein Skandal – Red Bull Leipzig hingegen toll. Die Verstösse von Manchester City gegen das Financial Fairplay sind ein Verbrechen, aber eigentlich sollten die reichsten Klubs Europas eine eigene Liga gründen und nur noch unter sich spielen. Seine Haltung gegenüber dem FCZ, dessen Klubführung aber auch Zürich als Stadt und dessen Bewohnern kommt durchweg negativ rüber und dient häufig als Kontrast zur eigenen konstruierten Berner Identität. Ruchs Lieblingsbegriff in Bezug auf den FCZ ist aktuell „Spieler-Casino*. Er sieht die Transferpolitik als „Gambling“ und eine Wette auf hohe Ablösesummen, die sich finanziell auszahlen sollen.

Wäre das wirklich der Fall, müsste man Sportchef Milos Malenovic vorwerfen, die Spielregeln des Transfer-Gamblings nicht zu kennen. Das Durchschnittsalter der FCZ Sommer-Transfers 2025 liegt bei 25,5 Jahren. Wollte man auf hohe Transfergewinne wetten, müsste man Teenager und international bekannte Talente kaufen, wie das der FC Basel (Ruch: „der grösste Klub der Schweiz“) seit Jahren praktiziert: Bacanin, Agbonifo, Traoré, Diouf, Veiga, Esposito, Calafiori, Gauto, Sigua, Demir,…. Ruch nennt ausgerechnet und offenbar ohne selbst den Widerspruch zu bemerken unter anderem die aus dem Nachwuchs stammenden Tsawa und Ligue als Paradebeispiele für seine Theorie des „Spieler-Casinos“ unter Malenovic und lobt gleichzeitig den FC Luzern für den Verkauf ihrer Nachwuchstalente Jashari und Jaquez für gute Ablösesummen nach Belgien und Deutschland.

Seit zwei Jahren mehr Professionalität im Transfer-Bereich

In einer Fan-Umfrage auf dem Instagram- und Tiktok-Kanal von Züri Live und in Kommentaren auf Posts des FC Zürich auf Instagram oder Facebook sieht man wie weite Kreise das faktenbefreite Framing von Journalisten wie Fabian Ruch mittlerweile gezogen hat. Florian Raz (Blick) pflegt einen anderen Stil als Ruch, haut aber in dieselbe Kerbe. Der FCZ hole irgendwelche Spieler aus irgendwelchen Ländern, ohne System. Viele FCZ-Fans hatten beim Saisonstart gegen Sion im Juli eine ganz andere Wahrnehmung. Man wurde unruhig, weil Milos Malenovic erst Rückkehrer Sauter und die beiden Leihspieler Phaëton und Palacio verpflichtet hatte. Als Raz aus seinen Ferien zurückkam, wurde er von nun doch noch realisierten Neuverpflichtungen überrascht (Rodic, Tramoni, Segura und das Commitment zum bisher ausgeliehenen Perea), die er in seiner Ferien- und FCB-Bubble nicht mitbekommen hatte.

In der Vergangenheit hatte die Transferpolitik des FC Zürich tatsächlich einen teilweise zufälligen Charakter. Das war bei anderen Klubs aber auch so. Wenn ein Innenverteidiger den Klub verlassen wollte, suchte man einfach einen möglichst guten Ersatz auf dieser Position, der finanzierbar ist. Fertig. Oder noch zufälliger: man entdeckte einen formstarken Spieler in der Challenge League und beschloss diesen holen zu müssen „weil er gut ist“ – und damit ihn die Konkurrenz nicht wegschnappt. Unter Sportchef Milos Malenovic hat sich der Transferbereich merklich professionalisiert. Man hat erstmals eine klare Spielphilosophie definiert, die im ganzen Klub umgesetzt wird. Dies vereinfacht es Talenten schon früh auf höheren Stufen eingesetzt zu werden. Und es ergeben sich daraus für die 1. Mannschaft klar definierte Spielerprofile für die einzelnen Positionen. Die 1. Mannschaft ist darum deutlich besser strukturiert als früher. Man widersteht der Versuchung des „Weihnachts-Shoppings“ und verzichtet auf alles was im Schaufenster glänzt, sondern geht die Verpflichtung von Spielern gezielt an.

In kurzer Zeit deutliche Verbesserungen in der Academy

Yanick Brecher hat also Recht. Und es ist nur einer von vielen Bereichen in welchen der FC Zürich in den letzten zwei Jahren deutlich professioneller geworden ist. Ein anderer ist die Talententwicklung. Es ist noch nicht lange her, da waren die Juniorentrainer noch stark auf Resultate und Rangierungen fixiert – auch aus Eigennutz. Der Führungs- und Coaching-Stil war bei manchen antiquiert. Kein Wunder hat der FC Zürich seit den Zeiten von Ricardo Rodriguez, Josip Drmic und Nico Elvedi kaum noch Top-Talente hervorgebracht. Trotz grosser finanzieller Investitionen in den Juniorenbereich in all den Jahren. In kurzer Zeit hat sich nun sehr viel getan. Unter der alten Garde von Junioren-Trainern wurden bis zuletzt noch Talente wie Junior Ligue, Labinot Bajrami oder Finn Sommer überbeansprucht und ausgelaugt. Mit langfristigen Folgen. Heute wird viel stärker auf Belastungssteuerung Wert gelegt.

In der Meistersaison 21/22 war Gianni De Nitti (heute Ersatztorhüter beim FC Schaffhausen in der Promotion League) der einzige junge Spieler gewesen, der aus dem Nachwuchs hochgezogen wurde. Junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs erhielten ganz am Ende der Saison in Kehrausspielen noch ein paar Spielminuten als Brosamen. Heute setzt der FC Zürich mit Luzern und Servette zusammen am meisten Spieler aus dem eigenen Nachwuchs ein. Der SFV bietet wieder vermehrt Junioren-Nationalspieler des FCZ auf. im ersten Spiel der U17-WM gegen die Elfenbeinküste wurde Jill Stiel als Spieler der Partie ausgezeichnet und verbreitete Ricardo Rodriguez-Vibes, wenn auch auf einer anderen Position. Und für die 1. Mannschaft stehen aus der Academy in den nächsten ein bis drei Jahren auf verschiedenen Positionen mehr und vielversprechendere Talente bereit als in den letzten Jahren.

Bodö/Glimt und Midtjylland als Vorbilder für den Weg des FCZ

Als Milos Malenovic vor zwei Jahren begann, passte der grösste Teil des Kaders nicht zur Klubphilosophie. Dies ist nun anders. Nach zwei Sommer-Transferperioden sind die Spieler mit der Klubphilosophie im Einklang. Es sind keine Top-Talente, sondern wie früher Spieler mit einer gewissen Erfahrung, die für den FCZ finanzierbar sind. Nur: jetzt passen sie auch vom fussballerischen Profil her. Für jede Position gibt es zwei Spieler plus mindestens ein valables Talent aus dem Nachwuchs. Und: es gibt keinen Spieler, der fussballerisch nicht in die Mannschaft passt, wie das früher häufig der Fall gewesen war. Damals hing die Spielweise von der Philosophie des Trainers ab – und da dieser immer wieder mal wechselte, fiel mal der eine und dann wieder der andere Profi beim FCZ zwischen Stuhl und Bank. Heute sollte grundsätzlich der einzige Grund warum ein Spieler nicht zum Zug kommt die Qualität / Leistung / Form / Fitness sein. Das Kader ist auch insgesamt besser geworden. Vor zwei Jahren hatte man Ivan Santini als Mittelstürmer Nummer Eins mit Daniel Afriyie als Ersatz. Heute Philippe Keny mit Juan José Perea als Ersatz.

Es ist wirklich erstaunlich wie amateurhaft der Fussball trotz seiner bereits 150-jährigen Existenz bis vor kurzem in vielen Bereichen noch funktionierte und teilweise immer noch funktioniert. Der ehemalige FCZ-Europacupgegner Bodö/Glimt aus Norwegen oder der FC Midtjylland aus Dänemark sind zwei Klubs, die eindrucksvoll zeigen wie weit man auch mit geringen Mitteln kommen kann, wenn man professionell und faktenbasiert an den Details feilt. Beide Klubs spielen einen proaktiven Ballbesitz-orientierten Fussball wie ihn der FCZ ebenfalls umsetzt. Sie haben damit als kleine Klubs erst die grossen Klubs auf nationaler Ebene herausgefordert oder gar entthront, und dominieren auf internationaler Ebene auf dem Platz nun häufig auch Teams mit einem mehrfach höheren Marktwert. Bodö/Glimt mit Trainer Kjetil Knudsen hat dafür sieben Jahre benötigt. Der FCZ ist nach zwei Jahren unter Milos Malenovic auf diesem Weg schon weit gekommen. Er ist damit für fortschrittliche Trainer auch ein attraktiver Arbeitgeber.

FCZ als einziger Klub mit kleinem Budget Schweizer Meister in den letzten 20 Jahren

Das letzte Mal übrigens als beim FCZ ein neues fussballerisches Konzept zumindest in der 1. Mannschaft konsequent umgesetzt wurde, stand man zur Winterpause 03/04 mit Trainer Lucien Favre als Tabellenschlusslicht da. Die Umwälzungen und die neue Art von Fussball führten erstmal zu einem starken Abwärtstrend. Die Vereinsführung unter Ex-Präsident Sven Hotz hielt an Favre fest – und der Rest ist bekannt. Nachdem in der 80er- und 90er-Jahren neun verschiedene Klubs Schweizer Meister geworden waren, wurde der Bau der 30’000er-Stadien in Basel und Bern zum Game Changer. Damit katapultierten sich der FCB und YB finanziell in andere Sphären und haben heute ein Budget im 100 Millionen-Bereich – vergleichbar mit Bundesligaklubs. Alle anderen Schweizer Klubs inklusive FCZ bewegen sich in einem Budgetbereich von 15 Millionen (Winterthur) bis 35 Millionen (St. Gallen). Der FCZ hat 17 bis 20 Millionen Einnahmen und kann mit Europacup- und Besitzergeldern in einzelnen Saisons auch mal auf ein 25 bis 32 Millionen Budget kommen. Dementsprechend ist es eine grosse Leistung, dass der FCZ in den letzten 20 Jahren als einziger der finanziell kleineren Klubs der Liga Meister geworden ist – und dies mit Ancillo Canepa in der Klubführung gleich vier Mal!

Bei der Wahl der Cheftrainer hat man beim FC Zürich die Unkonstanz aber noch nicht ablegen können. Nach Ricardo Moniz folgte mit Mitchell Van der Gaag ein Coach, der vergleichsweise vorsichtig agierte und von der Klubphilosophie stark abwich – auch in Bezug auf die Integration der Academy-Spieler. Dennis Hediger ist hingegen genau auch darum vom FC Basel zum FC Zürich gewechselt, weil der fussballerische Ansatz beim FCZ auch sein persönlicher ist. In seinem ersten Spiel gegen YB herrschte nach einigen Umstellungen taktisch noch ein Chaos. Zuletzt in Basel sowie gegen Lausanne-Sport sah man dann aber speziell in den jeweiligen 1. Halbzeiten eine klare Steigerung. Hediger hat mit seiner Analyse nach dem Lausanne-Match recht: es fehlt nun in erster Linie noch an der Kondition, um das Spiel über 90 Minuten durchzuziehen.

Neun Jahre nach „Finger weg vom Sportliche“: Vorwärts in eine professionelle Zukunft? Oder zurück in die amateurhafte Vergangenheit?

Neun Jahre ist es her als die Südkurve am Cupfinal 2016 ein Banner präsentierte mit der martialischen Aufschrift: „Canepas: Finger weg vom Sportliche! S nächschte Mal verbrenned mer si oi.“ Die Meinung bei Medien und Fans war gemacht: der Abstieg sei die Folge davon gewesen, dass sich Ancillo und Heliane Canepa zu stark in die sportlichen Belange eingemischt hätten. Journalisten machten sich in diesem Zusammenhang lustig über das damalige FCZ-Organigramm. Die einhellige Forderung: Ancillo Canepa solle einen Sportchef ins Haus holen und diesen im sportlichen Bereich schalten und walten lassen. Er solle sich auf repräsentative Aufgaben zurückziehen und sich gefälligst nicht einmischen. Heute wird aus den gleichen Medienhäusern die „Machtballung“ des Sportchefs beklagt.

Es wäre zu wünschen, dass der FCZ sowohl auf der Trainer- wie auf der Sportchefposition seinem Weg treu bleibt und sich nicht von Kräften, die sich einer Modernisierung des Vereins entgegenstellen, bremsen lässt. Konstanz ist wichtig. Das zeigen dutzende Beispiele, angefangen bei Mauro Lustrinelli, der in seinem ersten Jahr als Challenge League-Mitfavorit mit Thun nur den 6. Platz erreicht hat. Der Weg von Bodö/Glimt und Midtjylland ist die Zukunft. Der FCZ kann mit progressiven Kräften wie Milos Malenovic oder Ausbildungschef Milicevic in Richtung Professionalisierung gehen. Oder von konservativen und irrationalen Kräften aus dem Medien- und Fanumfeld wieder zurück ins amateurhafte 20.Jahrhundert gezogen werden – eine Zeit, als es genügte ein bekannter ehemaliger Spieler des Vereins zu sein, um Trainer oder Sportchef der 1. Mannschaft zu werden.

Banner der Südkurve beim Cupfinal am 29.05.2016 (Bild: Südkurve)

Quo Vadis FCZ? (Februar 2024)

Gelingt Bo Henriksen die Quadratur des FCZ-Kreises?

Neuanfang beim FCZ mitten im Herbst. Mit Bo Henriksen trainiert erstmals ein Däne den FC Zürich. Mit Brönshöj und Horsens stieg er auf, mit Midtjylland erreichte Henriksen den 2. Platz und gewann den Cup. Im Juli musste er nach wenigen Partien der neuen Saison den Hut nehmen. Nicht in erster Linie wegen der Resultate – sein in den Entscheidungen stark datengetriebener Klub sah in den “Smartdaten“, die in Zusammenarbeit mit dem englischen Anbieter Smartodds erhoben und ausgewertet wurden, eine negative Entwicklung des Teams.

Taktisch näher bei Foda als bei Breitenreiter

Was die defensive Grundausrichtung betrifft, ist Henriksens präferierte Spielweise praktisch identisch mit derjenigen Franco Fodas. Beide präferieren Raumdeckung – während André Breitenreiter auf Manndeckung auf dem ganzen Feld schwor. Das Gleiche gilt für die bevorzugte taktische Grundformation: 3-4-3. Der taktisch variable Foda wandte diese erstmals nach der Halbzeitpause in Baku an. Der FCZ trat damals in den zweiten 45 Minuten deutlich dominanter auf, als noch vor der Pause. Dies lag in erster Linie daran, dass Gegner Qarabag nach zu Spielbeginn extremem Energieeinsatz keine Kraft mehr hatte. Aber Foda sah wohl auch seinen taktischen Wechsel für den deutlich verbesserten Auftritt seines Teams verantwortlich und bevorzugte in der Folge dieses System, auch wenn dadurch der FCZ gegen Mannschaften, die bevorzugt über ihren “Sechser“ das Spiel aufbauten, vermehrt Probleme bekam.

Offensiv liegt Henriksen in der Mitte zwischen Breitenreiter (Konterfussball) und Foda (Ballbesitz). Unter Breitenreiter waren sowohl System wie Spielweise für die Gegner vorhersehbar. Foda versuchte bezüglich System immer wieder Überraschungsmomente in die Waagschale zu werfen. Bei Henriksen liegen die Überraschungsmomente eher bei den Rhythmuswechseln als beim System – mal hält man den Ball in den eigenen Reihen, mal schaltet man schnell um. Insgesamt ist Henriksen von der Grundtaktik her näher bei Foda als bei Breitenreiter, auch wenn in den Details natürlich Unterschiede bestehen.

Spielphilosophie vs. Erfolg – die Tragikomik des letzten FCZ-Jahrzehnts

Das Thema Spielphilosophie & FCZ entbehrt seit vielen Jahren nicht einer gewissen Tragikomik. Klar ist: der FCZ will dominanten Ballbesitzfussball spielen. Nur ist er damit chronisch erfolglos. Er gibt aber nicht auf, und versucht es immer wieder. Erfolgreich war der FC Zürich seit Beginn der 10er-Jahre immer dann, wenn er aufgrund von Umständen oder gar Missverständnissen zwischendurch auf Umschaltfussball im Speziellen und eine pragmatisch-konservative Spielweise im Allgemeinen wechselte.

Mit dem konservativen, immer auf Absicherung bedachten Urs Fischer schrammte man in einer tollen Saison 10/11 knapp am Meistertitel vorbei. Urs Meiers Philosophie war stärker auf Ballbesitz ausgerichtet und er hatte eine ganze Reihe von hervorragenden Technikern zur Verfügung. Ein Meisterkandidat war man aber nur in den kurzen Phasen als Kukeli und Yapi in einigermassen fittem Zustand für die entscheidende Balance im Team sorgen konnten. Nach dem Abstieg war die Spielphilosophie kurzzeitig sekundär. „Aufstieg um jeden Preis“ hiess das Motto. Und dieser wurde mit einem für Trainer Forte typisch physisch orientierten Fussball bewerkstelligt. Aufgestellt wurde hauptsächlich nach Muskelmasse und Körpergrösse.

Magnin und Rizzo zogen erfolgreichen Umschaltfussball nicht durch

Nach gutem Saisonstart zurück in der Super League kehrte man mit dem Trainerwechsel von Forte zu Magnin dann wieder zur eigentlich bevorzugten Spielphilosophie zurück. Und bewegte sich damit tendenziell in unteren Tabellengefilden. Als Magnin gegen Ende der Vorrunde 19/20 kurzzeitig von der Vorgabe abwich und Umschaltfussball spielen liess, lief es sofort deutlich besser – sechs Siege in sieben Meisterschaftspartien und Vorstoss auf den 4. Platz. Nach der Winterpause wollte oder musste Magnin dann wieder zum Ballbesitzfussball zurückkehren – mit dem Resultat von gerade mal zwei Punkten aus fünf Spielen bis zur Corona-Pause. Erfolgreich spielte Magnins Team dann, wenn es wie im Cupfinal mit YB oder gegen Bayer Leverkusen durch einen qualitativ deutlich stärkeren Gegner zu weniger Ballbesitz geradezu gezwungen wurde.

Unter Magnins Nachfolger Massimo Rizzo wiederholte sich die Geschichte. Er setzte zunächst auf defensive Stabilität sowie Umschaltfussball und hatte damit sofort Erfolg. Bis zur Winterpause kletterte der FCZ vom 10. auf den 4. Platz. Wie ein Jahr zuvor unter Magnin wechselte Rizzo dann aber in der Winterpause ohne Not die Ausrichtung und setzte mehr auf Ballbesitzfussball – mit den entsprechend erneut wieder einsetzenden negativeren Resultaten in der Rückrunde.

Der FCZ ändert sich nicht

Vorhang auf: André Breitenreiter. Wieder ein Trainer konträr zur FCZ-Spielphilosophie. Das hat zum Glück lange Zeit (fast) niemand gemerkt, weil er sich sehr gut verkaufen konnte und ständig von „Offensivfussball“ seiner Mannschaft sprach, während in der Realität der FCZ in der Meistersaison so stark von Zweikämpfen, defensiver Kompaktheit und Konterfussball lebte wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Im Gegensatz zu Magnin und Rizzo hatte Breitenreiter den Rückhalt und Willen, um diese pragmatische Weise bis Ende Saison durchzuziehen. In den Jahren davor war eine erfolgreiche Phase mit pragmatischem Fussball immer der Grund gewesen, um wieder zum erfolglosen Ballbesitzfussball zurückzukehren. Der Klassenerhalt war ja gesichert. Breitenreiter hingegen war in allem, was er tat, zu 100% erfolgsorientiert ausgerichtet – und nicht an einer Spielphilosophie.

Aber der FCZ ändert sich nicht. Trotz des riesengrossen Ausrufezeichens mit dem Meistertitel 2022 denkt er nicht über eine Änderung der Spielphilosophie nach. Erfolg zu haben, scheint weiterhin nicht das oberste Ziel zu sein. Mit Franco Foda wurde wieder ein Trainer für Ballbesitzfussball geholt – und auch das dazu passende Spielermaterial. Das Resultat war wie immer seit mehr als einem Jahrzehnt: Misserfolg. Auf die Frage eines Journalisten, ob Henriksen ein „Breitenreiter 2.0“ sei, antwortete Ancillo Canepa, dass zwischen den beiden schon Unterschiede bestünden in Bereichen auf die er nicht eingehen wolle, und dass man bewusst keinen zweiten Breitenreiter geholt habe. Die Spielweise unter Breitenreiter mag noch so erfolgreich gewesen sein – sie bleibt beim FCZ grundsätzlich unerwünscht.

Henriksen wie Breitenreiter mit „Verkäufer-Gen“

Warum kommt der FCZ mit hohem Ballbesitz einfach nie auf die Erfolgsschiene? Ein wichtiger Grund dafür ist fehlende Qualität. YB kann sich Spieler leisten, mit denen dominanter Fussball auf Super League-Niveau möglich ist. Dem FCZ fehlen dafür die finanziellen Mittel. Ausserdem verpflichtet und entwickelt der FC Zürich immer wieder „Schönwetterfussballer“, die technisch zu den Besten der Liga gehören, deren Konstanz, Laufleistung und defensiver Beitrag über 36 Runden aber nicht genügt. Allerdings: der FC Thun (unter anderem mit Marc Schneider als Trainer) hat über Jahre gezeigt, dass erfolgreicher Ballbesitzfussball in Ausnahmefällen auch mit geringen Mitteln möglich ist. Der FCZ vermochte das Erfolgsrezept der Berner Oberländer aber nie zu entschlüsseln oder kopieren.

Während der neue Trainer Bo Henriksen taktisch näher bei Foda als bei Breitenreiter liegt, hat er mit letzterem das „Verkäufer-Gen“ gemeinsam. Der Däne sagt das, was Vereinsführung, Fans und Journalisten hören wollen. Und will bei den Spielern den Glauben an sich selbst und das Team zurückbringen. Der Begriff „Laptop-Trainer“ ist im deutschsprachigen Raum in der Fussballöffentlichkeit zu einem Schimpfwort geworden. Henriksen ist sich dessen bewusst und spielt die Wichtigkeit von Daten und Analysen herunter, obwohl er nicht erst seit seiner Zeit bei Midtjylland dafür ein besonderes Flair hat. Henriksen profitierte bei der rundum sehr wohlwollend aufgenommenen Präsentation auch von einem „Ausländerbonus“. Sein Selbstbewusstsein und Eigenlob wird ihm nicht krumm genommen, was bei aus der Schweiz stammenden Coaches wie Uli Forte oder Ludovic Magnin jeweils komplett anders war.

Henriksen wird seine Spieler anweisen, Dinge zu tun, die in der Schweiz jeder Juniorentrainer seinen Jungs und Mädels verbietet: als hinterster Mann riskant spielen oder aus spitzem Winkel schiessen beispielsweise. Dank der Analyse von Daten haben sich in den letzten Jahren viele alte Fussballweisheiten des einzeltaktischen und gesamttaktischen Verhaltens als Mythos herausgestellt. Der analytische Ansatz kann dem FCZ nur gut tun. Genauso wie der Fokus auf die Stärken und das Vermitteln von Vertrauen in die Spieler. Schafft so Henriksen die Quadratur des Kreises? Ein erfolgreicher FCZ, der gleichzeitig auch noch die von der Klubführung so lange herbeigesehnte Dominanz auf den Platz bringt?

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