Zwei Trainer und ihre Elemente: Feuer und Luft oder Feuer und Erde?

Wer hat bei FCZ – FC Luzern die entscheidende Wirkung – Ricardo Moniz oder Mario Frick?

FCZ – FC Luzern ist der Spitzenkampf der 6. Runde in der Super League. Der Gewinner dieses Spiels wird als Leader in die Länderspielpause gehen und sich dadurch und wegen der 2. Cup-Hauptrunde länger als üblich im Licht der immer noch wärmenden Herbstsonne zeigen können. Interessant ist es vor dieser Begegnung, auf die beiden Cheftrainer zu blicken.

Ricardo Moniz, Feuer und Luft

Neben Ricardo Moniz verkörpern wohl nur noch Ludovic Magnin und Marco Schälibaum als Trainer in der Super League das Element Feuer im gleichen Mass. Bei Moniz könnte aber auch noch das Element Luft dazukommen.

Ricardo Moniz ist wohl ein Hochbegabter unter den Trainern, der schnell sehen kann, was wie und warum nicht funktioniert und wie etwas besser funktionieren könnte. Dazu hat er eine Energie des raschen Handelns. Er nutzt jede Gelegenheit zur Korrektur während eines Spiels, nicht nur die Trinkpausen oder Halbzeitpausen, was in Sportarten mit durchlaufenden Spielzeiten, grossen Distanzen zur Übermittlung von Botschaften und einer hohen Anzahl beteiligter Spieler und Staff-Mitgliedern nicht ganz einfach ist. Ricardo Moniz ist bestimmt ein kantiger Typ.

Die durchschnittliche Amtszeit eines Trainers in der Super League beträgt gegenwärtig recht genau ein Jahr. Ricardo Moniz ist aktuell der Trainer mit der achtlängsten Amtszeit, wenn berücksichtigt wird, dass er dieses Amt interimistisch schon im April 2024 übernommen hat. Nun gibt es immer wieder Medienschaffende, die regelmässig betonen, dass Moniz seit 2011 elf Stellen innegehabt habe. „Es sind einfach Fakten!“ Es ist klar, was damit gesagt werden will unter der Tarnung, objektiv sein zu wollen. Indem bestimmte Fakten immer wieder genannt werden, bekommen sie ein grösseres Gewicht. Dagegen müssten im Sinne einer Objektivierung auch die durchschnittlichen Amtszeiten der Trainer in den einzelnen Ligen genannt werden. Gemessen an der Super League würde somit Ricardo Moniz schon Ende dieser Saison über dem Durchschnitt liegen, wenn er noch beim FCZ wäre. Vor allem ist Ricardo Moniz zur Zeit gemessen an Punkten pro Spiel der erfolgreichste Trainer der Liga. Was auch selten erwähnt wird, ist die Qualität der Arbeit und deren Nachhaltigkeit innerhalt eines Clubs. Diese lassen sich erst recht viel später beurteilen. Beispiel: Andy Egli wurde im Juli 2013 Nachwuchschef beim FC Luzern. Er war das (nur) zwei Jahre lang. Seine Arbeit ist immer noch sehr, sehr nachhaltig. Und als Cheftrainer hatte Andy Egli in allen seinen Clubs eine durchschnittliche Amtszeit von 1.08 Jahren. Trotzdem hat er auch den FC Thun nachhaltig geprägt.

Auch eine andere Tatsache wird im Zusammenhang mit Ricardo Moniz immer wieder genannt, ohne dass dabei der jeweilige Zusammenhang erwähnt wird; die Auswechslung eines eingewechselten Spielers während der Partie. Jede Situation der drei Auswechslungen in dieser Saison ist für sich anders gewesen. Entscheidend dabei sind auch Einvernehmen mit der Mannschaft und die Deklaration dieses Vorgehens. Wenn ein Trainer dem Team vermittelt, dass es in der Verantwortung des Trainers vorkommen kann, einen Ersatzspieler wieder auszuwechseln, ist das ein Mittel zum Erfolg. Wenn ein Trainer etwas sofort sieht und danach rasch handelt, kann das auch ein Zeichen von überdurchschnittlicher Qualität sein. Journalisten fordern immer wieder kantige Typen im Fussball, um interessante Äusserungen zu erhalten oder Verhaltensweisen zu kommentieren. Kaum ist einmal ein Trainer kantig, ruft das die Moralapostel unter den Journalisten auf den Plan, die teilweise selber auch sehr kantig sein können.

Der FCZ hat sich auf den Spitzenkampf gegen den FC Luzern im Letzigrund sehr gut vorbereiten können, weil das Spiel in St. Gallen verschoben worden ist und für einmal eine willkommene Pause bekommen nach zusätzlichen vier europäischen Qualifikationsspielen.

Mario Frick, Feuer und Erde

Mario Frick war seit September 2012 beim FC Balzers, dem FC Vaduz und dem FC Luzern Cheftrainer und wirkte dabei während 383 Spielen in seiner Funktion. Er wurde noch nie entlassen, sondern nahm jeweils eine nächste, höhere Aufgabe an. Zwischendurch wirkte er etwas mehr als ein Jahr lang bei Vaduz und auch bei Liechtenstein im Nachwuchs als Trainer. Obwohl Frick sehr energiegeladen und leidenschaftlich wirken kann, zeigt sich in dieser bisherigen Laufbahn eine gewisse Bodenständigkeit. Diese besitzt er auch, wenn er nach Spielen respektvoll über den Gegner spricht, den er dabei oft lobt, egal welchen Ausgang das Spiel gerade genommen hat. Gewisse Journalisten sagen, dies sei eine Masche von Frick, speziell nach schwächeren Leistungen seiner Mannschaft.

Der FC Vaduz spielte unter Frick in der Ausstiegssaison in der Challenge League 2019/2020 vorwiegend in einem 3-4-1-2 sehr initiativ. Man wollte die Kontrolle über das Spiel selber haben und suchte die frühe Führung. Das änderte sich in der Super League. Die Spielweise wurde realistischer und musste zwangsläufig der viel höheren Qualität der Gegner angepasst werden. Kompakt und tief zu stehen, schnell umzuschalten, oft mit langen Bällen, das war das hauptsächliche Rezept, mit dem einzigen Ziel, als krasser Aussenseiter die Liga zu erhalten, dies schon sehr bald in einem 5-4-1-System. Dazu kam eine sehr hohe Erfolgsquote bei eigenen Standards. Es sah lange gut aus für den FC Vaduz. Erst in den letzten acht Runden brach die Mannschaft ein und konnte vom FC Sion und vom FCZ noch distanziert werden. In der letzten Runde verlor Vaduz gegen den FCZ im Letzigrund mit 1:4. Ein Sieg hätte dabei die Rettung bedeutet. Der Club aus dem Ländle agierte damals ähnlich, wie Union Berlin unter Urs Fischer. Wieder eine Klasse tiefer, blieb Frick diesem Spielstil mehrheitlich treu. Er verliess Vaduz als Wintermeister 2021/2022 und übernahm den klaren Tabellenletzten FC Luzern, mit welchem er in einem Kraftakt die Barrage gegen den FC Schaffhausen erreichte und gewann. Alessandro Mangiaratti, Fricks Assistent, übernahm dessen Posten in Vaduz. Mangiaratti ist nun mittlerweile Cheftrainer bei Yverdon und spielt mit diesem Club einen ähnlichen Fussball mit erstaunlichem Erfolg bei Heimspielen. Der Einfluss von Urs Fischer, eines Trainers aus der Deutschschweiz, durch Erfolge in Deutschland hierzulande erst auf der ganzen Linie wahrgenommen und akzeptiert, wirkt sich gleich auf zwei aktuelle Trainer in der Super League aus, auf einen Liechtensteiner in der Deutschschweiz und einen Tessiner in der Romandie, beide zusammen einmal gleichzeitig bei Vaduz angestellt.

Mario Frick lässt nun aber mittlerweile seine Mannschaft immer wieder in einem andern System auflaufen, meistens mit einer Viererkette in der Abwehr. Kaum ein Club wechselt die taktische Formation so oft, wie der FC Luzern. Das hing in der letzten Saison besonders mit Ardon Jashari zusammen. Jashari war wohl in der vergangenen Spielzeit der wichtigste einzelne Spieler in Bezug zur eigenen Mannschaft in der Super League und sein Trainer baute die Mannschaft sozusagen um Jashari herum. Fehlte dieser, änderte das System erst recht.

Sein Abgang wog dementsprechend schwer, aber auch diejenigen von Max Meyer und Martin Frydek. Dennoch ist es Frick sehr schnell gelungen, die Neuzugänge gut zu integrieren. Mit Andrejs Ciganiks (linker Verteidiger), Stefan Knezevic (Innenverteidiger), Aleksandar Stankovic (defensives Mittelfeld), Donat Rrudhani (Flügel), Sinan Kerweina (Sturm) und die nun fest verpflichteten Jesper Löfgren (Innenverteidiger) und Adrian Grbic (Sturm) ist das Kader in der Qualität merklich breiter geworden.

Der FC Luzern setzt dazu im Moment als einziger Club in der Super League konsequent auf die eigene Jugend und führt die Tabelle der Nachwuchs-Trophy mit 1762 Einsatzminuten klar vor Yverdon Sport mit 952 Minuten an. Der FCZ rangiert mit 56 Einsatzminuten auf dem neunten Rang. Diese Wertung berücksichtigt den Einsatz von Spielern in der Super League, welche in den U19- oder U21-Verbandsmannschaften des Schweizerischen Fussballverbandes spielberechtigt sind.

Ein weiterer Punkt: Offensichtlich ist es dem Staff des FC Luzern gelungen, nicht nur die eigenen Junioren wie Pascal Loretz, Severin Ottiger, Luca Jaquez, oder Lars Villiger und andere besser zu machen – sondern auch Spieler wie Pius Dorn, Nicky Beloko (beide aus der Challenge League) oder Thibault Klidjé.

So ist die Mannschaft zur Zeit im Fluss und mit drei Siegen in Serie gegen Sion, in Lugano und gegen Winterthur so erfolgreich, wie zuletzt vor einem halben Jahr. Luzern ist auf der Nordseite am Rand der Alpen die südlichste grössere Stadt. Dies bemerkte einmal ein Funktionär des FCL und schloss daraus einen Zusammenhang mit den in kurzer Zeit wechselnden emotionalen Hochs und Tiefs, welche der dortige Fussballclub in der Bevölkerung auszulösen vermag. Entsprechend zahlreich und vorfreudig werden die Fans des FC Luzern im Letzigrund erscheinen, einen Ort den sie umgangssprachlich „Schletztigrond“ nennen, weil dort der Wind stark durchziehen kann. Nach dem 3:0-Sieg gegen den FC Winterthur, errungen im Urs-Fischer-Union-Berlin-Stil, hat Mario Frick diese Euphorie befeuert und ist trotzdem auch bodenständig geblieben: „Wir möchten nächstes Wochenende auch in Zürich gewinnen. Es wird eine sehr schwierige Aufgabe. Das wissen wir. Aber wir fahren dorthin, um zu gewinnen.“

Geiger rotiert, Magnin setzt auf Kontinuität: Aufstellungen FCZ – Servette in der Analyse

Servette hat seit dem Restart vier Mal Unentschieden gespielt. Und ist mit knapp einem Gegentreffer pro Partie das defensiv stärkste Team der Liga. Die Grenats tragen Sorge zum Ball und spielen sehr solidarisch. Hat der FCZ gegen Thun in den letzten Jahren vor allem immer wieder Probleme mit Matteo Tosetti bekundet, gilt dies für sein Servette-Pendant am Rechten Flügel, Miroslav Stevanovic, in dieser Saison umso mehr. Bei der 0:5-Heimniederlage im Dezember war der Bosnier der Mann des Spiels und bereitete alle Tore über die brüchige linke Zürcher Seite entscheidend vor. Michael Kempter hat zuletzt diese Seite etwas stabilisiert, Marco Schönbächler muss sich aber im Vergleich zum Thun-Spiel steigern. Im Berner Oberland wurden auch Antonio Marchesano und der vor einem halben Jahr an der 0:5-Heimniederlage gegen seinen Stammklub mitschuldige Becir Omeragic vermisst. Der ins Team zurückkehrende Tessiner Marchesano hat im September beim für das erfolgreiche zweite Saisonviertel wegweisenden 1:0-Auswärtssieg im Stade de Genève das einzige Tor der Partie per Kopf erzielt. Da Servette fast ausschliesslich über die Seiten spielt, wäre eine 3-4-3 Formation eine Option, weil in dieser mit beispielsweise dem linken Innenverteidiger, dem linken Zentralen Mittelfeldspieler, sowie dem linken Flügel gleich drei Spieler den Aussenläufer auf der Seite unterstützen können. Es wird aber wieder das übliche 4-2-3-1 werden (4-4-2 ohne Ball). Benjamin Kololli rückt durch die Hereinnahme von Blaz Kramer wohl wieder auf den Flügel, im Zentrum hat sich Toni Domgjoni nach seinem „Durchhänger“ unter anderem mit einer starken Zweiten Halbzeit in Thun seinen Platz neben Hekuran Kryeziu zurückgekämpft.

Servette hat zuletzt wieder mit zwei gelernten Stürmern und einem flachen Vierermittelfeld gespielt. In diesem agiert der Franzose Timothé Cognat auf der linken Seite. Der 22-jährige gehört zu den aktuell formstärksten Spielern der ganzen Liga und ist sowohl in der Balleroberung wie auch der Torvorbereitung brandgefährlich. Im Tor wird der gesperrte Jérémy Frick durch den Kongolesischen (RD Congo) Nationalkeeper Joël Kiassumbu ersetzt, dessen Familie in Zürich zuhause ist. Frick hat in dieser Saison eine Quote von nur 1,06 Gegentoren pro Partie bei einem durchschnittlichen gegnerischen Expected Goals-Wert von 1,37, was ihn zu einem der besten Torhüter der Liga macht. Er hat sich seit dem Aufstieg sichtlich gesteigert und gewinnt Punkte für seine Mannschaft. Zum Vergleich: Yanick Brecher kassiert im Gegensatz dazu mit 1,97 Gegentoren pro Spiel etwas mehr, als er sollte (gegnerische Expected Goals von 1,9). Der gegen YB (1:1) gesperrt gewesene Steve Rouiller kehrt in die Mannschaft zurück. Der 19-jährige Innenverteidiger Nicolas Vouilloz wird wohl auf der linken Seite beginnen. Auf dieser Position hat zuletzt der flinke Varol Tasar gespielt. Heute ist der Ex-Aarau-Crack aber wohl wieder in den vorderen Reihen anzutreffen. Miroslav Stevanovic beginnt zu Beginn auf der Bank und wird durch Juniorennationalspieler Kastriot Imeri ersetzt, der bei Trainer Alain Geiger bisher gemessen an seinem Talent und Qualitäten sehr wenig Einsatzzeiten erhalten hat. Der spielerisch gute Routinier Andrea Maccoppi (bisher wenig Einsatzzeiten in dieser Saison) beginnt für Boris Cespedes.

Zusammenfassend setzt Servette-Trainer Alain Geiger heute auf die Frische vom einen oder anderen Rotationsspieler, während FCZ-Trainer Ludo Magnin auf Kontinuität setzt.

Zwischen alten Problemen und Hoffnungsschimmern / Servette – FCZ 4:1 unter der Lupe

Die Analyse der Partie in Genf bringt Parallelen, aber auch Unterschiede zum Basel-Heimspiel vor einer Woche mit sich. Zu den Parallelen gehört neben den vier Gegentoren, dass das Chancenverhältnis nach Expected Goals bis nach der 70. Minute ausgeglichen war. Zu diesem Zeitpunkt hätte es ähnlich wie schon gegen die Rot-Blauen eine Woche davor dem Chancenverhältnis entsprechend Unentschieden stehen müssen. Und dies obwohl die grössten FCZ-Torchancen der Ersten Halbzeit in der Chancenstatistik gar nicht mitgezählt worden sind, weil es dabei zu keinem Abschluss kam (Doppelchance Mahi / Marchesano, sowie Kololli). Da der FCZ aber aus einer Chancengleichheit wieder ein Tor weniger erzielt hatte, ging er wie schon gegen den FCB mehr Risiken ein, und kassierte dadurch noch zwei weitere Treffer.

Was zu denken geben muss: dass eine Mannschaft, die ein höheres Risiko eingeht, Gefahr läuft, mehr Gegentore zu kassieren, ist logisch – aber das erhöhte Risiko müsste gleichzeitig auch zu mehr selbst erzielten Toren führen – und dies ist beim FCZ nicht der Fall. Offensichtlich ist das Team schlecht darin, im «offenen Schlagabtausch» zu spielen, und man würde wahrscheinlich zu mehr Torchancen kommen, wenn man die Taktik und Risikodosierung in der Schlussphase nicht verändern würde – sondern nur die Intensität.

Wenn man die Partie am Fusse des Salèves auf eine Szene reduzieren will, so ist es die Entstehung des 3:1 in der 79. Minute. Der FCZ steht hoch, Becir Omeragic spielt einen guten langen Ball nach rechts vorne auf Kevin Rüegg. Gelingt in dieser Situation Rüegg eine gute Ballan- und mitnahme, dann kann er mit seinem überlegenen Speed im Vergleich mit Gegenspieler Iapichino diagonal alleine mit Ball in den Strafraum ziehen und entweder selbst schiessen oder in der Mitte Tosin beziehungsweise Kramer bedienen: eine Topchance zum Zürcher Ausgleich!

Rüegg misslingt aber die Ballmitnahme, dadurch kann ihm Iapichino den Ball «abluchsen». Der FCZ steht jetzt mit sechs Mann am gegnerischen Strafraum, aber ohne Ball – schlimmer noch: ohne Zugriff zum Ball. Marchesano rückt sogar rechts auch noch mit an die Strafraumgrenze auf, ohne den sich in Ballbesitz befindlichen Vincent Sasso auch nur im Ansatz am Abspiel stören zu können. Dadurch steht Varol Tasar völlig blank, und hat angespielt von Sasso viel Platz und Zeit, den entscheidenden Pass in die Tiefe gegen eine hoch an der Mittelinie stehende Zürcher Abwehr zu spielen. Omeragic staffelt dabei ein paar Zentimeter zu weit zurück, so dass Koné wohl auf gleicher Höhe und knapp nicht im Offside steht. Wenn bei der konternden Mannschaft in so einer Situation das Timing stimmt, ist es für jede Abwehrreihe der Welt praktisch unmöglich, einen sich bereits an der Mittellinie in Höchsttempo befindlichen gegnerischen Angreifer wie Stevanovic noch einzuholen – weil die Verteidiger wegen der Offsidefalle erst dann loslaufen können, wenn der Pass gespielt ist – und dann noch 20-30 Meter benötigen, um auf ihr Höchsttempo zu kommen.

Zu Beginn kam Pedersen-Ersatz Pa Modou gut in die Partie. Dies gab dem ganzen Team Vertrauen. Auch seine präzisen weiten Einwürfe von links waren zuletzt vermisst worden. In der 17. Minute gelang eine Traumkombination über Marchesano – Rüegg – Tosin – wieder Rüegg – Domgjoni (Aussenrist-Laserpass) – Kololli (Ablage mit der Hacke) bis zum Abschluss von Mahi. In der 36. Minute müsste Mahi am nahen Pfosten nur den Fuss hinhalten und es wäre nach guter Vorarbeit Tosins über rechts wohl ein Tor. Aber der Holländer will den Ball ins Netz «spielen», macht eine unnötige Ausholbewegung und verpasst dadurch den Ball genauso knapp wie am entfernten Pfosten Marchesano. In der 44. Minute zögert Kololli im Strafraum nach einer weiteren schönen Kombination über Marchesano – Mahi – Tosin – Domgjoni und wieder Marchesano mit dem Abschluss zu lange.

Davor war der FCZ wie es in der Rückrunde zur Normalität zu werden scheint, erneut in einer entscheidenden Szene von den Unparteiischen benachteiligt worden. Mahi will in bester Position im Strafraum schiessen. Gegenspieler Boris Cespedes sieht, dass er Mahi nur noch mit einem Foul am Abschluss hindern kann und zieht diesen am Arm so runter, dass der sich in der Ausholbewegung befindliche Zürcher Offensivmann am Ball vorbeihaut: ein klarer Penalty. Nicht gepfiffen von Schiedsrichter Dudic – was umso unverständlicher ist, als dass der Berner Referee kurz nach der Pause einen vielversprechenden Angriff des FC Zürich mit einem Foulpfiff unterband, als Kololli in einer sehr vergleichbaren Szene im Mittelfeld Cespedes am Arm zog. Dudic pfiff, obwohl das Foul von Kololli an Cespedes weniger schwerwiegend war, als dasjenige von Cespedes an Mahi im Strafraum – das Ziehen am Arm war weniger heftig und kürzer in der Dauer, zudem hatte der Gegenspieler (Cespedes) Kololli zuerst angegangen, was bei Mahi überhaupt nicht der Fall gewesen war – und dann fand die Aktion erst noch komplett abseits des Ballgeschehens statt. Da wurde mit unterschiedlichen Ellen gemessen.

Servette beging durchaus Fehler, welche der FCZ aber nicht zu nutzen wusste. Die Genfer hatten nicht einmal aus ihrem entscheidenden Fehler vor Wochenfrist in St. Gallen gelernt, als Park an der Seitenlinie gepflegt wurde und keiner der Stürmer (Tasar, Koné) dessen Position auf der linken Seite einnahm. So konnte damals St. Gallen über rechts in Überzahl gegen Iapichino angreifen und das einzige Tor jener Partie erzielen. Gegen den FCZ passierte Servette der gleiche Fehler gleich nochmal! Als Rouiller gepflegt wurde, rückte zwar Cognat für diesen in die Innenverteidigung, aber dadurch war erneut die linke Seite der Genfer entblösst – Tasar und Kyei schliefen. Rüegg hatte freie Bahn und bediente aus dem Halbfeld hinter die Genfer Abwehr Mahi, der allerdings unaufmerksam gewesen und zu früh losgerannt war. Statt einer Topchance alleine vor Jérémy Frick gabs einen Offsidepfiff.

Vor dem Spiel wurde hier Miroslav Stevanovic stark thematisiert. Der Bosnier hat tatsächlich erneut eine gute Leistung auf den Platz gebracht mit einzelnen starken Flanken und Zuspielen, und dabei gemäss «SofaScore» sogar einen internationalen Rekord der letzten fünf Jahre gebrochen, da er in sieben Grosschancen involviert gewesen sei. Trotz der drei Assists in Genf war sein Beitrag an den Servette-Toren beim 0:5 im Letzigrund vor der Winterpause noch grösser gewesen. Sein Gegenspieler Pa Modou begann in Genf gut mit einem Ballgewinn und gewonnenen Kopfballduell in den ersten vier Minuten. Man merkte, dass der Gambier der Mannschaft grundsätzlich gut tut, aber ebenso, dass er (noch) nicht in Vollbesitz seiner Kräfte ist. Wie immer, wenn er nicht ganz fit ist, war er vor allem in der Rückwärtsbewegung zu langsam. Im Dezember beim 0:5 gegen den gleichen Gegner im Letzigrund war das noch deutlich schlimmer gewesen. Dieses Spiel hatte die linke Zürcher Seite praktisch im Alleingang verloren. Trotzdem wäre in Genf die hier vor der Partie vorgeschlagene taktische Variante einer Dreier-/Fünferabwehr wie ab der 30. Minute gegen Basel wohl die bessere Lösung gewesen.

FCZ-Trainer Magnin erklärt Niederlagen gegenüber den Medienvertretern häufig mit individuellen Fehlern seiner Spieler, obwohl diese in vielen Fällen nicht in erster Linie mehr individuelle Fehler als die Gegner begehen, sondern diese einfach weniger gut auszunutzen wissen.  In Genf hingegen waren die vielen individuellen Fehler auf FCZ-Seite tatsächlich zentral für die Niederlage. Dies schlägt sich unter anderem auch in einem für diese Saison rekordtiefen Züri Live-Notenschnitt von 4,2 (sogar tiefer als bei der 0:5-Niederlage gegen Servette im Letzigrund) nieder, nachdem sich zuvor die Leistung der Mannschaft in der Rückrunde von Spiel zu Spiel verbessert hatte. Diesmal war die Fehlerhexe ominpräsent. Keiner hatte somit im Endeffekt eine höhere Note als «6», was ungewöhnlich ist.

Fangen wir mit dem Positiven an: Zu den Hoffnungsschimmern gehört der Einsatz des in der 55. Minute eingewechselten Hekuran Kryeziu, der besser spielte, als er dies im Durchschnittsfall vor seiner Verletzung getan hatte. Ganz im Gegensatz dazu steht Adrian Winter, welcher auch bei seiner dritten Einwechslung seit der doppeldeutigen «Winterpause» die Mannschaft faktisch in Unterzahl versetzte. Kramer, der andere eingewechselte Zürcher Offensivmann, erhält wie Winter von Züri Live ebenfalls eine Note «2», allerdings aus anderen Gründen. Der Slowene war nach seiner Einwechslung in der 68. Minute durchaus präsent und vergab innerhalb der ersten drei Minuten zwei Grosschancen, beide auf Zuspiel von Tosin. Die Gelegenheit in der 70. Minute vergab der Slowene, weil er trotz seiner Grösse schlecht im Kopfballspiel ist. Diejenige eine Minute später ebenfalls aus sechs Metern mit dem linken Fuss war aufgrund der aufsetzenden Flanke nicht ganz einfach zu verwerten.

Der FCZ hatte in Genf abgesehen von der Viertelstunde vor der Pause in der ganzen Partie zwischen 54% und 60% Ballbesitz. Dies ist aber nicht Kramers Fussball. Es gibt wohl keinen Stürmer der Liga, bei dem es für gegnerische Verteidiger so einfach ist, den Ball wegzunehmen, wenn er  zum Beispiel mit dem Rücken zum gegnerischen Tor einen Ball fixieren sollte. Kramer kann nur Tore erzielen, wenn er in Bewegung ist. Um in Bewegung zu sein, braucht es Räume. Um Räume vorzufinden, muss man schnell umschalten (mit dem Risiko von ebenso schnellen Ballverlusten) – und der Gegner darf nicht allzu tief stehen.

Auch die in der Startformation aufgelaufenen Forwards wie Tosin, Mahi und Kololli haben alle eine (knapp) ungenügende Note. Tosin war dabei der Barometer des Zürcher Spiels. Solange es dem Nigerianer lief, war das Chancenverhältnis ausgeglichen und der FCZ blieb im Spiel. Mit dem starken Leistungsabfall des aus Lettland nach Zürich gewechselten Offensivmannes in der Schlussviertelstunde ging dann auch die Partie verloren. Davor war die Mehrzahl der guten FCZ-Tormöglichkeiten aufgrund von Tosin-Aktionen über rechts zustandegekommen und auch den schön herausgespielten 1:1-Ausgleich in der 64. Minute hatte der 21-jährige erzielt – eine logische Folge der Zürcher Druckphase nach der Pause. Unter anderem zeigte sich in dieser Phase, warum Servette-Torhüter Jérémy Frick ligaweit statistisch zu den besten Torhütern gehört, als er beispielsweise in der 63. Minute bereits am Boden liegend das so gut wie sichere Zürcher Tor durch Pa Modou mit einem Weltklasse-Fussreflex verhinderte. Schon drei Minuten nach dem Ausgleich war Tosin dann entscheidend daran beteiligt, dass Servette schnell wieder in Führung gehen konnte. Er vergass für einen Moment, Rüegg zu unterstützen, der sich mit Cognat, Tasar und Iapichino gleich drei Servettiens gegenübersah – Tasar konnte so unbedrängt auf Koné flanken, welcher spektakulär zum 2:1 einköpfte. In der Schlussviertelstunde sah man dann  von Tosin nur noch Fehlpässe, Ballverluste und Unkonzentriertheiten – der FCZ konnte so nur noch aus dem Zentrum heraus ein, zwei Mal eine gute Aktion nach vorne kreieren.

Denn auf der linken Seite lief zu dem Zeitpunkt auch nichts mehr. Benjamin Kololli scheint zuletzt durchaus etwas gereift zu sein. Er ist etwas bescheidener geworden, verrichtet mehr Defensivarbeit, denkt etwas mehr fürs Team. Ähnliches lässt sich auch von Mimoun Mahi sagen. Die Stossrichtung stimmt, aber unter dem Strich ist es gegen die meisten Super League-Gegner immer noch zu wenig. Und es ist speziell bei Kololli immer noch auch eine Einstellungssache. Dies war gegen Servette beispielsweise bei Standards ersichtlich. Das Duo Mahi / Kololli zeigte dabei einerseits zwei Mal etwas, was man beim FCZ schon lange nicht mehr gesehen hat: überlegt durchgezogene Standardvarianten, bei denen Kololli zu zwei guten Abschlusschancen kam. Sobald Kololli dann aber Standardvarianten mit anderen Mitspielern durchführte, gingen sie schief.

Mit Rüegg versuchte er bei einem Freistoss einen Doppelpass zu spielen, aber sein erster Ball auf kurze Distanz war viel zu wenig scharf gespielt, so dass Rüegg unter Druck geriet und der Passweg zurück auf Kololli zugestellt war. Bei einem weiteren Freistoss war angedacht, dass Kololli hoch auf Pa Modou spielt, und dieser den Ball per Kopf weiterleitet. Beide Protagonisten schienen aber nicht ganz bei der Sache zu sein. Pa Modou stellte sich zuerst auf die falsche Position. Als er dies bemerkte, lief er auf schnellstem Weg hinter der Servette-Abwehrreihe an den richtigen Ort und gab Kololli ein Zeichen, dass er mit der Ausführung des Freistosses noch warten solle. Kololli begriff die Situation nicht und spielte den Ball umgehend in Richtung des winkenden Pa Modou, welcher hinter der Abwehrmauer durchlaufend aber natürlich im Offside stand, was die Unparteiischen folgerichtig auch so entschieden: eine peinliche Art und Weise, eine Freistosschance zu versemmeln.

Zusammenfassend zur Zürcher Offensivreihe: Tosin baute ab der 75. Minute ab, Mahi ist im Abschluss im FCZ-Dress bisher zu schwach (in Groningen war seine Abschlusseffizienz höher), Kramers eingeschränkter Bereich an Stärken konnte in Genf aufgrund des Gegners und der Spielentwicklung zu wenig genutzt werden – und Kololli fehlt für bessere Abschlüsse wohl auch etwas die Spielpraxis. Der zur Zeit im Abschluss effizienteste Zürcher, Marco Schönbächler, fehlte im Stade de Genève gesperrt. So gelang trotz vieler Torchancen (so viele wie noch nie in dieser Rückrunde und ein Expected Goals-Wert von 1,79) nur ein Treffer.

Erfreulich war der Auftritt von Toni Domgjoni, der bemüht war, das Spiel an sich zu reissen. Der Mittelfeldspieler aus dem eigenen Nachwuchs ist drauf und dran, in die Rolle eines künftigen Captains hineinzuwachsen. Marchesano spielte viele direkte Bälle in die Tiefe, aber nur einer seiner acht langen Bälle kam bei einem Mitspieler an: normalerweise ist seine Quote deutlich besser. Schlussendlich müssen wir dann natürlich noch zu Simon Sohm kommen. Sein grober Schnitzer vor dem 0:1 in der 23. Minute (allerdings von Cognat auch hervorragend antizipiert) war der Nackenschlag, welcher dem FCZ in Genf sehr weh tat. Die ersten 20 Minuten hatten die Zürcher gut begonnen. Dann verseuchte von einem Moment auf den anderen eine Fehlerserie das eigene Spiel: erst Marchesano, dann Mirlind Kryeziu und schliesslich der entscheidende Fehler durch Sohm. Der 18-jährige war in Genf von der Rolle, denn bis zu seiner Auswechslung in der 55. Minute unterliefen ihm noch eine ganze Reihe weiterer Schnitzer – so viele wie vorher noch nie im Dress der 1. Mannschaft. Die Mehrzahl der Servette-Grosschancen vor der Pause hatten einen Sohm-Ballverlust am Ursprung. Es war nicht alles an Sohms Einsatz in Genf schlecht, wie noch eine Woche zuvor bei Pedersen – aber für die Note «1» reichte es trotzdem allemal.

Servette – FCZ 4:1 (1:0)

Tore:  23. Kyei (Stevanovic) 1:0; 64. Tosin (Marchesano) 1:1, 67. Koné (Tasar) 2:1, 79. Koné (Stevanovic) 3:1, 90.+4 Koné (Stevanovic) 4:1.

Servette: Frick; Sauthier, Rouiller, Sasso, Iapichino; Stevanovic, Cespedes, Ondoua, Cognat (81. Imeri); Tasar (90. Alves), Kyei (65. Koné).

FCZ: Brecher; Rüegg, Omeragic, M. Kryeziu, Pa Modou; Domgjoni, Sohm (55. H. Kryeziu); Tosin, Marchesano, Kololli (81. Winter); Mahi (68. Kramer).

(Standbilder: Teleclub)

Vor 4 Jahren auf Züri Live vorausgesagt: Ex FCZ-Stürmer Mario Frick startet seine Trainerkarriere im Profibereich

Mit einem 0:1 gegen Winterthur und einem 0:0 bei Leader Wil startet der ehemalige FCZ-Stürmer Mario Frick nach Stationen beim FC Balzers und verschiedenen Liechtensteinischen Juniorenmannschaften beim FC Vaduz in der Challenge League seine Trainerkarriere im Profibereich. Aufmerksame Hörer von Züri Live erinnern sich, dass Frick vor vier Jahren auf diesem Sender diesen Schritt klipp und klar als persönliches Ziel formuliert hat. „You can get it if you really want?“ – offenbar schon…