Zwischen alten Problemen und Hoffnungsschimmern / Servette – FCZ 4:1 unter der Lupe

Die Analyse der Partie in Genf bringt Parallelen, aber auch Unterschiede zum Basel-Heimspiel vor einer Woche mit sich. Zu den Parallelen gehört neben den vier Gegentoren, dass das Chancenverhältnis nach Expected Goals bis nach der 70. Minute ausgeglichen war. Zu diesem Zeitpunkt hätte es ähnlich wie schon gegen die Rot-Blauen eine Woche davor dem Chancenverhältnis entsprechend Unentschieden stehen müssen. Und dies obwohl die grössten FCZ-Torchancen der Ersten Halbzeit in der Chancenstatistik gar nicht mitgezählt worden sind, weil es dabei zu keinem Abschluss kam (Doppelchance Mahi / Marchesano, sowie Kololli). Da der FCZ aber aus einer Chancengleichheit wieder ein Tor weniger erzielt hatte, ging er wie schon gegen den FCB mehr Risiken ein, und kassierte dadurch noch zwei weitere Treffer.

Was zu denken geben muss: dass eine Mannschaft, die ein höheres Risiko eingeht, Gefahr läuft, mehr Gegentore zu kassieren, ist logisch – aber das erhöhte Risiko müsste gleichzeitig auch zu mehr selbst erzielten Toren führen – und dies ist beim FCZ nicht der Fall. Offensichtlich ist das Team schlecht darin, im «offenen Schlagabtausch» zu spielen, und man würde wahrscheinlich zu mehr Torchancen kommen, wenn man die Taktik und Risikodosierung in der Schlussphase nicht verändern würde – sondern nur die Intensität.

Wenn man die Partie am Fusse des Salèves auf eine Szene reduzieren will, so ist es die Entstehung des 3:1 in der 79. Minute. Der FCZ steht hoch, Becir Omeragic spielt einen guten langen Ball nach rechts vorne auf Kevin Rüegg. Gelingt in dieser Situation Rüegg eine gute Ballan- und mitnahme, dann kann er mit seinem überlegenen Speed im Vergleich mit Gegenspieler Iapichino diagonal alleine mit Ball in den Strafraum ziehen und entweder selbst schiessen oder in der Mitte Tosin beziehungsweise Kramer bedienen: eine Topchance zum Zürcher Ausgleich!

Rüegg misslingt aber die Ballmitnahme, dadurch kann ihm Iapichino den Ball «abluchsen». Der FCZ steht jetzt mit sechs Mann am gegnerischen Strafraum, aber ohne Ball – schlimmer noch: ohne Zugriff zum Ball. Marchesano rückt sogar rechts auch noch mit an die Strafraumgrenze auf, ohne den sich in Ballbesitz befindlichen Vincent Sasso auch nur im Ansatz am Abspiel stören zu können. Dadurch steht Varol Tasar völlig blank, und hat angespielt von Sasso viel Platz und Zeit, den entscheidenden Pass in die Tiefe gegen eine hoch an der Mittelinie stehende Zürcher Abwehr zu spielen. Omeragic staffelt dabei ein paar Zentimeter zu weit zurück, so dass Koné wohl auf gleicher Höhe und knapp nicht im Offside steht. Wenn bei der konternden Mannschaft in so einer Situation das Timing stimmt, ist es für jede Abwehrreihe der Welt praktisch unmöglich, einen sich bereits an der Mittellinie in Höchsttempo befindlichen gegnerischen Angreifer wie Stevanovic noch einzuholen – weil die Verteidiger wegen der Offsidefalle erst dann loslaufen können, wenn der Pass gespielt ist – und dann noch 20-30 Meter benötigen, um auf ihr Höchsttempo zu kommen.

Zu Beginn kam Pedersen-Ersatz Pa Modou gut in die Partie. Dies gab dem ganzen Team Vertrauen. Auch seine präzisen weiten Einwürfe von links waren zuletzt vermisst worden. In der 17. Minute gelang eine Traumkombination über Marchesano – Rüegg – Tosin – wieder Rüegg – Domgjoni (Aussenrist-Laserpass) – Kololli (Ablage mit der Hacke) bis zum Abschluss von Mahi. In der 36. Minute müsste Mahi am nahen Pfosten nur den Fuss hinhalten und es wäre nach guter Vorarbeit Tosins über rechts wohl ein Tor. Aber der Holländer will den Ball ins Netz «spielen», macht eine unnötige Ausholbewegung und verpasst dadurch den Ball genauso knapp wie am entfernten Pfosten Marchesano. In der 44. Minute zögert Kololli im Strafraum nach einer weiteren schönen Kombination über Marchesano – Mahi – Tosin – Domgjoni und wieder Marchesano mit dem Abschluss zu lange.

Davor war der FCZ wie es in der Rückrunde zur Normalität zu werden scheint, erneut in einer entscheidenden Szene von den Unparteiischen benachteiligt worden. Mahi will in bester Position im Strafraum schiessen. Gegenspieler Boris Cespedes sieht, dass er Mahi nur noch mit einem Foul am Abschluss hindern kann und zieht diesen am Arm so runter, dass der sich in der Ausholbewegung befindliche Zürcher Offensivmann am Ball vorbeihaut: ein klarer Penalty. Nicht gepfiffen von Schiedsrichter Dudic – was umso unverständlicher ist, als dass der Berner Referee kurz nach der Pause einen vielversprechenden Angriff des FC Zürich mit einem Foulpfiff unterband, als Kololli in einer sehr vergleichbaren Szene im Mittelfeld Cespedes am Arm zog. Dudic pfiff, obwohl das Foul von Kololli an Cespedes weniger schwerwiegend war, als dasjenige von Cespedes an Mahi im Strafraum – das Ziehen am Arm war weniger heftig und kürzer in der Dauer, zudem hatte der Gegenspieler (Cespedes) Kololli zuerst angegangen, was bei Mahi überhaupt nicht der Fall gewesen war – und dann fand die Aktion erst noch komplett abseits des Ballgeschehens statt. Da wurde mit unterschiedlichen Ellen gemessen.

Servette beging durchaus Fehler, welche der FCZ aber nicht zu nutzen wusste. Die Genfer hatten nicht einmal aus ihrem entscheidenden Fehler vor Wochenfrist in St. Gallen gelernt, als Park an der Seitenlinie gepflegt wurde und keiner der Stürmer (Tasar, Koné) dessen Position auf der linken Seite einnahm. So konnte damals St. Gallen über rechts in Überzahl gegen Iapichino angreifen und das einzige Tor jener Partie erzielen. Gegen den FCZ passierte Servette der gleiche Fehler gleich nochmal! Als Rouiller gepflegt wurde, rückte zwar Cognat für diesen in die Innenverteidigung, aber dadurch war erneut die linke Seite der Genfer entblösst – Tasar und Kyei schliefen. Rüegg hatte freie Bahn und bediente aus dem Halbfeld hinter die Genfer Abwehr Mahi, der allerdings unaufmerksam gewesen und zu früh losgerannt war. Statt einer Topchance alleine vor Jérémy Frick gabs einen Offsidepfiff.

Vor dem Spiel wurde hier Miroslav Stevanovic stark thematisiert. Der Bosnier hat tatsächlich erneut eine gute Leistung auf den Platz gebracht mit einzelnen starken Flanken und Zuspielen, und dabei gemäss «SofaScore» sogar einen internationalen Rekord der letzten fünf Jahre gebrochen, da er in sieben Grosschancen involviert gewesen sei. Trotz der drei Assists in Genf war sein Beitrag an den Servette-Toren beim 0:5 im Letzigrund vor der Winterpause noch grösser gewesen. Sein Gegenspieler Pa Modou begann in Genf gut mit einem Ballgewinn und gewonnenen Kopfballduell in den ersten vier Minuten. Man merkte, dass der Gambier der Mannschaft grundsätzlich gut tut, aber ebenso, dass er (noch) nicht in Vollbesitz seiner Kräfte ist. Wie immer, wenn er nicht ganz fit ist, war er vor allem in der Rückwärtsbewegung zu langsam. Im Dezember beim 0:5 gegen den gleichen Gegner im Letzigrund war das noch deutlich schlimmer gewesen. Dieses Spiel hatte die linke Zürcher Seite praktisch im Alleingang verloren. Trotzdem wäre in Genf die hier vor der Partie vorgeschlagene taktische Variante einer Dreier-/Fünferabwehr wie ab der 30. Minute gegen Basel wohl die bessere Lösung gewesen.

FCZ-Trainer Magnin erklärt Niederlagen gegenüber den Medienvertretern häufig mit individuellen Fehlern seiner Spieler, obwohl diese in vielen Fällen nicht in erster Linie mehr individuelle Fehler als die Gegner begehen, sondern diese einfach weniger gut auszunutzen wissen.  In Genf hingegen waren die vielen individuellen Fehler auf FCZ-Seite tatsächlich zentral für die Niederlage. Dies schlägt sich unter anderem auch in einem für diese Saison rekordtiefen Züri Live-Notenschnitt von 4,2 (sogar tiefer als bei der 0:5-Niederlage gegen Servette im Letzigrund) nieder, nachdem sich zuvor die Leistung der Mannschaft in der Rückrunde von Spiel zu Spiel verbessert hatte. Diesmal war die Fehlerhexe ominpräsent. Keiner hatte somit im Endeffekt eine höhere Note als «6», was ungewöhnlich ist.

Fangen wir mit dem Positiven an: Zu den Hoffnungsschimmern gehört der Einsatz des in der 55. Minute eingewechselten Hekuran Kryeziu, der besser spielte, als er dies im Durchschnittsfall vor seiner Verletzung getan hatte. Ganz im Gegensatz dazu steht Adrian Winter, welcher auch bei seiner dritten Einwechslung seit der doppeldeutigen «Winterpause» die Mannschaft faktisch in Unterzahl versetzte. Kramer, der andere eingewechselte Zürcher Offensivmann, erhält wie Winter von Züri Live ebenfalls eine Note «2», allerdings aus anderen Gründen. Der Slowene war nach seiner Einwechslung in der 68. Minute durchaus präsent und vergab innerhalb der ersten drei Minuten zwei Grosschancen, beide auf Zuspiel von Tosin. Die Gelegenheit in der 70. Minute vergab der Slowene, weil er trotz seiner Grösse schlecht im Kopfballspiel ist. Diejenige eine Minute später ebenfalls aus sechs Metern mit dem linken Fuss war aufgrund der aufsetzenden Flanke nicht ganz einfach zu verwerten.

Der FCZ hatte in Genf abgesehen von der Viertelstunde vor der Pause in der ganzen Partie zwischen 54% und 60% Ballbesitz. Dies ist aber nicht Kramers Fussball. Es gibt wohl keinen Stürmer der Liga, bei dem es für gegnerische Verteidiger so einfach ist, den Ball wegzunehmen, wenn er  zum Beispiel mit dem Rücken zum gegnerischen Tor einen Ball fixieren sollte. Kramer kann nur Tore erzielen, wenn er in Bewegung ist. Um in Bewegung zu sein, braucht es Räume. Um Räume vorzufinden, muss man schnell umschalten (mit dem Risiko von ebenso schnellen Ballverlusten) – und der Gegner darf nicht allzu tief stehen.

Auch die in der Startformation aufgelaufenen Forwards wie Tosin, Mahi und Kololli haben alle eine (knapp) ungenügende Note. Tosin war dabei der Barometer des Zürcher Spiels. Solange es dem Nigerianer lief, war das Chancenverhältnis ausgeglichen und der FCZ blieb im Spiel. Mit dem starken Leistungsabfall des aus Lettland nach Zürich gewechselten Offensivmannes in der Schlussviertelstunde ging dann auch die Partie verloren. Davor war die Mehrzahl der guten FCZ-Tormöglichkeiten aufgrund von Tosin-Aktionen über rechts zustandegekommen und auch den schön herausgespielten 1:1-Ausgleich in der 64. Minute hatte der 21-jährige erzielt – eine logische Folge der Zürcher Druckphase nach der Pause. Unter anderem zeigte sich in dieser Phase, warum Servette-Torhüter Jérémy Frick ligaweit statistisch zu den besten Torhütern gehört, als er beispielsweise in der 63. Minute bereits am Boden liegend das so gut wie sichere Zürcher Tor durch Pa Modou mit einem Weltklasse-Fussreflex verhinderte. Schon drei Minuten nach dem Ausgleich war Tosin dann entscheidend daran beteiligt, dass Servette schnell wieder in Führung gehen konnte. Er vergass für einen Moment, Rüegg zu unterstützen, der sich mit Cognat, Tasar und Iapichino gleich drei Servettiens gegenübersah – Tasar konnte so unbedrängt auf Koné flanken, welcher spektakulär zum 2:1 einköpfte. In der Schlussviertelstunde sah man dann  von Tosin nur noch Fehlpässe, Ballverluste und Unkonzentriertheiten – der FCZ konnte so nur noch aus dem Zentrum heraus ein, zwei Mal eine gute Aktion nach vorne kreieren.

Denn auf der linken Seite lief zu dem Zeitpunkt auch nichts mehr. Benjamin Kololli scheint zuletzt durchaus etwas gereift zu sein. Er ist etwas bescheidener geworden, verrichtet mehr Defensivarbeit, denkt etwas mehr fürs Team. Ähnliches lässt sich auch von Mimoun Mahi sagen. Die Stossrichtung stimmt, aber unter dem Strich ist es gegen die meisten Super League-Gegner immer noch zu wenig. Und es ist speziell bei Kololli immer noch auch eine Einstellungssache. Dies war gegen Servette beispielsweise bei Standards ersichtlich. Das Duo Mahi / Kololli zeigte dabei einerseits zwei Mal etwas, was man beim FCZ schon lange nicht mehr gesehen hat: überlegt durchgezogene Standardvarianten, bei denen Kololli zu zwei guten Abschlusschancen kam. Sobald Kololli dann aber Standardvarianten mit anderen Mitspielern durchführte, gingen sie schief.

Mit Rüegg versuchte er bei einem Freistoss einen Doppelpass zu spielen, aber sein erster Ball auf kurze Distanz war viel zu wenig scharf gespielt, so dass Rüegg unter Druck geriet und der Passweg zurück auf Kololli zugestellt war. Bei einem weiteren Freistoss war angedacht, dass Kololli hoch auf Pa Modou spielt, und dieser den Ball per Kopf weiterleitet. Beide Protagonisten schienen aber nicht ganz bei der Sache zu sein. Pa Modou stellte sich zuerst auf die falsche Position. Als er dies bemerkte, lief er auf schnellstem Weg hinter der Servette-Abwehrreihe an den richtigen Ort und gab Kololli ein Zeichen, dass er mit der Ausführung des Freistosses noch warten solle. Kololli begriff die Situation nicht und spielte den Ball umgehend in Richtung des winkenden Pa Modou, welcher hinter der Abwehrmauer durchlaufend aber natürlich im Offside stand, was die Unparteiischen folgerichtig auch so entschieden: eine peinliche Art und Weise, eine Freistosschance zu versemmeln.

Zusammenfassend zur Zürcher Offensivreihe: Tosin baute ab der 75. Minute ab, Mahi ist im Abschluss im FCZ-Dress bisher zu schwach (in Groningen war seine Abschlusseffizienz höher), Kramers eingeschränkter Bereich an Stärken konnte in Genf aufgrund des Gegners und der Spielentwicklung zu wenig genutzt werden – und Kololli fehlt für bessere Abschlüsse wohl auch etwas die Spielpraxis. Der zur Zeit im Abschluss effizienteste Zürcher, Marco Schönbächler, fehlte im Stade de Genève gesperrt. So gelang trotz vieler Torchancen (so viele wie noch nie in dieser Rückrunde und ein Expected Goals-Wert von 1,79) nur ein Treffer.

Erfreulich war der Auftritt von Toni Domgjoni, der bemüht war, das Spiel an sich zu reissen. Der Mittelfeldspieler aus dem eigenen Nachwuchs ist drauf und dran, in die Rolle eines künftigen Captains hineinzuwachsen. Marchesano spielte viele direkte Bälle in die Tiefe, aber nur einer seiner acht langen Bälle kam bei einem Mitspieler an: normalerweise ist seine Quote deutlich besser. Schlussendlich müssen wir dann natürlich noch zu Simon Sohm kommen. Sein grober Schnitzer vor dem 0:1 in der 23. Minute (allerdings von Cognat auch hervorragend antizipiert) war der Nackenschlag, welcher dem FCZ in Genf sehr weh tat. Die ersten 20 Minuten hatten die Zürcher gut begonnen. Dann verseuchte von einem Moment auf den anderen eine Fehlerserie das eigene Spiel: erst Marchesano, dann Mirlind Kryeziu und schliesslich der entscheidende Fehler durch Sohm. Der 18-jährige war in Genf von der Rolle, denn bis zu seiner Auswechslung in der 55. Minute unterliefen ihm noch eine ganze Reihe weiterer Schnitzer – so viele wie vorher noch nie im Dress der 1. Mannschaft. Die Mehrzahl der Servette-Grosschancen vor der Pause hatten einen Sohm-Ballverlust am Ursprung. Es war nicht alles an Sohms Einsatz in Genf schlecht, wie noch eine Woche zuvor bei Pedersen – aber für die Note «1» reichte es trotzdem allemal.

Servette – FCZ 4:1 (1:0)

Tore:  23. Kyei (Stevanovic) 1:0; 64. Tosin (Marchesano) 1:1, 67. Koné (Tasar) 2:1, 79. Koné (Stevanovic) 3:1, 90.+4 Koné (Stevanovic) 4:1.

Servette: Frick; Sauthier, Rouiller, Sasso, Iapichino; Stevanovic, Cespedes, Ondoua, Cognat (81. Imeri); Tasar (90. Alves), Kyei (65. Koné).

FCZ: Brecher; Rüegg, Omeragic, M. Kryeziu, Pa Modou; Domgjoni, Sohm (55. H. Kryeziu); Tosin, Marchesano, Kololli (81. Winter); Mahi (68. Kramer).

(Standbilder: Teleclub)

Konterstarker FCZ profitiert von St. Galler Abschlussschwäche: FCSG – FCZ 1:3 Analyse

Beim letzten Hurra der Vorrunde beflügelte das ausverkaufte Haus in St. Gallen vor allem das Team von Ludovic Magnin. St. Gallen musste nach sechs niederlagenlosen Heimspielen in Serie erstmals wieder alle drei Punkte an den Gast abgeben. Einen Tag nach der Abdankungsfeier für Köbi Kuhn im Grossmünster und eine Woche nach der Kanterniederlage im Letzigrund gegen Servette zeigte der FCZ in der Ostschweiz sein «Cupgesicht». Der Gegner aus der Gallusstadt schlug wortwörtlich von der ersten Sekunde an ein ausserordentlich hohes Tempo an. Bereits in den ersten 20 Sekunden der Partie nach Anstoss St. Gallen kam es zu nicht weniger als fünf Zweikämpfen. Für den FC Zürich ging es erstmal darum, die anrollende Flut zu stoppen und einzudämmen. Und er schaffte es tatsächlich, die Mehrheit der Zweikämpfe in der Anfangsphase der Partie zu gewinnen. Die Grün-Weissen setzten die Pace, die Blau-Weissen schafften es erfolgreich, sich nicht abschütteln zu lassen. Beide Teams spielten emotional, aber gleichzeitig auch sehr fair. In der letzten halben Stunde ging St. Gallen dann etwas die Luft aus.

Die Rückkehr der gesperrten Kramer und Tosin sowie ein gegenüber dem Servette-Spiel verbesserter Pa Modou waren eminent wichtig für den Zürcher Auftritt. Mirlind Kryeziu stand abgesehen von seinem Foul an Silvan Hefti im eigenen Strafraum hinten wie eine Wand. Alle drei Treffer erzielte der FCZ auf Konterangriffe (darunter ein Penalty als Folge eines Konters). Dies scheint die These von Züri Live zu stützen, dass Konterfussball den individuellen Qualitäten und Neigungen dieser Mannschaft am besten entspricht. Ganz besonders trifft dies auf MVP Antonio Marchesano zu, welcher nicht nur bei allen drei Zürcher Treffern seinen Fuss entscheidend im Spiel hatte, sondern während annähernd seines ganzen Einsatzes eine gute bis sehr gute Leistung auf den Platz brachte.

Vor dem 1:0 offenbarte sich das verbesserte Spielverständnis zwischen «Tonino» und Sturmspitze Blaz Kramer, als der Slowene auf der linken Seite viel geistesgegenwärtiger als zu Beginn der Saison auf Marchesanos Idee einging. Ausgerechnet der ehemaliga FCZ-Junior Miro Muheim, der sich für die Partie speziell viel vorgenommen hatte, fälschte den Abschluss von Marco Schönbächler entscheidend ab. Das 2:1 erzielte Marchesano souverän per Penalty, was in dieser Saison beim FCZ nicht als selbstverständlich gelten kann. Vor dem 3:1 durch Aiyegun Tosin verlangte der Tessiner nach dem Ballgewinn von Sohm und Schönbächler sofort den Ball, liess zielstrebig Quintilla und Letard aussteigen, und lancierte Tosin erfolgreich in die Tiefe.

Zum dritten Mal in dieser Super League-Vorrunde gewann der FCZ eine Partie, obwohl er ein negatives Verhältnis von Expected Goals hatte (den umgekehrten Fall gab es ebenfalls drei Mal). Von St.Gallen konnten in dieser Partie aufgrund der Torchancen 2,69 Treffer erwartet werden, vom FC Zürich nur 1,43. Das Resultat lautete aber am Ende 1:3 zu Gunsten der Gäste. Das Spiel lief komplett für den FC Zürich mit einem frühen Führungstreffer durch einen abgelenkten Schuss, dann ein Penalty kurz vor der Pause und das 3:1 kurz nachdem St. Gallen-Trainer Peter Zeidler mit dem Wechsel „Guillemenot für Stergiou“ in der 71. Minute das Risiko wesentlich erhöht hatte. Der FCZ vermochte im Kybunpark im Vergleich zum 2:1-Heimsieg gegen den gleichen Gegner nur 58% so viele Top-Offensivaktionen zu verzeichnen. Das Eckballverhältnis war 10:3 zugunsten des FCSG. Nach einem Corner entstand dann auch das einzige St. Galler Tor per Penalty. Dieses wäre allerdings wohl irregulär gewesen, denn der im Strafraum von Mirlind Kryeziu gefoulte Silvan Hefti stand beim Zuspiel von Boris Babic mit grosser Wahrscheinlichkeit im Offside.

Allerdings war gleichzeitig auf der anderen Seite auch der Penalty für den FCZ in der 44. Minute sehr streng gepfiffen. Wie wichtig die Rückkehr der im St. Gallen-Spiel gesperrten Blaz Kramer und Aiyegun Tosin ins Team war, zeigte sich unter anderem bei den Toren. Tosin erzielte den dritten, Kramer bereitete sowohl den ersten wie auch den zweiten Treffer vor. MVP Antonio Marchesano war an allen drei Treffern entscheidend beteiligt. Genauso Marco Schönbächler, dem allerdings im Gegensatz zu Marchesano in seinen übrigen Aktionen praktisch nichts gelang und der defensiv auf seiner linken Seite im Mittelfeld Hefti und Görtler so gut wie nie bremsen konnte. Schönbächler, der schon gegen Servette eine Woche davor der schlechteste Zürcher gewesen war, eignet sich somit als Symbolfigur für einen einerseits glücklichen, aber auch dank der richtigen Taktik und Einstellung zustandegekommenen FCZ-Auswärtssieg. Genauso wie in einem anderen Sinne Nathan, der 73% seiner Zweikämpfe gewann, aber nur 36% seiner Pässe zu einem Mitspieler befördern konnte. Etwa das Gegenstück zu Nathan ist beispielsweise der eingewechselte Mahi, welcher 60 Meter-Bälle von Yanick Brecher elegant aus der Luft mitnahm oder weiterleitete, gleichzeitig aber Zweikämpfen, speziell solchen in der Luft, weiterhin konsequent aus dem Weg ging.

In St. Gallen spielte der FCZ so wenige Pässe (241) wie noch nie in dieser Saison und hatte im Vergleich mit den anderen Saisonpartien die mit Abstand schlechteste «Passgenauigkeit» (65.15%) zu verzeichnen. Das lag nicht an mangelnder Konzentration, sondern daran, dass der FCZ bei Ballgewinn jeweils möglichst schnell und direkt umschaltete. Es kam auf FCZ-Seite zu einer Saisonrekordzahl von 146 Ballverlusten, davon ebenfalls rekordhohe 48 Ballverluste im Verteidigungsdrittel. Normalerweise überlebt man solche Statistiken gegen St. Gallen nicht, aber die Grün-Weissen hatten an dem Tag das Zielwasser schlecht eingestellt und brachten nur sechs ihrer 27 Abschlüsse (St. Galler Saisonrekord) aufs Zürcher Gehäuse. Auch die Verhältnisse bezüglich Ballbesitz waren eindeutig – noch nie zuvor in dieser Saison hatte der FCZ das Leder nur zu 33.93%, also halb so lange wie der Gegner, in seinem Besitz gehabt.

St. Gallen – FCZ 1:3 (1:2)

Tore: 3. Schönbächler (Kramer) 0:1, 28. Quintilla (Penalty, S. Hefti) 1:1, 44. Marchesano (Penalty, Kramer) 1:2; 74. Tosin (Marchesano) 1:3.

St. Gallen: Stojanovic; S. Hefti, Stergiou (71. Guillemenot), Letard, Muheim; Quintilla: Görtler, Ruiz; Itten; Babic (84. Staubli), Demirovic.

FCZ: Brecher; Rüegg, Nathan, M. Kryeziu, Pa Modou; Sohm, Domgjoni; Tosin, Marchesano (79. Janjicic), Schönbächler (89. Kololli); Kramer (53. Mahi).

 

 

Saisonstatistik, Teil 4: 2018 wie 2016 – Europa League macht dem FCZ Beine!

Die heutigen Messungsmöglichkeiten bringen eine Fussballweisheit nach der anderen auf welchen früher ganze Trainerkarrieren aufbauten und an welche Fans, Medien und auch die Spieler selbst ganz fest glaubten, ins Wanken oder gar zu Fall! Dass die Ballbesitzquote zwar viel über den Spielstil und allenfalls auch allgemeine Qualitätsunterschiede zwischen zwei Teams aussagt, aber wenig über den Erfolg, ist mittlerweile unbestritten. Dies bestätigt sich auch bei der Analyse der FCZ-Daten der letzten Saison. Der durchschnittliche Ballbesitz scheint im Verlauf der Saison eher etwas zufällig zu schwanken, war aber vor allem zu Beginn eher im negativen Bereich. Einen Zusammenhang zwischen der Schwankung des Ballbesitzes und der Expected Goals-Differenz kann man nicht herstellen. Der FCZ konnte mit viel Ballbesitz offensiv genauso zwingend oder auch weniger zwingend agieren, wie mit wenig Ballbesitz.

Zuletzt haben Daten aus Topligen nun aber sogar die Aussagekraft der Zweikampfwerte für den Mannschafts-Erfolg in Zweifel gezogen: vor allem im nördlichen Nachbarland der Schweiz über Jahrzehnte hinweg regelrecht eine «heilige Kuh»! Dazu gibt es allerdings noch zu wenig breit angelegte Untersuchungen und daher muss diese Erkenntnis nicht jederzeit und für jede Liga stimmen. Zudem wird man mit zunehmendem Detaillierungsgrad der Messungen sicherlich herausfiltern können, dass es durchaus wichtig ist, die sogenannt «entscheidenden Zweikämpfe» in bestimmten Situationen / Zonen zu gewinnen.

Wenn man sich die Saison 18/19 des FCZ anschaut, scheint zudem selbst bei den vergleichsweise banalen allgemeinen Zweikampfwerten ein Zusammenhang mit dem Erfolg zu bestehen. Im Vorfeld des Europa League-Startes auf Zypern begannen sich beim FCZ mit dem starken Heimspiel gegen Basel (1:1) die Zweikampfwerte positiv zu entwickeln. Vom 1:0-Auswärtssieg bei AEK Larnaca bis und mit dem 5:2-Auswärtssieg in Luzern waren diese gut und dementsprechend die Resultate: sieben Siege, drei Unentschieden und nur eine Niederlage (in St. Gallen).

Dann folgte die 0:1-Niederlage in Leverkusen, wo sich die Mannschaft anschliessend an die Partie von den zahlreich mitgereisten Fans trotzdem für die Sechzehntelfinalqualifikation feiern lassen konnte. Gleich anschliessend sank die Zweikampfquote zuerst auf ein durchschnittliches Niveau (unter anderem knapp negative Bilanz in den Heimspielen gegen Sion und GC) und ab dem Ludogorets-Auswärtsspiel wurde sie vor und nach der Winterpause sogar relativ schlecht.

Schon in der Aufstiegssaison 16/17 hatte die Freude auf die Europa League-Gruppenphase die Mannschaft auch in der Meisterschaft in der Vorrunde von Sieg zu Sieg getragen – und danach die Leistung merklich nachgelassen. Auch 18/19 spielte das Letzigrund-Team so lange auch national gut, wie man dem Ziel im Europacup zu überwintern nachjagte. Fast die ganze Rückrunde hindurch hatte der FCZ dann eine negative Zweikampfquote. Im entscheidenden Spiel in Neuenburg war diese gar die schlechteste der ganzen Saison mit nur 61 gewonnenen bei 97 verlorenen Zweikämpfen. Mit Michel Decastel bei Xamax am Ruder hatte der FCZ zuvor noch eine positive Zweikampfbilanz gegen die «Rouge et Noir» gehabt. Das sich im Verlauf der Saison immer besser findende ungleiche Duo Ceesay / Marchesano zusammen mit Bangura, Mirlind Kryeziu und «Doppelpacker» Kevin Rüegg vermochten die Partie aber trotzdem noch zu drehen.

Die positivste Zweikampfbilanz hatte der FCZ gegen die unterklassigen Teams (ausser Breitenrain). Die häufig von Amateur-Trainern im Cup gestellte Forderung an ihr Team, «über den Kampf ins Spiel» zu finden, muss nicht unbedingt die beste Strategie sein, denn bezüglich Cleverness im Zweikampfverhalten sind die Vollprofis stärker. Das Weiterkommen gegen AEK Larnaca sowie die positiven Saisonbilanzen gegen Luzern und Thun sind sicherlich auch dank der guten Zweikampfbilanz gegen diese Teams zustandegekommen. Gerade im Direktvergleich mit den physisch starken Luzernern erstaunt die Statistik auf den ersten Blick schon etwas. Am negativsten war die Zweikampfbilanz gegen Ludogorets mit den zweikampfstarken Nedyalkov, Terziev oder Moti in den Reihen. In der Super League war die Quote gegen YB und GC am schlechtesten. Im gleichen Bereich von etwa 10 mehr verlorenen als gewonnenen Zweikämpfen pro Spiel bewegten sich die Partien gegen Napoli und Leverkusen, was gegen solche Mannschaften keine schlechte Bilanz ist.

Gegen Ludogorets Razgrad führte die schlechteste FCZ-Zweikampfbilanz der Saison dazu, dass man von Zürcher Seite offensiv so gut wie nichts zustande brachte – mit einem durchschnittlichen Expected Goals-Wert von nur 0,37! Trotzdem holte man gegen diesen Gegner vier von sechs möglichen Punkten. Dies weil das Magnin-Team in den chancenarmen Partien gegen die Bulgaren je ein Mal deren defensive Schwachstelle (hohe Bälle) gezielt auszunutzen vermochte. Am meisten Expected Goals erspielte sich das Letzigrund-Team am anderen Ende der Skala in der Liga gegen den FC Thun und Xamax, sowie in den Cuppartien mit Red Star und Concordia. Lugano und YB waren diejenigen Teams, welche für den FCZ nach Ludogorets an zweitschwierigsten zu knacken waren – null Tore gegen die Tessiner und nur drei gegen YB in der ganzen Saison – sowie gegen beide ein durchschnittlicher Expected Goals-Wert pro Spiel von weniger als Eins. Etwas erstaunlich angesichts der schlechten Saison von GC ist, dass der Expected Goals-Wert des FCZ in den Derbies nur durchschnittlich war. Es zeigt, dass GC sich in den Stadtduellen jeweils noch am meisten zusammenreissen und eine ansprechende Leistung auf den Platz bringen konnte.

Die FCZ-Defensive liess ihrerseits gegen AEK Larnaca am wenigsten zu, gefolgt von den Partien gegen Red Star, sowie Leverkusen, Ludogorets, Xamax, GC und Concordia. All diese Gegner hatten gegen den FCZ einen Expected Goals-Wert pro Spiel von Eins und tiefer. Durchaus bemerkenswert also, dass man gegen die drei Europa League-Gruppenphasengegner defensiv weniger zuliess, als gegen die meisten Super League-Kontrahenten! Die Qualifikation für die Sechzehntelfinals hatte das Team von Ludo Magnin also wesentlich der defensiven Disziplin zu verdanken. In der Liga kassierte man im Herbst und Frühling etwa gleich viele Gegentore – das unterschiedliche Abschneiden (Vorrundenvierter vs. Rückrundenachter) lag an der veränderten offensiven Ausbeute. Die meisten und besten Torchancen musste man im Schnitt Basel zugestehen – vor YB und Napoli, wobei die fünf Begegnungen mit dem FCB in der Saison 18/19 defensiv sehr unterschiedlich verliefen.

Die durchschnittliche Anzahl Top-Offensivaktionen pro Spiel nahmen ab Anfang November laufend zu. Speziell im Dezember, Februar und April schaute verglichen mit dem von den Spielern geleisteten Effort in Sachen «Expected Goals» aber zu wenig raus. Auch andere Offensivstatistiken verbesserten sich im Verlauf der Rückrunde, die Basisarbeit wurde gemacht, aber die Gefährlichkeit im «letzten Drittel» liess nach. Man kam zu gleich vielen Abschlüssen, aber aus weniger guten Positionen.

Zu Beginn der Saison spielte der FCZ gemessen an der Anzahl Flanken relativ viel über Flügel. Der Einluss der Anzahl Flanken und Steilpässe auf die Entwicklung der Expected Goals ist nur teilweise gegeben. Das vertikale Spiel (Anzahl Steilpässe) hatte aber einen etwas stärkeren Einfluss auf die Offensivpower des FCZ als das Flügelspiel.

Der klare Steilpass-Leader beim FCZ ist Antonio Marchesano, und dessen Gesundheits- sowie Formkurve der letzten Saison ist tatsächlich ziemlich deckungsgleich mit der allgemeinen Formkurve des Teams. Ebenso scheint sich ein ausgeglichenes Verhältnis von Steilpässen und Flanken (mit anderen Worten: ein variables Spiel) positiv auf die Expected Goals ausgewirkt zu haben.

Bei der Statistik der Differenz der Anzahl gespielten Pässe sowie dem Vergleich der Passgenauigkeit zwischen FCZ und den jeweiligen Gegnern ist durchaus ein Zusammenhang mit der resultierenden Expected Goals-Differenz festzustellen. Und zwar hatte dabei eine gute Passgenauigkeit einen noch höheren positiven Einfluss als die Anzahl gespielter Pässe. Konkret verliefen die Kurven der Passgenauigkeits-Differenz und der Expected Goals-Differenz 12 von 15 Mal in die gleiche Richtung.

Die Passgenauigkeit schwankte im Verlauf der abgelaufenen Saison beim FCZ im Durchschnitt zwischen 73% und 84%. Der Ballbesitz wird zwar von der Passgenauigkeit beeinflusst, aber nur teilweise. Wichtiger dafür ist wohl die Ballrückeroberungsgeschwindigkeit. In der Premier League haben West Ham, Wolverhampton Wanderers oder FCZ-Partnerklub Bournemouth eine ähnliche Passquote wie der FC Zürich und liegen dort diesbezüglich im Mittelfeld der Liga. In der Bundesliga wird weniger schnell und direkt gespielt, hier sind die Passquoten im Durchschnitt höher als in der Premier League – Teams im Bereich des FCZ gehören da zu den am wenigsten präzise (bzw. am risikovollsten) spielenden und zwar sind dies Eintracht, RB Leipzig und Augsburg.

Die durchschnittliche Differenz der Anzahl gespielten Pässe im Vergleich zu den Gegnern schwankte im Saisonverlauf relativ stark zwischen +100 und -100. Vergleicht man grobschlächtig einfach nur die Hinrunde mit der Rückrunde, so fiel die Expected Goals-Differenz auf den Frühling hin vom positiven in den negativen Bereich obwohl die Passzahl-Differenz etwa auf dem gleichen Niveau blieb und die Passgenauigkeit sogar zunahm. Die Expected Goals-Differenz reagierte auch in der Rückrunde auf kurzfristige Verbesserungen bei den Pass-Statistiken, aber der gleiche Effort hatte eine viel kleinere Wirkung, als noch im Herbst. In fünf von sieben Zeitperioden war die Passgenauigkeit im Vergleich zu den jeweiligen Gegnern im Durchschnitt 1 – 5% höher.

Differenziert man die Passgenauigkeits-Differenz anhand der Gegner ergibt sich eine hohe Übereinstimmung mit der entsprechenden Statistik bezüglich Passanzahl-Differenz. Diejenige Mannschaft, welche einen geordneten Spielaufbau betreibt, spielt mehr Pässe und diese kommen auch häufiger an. Gegen die Unterklassigen Red Star, Concordia und Kriens war die Passgenauigkeitsdifferenz zugunsten des FCZ 14 – 20%. Gegen Leverkusen und Napoli war sie 7 – 11% geringer. Im Europacup hatte der FCZ gegen alle Gegner eine negative Bilanz bezüglich Passgenauigkeit. In der Super League war sie gegen die Umschaltmannschaften Xamax und Luzern am positivsten und gegen Basel sowie YB in dieser Reihenfolge am negativsten.

Gegen Red Star spielte der FCZ deutlich über 300 Pässe mehr als der Gegner – gegen Kriens bekundete man im Letzigrund erhebliche Probleme, obwohl mehr als 200 Pässe zusätzlich gespielt wurden. Auch in den Duellen mit Xamax verzeichnete der FCZ jeweils ein deutliches «Pass-Plus» – gefolgt von St. Gallen, Lugano und Breitenrain. Das mit Abstand grösste Pass-Minus war gegen Napoli und Leverkusen zu konstatieren. Der Vergleich mit den Super League-Gegnern zeigt, dass die höhere Anzahl gespielter Pässe kein Vorteil, tendenziell sogar eher ein leichter Nachteil darzustellen scheint. Gegen St. Gallen und Lugano hatte der FCZ in dieser Saison eine klar negative Punktebilanz bei durchschnittlich 100 mehr gespielten Pässen. Auf der anderen Seite spielte der FCZ gegen Thun und GC weniger Pässe als der Gegner, holte aber mehr Punkte. Auch in den Duellen mit YB und Basel spielte das Magnin-Team weniger Pässe, aber die negative Punktebilanz gegen diese Teams ist offensichtlich nicht in der Passstatistik begründet.

Die Ballbesitzstatistik zeigt teilweise ein ähnliches Bild wie die Statistiken bezüglich Anzahl Pässen und Passgenauigkeit: gegen die unterklassigen Teams (abgesehen von Breitenrain) lag der Ballbesitz des FCZ jeweils bei rund 70% – gegen Napoli und Leverkusen eher in der Region von 40%. Gegen Super League-Gegner reichte der FCZ-Ballbesitz im Schnitt von rund 45% (YB, Basel, Thun, GC) bis zu rund 60% (Xamax). Am zweitmeisten Super League-Ballbesitz notierte der FCZ gegen St. Gallen gefolgt von Lugano. Gewisse Differenzen sind trotzdem interessant: in den Partien mit Luzern war der Ballbesitz beinahe ausgeglichen und auch bei den Anzahl Pässen hat der FCZ keinen grossen Vorteil gegenüber den Innerschweizern, bei der Passgenauigkeit hingegen schon. Ebenfalls interessant, dass der FCZ gegen St. Gallen ausser in der ersten Begegnung im Letzigrund immer gegen die 60% Ballbesitz hatte, obwohl die Ostschweizer gegen alle anderen Super League-Gegner abgesehen von YB, Basel und teilweise GC praktisch immer einen höheren Ballbesitz aufwiesen. Vermutlich hat St. Gallen-Trainer Peter Zeidler sich nach den Erkenntnissen der ersten Partie entschieden, gegen den FCZ in der Folge anders als normal aufzutreten.

Zu viele Schüsse nebens Tor in der Rückrunde – Saisonstatistik, Teil 3
Wieder die Nr. 1 in der Stadt und im Letzigrund – grosse Saisonstatistik 18/19, Teil 2
Gesucht: defensiv starker Linksverteidiger – grosse Saisonstatistik 18/19, Teil 1

(Daten: Züri Live, Wyscout)

 

 

Zu viele Schüsse nebens Tor in der Rückrunde – Saisonstatistik, Teil 3

Nach der Leistungsentwicklung der Mannschaftsteile und der Performance des FCZ in den verschiedenen Wettbewerben, schauen wir uns im 3. Teil der grossen FCZ-Saisonstatistik die Abschlusseffizienz näher an.

Vergleicht man die Erwarteten Tore mit den real erzielten Treffern, sieht man, dass der FCZ im Oktober und November effizient im Abschluss war. Als klarste Beispiele für die Zürcher Abschlusseffizienz in dieser Zeitperiode können der 1:0-Heimsieg gegen Ludogorets nach einem ausgeglichenen Spiel und das deutliche 5:2 in Luzern gelten. In den letzten Partien vor der Winterpause ging dem FCZ dann sichtlich der Saft aus, und man kam in Basel (0:2), Razgrad (1:1) und gegen Lugano (0:0) kaum noch zu (guten) Torchancen – der „Expected Goals“-Wert sank in den Keller, und mit ihm die Anzahl erzielter Treffer. Einzig Stephen Odey traf in Bulgarien „wie aus dem Nichts“ (wobei der Treffer sogar offiziell als Eigentor gewertet wurde).

Offensiv ähnlich wenig zustande brachte das Team zudem in der Zweiten Hälfte des Februars bei Young Boys (0:2), Napoli (0:2) und gegen Luzern (1:1, einziger Torschütze Khelifi) – diesmal allerdings in erster Linie wegen den Gegnern. In der Schlussphase der Saison ab Mitte März wurde die Abschlusseffizienz für den FCZ im Gegensatz zur Vorrunde dann insgesamt zu einem Handicap. Schaut man sich allerdings die Spiele im Einzelnen an, hätte der FCZ zwar in der Schlussrunde gegen St. Gallen nach Expected Goals gewinnen müssen, andererseits aber beim 2:1-Sieg in Neuenburg oder dem 1:0-Heimerfolg gegen Sion auch schlechtere Resultate erzielen können. Der Cup-Halbfinal gegen Basel hätte gemessen an den Erwarteten Toren mit 2:2 in die Verlängerung gehen müssen (statt 1:3).

Interessanterweise ist die Toreffizienz-Statistik (Tore pro Schüsse) mit der Statistik der erzielten Tore im Saisonverlauf ziemlich  deckungsgleich und ein grösserer Indikator für die Anzahl erzielter Treffer als die Expected Goals. Dies aufgrund dessen, dass die Anzahl der Abschlüsse insgesamt pro Spiel relativ konstant blieb. Was sich veränderte, war die Klarheit der Torchancen. In der Rückrunde führten phasenweise nur gerade 2% der Abschlüsse zu Toren, während dieser Wert im Verlauf der Vorrunde meist über 10% lag. 

Eine Korrelation scheint es zudem zwischen den Expected Goals und der durchschnittlichen Anzahl „Schüssen aufs Tor“ zu geben.  Dies macht Sinn, denn Abschlüsse, bei welchen der Angreifer den Ball aufs gegnerische Tor bringt, sind in der Regel grössere Torchancen, als solche, bei denen der Ball nebens Torgehäuse fliegt.

In der Rückrunde brachten die Zürcher in der Hälfte der Zeitperioden im Schnitt weniger als 30% der Abschlüsse aufs Tor. Was somit bedeutet, dass dies im Schnitt auch weniger grosse Torchancen waren. Der grosse Anteil an Schüssen neben das Gehäuse war ein wichtiger Grund, warum in dieser Saisonphase weitgehend Ladehemmung herrschte.

Ein wichtiger Aspekt bei der FCZ-Toreffizienz sind natürlich auch die gegnerischen Torhüter. Dieser kommt ins Spiel, wenn man die „Shots on Target“, bei welchen ein Torhüter eingreifen muss, mit der Anzahl erzielter Tore vergleicht und nach Gegnern ausdifferenziert. Lugano war das einzige Team, Europacup und Schweizer Cup inklusive, gegen welches kein einziger Treffer gelang. Einerseits hatte dies sicherlich mit dem in allen vier Direktbegegnungen eingesetzten ehemaligen U21-Nationaltorhüter Noam Baumann zu tun, der zu den statistisch besten Goalies der abgelaufenen Saison gehörte. Andererseits brachte der FCZ gegen Lugano in vier Partien insgesamt auch nur 11 „Shots on Target“ zustande, was für die Defensivleistung der Luganesi von vorne (Gerndt, Carlinhos,…) bis hinten (Daprelà, Matic, Sulmoni,…) spricht. Eine tiefe Effizienz hatte der FCZ vor allem gegen den FC Basel, St. Gallen und AEK Larnaca. Gegen Basels Jonas Omlin gelang in vier Partien und 14 Shots on Target nur ein Treffer durch Stephen Odey im Cup-Halbfinal kurz vor Schluss zum 1:3 – zu Beginn der Saison hatte im Letzigrund Pa Modou im einzigen Spiel gegen Martin Hansen ebenfalls per Kopf einen Treffer erzielt (bei fünf Shots on Target).

St. Gallens Dejan Stojanovic und AEK’s Toño vermochten überdurchschnittlich viele FCZ-Abschlüsse aufs Tor zu stoppen. Eine sehr hohe Effizienz bei Abschlüssen aufs Tor hatte der FCZ hingegen gegen die drei Amateurklubs Concordia, Breitenrain und Red Star. In solchen Duellen macht häufiger als man meint schlicht der bessere Torhüter die Differenz, wie beim FC Breitenrain als die Stadtberner mit 1,6 einen höheren Expected Goals-Wert hatten, als der FCZ (1,49). Die höchste Abschlusseffizienz verzeichnete der FCZ aber gegen die beiden sich abwechselnden Ludogorets-Torhüter Renan und Jorge Broun. In den Duellen mit den defensiv starken Bulgaren brachte der FCZ gerade einmal drei Abschlüsse aufs gegnerische Gehäuse zustande und erzielte damit zwei Treffer!

Vergleicht man nicht nur die eigenen, sondern gleichzeitig auch die gegnerischen erzielten Tore mit den jeweiligen Expected Goals im Saisonverlauf, ergibt sich für die Vorrunde, dass der FCZ im Schnitt mehr und die besseren Torchancen als die Gegner hatte. Die Abweichungen in Bezug auf die erzielten und erhaltenen Tore glichen sich im Verlauf des Herbstes ungefähr aus. Kurz vor und nach der Winterpause fiel die Expected Goals-Differenz stark ins Minus und dies drückte sich Eins-zu-Eins in der Tordifferenz aus. Im letzten Teil der Saison ab Mitte März ergibt sich das bekannte Bild: die Expected Goals-Bilanz ist mehrheitlich im Minus, die Torbilanz aber, vor allem wegen eigener fehlender Abschlusseffizienz, präsentiert sich noch schlechter.

 

Mutige Taktik nicht belohnt / FCZ – FCB 0:2 Analyse

Der FCZ verliert nach dem Spiel Zwei auch das Spiel Drei (von fünf) der Saison gegen den FC Basel mit dem Ergebnis von 0:2. Beide Teams traten ganz anders an und auf als noch in den Auswärtsspielen am Wochenende in Sion und Luzern. Basels Trainer Marcel Koller, der beim 1:0-Sieg bei den grossgewachsenen Innerschweizern noch eine relativ konservative taktische Linie vorgegeben und auf physisch stärkere Spieler wie Balanta, Xhaka, Kuzmanovic, Stocker und Ajeti gesetzt hatte, ging richtigerweise von einem FCZ aus, der mitspielen will und brachte eher seine wirbligen, schnellen und/oder technisch starken Leute wie Campo, Van Wolfswinkel, Kalulu oder Widmer – dazu war Spielgestalter und Teamleader Fabian Frei, der beim 2:0-Heimsieg gegen den FCZ im Dezember eine Top-Leistung abgeliefert hatte, wieder in der Startformation. Ausserdem verlangte Koller von seinen Spielern diesmal von Anfang an mit Vollgas in hohem Tempo zu pressen. Nicht per Zufall stibitzte Van Wolfswinkel schon nach wenigen Sekunden den Ball vom Fuss Umaru Banguras und holte einen Eckball heraus. Die enorm fehlerhafte Vorstellung des Zürcher Innenverteidigers in Sion ist den Baslern natürlich nicht entgangen. Der FCB suchte zudem immer wieder lokal Überzahlsituationen zu kreieren und liess dabei gleichzeitig andere Räume ungenutzt und von Akteuren der Zürcher Abwehrformation nutzlos besetzt.

Der FCZ hatte nur zwei personelle Wechsel im Vergleich zu «Sion» – Stephen Odey fiel verletzt aus, dafür kehrte der gesperrte Toni Domgjoni wieder zurück. Für den im Wallis in den Zweikämpfen auf der Seite zu häufig unterlegenen Joel Untersee rückte Kevin Rüegg wieder auf die Rechtsverteidigerposition und der schussstarke Offensive Mittelfeldspieler Lavdim Zumberi kam rein. Wie der FCB ging auch der FCZ von der Ersten Minute an hohes Tempo und presste hoch. Da beide Mannschaften das Gleiche praktizierten, entstand durch das Tempo und die grossen Distanzen im Mittelfeld ein stürmischer Schlagabtausch – mit klaren Vorteilen auf Seiten der Rot-Blauen aufgrund tieferer Fehlerquote und höherer individueller Qualität. In Sion war der FCZ noch vom sich zurückziehenden Gegner weit in dessen Hälfte gelockt worden, um hinter der Zürcher Abwehr Raum für das Yakin’sche schnelle Umschaltspiel zu schaffen. Aber auch dort waren es in erster Linie die zu zahlreichen individuellen Fehler beim FCZ, welche Sion die entscheidenden Vorteile verschafften.

Im August hatte der FCZ gegen Basel noch ungewöhnlich (zumal in einem Heimspiel) defensiv in einem de facto 5-2-3 agiert und sich in «Sion-Manier» in die eigene Hälfte zurückgezogen gehabt. Der taktische Kniff ging auf – der FCZ hätte die Partie (1:1) an den Torchancen beziehungsweise «expected Goals» gemessen gewinnen müssen. Allerdings war damals der FCB auch weit von seinem heutigen Niveau entfernt und das für den aktuellen FCZ in der Regel so wichtige Aussenverteidigerduo Rüegg / Pa Modou stand von Beginn weg auf dem Platz. Im Dezember beim 0:2 im St. Jakob Park hatte sich Basel immer noch nicht ganz erholt und der FCZ hätte zu jenem Zeitpunkt gute Chancen auf einen Punkt gehabt, agierte aber in jener Partie vor allem in der Ersten Halbzeit zu wenig wach, präsent und clever auf dem Platz. Man baute den Gegner unnötig auf. Am Ende war die Statistik bei den «expected Goals» trotzdem ausgeglichen.

Im April kam nun ein deutlich stärkerer FC Basel in den Letzigrund. Trotzdem war die Strategie des FCZ von Beginn weg das Szepter in diesem Spiel zu übernehmen – was misslang. Dafür war unter anderem auch die enorm schnelle und gute Reaktion der Basler auf die taktische Ausrichtung des FCZ entscheidend. Dies vor allem auch dank ihren enorm routinierten Teamleadern Fabian Frei, Marek Suchy und Ricky Van Wolfswinkel. Der FCZ trat nämlich in einer Mittelfeldraute an, einem in der Super League selten gespielten System. Gegen die meisten Liga-Gegner hätte man damit bestimmt das Überraschungsmoment auf seiner Seite gehabt und sich in der Anfangsphase Vorteile erspielen können. Nicht aber gegen den aktuellen FC Basel, wie man spätestens nach diesem Spiel weiss.

Die Raute funktioniert nur, wenn man es schafft, das Spiel in die Hand zu nehmen und den Ballbesitz auf seine Seite zu bringen. Dies gegen den FCB in der aktuellen Form so konsequent anzustreben ist je nach Sichtweise mutig oder naiv. Im Nachhinein ist man sowieso immer klüger. Auf jeden Fall gelang es dem FCZ in der Startphase nicht, dieses Zwischenziel zu erreichen, worauf er die Formation in der 15. Minute auf ein 4-4-2 mit einem «flachen» Mittelfeld änderte. Diese Ausrichtung ist defensiv stabiler, vor allem die Seiten sind deutlich besser geschützt. Dies wirkte sich sofort aufs Basler Angriffsspiel aus. Die Spielauslösung des Koller-Teams dauerte deutlich länger und zögerlicher, weil nun die einfache Lösung über die Seite nicht mehr zur Verfügung stand. Dafür hatte im Gegenzug der FCZ selbst nun auch nicht mehr diese gefährlichen Umschaltmomente durch die im Rautensystem zahlreich bevölkerte Mitte, wie es sie in der Anfangsphase zwei Mal gegeben hatte. Insgesamt wurde die Partie deutlich ausgeglichener mit sporadischen guten Tormöglichkeiten auf beiden Seiten.

Auch wenn es aufgrund des Chancenverhältnisses auf den ersten Blick nicht so aussieht, war dieses Basel-Heimspiel eine Leistungssteigerung gegenüber dem Sion-Match, sowohl als Mannschaft wie auch in vielen Fällen individuell. Man versuchte in der Anfangsphase die Differenzen in der individuellen Qualität der beiden Teams mit einem riskanten System zu neutralisieren, was nicht funktionierte. In der Folge vermochte Toni Domgjoni im flachen 4-4-2 als zweite Spitze Assan Ceesay immer wieder wirkungsvoll beim Stören der Basler Angriffsauslösung zu unterstützen. Der in der Raute auf seiner Idealposition als 10er beginnende Lavdim Zumberi versuchte sich sichtlich und erfolgreich auch im Linken Mittelfeld von seiner aktuell besten Seite zu zeigen mit engagierter Defensivarbeit sowie nach vorne zielstrebigen Vorstössen, einem starken Weitschuss und zum Abschluss seines Einsatzes einer sehr guten Flanke.

Trotzdem tat die Einwechslung Pa Modous für Zumberi dem FCZ für die Schlussphase zusätzlich gut. Mit dem danach vorgerückten Levan Kharabadze, der sich im Vergleich zu seinen letzten Einsätzen verbessert zeigte und in der Ersten Halbzeit Kalulu (zur Pause ausgewechselt) praktisch ausschaltete, verstand sich der Gambier bei seinem Comeback auf der linken Seite von Anfang an gut. Assan Ceesay spielte sein wohl bisher bestes Spiel als Starter im FCZ-Dress mit vielen guten Kopfballweiterleitungen, Ballgewinnen und Sprints. Ein engagiertes Début allerdings ohne zu wesentlichen torgefährlichen Szenen zu kommen bestritt der 19-jährige Stürmer Nicolas Andereggen aus dem Argentinischen San Jeronimo Norte.

Ein Spiel «zum Vergessen» wars hingegen für Captain Kevin Rüegg. Bangura war besser als in Sion, aber unter dem Strich noch nicht genügend. Grégory Sertic zauberte direkt aus einem Corner einen Lattenkreuzknaller hin und beteiligte sich phasenweise konstruktiv am Aufbauspiel – was aber leider im negativen Sinn mehr als aufgewogen wird durch seine Körpersprache und ungenügendem Einsatz in vielen Aktionen – schon ab der 17. Minute begann der Franzose wie ein Grümpelturnierfussballer bei Ballverlusten stehen zu bleiben und zu hadern, statt wie ein Profi sofort die entstehende Lücke schliessen zu helfen. Schlimm wurde es dann vor allem in der Zweiten Halbzeit als Sertic beim Stand von 0:1 trotz reellen Chancen auf den Ausgleich wiederum viel zu früh die Segel strich.

Insgesamt erinnert die Partie an das Heimspiel gegen Napoli, als der Live-Eindruck des FCZ im Stadion ebenfalls schlecht war, bei genauerer Betrachtung im Nachhinein aber auch viele positive Aspekte offenbart wurden. Vor allem scheint den Spielern die anspruchsvolle Spielsweise für die individuelle Lernkurve gut zu tun. Realistischerweise muss man allerdings auch einräumen, dass eine Kanterniederlage diese positiven Aspekte gefährdet hätte. Beim 0:1 durch Samuele Campo, der wie schon im August erneut gegen den FCZ im Letzigrund das Führungstor erzielte, war entscheidend, dass der umsichtige Fabian Frei Toni Domgjoni im Mittelfeld von Eray Cömert weglockte, was diesem erlaubte ohne jeglichen gegnerischen Druck den sehr guten langen Ball hinter die Abwehr zu spielen, den Campo direkt nahm. Umaru Bangura kam gegen Campo zwar zu spät, aber im Gegensatz zu vielen anderen Szenen zuletzt kann man in diesem Fall nicht von einem groben Schnitzer des Innenverteidigers aus Sierra Leone sprechen. Grundsätzlich reagierte er schnell, stand davor vielleicht wenige Zentimeter zu weit vorne – Cömert und Campo machten ihre Sache aber halt einfach auch sehr gut. Derjenige, der das Tor am ehesten hätte verhindern können, war Domgjoni.

Das 0:2 entstand aus einem schlecht ausgeführten Einwurf des eingewechselten Pa Modou. Albian Ajeti stand beim Zuspiel von Zdravko Kuzmanovic allerdings im Offside (im Standbild klar an der Grasnarbe erkennbar). Toni Domgjoni wurde zudem im Basler Strafraum nach klarem Foul von Zuffi ein Penalty verwehrt. Der zweite nicht gegebene klare Penalty in Folge gegen den FCB nach dem Handspiel Kalulus im St. Jakob Park im Dezember. Mühe hatte der FCZ wieder einmal bei gegnerischen Eckbällen, auch wenn daraus diesmal kein Gegentor resultierte. Maxsö nahm wie immer den gefährlichsten Gegenspieler aus dem Rennen. Suchy versuchte es einmal mit einem Stoss in den Rücken des Dänen, welcher aber von Referee Klossner korrekterweise geahndet wurde.

Grégory Sertic (diesmal gegen Van Wolfswinkel) ist zwar im Luftduell nicht stark, verkörpert aber mehr Routine als die meisten seiner Mitspieler, und weiss, wie man einen Gegenspieler genügend stören kann, ohne dass es einem Foulspiel entspricht. Kharabadze macht seine Sache bei gegnerischen Standards mehrheitlich gut, aber einmal entwischte ihm Fabian Frei trotzdem. Umaru Bangura hatte diesmal Glück, denn sein Gegenspieler Silvan Widmer wurde von Luca Zuffi nie anvisiert. Dafür stand diesmal die zweitgrösste Schwachstelle Kevin Rüegg im Fokus, der mit seinem U21-Nationalteamkollegen Eray Cömert seine liebe Mühe hatte. Dieser nutzte in seinen Laufwegen erfolgreich Mit- und Gegenspieler als „Kurveninnenseite“, um seinen Kontrahenten abzuschütteln. Eine einstudierte irreguläre Eckballvariante hatte Basel ebenfalls noch im Köcher (siehe Bildfolge unten). Bei dieser stürzten sich vor dem Strafraum ausserhalb des Sichtfeldes von Ref Klossner Silvan Widmer und Aldo Kalulu zu zweit wie Defensive Tackles im American Football auf Toni Domgjoni, damit dieser seinem Gegenspieler Campo nicht folgen konnte, worauf dieser nach dem kurz und flach gespielten Ball Zuffis frei zum Abschluss kam, der dann allerdings vom aufmerksamen Maxsö geblockt wurde. Der Däne ist der Züri Live-MVP der Partie und wird im Derby gesperrt fehlen.

FCZ – Basel 0:2 (0:0)

Tore:  54. Campo (Cömert) 0:1, 89. Ajeti (Kuzmanovic).

FCZ: Brecher; Rüegg, Bangura, Maxsø, Kharabadze; Sertic; H. Kryeziu, Domgjoni (82. M. Kryeziu); Zumberi (58. Pa Modou); Khelifi, Ceesay (78. Andereggen).

Basel: Omlin; Widmer, Cömert, Suchy, Petretta; Frei, Zuffi; Kalulu (46. Ajeti), Campo (81. Xhaka), Okafor (62. Kuzmanovic); Van Wolfswinkel.

(Standbilder: Teleclub)

FCZ heute wieder mit erfolgreicher Derby-Taktik?

Im 273. Zürcher Derby wird FCZ-Trainer Magnin nicht auf der FCZ-Bank sitzen. Somit entgeht dem Publikum die mögliche Fortsetzung des Disputs mit GC-Trainer Thorsten Fink nach dem letzten Derby, als der Waadtländer von seinen jungen Spielern redete und dass der FCZ noch mehr Tore hätte schiessen können, was den GC-Coach kurz nach der empfindlichen Niederlage auf die Palme brachte. In Bezug auf das Durchschnittsalter der beiden Mannschaften durchaus etwas verständlich. GC trat schon damals mit einer jungen Equipe (Durchschnittsalter: 23,3 Jahre, mit Bajrami, Zesiger, Diani, Pinga, Ngoy, Kamber) an im Vergleich zum FCZ, der mit Durchschnittsalter 27,8 Jahren (unter anderem mit Bangura, Nef und Winter) eigentlich eine sehr erfahrene Truppe aufs Feld geschickt hatte. Dies war beim ebenfalls mit 2:0 durch den FCZ gewonnenen ersten Derby der Saison noch anders gewesen, als die beiden Startformationen (25,2 vs. 25,1 Jahre) gleich alt gewesen waren.

Für heute könnte der FCZ durchaus wieder eher mit einer erfahreneren Mannschaft antreten, da Alain Nef (vor allem im Falle einer Dreierabwehr) oder Adrian Winter (nachdem die Flügelspieler in St. Gallen nicht wirklich überzeugt hatten) echte Alternativen für die Anfangsformation darstellen. Angesichts des weiteren Ausfalls von Pa Modou (und Kevin Rüegg) wird das Aussenduo im Falle einer Viererabwehr wohl erneut Untersee / Kharabadze lauten und damit relativ jung sein – Adrian Winter wäre aber rechts auch in diesem Fall eine Alternative. Im Derby vom Dezember hatte GC «keinen Stich» gehabt, was die damalige Aufregung bei Coach Fink miterklärt. Es war das offensiv harmloseste Spiel der «Heugümper» im gesamten letzten Jahr mit einem mickrigen statistischen Wert von gerade mal 0,05 erwarteter Tore («expected Goals»). Anders gesagt: GC hätte in 20 solcher Spiele nach Einschätzung der Analysten total nur 1 Tor erzielt. Dieser Wert war sogar noch tiefer als bei der 0:4-Klatsche mit einem Mann weniger zuletzt gegen den FC Basel (0,07).

Aber Achtung! Der dritttiefste Wert an erwarteten Toren im Laufe des letzten Jahres (0,09) reichte GC beim Derby vom 25. Februar trotzdem zum Sieg. Das 1:0 von Jeffren in der 16. Minute bedeutete gleichzeitig das Endresultat. Es war der letzte Derbysieg der Grasshoppers, damals noch unter Trainer Murat Yakin und beim Amtsantritt Ludovic Magnins. Rasmus Thelander hatte beim entscheidenden Gegentreffer eine «lange Leitung», erwartete immer noch einen GC-Angriff über die Seite inklusive Anweisung an Kevin Rüegg, höher zu stehen, als die GC-Attacke sich längst Richtung Mitte verlagert hatte. Dann kam der später mit Gelb-Rot vom Platz fliegende Cédric Brunner auch noch zu optimistisch aus seiner Position raus. Am Ende wurde aus den 0,09 expected Goals aber nur ein Tor, weil einerseits der Abschluss von Jeffren stark war und andererseits vor allem Yanick Brecher falsch stand und den eigentlich vom Druck machenden Bangura wesentlich begrenzten Abschlusswinkel nicht wirklich abdeckte. Den Assist mit einer direkten Weiterleitung hatte übrigens Rifet Kapic geliefert, der gestern bei seinem Ex-Verein und Bosnischen Tabellenführer FK Sarajevo als Leihspieler von GC vorgestellt wurde.

Der FCZ kann nach drei Jahren, in welcher GC die Oberhand hatte, diese Saison bereits im dritten Derby das Stadtduell für sich entscheiden! Speziell an den ersten beiden Derbies der Saison war, dass sie gleichzeitig die Spiele mit dem kleinsten FCZ-Ballbesitz darstellten. Die Jungs von der Allmend Brunau hatten gegen GC also im Schnitt noch weniger Ballbesitz als gegen YB, Basel oder Leverkusen. Wird das heute von Assistenztrainer und ehemaligen Verteidigerhaudegen René Van Eck an der Linie gecoachte Team dem Gegner auch diesmal das Szepter überlassen und sich (ähnlich wie St. Gallen gegen den FCZ am Mittwoch) fast ausschliesslich aufs Kontern und Toreschiessen fokussieren?

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