Hilfe, wir haben den Ball! / Luzern – FCZ Analyse mit Randnotiz: neue Kandidatur für den Schwalbenkönig

Macht Roko wieder den Simic? / Luzern – FCZ Vorschau (Züri Live)

Die angesprochenen Parallelen zur Abstiegssaison gehen weiter. Damals hatte der FCZ in der 27. Runde gegen den FC Basel unentschieden gespielt und lag damals wie heute danach auf dem 8. Platz – 15/16 sogar mit deutlich mehr Vorsprung als heute. Dann kam in der 28. Runde die Niederlage gegen Luzern, welche den Auftakt zu einer Serie von sieben Partien mit nur einem Punkt darstellte.

Wenig Ballbesitz, mehr Erfolg

Die 1:2-Heimniederlage vor zwei Spieltagen gegen den FC Sion war ein Schock für Luzern: viel mehr Ballbesitz und ein klares Chancenplus – und trotzdem baute man die Walliser auf, anstatt sich in der Tabelle nach vorne orientieren zu können. Trainer Mario Frick lernte daraus und zog sein Team in den folgenden Partien in Winterthur und gegen den FCZ in die eigene Platzhälfte zurück, suchte das Heil in schnellen Gegenstössen. Das funktionierte ausgezeichnet! Zwei Spiele, zwei Siege.

Die gleiche Schlussfolgerung könnte der FC Zürich nach der klaren Niederlage in der Swissporarena ziehen. Zuletzt hatte man in St. Gallen und gegen den FCB mit wenig Ballbesitz jeweils die besseren Torchancen herausgespielt. In Luzern hingegen hatte man deutlich mehr den Ball – und zog den Kürzeren. Dazu kam als zusätzliches Indiz: die einzige Spielphase, in der Luzern mehr Ballbesitz hatte, war das letzte Viertel – und dieses war gleichzeitig die beste Phase des FCZ. Für beide Teams scheint also zur Zeit zu gelten: „Hilfe, wir haben den Ball (zu lange)!“.

Verbesserung auf der linken Seite dank dem Duo Aliti / Hodza

Trotz ähnlicher Kontertaktik wie in Winterthur machte Coach Frick gegen den FCZ eine Umstellung taktischer Art vom üblichen Rhombus-System auf ein 4-2-3-1. So wie dies vor ein paar Wochen bereits Raphael Wicky in Zürich gemacht hatte. Die Innerschweizer zogen sich stark zurück. Dejan Sorgic wartete vorne allein auf weiter Flur auf die Auslösung eines überfallartigen Konters. Wenn Luzern aber mal zum Aufbauspiel kam, dann versuchte man es der taktischen Änderung entsprechend häufiger über die Seiten, als noch in Winterthur. Das 4:1 in der 64. Minute fiel dann auch durch einen Angriff über die linke Seite.

Die Einwechslung von Pascal Schürpf für Sofyan Chader zur Pause war einer der Gründe, warum die in der 1. Halbzeit noch gut spielende rechte Zürcher Seite mit Omeragic und Boranijasevic in der zweiten Hälfte einen richtiggehenden Einbruch erlitt. Das letzte FCZ-Gegentor mit einem Angriff über diese Seite fiel ebenfalls in Luzern kurz nach der Winterpause, als beim damaligen 2:0-Führungstreffer der Luzerner Boranijasevic sich hoch in der gegnerischen Hälfte düpieren liess. Ansonsten war zuletzt die linke Zürcher Seite anfälliger gewesen mit drei Gegentoren hintereinander gegen YB. Servette und in Lugano, als jeweils das Duo Aliti / Kamberi verteidigte. Mit Hodza als Aussenläufer und Aliti links in der Dreierabwehr scheint diese Seite defensiv besser zu funktionieren. Die Pässe, die Aliti zu Gast bei seinem Ex-Klub konstant von hinten heraus spielte, waren zudem eine echte Augenweide.

Katic bei der Spielweise unter Henriksen ein Sicherheitsrisiko

Zuletzt gegen Basel setzte der FCZ den durch das Cupspiel unter der Woche etwas müden Gegner richtigerweise durch hohes Pressing stark unter Druck und zwang diesen zu vielen Fehlern. Die Stürmer machten daraus in Abwesenheit von Tosin dann aber zu wenig. Es brauchte einen Weitschuss von Condé, um zu reüssieren. Auch in Luzern benötigte es ein Weitschusstor eines Mittelfeldspielers, um ins gegnerische Gehäuse zu treffen. In der Kategorie Weitschusstore (6) liegt der FCZ mittlerweile an zweiter Position der Liga. Zu Magnin-Zeiten war man in dieser Kategorie jeweils bei den Schlusslichtern.

Es fällt auf, wie viele gegnerische Trainer in letzter Zeit ihre Taktik gegen den FCZ umstellen – sicherlich auch aufgrund der zuletzt insgesamt eher positiven Resultate des Letzigrund-Teams. Luzerns Konzept war ganz auf den grössten Zürcher Schwachpunkt, die Langsamkeit der Verteidiger, speziell von Katic, ausgerichtet. Der FCZ stand aber nicht nur wegen Luzern hoch und hatte viel Ballbesitz, sondern er will dies unter Bo Henriksen auch. Das Problem dabei: das Stärken-/Schwächen-Profil der Mehrheit der eingesetzten Spieler passt nicht zu diesem Spielstil (siehe Randnotiz im Winterthur-Artikel). Nikola Katic ist nur eines von mehreren Beispielen dafür, aber wahrscheinlich das klarste. In einer wie letzte Saison unter André Breitenreiter tief stehenden Mannschaft, die in erster Linie auf schnelles Umschaltspiel ausgelegt ist, könnte Katic auf Super League-Niveau wohl bestehen. Man erinnere sich beispielsweise an die „Abwehrschlacht“ in Unterzahl in Basel, als kurz vor Schluss Rohner mit einem Konter beinahe noch das Siegtor erzielte. In einem hoch stehenden Team mit viel Ballbesitz ist er hingegen ein viel zu grosses Sicherheitsrisiko.

Forwards können sich in Luzern kaum durchsetzen

Bei der Beurteilung der Partie nicht vergessen werden darf, dass die junge Luzerner Mannschaft wirklich stark spielte – allen voran Marco Burch und Nicky Beloko. Sie benötigten für ihren Powerfussball in den ersten drei Vierteln der Partie aber auch viel Kraft, so dass der FCZ bei einem knapperen Spielstand in den letzten 15-20 Minuten die Partie durchaus noch hätte drehen können. Daher war für Luzern der Treffer zum 4:1 äusserst wichtig. Er nahm dem FCZ den Glauben an die Wende, wodurch die nachlassenden Kräfte in der Schlussphase weniger ins Gewicht fielen. Pius Dorn gelang zum ersten Mal in seiner Profikarriere ein Doppelpack. Zuletzt hatte er dies in der U19 des SC Freiburg (drei Mal) geschafft, als er noch auf einer offensiveren Position eingesetzt wurde.

Das Spiel des FCZ war im ersten Viertel grundsätzlich gut, auch wenn man sich danach aus dieser Phase vor allem an einzelne gefährliche Luzerner Szenen erinnern wird, die aufgrund des defensiven Schwachpunktes Katic entstanden. Im zweiten und dritten Spielviertel wurde dann die Leistung von mehreren Spielern schlechter, bevor im letzten Viertel nach den Wechseln der FCZ die bessere Mannschaft war. Insgesamt spielte der FCZ aber zu wenig einfach, schnell und schnörkellos. Und die Stürmer stiessen gegen die jungen Luzerner Verteidiger an ihre Grenzen. Insgesamt hatte der FCZ bei dieser klaren Niederlage in Luzern erstaunlicherweise die höchste bisher von Züri Live gemessene Anzahl an guten Offensivaktionen im Jahr 2023, aber gleichzeitig auch am zweitmeisten schlecht ausgeführte Aktionen im Spiel mit Ball.

Mehrere taktische Wechsel während der Partie

Die in den Medien nach der Partie viel thematisierte Pausenansprache Henriksens war im übrigen nicht eine klassische „Brandrede“, sondern beinhaltete viel eher (in lautem Ton vorgetragene) konkrete Anweisungen an das Team insgesamt und an einzelne Spieler. Henriksen stand dabei ganz offensichtlich vor einer Taktiktafel, blickte konkrete Spieler an und sagte Dinge wie: «ich erwarte von Dir, dass Du in diesen Raum gehst».

Taktische Veränderungen gab es beim FCZ während dem Spiel einige. Man begann so wie man das mit 2:1 gewonnene Heimspiel gegen Luzern aufgehört hatte: im 3-4-1-2. Aufgrund des überraschenden 4-2-3-1 von Luzern stellte man aber bereits nach fünf Minuten auf ein 3-3-2-2 um – das heisst, Cheick Condé stand höher und Bledian Krasniqi weniger zentral. Dadurch ergab sich zwischenzeitlich eine stärkere Mannorientierung im Zentrum. Nach dem Gegentor zum 0:1 wechselte der FCZ dann aber etwas hektisch wieder zurück auf das zu Beginn angewendete 3-4-1-2, was dem Zürcher Spiel nicht gut tat. Das System und die Zürcher Probleme setzten sich nach der Pause fort, auch mit dem eingewechselten Roko Simic auf der Zehnerposition für Bledian Krasniqi. Mit einer weiteren Umstellung auf ein 3-4-3 ab der 60. Minute wurde es dann deutlich besser.

Fragezeichen bei den Eckbällen

Normalerweise gibt es beim FCZ auch taktische Auswechslungen. Diesmal aber wechselte Coach Henriksen schlicht die fünf schlecht spielenden Spieler aus, erstmals auch Katic. Bei Eckbällen hatten beide Teams zu Beginn defensiv etwas Probleme. Beim ersten Zürcher Corner standen Krasniqi und Condé völlig frei. Beim zweiten wurde dies aber sofort korrigiert und die entsprechenden Zürcher Spieler von Jashari und Ottiger gedeckt. Bei Luzerner Eckbällen stand hingegen Dorn immer frei, weil der FCZ nun wieder drei statt zwei Spieler für die Raumdeckung abstellt. Den Sinn und Zweck, Marchesano auf den Kreuzungspunkt von nahem Pfosten und Elfmeterpunkt in den Raum zu stellen, erschliesst sich auf den ersten Blick nicht. In diesem Raum landet so gut wie nie ein Eckball.

Personalien

  • Bledian Krasniqi: War zeitweise alleine gegen das Duo Beloko und Jashari. Hatte aber auch einen schlechten Tag und wirkte weniger spritzig als in anderen Partien – null Abschlussbeteiligungen und nach vorne praktisch wirkungslos.
  • Jonathan Okita: Zeigte nach dem zweiten und vierten Gegentor eine Reaktion. So zielstrebig und schnörkellos wie in diesen Momenten müsste er von Beginn weg spielen. Seine lässige Ballannahme in Rücklage mit gestrecktem Bein erinnert an Feierabendfussball mit Kollegen, und führt in der Super League, wo die Verteidiger im Schnitt hartnäckiger agieren als in Holland, zu vielen Ballverlusten.
  • Becir Omeragic: Hatte insgesamt eigentlich eine gute 1. Halbzeit, kümmerte sich beispielsweise zuerst aufmerksam um den bei Standards gefährlichen Burch. War dann aber bei den gefährlichsten Luzerner Szenen auch negativ im Fokus, was ihm etwas das Selbstvertrauen zu rauben schien. Jedenfalls fiel er in der 2. Halbzeit in ein Loch.
  • Nikola Katic: Wieder eine Note „1“ wie im ersten Spiel nach der Winterpause in Luzern, im Jahr 2023 bisher fast ausschliesslich ungenügende bis schlechte Noten. Nach zuletzt immerhin aufsteigender Tendenz wieder ein extremer Rückfall. Die Defensivleistung ist miserabel. Gegen eine konternde Mannschaft auf Super League-Niveau viel zu langsam – und passt dabei seinen Spielstil trotzdem nicht à là Filipescu an diese Realität an – als würde er diese ignorieren. Die Gegner nutzen dies systematisch aus. Stürmer wie Sorgic locken Katic mit ihren Laufwegen in die gegnerische Platzhälfte oder an die Seitenlinie und lassen ihn dann dort stehen wie ein unabgeholtes Paket auf der Post. Die Szene wiederholt sich Spiel für Spiel, immer und immer wieder.
  • Mirlind Kryeziu: Ist aktuell relativ weit von seiner Bestform von letzter Saison entfernt, aber trotzdem ruhiger, überlegter und schneller als Katic.
  • Fidan Aliti: Wenn nur alle in der Mannschaft so ein Passspiel hätten! Die Präzision, die Dosierung, die Konstanz! Keine Kunst, aber Qualitätshandwerk. Auch von Alitis Schnörkellosigkeit könnten sich viele eine Scheibe abschneiden. Geht auch in der Nachspielzeit beim Stand von 1:4 noch volle Pulle.
  • Ifeanyi Mathew: Begann gut. liess sich dann phasenweise vom Auftritt einiger Mitspieler mit runterziehen. Als Selnaes ins Spiel kam, blühte er wieder auf. Premièrentor aus der Distanz mit dem schwächeren Fuss.
  • Selmin Hodza: Abgesehen von ein, zwei taktischen Fehlern bestätigte er den positiven Eindruck vom Basel-Spiel; einer der aufmerksamsten FCZ-ler auf dem Platz.
  • Antonio Marchesano: Hat etwas das Pech, dass er ausgewechselt wird, kurz bevor Luzern ausgepowert ist. Gegen das hochtourige Luzern der ersten drei Viertel der Partie kann er sich nicht durchsetzen. Die Gegenspieler sind praktisch immer schneller am Ball. In so einer Situation unterläuft ihm dann auch noch mehrmals der typische Tosin-Fehler der letzten Jahre: abrupte Richtungsänderung in einem Moment, wo der Mitspieler den Ball bereits am Zuspielen ist.
  • Calixte Ligue: Kam bei weitem nicht so gut in die Partie wie bei seinem ersten Einsatz nach der Winterpause in Luzern. Begann mit zwei unnötigen Fouls und stand defensiv zeitweise etwas verloren im Raum.
  • Ole Selnaes: Wie eine frische nordische Brise für das Zürcher Spiel. Machte dieses mit seiner Spielingelligenz und gutem Passspiel deutlich strukturierter. Profitierte dabei aber auch von nachlassenden Luzernern.

Randnotiz – neue Kandidatur für den Schwalbenkönig

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Wer stürmt heute beim Heimstart im Letzigrund? / FCZ – Luzern Vorschau

In Bern war der FCZ gegen einen sehr motivierten Alt-Meister bis zu den Wechseln in der 72. Minute ebenbürtig. In Baku steigerten sich Schlüsselspieler wie Marchesano, Guerrero oder Kryeziu. Eine weitere Leistungssteigerung ist das Ziel im ersten Heimspiel gegen Luzern. Mehrere Spieler (Krasniqi, Kryeziu, Tosin,…) können vor der Partie ihre persönlich guten Erinnerungen an Spiele gegen diesen Gegner visualisieren. Auch wenn das letzte Spiel der Meistersaison im Letzigrund vor einer historischen Rekordkulisse im Duell dieser beiden Klubs mit 2:3 verloren ging.

Kann sich Krasniqi etablieren?

In den ersten beiden Partien der Saison hat der FCZ zwei Mal mit der „Breitenreiterschen“ Manndeckung begonnen und dann während der Partie auf Raumdeckung umgestellt. Die grosse Frage lautet nun: bleibt Franco Foda bei der Manndeckung als Grundprinzip, oder deutet sich ein schrittweiser Übergang zurück zur Raumdeckung an? Eine ähnliche Frage stellt sich bei der Grundformation. Bei der taktischen Analyse der ersten beiden Partien muss dabei aber auch die personelle Situation und der Auftritt der Gegner berücksichtigt werden. So haben sich Veränderungen im Spielverlauf in den jeweiligen 2. Halbzeiten nicht in erster Linie wegen Änderungen der taktischen Formation ergeben, sondern wegen verändertem Energie-Level des Gegners (Qarabag) und einer deutlich stärkeren Ersatzbank (YB). Gegen Luzern herrschen wieder andere Voraussetzungen und es braucht andere Qualitäten. Auch Spieler, die in Baku in der 1. Halbzeit oberflächlich schlecht ausgesehen haben mögen, könnten gegen Luzern wichtig fürs Team sein.

Bledian Krasniqi hatte einen guten Saisonstart. Schon letzte Saison war eine Partie in Luzern das Paradebeispiel dafür, dass der Techniker Krasniqi immer dann offensiv eine gute Leistung bringt, wenn er in der Anfangsphase der Partie über den Kampf ins Spiel kommt. Dies scheint er aktuell zu beherzigen. In Baku war er beim Doppelpass mit Boranijasevic bereits zum zweiten Mal hintereinander an der Entstehung eines Penaltys entscheidend beteiligt. Auf der Achterposition steht Krasniqi in Konkurrenz mit Dzemaili und Selnaes. Er ist aber auch eine Alternative für Marchesano auf der 10er-Position. Eine Entwicklung wie Rieder bei YB oder Jashari bei Luzern ist Krasniqi zuzutrauen.

Wer soll für den FCZ stürmen?

Im Sturm ist zur Zeit alles offen. Rohner ist zuletzt in Baku für seine in der 1. Halbzeit gute Arbeit schlecht belohnt worden. Gnonto startete schlecht in beide Partien, soll sich aber diese Saison als Stammspieler etablieren. Auch Tosin sollte bereit für diesen Schritt sein, ist aber häufig weiterhin als Joker effektiver. Auch der Einsatz von Okita in der Startformation ist nicht undenkbar. Franco Foda könnte versucht sein, die bisherige kleine „Torflaute“ der Zürcher Stürmer mit einem neuen Mann zu beheben.

Wer soll heute im Letzigrund gegen Luzern stürmen?

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Luzern: Kein Platz für Schürpf und Ndiayé?

Der noch eine Woche lang 19 Jahre alte Ardon Jashari wird den FC Luzern wohl als Captain aufs Feld führen, nachdem dies letzte Saison häufig der nicht viel ältere Marco Burch getan hatte. Der eigentliche Captain Christian Gentner hatte schon im Verlauf der letzten Saison seinen Stammplatz verloren (ohne den Routinier lief es den Innerschweizern deutlich besser) und diese Entwicklung wird er in der aktuellen Saison kaum noch rückgängig machen können. Im Mittelfeld hatte Luzern diesen Sommer am meisten Abgänge, was für den wiedergenesenen Alabi sowie die Neuzugänge Beloko und Dorn (in der Vergangenheit vorwiegend als Rechtsverteidiger eingesetzt) eine Chance bedeutet.

Samuele Campo hat mit dem Slowaken Jakub Kadak starke Konkurrenz erhalten. Weil Kadak aber erst vor einer Woche zum Team stiess und vielleicht auch etwas weil Campo gegen den FCZ oft seine besten Spiele macht, wird Kadak wohl erstmal auf der Reservebank beginnen. Challenge League-Topskorer Joaquin Ardaiz hat im letzten Vorbereitungsspiel gegen Genoa getroffen und wird wohl im Letzigrund in der Startformation stehen. Knifflige Fälle für Trainer Mario Frick sind Publikumsliebling Pascal Schürpf und Ibrahima Ndiayé. Sie sind beide etwas Opfer der Systemänderung im letzten Winter. Beide können sich auf der offensiven Flügelposition am besten entfalten, die es aktuell beim FC Luzern nicht mehr gibt – ausser es wird ausnahmsweise wie in der 36. Runde der letzten Saison im Letzigrund auf das alte 4-2-3-1 zurückgegriffen.

Auch das Corporate Identity-Gefährt mit den Ligasponsoren wird nach der Sommerpause heute im Letzigrund wieder aus der Ecke geholt.

FCZ Kaderplanung 21/22, Teil 3 – knifflige Seitenpositionen

Talabidi, Wetz, Okoh – Physis und Talent für die Hinterreihe

Mehr Qualität als defensiver Leistungsträger würde hingegen der eine oder andere im Ausland engagierte Schweizer Spieler mitbringen. An erster Stelle sollte diesbezüglich das grosse Schweizer Talent Bryan Okoh (18) genannt werden, von dem erwartet werden kann, dass ihn Salzburg kommende Saison ausleihen möchte – warum nicht zum FCZ, statt wie Adamu letzte Saison nach St. Gallen? Der ehemalige FCZ-Junior Martin Angha (27) hat sich bei Fortuna Sittard in der abgelaufenen Saison gut entwickelt und ist erstmals in seiner Karriere zu einem echten Leistungsträger gereift. Allerdings wird ihn genau dies wohl einen Wechsel ausschliessen lassen, jetzt wo er sich endlich mal richtig etablieren konnte – zumal sein Vertrag erst im März um ein weiteres Jahr verlängert worden ist. Auch Allrounder Simone Grippo (32) schaut auf eine persönlich gute Saison bei Real Oviedo in der LaLiga2 zurück und wäre in seiner aktuellen Verfassung in der Lage, bei einem Super League-Klub eine defensive Führungsrolle einzunehmen. Der Zeitpunkt für eine Rückkehr in die höchste Schweizer Liga wäre auch ideal. Gaetano Berardi (32, Leeds United) ist eher der Typ erfahrener Ergänzungsspieler und möchte wahrscheinlich noch nicht aus England wegziehen. Und dann wäre da mit Michael Lang (30) noch ein Mann mit Vergangenheit beim Stadtrivalen, der in der Bundesliga noch ein Jahr Vertrag hat, aber dort schon länger aussen vor ist.

Auf der Rechten Seite braucht der FCZ unbedingt einen Backup und/oder physisch stärkere Ergänzung zu Fabian Rohner und hier gibt es aus der Challenge League durchaus interessante Kandidaten. An erster Stelle der in der abgelaufenen Saison beim FC Wil seit November unter anderem krankheitsbedingt kaum noch eingesetzte Malik Talabidi (19). Der deutsche U20-Nationalspieler hat mit seiner Kombination aus Schnelligkeit, Physis und Technik die Voraussetzungen, nächste Saison zu „explodieren“ – und zwar auch auf Super League-Niveau. Ihn erst in einigen Monaten in Betracht zu ziehen, könnte zu spät sein. Ebenfalls ein guter Kandidat wäre mit seinen physischen und technischen Qualitäten Noël Wetz (20) vom FC Thun. Der Schweizer U20-Nationalspieler (Spielertyp: Michael Lang) ist gelernter Innenverteidiger, hat sich aber im Profibereich rechts etabliert und schlägt ansprechende Flanken. Ein Flankenspezialist ist Pius Dorn (24), der 20/21 zu den besten und konstantesten Akteuren beim FC Vaduz gehörte: ein solider Rechter Aussenläufer / Aussenverteidiger für die Super League.

Kandidaten für die linke Seite wie üblich schwieriger zu finden

Nikola Boranijasevic (29, Lausanne), lebt stark von seinem Laufpensum und seinen Sprints, die er aber mit zunehmendem Alter nicht mehr so konstant wie zuletzt auf den Platz wird bringen können – und unter anderem deshalb möglicherweise seinen Vertrag in Lausanne nicht verlängert erhält. Nach Anfangsschwierigkeiten hat sich der von Stade Olympique Choletais gekommene Moussa Diallo (24) bei Servette in kurzer Zeit auf Super League-Niveau verbessert. Allerdings ist die Verfügbarkeit von Diallo für einen Klub wie den FCZ im Gegensatz zu einem Boranijasevic ziemlich unwahrscheinlich – zumal das auch finanziell ganz ordentlich aufgestellte Servette wohl nicht mehr lange auf den unter akutem Leistungsabbau leidenden Captain Anthony Sauthier setzen wird. Ebenfalls ein Super League-Kandidat ist Schaffhausens Jetmir Krasniqi (26), dem allerdings neben seiner Dynamik und guten Vorlagen in die gefährliche Zone etwas die benötigten Defensivqualitäten abgehen.

Auch auf der linken Seite benötigt der FCZ unbedingt eine bessere Alternative zu Fidan Aliti als Tobias Schättin. Zwei der drei passendsten Kandidaten aus den Schweizer Ligen stammen aus dem YB-Nachwuchs: Linus Obexer (23) von Absteiger Vaduz bringt seit mehr als drei Jahren eine hohe Konstanz in der Super League und Challenge League auf den Platz und ist trotz seinem Fokus auf Offensive auch defensiv kein schlechter Mann. Der schnelle Pascal Schüpbach (21) ist die noch talentiertere Variante, die allerdings nach seiner verletzungsgeplagten Leihsaison in Winterthur noch einen langfristigen Vertrag (2024) in Bern besitzt und in ein bis zwei Jahren durchaus Chancen auf den Durchbruch im gelb-schwarzen Trikot mitbringt. Der dritte im Bunde ist Dylan Tavares (24) von Stade Lausanne-Ouchy – technisch mit gewissen Defiziten im Vergleich zu den ersten beiden Kandidaten, dafür physisch stärker und in einem zweikampforientierten Vertikalspiel à la St. Gallen wohl der passendere Mann.

Flügel: die komplizierteste Position für die Kaderplanung

Die Flügelposition ist wohl die komplizierteste für die Kaderplanung, wenn eine Mannschaft nicht mit einer konstanten taktischen Formation spielt. Wie für jede andere Position braucht es für eine gute Besetzung natürlich Spieler mit ganz spezifischen Qualitäten. Die meisten echten Super League-Flügelspieler können auf keiner anderen Position das gleiche Niveau erreichen. In mehreren taktischen Formationen existiert die Flügelposition aber gar nicht. Gleichzeitig: falls man (unter anderem) taktische Formationen mit Flügeln benutzt, dann muss man diese Position personell in der Regel etwas mehr als „doppelt“ besetzen, da aufgrund der besonderen Wichtigkeit der Frische auf dieser Position besonders viele Wechsel während und zwischen den Spielen vorgenommen werden.

Aus dem aktuellen Kader des FCZ haben Wilfried Gnonto (17), Assan Ceesay (27) und Henri Koide (20) ihre Stärken auf dem Flügel. Salim Khelifi (27) hat sich nicht für eine weitere Saison empfehlen können (hat aber noch Vertrag). Und sein Kollege Benjamin Kololli (29) hat der Mannschaft in seiner FCZ-Zeit als einer der Führungsspieler mehr geschadet als genützt. Aiyegun Tosin (22) und Marco Schönbächler (31) wiederum spielen im Offensivzentrum besser, als auf der Seite. Valable und gleichzeitig realistische Kandidaten für diese Positionen aus den Schweizer Ligen sind eher rar gesät. Nicht unmöglich, aber eher unwahrscheinlich wäre nach unserer Einschätzung eine Leihe mit Kaufoption des dynamischen Thurgauers Julian Von Moos (20) gewesen, der aufgrund der grossen Sturmkonkurrenz und dementsprechend wenig Spielzeit am Rheinknie in seiner Entwicklung stagniert hat. Mittlerweile hat dieser „nach Redaktionsschluss“ dieses Textes zu Vitesse Arnhem gewechselt – mit Kaufoption!

Fehlende Spielzeit müsste eigentlich auch YB’s Marvin Spielmann (25) zu einem Wechsel bewegen. Neben seinen Verletzungen ist vor allem Spielmanns Problem, dass seine Qualitäten nicht zu YB’s Spielweise passen. Zu einem wie in der abgelaufenen Saison vorwiegend Konterfussball und Pressing praktizierenden FCZ würde der Oltner hingegen sehr gut passen. Sein Vertrag bei YB dauert allerdings noch volle zwei Jahre, was eine Anstellung zu einem tieferen Lohn schwierig zu bewerkstelligen macht. Sicherlich eine potentielle Verstärkung wäre der in der Rückrunde von Juve an Sion ausgeliehene Brasilianer Wesley (21), welcher aktuell an einer Adduktorenverletzung laboriert. Auf der linken Seite könnte man je nach Kontellation auch beim von Fiorentina zu Lausanne verliehenen Rafik Zekhnini (23) versuchen, dessen Leihe nach Zürich „umzuleiten“ – noch interessanter wäre auf rechts Lubomir Tupta (23. Sion), der schon in der U21 EM-Qualifikation gegen die Schweiz aufgefallen ist. Von Challenge League-Absteiger Chiasso sind sicherlich der dynamische Sebastian Malinowski (22) und der wirblige Techniker Sofian Bahloul (21) ins Auge zu fassen. Bei beiden Linksfüssern aus dem „Riva IV“ gibt es allerdings wesentliche Vorbehalte bezüglich ihrer Defensivqualitäten, und ob sie dem FCZ unter dem Strich wirklich mehr bringen könnten als ein Salim Khelifi.

FCZ Kaderplanung 21/22, Teil 1 – Trainer und Spielidee

FCZ Kaderplanung 21/22, Teil 2 – das Abwehrzentrum