Zürcher Mittelfeld mit Offenbarungseid: FCZ – YB 1:4 in der Züri Live-Analyse

Spiel und Gegner

Alleine mit der Qualität der Berner ist die miserable Meisterschaftsbilanz des FCZ in den letzten Jahren gegen YB nicht zu erklären. Denn beispielsweise St. Gallen, Luzern oder Lugano holen gegen die Gelbschwarzen durchaus immer wieder mal Punkte. Im Cup hat das Letzigrund-Team gegen die Bundesstädter zwar drei der vier letzten Duelle gewonnen, aber in der Meisterschaft den letzten Punktgewinn im Herbst 2018 und den letzten Sieg gar weit zurück im Sommer 2014 geholt! In den letzten sieben Begegnungen gab es im Durchschnitt (!) 3,7 Gegentore. Und seit Oktober 2018 hatte der FCZ im Letzigrund gegen YB kein Tor mehr erzielt. Im aktuellen Duell schneidet der Stadtclub mit dem mit 4,6 schlechtesten Notenschnitt der bisher bewerteten Spiele dieser Saison ab. Wie üblich gegen YB ist die Anzahl Top-Defensivaktionen hoch – aber auch die Anzahl Fehler.

Nichtsdestotrotz startet der FCZ stark in die Begegnung mit dem amtierenden Schweizer Meister. Nach einer Viertelstunde lässt der Druck YB’s dann aber schnell mal die Schwachstellen im Zürcher Gebilde offenbar werden. Ein Dzemaili, Khelifi oder Kramer müssen als erste die Hüllen fallen lassen. Speziell das Mittelfeld mit dem indiskutabel schlechten Dzemaili, dem fahrigen Tosin und dem wankelhaften Doumbia ist ein Offenbarungseid. Der erneut mit viel Laufbereitschaft und Ideen überzeugende Marchesano kann da gegen eine Mannschaft wie YB alleine schlussendlich nichts ausrichten.

In den letzten fünf Minuten vor der Pause laufen mehrere Zürcher bereits derart „auf den Felgen“, dass man immer und überall zwei Schritte zu spät kommt und sich nur noch über den Platz zu schleppen scheint. In dieser Phase erhöht YB in kurzer Folge von 0:1 auf 0:3. Dem FCZ hilft auch nicht, dass der formschwache Moumi Ngamaleu seinen schwach getretenen Penalty nach der Pause von Yannick Brecher gehalten sieht (erster Penalty-Save seiner Karriere!). Das erste Tor der Partie hatte in der 14. Minute vermeintlich Tosin für den FCZ erzielt, aber dieser hatte bei seinem Lauf Richtung YB-Tor nach gutem Freistossball hinter die Abwehr von Ousmane Doumbia den Ball mit der Hand mitgenommen. Die erste reguläre Torchance des FCZ kommt erst in der 30. Minute bei einem Konter von Tosin (Vorlage: Aliti) nach einem YB-Corner, bei welchem sich der FCZ-Flügel aber zu stark von Sandro Lauper abdrängen lässt.

Taktik und Szenen

Kein Super League-Trainer ändert die taktische Formation seiner Mannschaft so häufig wie Gerardo Seoane. Dieser orientiert sich dabei jeweils einerseits an der eigenen Personalsituation, aber vor allem am jeweiligen Gegner. Auch wenn dieser Gegner beispielsweise Vaduz heisst. Gegen den FCZ lässt Seoane wie meist, wenn er davon ausgeht, dass der FCZ mit Viererabwehr agiert, im klassischen 4-4-2 spielen. Er bringt damit sein Team im Mittelfeldzentrum in Unterzahl. Aber mit dem Zürcher Trio Dzemaili / Doumbia / Marchesano werden Aebischer und Lauper spielend auch zu zweit fertig, und bilden für Super League-Verhältnisse eine gute zentrale „Wand“. Wie im Schach entscheidet auch im Fussball häufig das Zentrum die Spiele und beim FCZ ist an diesem Tag das Zentrum praktisch inexistent. Doumbia und vor allem Dzemaili sind mit ihrer Aufgabe überfordert.

Gleichzeitig vermag das YB-Sturmduo Elia / Siebatcheu, welches im Vergleich zum früheren Paar Assalé / Nsamé nochmal eine Qualitätssteigerung darstellt, vorne ständig für Druck zu sorgen. YB presst wie St. Gallen hoch, dies aber mit einer höheren Qualität, so dass es dem FCZ im Gegensatz zum St. Gallen-Spiel kaum einmal gelingt, die so wichtigen Bälle in die Tiefe zu spielen. Speziell Christian Fassnachts Einsatz im Spiel ohne Ball wäre da auf YB-Seite hervorzuheben. In der Anfangsviertelstunde kann sich der FCZ mehrmals gut über die linke Seite nach vorne kombinieren und dabei die kleine defensive Berner Schwachstelle Maceiras ausnutzen. Allerdings präsentiert sich der Rechte Innenverteidiger Camara magistral und bügelt die aus Berner Sicht heiklen Situationen aus.

26. Minute: 0:1 durch Sandro Lauper – Dzemaili 15 Meter vom Gegenspieler entfernt

Wie schon St. Gallen kann auch YB beim wichtigen 1:0-Führungstreffer von groben Schnitzern Blerim Dzemailis profitieren. Der FCZ macht ein hohes Pressing und Dzemaili lässt mit dem „6-er“ Michel Aebischer den entscheidenden Mann sträflich frei. Obs ein Black-out ist, oder bereits ein Konditionsproblem in der 26. Minute? Dies war der dritte Abstoss bei YB-Goalie Von Ballmoos – bei den ersten beiden hatte Dzemaili Aebischer noch gedeckt. Die Szene erinnert an das erste Saisonspiel der letzten Saison (0:4 gegen Lugano), als Denis Popovic genau das gleiche Missgeschick passiert war – nur wars damals bei Popovic eine Frage von zwei, drei Metern – nicht gleich 15 wie jetzt bei Dzemaili!

Der YB-Aufbau zum 0:1 wird über den völlig frei stehenden Aebischer lanciert: mehr als 15 Meter ist Dzemaili in diesem entscheidenden Moment von dem Ort entfernt, wo er eigentlich sein sollte.

Auch in St. Gallen hatte der FCZ früh hoch gepresst, und Dzemaili störte Stillhart zu wenig bei dessen entscheidendem Pass zum 1:0. Die Fehler wiederholen sich beim FCZ immer und immer wieder. Um hoch zu pressen, muss jeder Stürmer und Mittelfeldspieler eine hohe Laufbereitschaft mitbringen und jederzeit zu einem Sprint bereit sein. Wenn einzelne Spieler wie beispielsweise Dzemaili oder Popovic dazu bereits Mitte der 1. Halbzeit nicht mehr in der Lage sind, dann muss man es bleiben lassen! YB erhält dadurch enorm viel Platz, den vorentscheidenden Angriff zu fahren. Vor dem Zürcher Strafraum ist es dann wiederum Dzemaili, der Aliti und Khelifi in ihrer 2vs.3-Situation nicht unterstützt und somit Torschütze Lauper freie Bahn in den Zürcher Strafraum eröffnet. Danach macht Dzemaili Lauper an der Strafraumgrenze geradezu den Weg frei.

33. Minute: Dzemaili versteckt sich im Niemandsland

Ein weiteres Beispiel, wo das Zürcher Mittelfeldzentrum sich bei einer Situation des Hohen Pressings gemütlich irgendwo im Niemandsland aufhält. Dzemaili ist nicht bei seinem Gegenspieler Aebischer, und hilft auch nicht mit, Fassnacht aus dem Spiel zu nehmen. Auch Doumbia steht falsch. Beim folgenden Angriff hat YB erneut viel Platz und kommt nur darum nicht zu einer Topchance, weil Fassnacht vor dem Zürcher Strafraum einen Fehlpass spielt.

Die Distanzen vergrössern sich schon früh mit zunehmender Spieldauer – diesmal liegen bereits 20 Meter zwischen Dzemaili und Aebischer.

41. Minute: Amateurhaftes Verhalten und Körpersprache beim „Teamleader“

Beim Betrachten von Blerim Dzemaili im Spiel gegen YB wähnt man sich immer wieder wie auf einem Dorfsportplatz. Der in die Jahre gekommene arrivierte „Teamleader“ verliert ein Laufduell oder einen Zweikampf und verbringt dann erst mal eine Viertelminute mit sich und seinem Leid und überlässt das Spielgeschehen den Anderen, anstatt sofort wieder der Mannschaft zu helfen, den Ball zurückzuerobern. Für die Teamkollegen demoralisierend – und gefährlich. In dieser Situation kann Lustenberger ohne Bedrängnis mit Ball weit in die Zürcher Hälfte spazieren. Die Distanz für einen Ball hinter die Zürcher Abwehr ist somit nur noch läppische 20 Meter – Elia kommt zu einer hervorragenden Abschlussmöglichkeit direkt vor Yannick Brecher. Das Ganze „amateurhaft“ zu nennen, wäre selbst für den Amateurfussball eine Beleidigung.

Blerim Dzemaili sinniert über den verlorenen Zweikampf gegen Lustenberger nach.

44. Minute: 0:3 durch Jordan Siebatcheu nach Ballverlust Dzemaili

„Den Deckel drauf“ macht Jorden Siebatcheu nachdem Blerim Dzemaili in der 44. Minute zum wiederholten Mal in einem Dribbling hängen bleibt und dem Gegner dadurch eine ausgezeichnete Konterchance eröffnet. Während sein Gegenspieler Michel Aebischer Nationalmannschaftsniveau aufweist, ist Dzemaili immer noch sehr weit vom Super League-Niveau entfernt.

Lernresistenz: Blerim Dzemaili bleibt zum x-ten Mal seit seiner Rückkehr in die Super League in einem Dribbling hängen.

Personalien

Silvan Wallner (4) – Rennt lange Zeit der Musik hinterher und kommt sowohl im Spiel nach vorne, als auch in der Rückwärtsbewegung meist zu spät. Und dies obwohl Gegenspieler Moumi Ngamaleu diese Saison in der wohl grössten Schaffenskrise seiner Karriere steckt. Als einziger Zürcher Verteidiger steigert Wallner sich allerdings in der letzten halben Stunde der Partie.

Fidan Aliti (9) – Lange Zeit erneut die Zuverlässigkeit in Person in den Reihen des FCZ, bis er in der Schlussphase etwas nachlässt. Für die Offensive sind seine präzisen Bälle links der Seitenlinie entlang in die Tiefe sehr wertvoll – am Ende des Spiels der FCZ-ler mit den meisten Offensiven Top-Aktionen.

Blerim Dzemaili (1) – Minus 22 Punkte braucht es, um in der Züri Live-Bewertung die Tiefstnote Note 1 zu erhalten – Blerim Dzemaili kommt gegen YB auf rekordverdächtige Minus 52,5 Punkte. Seine Note ist in den ersten Einsätzen nach seiner Rückkehr von „3“ in Basel, über „2“ in St. Gallen auf eine klare „1“ gegen YB gesunken. Was Dzemaili gegen die Berner ablieferte, hatte mit Profifussball rein gar nichts mehr zu tun. Das erinnerte an einen 4.Liga-Match an einem nebligen Sonntagmorgen irgendwo in der Provinz – wenn zwei Mannschaften aus den hinteren Tabellenregionen aufeinander treffen. Und an den in die Jahre gekommenen ehemaligen Klubhelden, der seine Mannschaft fortwährend in grosse Schwierigkeiten bringt, weil er seinen eigenen Leistungsstand mal für mal überschätzt und denjenigen der Gegenspieler unterschätzt. Unbeirrbar geht Dzemaili immer wieder in zentraler Position ins Dribbling gegen einen Gelbschwarzen, obwohl er jedes Mal den Ball verliert und sich daraus jeweils ein gefährlicher Gegenstoss ergibt. Er überschätzt sich auch bei gegnerischem Ballbesitz in den Zweikämpfen, und kann dadurch vom Gegner wie ein hölzerner Schuljunge einfach ausgetanzt und an Ort und Stelle stehen gelassen werden.

Dazu kommen unpräzise Zuspiele und erneut Orientierungsprobleme im eigenen Strafraum bei einem gegnerischem Eckball, als er Lustenberger dadurch unverhofft eine Kopfballchance aus kurzer Distanz eröffnet. Wohl auch deshalb versteckt sich Dzemaili in der Folge in vielen Situationen geradezu in einer möglichst ballfernen Zone und lässt Doumbia und Co. die Arbeit erledigen. Der engagierte Antonio Marchesano läuft wie auf der Überholspur an Dzemaili vorbei, wenns nach vorne geht, und dann das gleiche wieder in der Rückwärtsbewegung. Vor Zweikämpfen scheint Dzemaili mit zunehmender Spieldauer fast schon Angst zu bekommen, weicht aus, um dafür unwichtige Passwege zuzustellen, und lässt dabei den Gegenspielern freie Bahn Richtung Tor. Ein Trauerspiel. Wie schon in St. Gallen ist Dzemaili auch gegen YB der Hauptschuldige am diesmal wegweisenden 0:1. Dies nachdem sein Team in der ersten Viertelstunde wirklich gut begonnen hatte. Und er muss auch den 0:3-Nackenschlag kurz vor der Pause auf seine Kappe nehmen.

Aiyegun Tosin (1) – Beginnt wie in St. Gallen schlecht und diesmal bleibt der Nigerianer bis zum Ende seines Einsatzes nach bereits 56 Minuten weitgehend auf dem tiefen Anfangsniveau. Ist keine Unterstützung der Aussenverteidiger und sein unnachvollziehbarer Ballverlust in der 42. Minute führt direkt zum 0:2.

Salim Khelifi (5) – Ist ein wichtiger Faktor in der starken FCZ-Startviertelstunde, danach wie üblich mit Auf und Abs.

Wilfried Gnonto (2) – Kann seine Chance wie in St. Gallen nicht nutzen. Wie Dzemaili überschätzt er sich beziehungsweise unterschätzt die Gegenspieler in vielen Situationen, was bei einem Jungen in diesem Alter eher noch verständlich ist – auch wenn sich Gnonto mehr als einmal vom nicht viel älteren Fabian Rieder düpieren lässt.

Toni Domgjoni (7) – Nicht so gut wie noch in St. Gallen, bestätigt aber seine aktuelle Verfassung einmal mehr. Das Mittelfeldpressing wird mit Domgjoni sofort organisierter, weil er auf den immer etwas mit sich selbst beschäftigten Kramer eingeht, ihn animiert und auf ihn wartet, um gemeinsam vorzugehen. Noch nie zuvor hat der Zürcher im Erwachsenenfussball in einer Liga-Saison drei Tore erzielt.

Hekuran Kryeziu (2) – Steht unaufmerksam beim ersten YB-Corner nach seiner Einwechslung komplett falsch – korrigiert dies dann beim zweiten. Lässt sich bei YB-Druckphasen am Zürcher Strafraum unnötigerweise auf die hintere Linie der Viererabwehr zurückfallen, anstatt seinen Raum als 6-er zu kontrollieren. Bei potentiellen Kontermöglichkeiten spielt er gerne quer oder gar rückwärts.

Adrian Winter (9) – Kampfstark, aufmerksam, zielstrebig. Winter bestätigt seinen guten bis sehr guten Einsatz in St. Gallen – diesmal als Einwechselspieler auf dem Flügel. Mit ihm hält die rechte Seite besser dicht und Wallner gewinnt an Sicherheit. Und erneut wird ein Joker zum FCZ-MVP. Auch weil Winter in seiner Einsatzzeit eine +1-Bilanz aufweist, wie man im Eishockey sagen würde – und weil Fidan Aliti in der Schlussphase nachlässt.

Telegramm

FC Zürich – BSC Young Boys 1:4 (0:3)
Tore: 26. Lauper (Elia) 0:1, 43. Siebatcheu (Elia) 0:2, 45. Siebatcheu (Elia) 0:3; 63. Siebatcheu (Fassnacht) 0:4, 76. Domgjoni (Gnonto) 1:4.
FCZ – Brecher; Wallner, Omeragic, Nathan, Aliti; Dzemaili (69. H. Kryeziu), Doumbia (69. Winter); Tosin (56. Schönbächler), Marchesano (56. Domgjoni), Khelifi (56. Gnonto); Kramer.
Young Boys – Von Ballmoos; Maceiras, Camara, Lustenberger (68. Garcia), Lefort; Fassnacht (68. Sulejmani), Aebischer, Lauper (62. Rieder), Moumi Ngamaleu (62. Mambimbi); Elia (68. Gaudino), Siebatcheu.

(Standbilder: Blue)

Blerim Dzemaili zwischen Handicap und Torbeteiligungen: FCSG – FCZ 2:3 in der Züri Live-Analyse

Spiel und Gegner

Der FCZ gewinnt zum dritten Mal in Folge im Kybunpark gegen einen Gegner, der dem FCZ vom Spielstil her schon seit einiger Zeit zu liegen scheint. Die drei Auswärtserfolge gegen das aufstrebende St. Gallen im Dezember 2019, Juni 2020 und jetzt Januar 2021 hatten dabei viele Gemeinsamkeiten. In allen drei Partien kam der FC St. Gallen zu Beginn „wie die Feuerwehr“ aus den Startlöchern, verausgabte sich stark und begann dementsprechend nach etwa 30 Minuten kräftemässig abzubauen. Schon in den ersten zwei Begegnungen wollten die Grünweissen in ihrer grossen Druckphase zu Beginn des jeweiligen Spiels mindestens einen Zweitorevorsprung herausspielen – was nun erstmals auch gelang. Trotzdem vermochten die Ostschweizer auch diesmal nicht zu gewinnen. Der FC Zürich nutzte den St. Galler Kräfteverschleiss eiskalt aus – mit erneut (mindestens) drei Toren.

Die beiden Siege vom Dezember ’19 und Juni ’20 sind höher einzustufen, als der aktuelle, da St. Gallen damals eine deutlich bessere Mannschaft auf den Platz brachte. Vor allem Ermedin Demirovic und Silvan Hefti vermochten die Ostschweizer bisher nicht zu ersetzen. Wie dünn derzeit ihre Kaderdecke ist, zeigt sich beispielsweise darin, dass der Dreifachwechsel zur Pause (Diarrassouba, Babic und Youan für Ruiz, Guillemenot und Duah) das Team eher schwächte. Und die drei Zürcher Tore waren allesamt grosszügige Geschenke aus der Ostschweiz. Beim ersten lässt sich erst Ruiz von Winter abdrängen, Stillhart schiesst Mirlind Kryeziu ideenlos in die Füsse, Quintilla verliert sein Laufduell mit Marchesano um den Zweiten Ball im Mittelfeld und Fazliji geht knapp im eigenen Sechzehner von hinten ins Sliding Tackling gegen Assan Ceesay und verursacht damit den fälligen Penalty. Beim Zürcher Ausgleich zum 2:2 produziert Jordi Quintilla vor dem eigenen Strafraum einen Querschläger nach einem eigentlich verunglückten Freistoss Blerim Dzemailis. Der Schuss geht im wahrsten Sinne des Wortes „nach hinten los“ und Torwart Zigi lässt den Ball aus seinen Hànden direkt vor die Füsse des einschussbereiten Antonio Marchesano flutschen. Vor dem 2:3-Siegtreffer Salim Khelifis noch vor der Pause spielt der zurückgeeilte Stürmer und 1:0-Torschütze Kwadwo Duah im Liegen Blerim Dzemaili den Ball direkt in die Füsse.

Die Stilsicherheit des Spätherbstes unter Massimo Rizzo ging dem FCZ auch in St. Gallen ab, wenngleich man sich immerhin im Vergleich zur 0:1-Heimniederlage gegen den FC Vaduz auf mehreren Positionen verbessern konnte. Speziell auf der rechten Seite, wo sich Tosin gegenüber seinem ganz schwachen Auftritt im Letzigrund zu steigern und vor allem Adi Winter als echte Alternative auf der Rechtsverteidigerposition aufzudrängen vermochte. Auch über links war man mit Fidan Aliti und dem erstmals seit langer Zeit wieder einmal eine gute Leistung abliefernden Salim Khelifi besser aufgestellt, als dem Duo Schättin / Gnonto gegen Vaduz. Auch Torhüter Brecher brachte wieder seine guten langen Bälle an den eigenen Mann – und vorne ist Assan Ceesay ein klares „Upgrade“ im Vergleich zu Blaz Kramer. Im Zentrum bleibt hingegen der aus der Fremde zurückgekehrte Blerim Dzemaili trotz einzelnen Szenen, in welchen er seine Qualität und Erfahrung in die Waagschale werfen kann, unter dem Strich für das Team eine Hypothek. Auch in St. Gallen unterliefen dem nach einem Jahr Pause noch weit von einer Super League-reifen Form entfernten 34-jährigen Mittelfeldpuncher unzählige Abspiel-, Stellungsfehler und wichtige verlorene Zweikämpfe. Zudem mussten die Teamkollegen vor, hinter und neben ihm ständig Lücken stopfen, welche Dzemaili beim Umschalten hinterliess, und so teilweise ihre eigenen Aufgaben vernachlässigen.

Taktik und Szenen

Bezüglich Spielformation gabs keine Überraschungen: das übliche St. Galler 4-1-2-1-2 traf auf das ebenfalls gewohnte Zürcher 4-2-3-1, wobei beim FCZ im Verlauf der Partie vier verschiedene Spieler auf der 10er-Position agierten: Marchesano, Khelifi, Tosin, Domgjoni. Bei St. Gallen kam der von GC verpflichtete Aussenverteidiger Euclides Cabral zu seinem ersten Startelfeinsatz, rettete einmal entscheidend im Strafraum gegen den einköpfbereiten Antonio Marchesano, fand ansonsten aber noch nicht die Bindung zum Spiel und seinem Team. Der im Sommer direkt aus der Elfenbeinküste verpflichtete Salifou Diarrassouba feierte einen Monat nach seinem 19. Geburtstag sein Super League-Début. Der Doppeltorschütze bei der letzten Begegnung im Letzigrund, Elie Youan, begann wie Diarrassouba ebenfalls auf der Bank.

Wie üblich bei Begegnungen im Kybunpark begann das Spiel in relativ hohem Tempo – allerdings nicht vergleichbar mit der enormen Intensität in den letzten beiden Duellen der beiden Teams an gleicher Stelle. Beide Teams wie immer wenn sie aufeinandertreffen mit viel Vertikalität und schnellem Umschalten im Spiel und dazu von Beginn weg mit relativ viel Risiko. Schon in der Zweiten Minute profitierte St. Gallen vom weiten Aufrücken der Zürcher mit allen Feldspielern inklusive Innenverteidiger in der St. Galler Hälfte, als Blerim Dzemaili und Co. bei einem zweiten Ball vor dem Strafraum der Ostschweizer zu langsam reagierten und Basil Stillhart den weiten Ball hinter die Zürcher Abwehr unbedrängt spielen liessen. Der schnelle Kwadwo Duah war genau im richtigen Moment aus der eigenen Platzhälfte nicht in Offsideposition gestartet und hatte daher beim Zeitpunkt des Überquerens der Mittellinie bereits ein hohes Tempo aufgenommen, welches ihm den entscheidenden Vorsprung gab. Das 2:0 erzielte dann der sich gegen den FCZ immer wieder auszeichnende Basil Stillhart gleich selbst, als Jordi Quintilla mit seinem aussergewöhnlichen Freistoss die Zürcher Offsidefalle alt aussehen liess. Im Nachhinein gesehen war es falsch, in dieser Freistosssituation mit Offsidefalle zu agieren – vor allem wenn der Gegner einen Jordi Quintilla in seinen Reihen hat. Vor allem aber würde man sich solche Freistösse auch beim FCZ in der Offensive wünschen.

St. Gallen hat in der ersten halben Stunde Vorteile im Umschaltspiel, weil bei den Ostschweizern immer mindestens ein Spieler im Vollsprint dem Ball nachhetzt, währenddessen das Zürcher Mittelfeld dem Gegner mehr Zeit und Platz zum Umschalten lässt. Weil Blerim Dzemaili im Zentrum häufig grosse Lücken hinterlässt, die nicht alle von Ousmane Doumbia geschlossen werden können, müssen die Flügel Tosin und Khelifi vermehrt einrücken, um in der Mitte auszuhelfen – was in einigen Situationen auf Kosten der Besetzung ihrer Positionen auf den Seiten geht.

Nach der 2:0-Führung machen die Ostschweizer die Räume nicht enger, sondern spielen gleich weiter wie zuvor. Dadurch, dass der FCZ durch die zwei Nackenschläge vorsichtiger wird und mit den Innenverteidigern etwas weiter zurückstaffelt, werden die Räume für beiden Teams noch grösser. Ein so entstehender offener Schlagabtausch ist ganz im Sinne des in Rückstand liegenden Teams. Denn so bleibt weiterhin alles möglich, was sich dann ja auch bewahrheitet. Der FCZ seinerseits macht dem FCSG nicht den gleichen Gefallen und zieht sich mit der 2:3-Führung nach der Halbzeitpause zurück und lauert vorwiegend auf Kontermöglichkeiten. Da das Heimteam aus der Gallusstadt in den zweiten 45 Minuten personell und kräftemässig nachlässt, kann sich der FC Zürich sogar erlauben, seine drei, vier sehr guten Torchancen auf das mögliche 2:4 auszulassen.

Der FC Zürich kommt zu einem Penalty, aber ansonsten lässt St. Gallen kaum einen Standard in Strafraumnähe zu. Auf der anderen Seite kann sich bei St. Galler Eckbällen neben Nathan und Aliti erneut Adi Winter als konsequenter Manndecker hervortun. Auch Doumbia und Mirlind Kryeziu verteidigen in solchen Situationen ordentlich. Duah wird von Nathan genügend gestört, so dass dieser übers Gehäuse köpft und Tosin kann aus einer St. Galler Cornervariante mit einem konsequenten Sprint in Richtung Alessandro Kräuchi gar eine Zürcher Konterchance kreieren. Dass dann einmal doch Lukas Görtler nach einem Eckball gefährlich zum Abschluss kommt, ist einer aus Zürcher Sicht unglücklichen Richtungsänderung des Balles am nahen Pfosten zu verdanken.

45.+2 Min.: Game-Winning Goal Salim Khelifi

Das FCZ-Siegtor ist ein Team-Effort. Adrian Winter hält rechts an der Seitenlinie den Ball hervorragend mit Kampfgeist und Technik im Spiel, woraus sich ein Freistoss ergibt. Diesen schlägt Blerim Dzemaili etwas zu hoch in den Strafraum. Der Ball fliegt ins Seitenaus. Beim St. Galler Einwurf greifen Assan Ceesay und Antonio Marchesano zu zweit mit sehr gutem Forechecking gegen drei St. Galler an, so dass Alessandro Kräuchi den Ball im hohen Bogen an die Mittellinie befördern muss, wo diesen Ousmane Doumbia und Fidan Aliti gegen Jérémy Guillemenot und Kwadwo Duah gewinnen.

Doumbia prischt mit Ball am Fuss nach vorne, verfolgt von Duah, der seinen Fehler wieder gut machen will. Pass von Doumbia auf Ceesay, der mit einer für seine Körpergrösse erstaunlich behenden 180 Grad-Drehung den Ball mit der zweiten Berührung in die Tiefe in Richtung seines Fussball-Buddys Marchesano leitet. Der Steilpass gerät etwas zu kurz. Dadurch kommt es zum Zweikampf zwischen Duah und Marchesano. Duah kommt zu Fall, weil er durch seinen Spreizschritt im Moment des Zusammenpralls im Gegensatz zu seinem Gegenspieler nur mit einem Fuss den Boden berührt. Am Boden liegend in Bedrängnis durch Marchesano und Ceesay, zieht Duah zuerst kurz den Ball mit dem Arm zu sich (hätte Handsfreistoss für den FCZ geben müssen) und schaufelt dann schnell mit dem rechten Fuss den Ball weg. Dieser landet dabei Dzemaili direkt vor dem Strafraum in den Füssen.

In diesem Moment steht Salim Khelifi noch ziemlich unbeteiligt sieben Meter hinter Dzemaili, reagiert aber sofort, als er rechts des St. Galler Abwehrblocks den offenen Raum sieht. Khelifi ruft Dzemaili von hinten zu, sprintet in den Raum. Dzemaili zieht auf, um wie schon mehrmals zuletzt aus der Distanz sein Glück zu versuchen. Der Schussweg wird ihm durch Cabral verstellt. Im letzten Moment vor der Schussabgabe taucht im rechten Augenwinkel Dzemailis der von hinten heranstürmende Khelifi im Vollsprint auf, Dzemaili bremst seine Schussbewegung ab, haut dabei leicht in den Boden und lenkt den Ball in einer verzögerten Bewegung genau im richtigen Moment ideal als Vorlage in den Raum. Khelifi zieht aus 13 Metern mit dem rechten Vollrist direkt ab. Die vorhandene Bewegung des Balles optimal ausnutzend mit leichtem Aussenristdrall landet der Ball trotz des rasch reagierenden Ati Zigis rechts oben im »Torkranz».

Personalien

Adrian Winter (9) – Schön, gibt es beim FCZ aktuell auch Spieler, deren Formkurve nach oben zeigt. Bei kaum einem geschieht dies so pointiert, wie bei Adi Winter, der noch vor der Winterpause nicht den Eindruck vermittelt hatte, dem Team sportlich helfen zu können. Dies hat sich mittlerweile geändert. Winter wirkt deutlich wacher und fokussierter, als noch vor ein paar Wochen. Man könnte sich für die Rechte Seite gut das Duo Rohner / Winter vorstellen – mit Winter als eher statischem, kampfstarken und erfahrenen Partner und Rohner, welcher seinen Speed nach vorne und hinten ausnutzt.

Nathan (7) – St. Gallen ist sein Pflaster: der kampfstarke Brasilianer ist auch diesmal im Kybunpark wieder häufig im Zentrum des Geschehens.

Blerim Dzemaili (2) – Auch in St. Gallen läuft Dzemaili wie schon in Basel häufig der Musik hinterher, wie das Kleinste in der Familie, das den älteren Geschwistern hinterherhechelt. Wenn es jeweils den Ort erreicht, wo die Geschwister etwas entdeckt hatten, sind diese bereits wieder weitergezogen. So wirkt es aktuell in vielen Szenen beim FCZ: wenn Dzemaili am eigenen Strafraum anlangt, haben seine Kollegen soeben mit Ach und Krach ohne ihn die Situation geklärt und den Angriff gestartet. Wenn Dzemaili diesem dann Richtung gegnerischen Strafraum folgt, dann läuft bei seiner Ankunft dort bereits wieder der St. Galler Gegenangriff. In der 2. Minute ist es Dzemaili, der in einer hoch stehenden Mannschaft Basil Stillhart nicht energisch genug angreift, so dass dieser genug Platz und Zeit hat, um den entscheidenden Pass zum 1:0 für Kwadwo Duah optimal hinter die Zürcher Abwehr zu spielen. Bereits ab der 7. Minute bewegt sich Dzemaili sehr langsam in der Rückwärtsbewegung, nachdem ihm in der Szene zuvor ein Ball in aussichtsreicher Position versprungen ist. Beim ersten St. Galler Corner ist Dzemaili der einzige Zürcher, der seinen Gegenspieler (Stergiou) komplett aus den Augen verliert. Beim Zürcher Anstoss nach dem St. Galler 2:0 in der 10. Minute versucht er wie ein übermütiger Jungspund ein Dribbling durch die Mitte gegen eine grosse St. Galler Übermacht, woraus sich ein potentiell gefährlicher Gegenangriff der Grünweissen ergibt. Eine Minute später lässt er den ballführenden Lukas Görtler ziehen. So zieht sich das über die ganzen 83 Minuten Einsatzzeit weiter.

In der 2. Halbzeit kommt der FCSG zu weniger Torchancen, als man in Normalfall von einem Heimteam im Rückstand erwartet, aber wenn, ergibt sich für die Grünweissen meist eine Möglichkeit, weil Dzemaili nicht auf seiner Position ist – oder wie in der 79. Minute von Quintilla getunnelt wird, was Staubli eine hervorragende Abschlussposition eröffnet. Gleichzeitig lässt Dzemaili auch im Kybunpark immer wieder seine Klasse und Erfahrung aufblitzen und ist an allen drei Toren entscheidend beteiligt, wenn auch beim zweiten mit einem verunglückten Freistoss. Ausserdem bemerkt Dzemaili kurz vor seiner Auswechslung bei einem St. Galler Eckball als Einziger, dass der eingewechselte Staubli keinen Gegenspieler gegen sich hat und beordert Tosin, dies zu übernehmen. Der aktuelle Dzemaili erinnert in vielerlei Hinsicht an Denis Popovic, der im Alter von knapp 30 Jahren mit Trainingsrückstand nach Zürich gekommen war. Dieser brachte ebenfalls viel Erfahrung mit, war spielerisch stark und schlug ausgezeichnete Standards, war aber in seinem damaligen Zustand für die Super League zu langsam. Die Unterschiede zwischen Dzemaili und Popovic liegen im unterschiedlichen Status in Verein und der Mannschaft. Ausserdem hat Dzemaili den Vorteil, dass seine Mitspieler mittlerweile defensiv disziplinierter auftreten, als es zu Popovic-Zeiten der Fall gewesen war, und damit sein fehlendes Laufvermögen teilweise ausgleichen können. Die Causa Dzemaili wird für den FCZ zu einer zusätzlichen Prüfung, die man sich trotz des im Spätherbst gut funktionierenden zentralen Trios Doumbia – Domgjoni – Marchesano auferlegt hat. Ist Blerim wie ursprünglich befürchtet zu spät zum FCZ zurückgekommen, oder kann er stattdessen der Mannschaft doch noch einen Schub verleihen?

Ousmane Doumbia (5) – Ein Auftritt mit Aufs und Abs, hat sich im Vergleich zu seinem schlechten Spiel gegen Vaduz aber gesteigert und muss viele Löcher stopfen.

Aiyegun Tosin (6) – Der Kybunpark ist wohl das Stadion in der Schweiz, wo Tosin bisher seine besten Leistungen gebracht hat, aber nach dem katastrophalen Auftritt gegen Vaduz beginnt er auch hier in wenig erbaulicher Art und Weise. Drei Tage zuvor hatte der Nigerianer durch ein „dummes Foul“ an Sandro Wieser im eigenen Strafraum eigentlich einen Penalty verursacht, der aber nicht gepfiffen wurde. Und nun foult er in der 10. Minute auf eine ähnlich unnötige Art und Weise in der eigenen Platzhälfte den St. Galler Ruiz. Der fällige Freistoss führt zum 2:0 der Grünweissen. In der ersten halben Stunde geht es in ähnlichem Stil weiter mit Fehlpässen und verlorenen Zweikämpfen. Danach steigert sich Tosin allerdings deutlich, und hilft mit einer defensiv disziplinierten Leistung wesentlich mit, die durch Dzemaili entstandenen Lücken zu stopfen. Nach vorne hat er wie zuletzt immer seine besten Szenen in der Phase, wo er im Zentrum spielt. Tosin (wenn er wieder einsatzfähig ist) im Sturmzentrum zu bringen und Ceesay dafür auf dem linken Flügel, wo der Gambier seine Schnelligkeit optimal ausnutzen kann, scheint eine durchaus interessante Option zu sein – zumal auch ein nomineller linker Flügel als Zielspieler für die hohen Bälle Yannick Brechers dienen kann.

Antonio Marchesano (8) – Marchesano ist der Einzige aus dem Zürcher Mittelfeld, der im Gegenpressing dem Ball mit ähnlich viel Intensität nachhetzt, wie ein Ruiz, Görtler oder Stillhart bei St. Gallen. Doumbia ist im Vergleich dazu eher der (ebenfalls wichtige) Antizipator im Rückraum. An allen drei Toren ist Marchesano entscheidend beteiligt. Beim ersten gewinnt er bei einem Zweiten Ball das Laufduell und den Zweikampf mit Quintilla und bedient den freistehenden Dzemaili, welcher Ceesay in die Tiefe schickt. Der am Ursprung des Treffers stehende Marchesano verwandelt dann den Penalty nach Fazliji-Foul gleich auch noch selbst. Beim zweiten Treffer glaubt er an eine Chance, macht den Weg in den Strafraum und steht daher beim Zigi-Fehler am richtigen Ort und kann dank seiner Technik den Ball direkt im St. Galler Gehäuse versenken, bevor ein Gegenspieler eingreifen kann. Auch am Ursprung des dritten Treffers steht Marchesano mit seinem Forechecking zusammen mit Ceesay nach einem St. Galler Einwurf und seinem anschliessenden gewonnenen Zweikampf gegen Kwadwo Duah, den er zu einem aus St. Galler Sicht fatalen Fehlpass in die Füsse von Dzemaili bewegt. Mit sieben Treffern ist der Tessiner mittlerweile klar bester Zürcher Torschütze – und er trifft in vielfältiger Art und Weise. Er versteht sich auf dem Platz fast blind mit seinem ungleichen Bruder Assan Ceesay, was man von anderen Teamkollegen nicht unbedingt behaupten kann.

Salim Khelifi (7) – Nach den Niederlagen in Chiasso, Bern und gegen Vaduz, gewinnt der FCZ in dieser Saison erstmals Punkte, wenn Salim Khelifi auf dem Platz steht. Sicherlich eine seiner besten Leistungen im Zürcher Trikot bisher. Neben seinem Siegtreffer mit drei, vier weiteren starken Offensivaktionen, arbeitet zudem defensiv disziplinierter mit, als in der Vergangenheit. Allerdings kam Gegner St. Gallen Khelifis Spielstil entgegen. Ob Khelifi auch gegen statischere Gegner seine Bilanz als einem der unkonstantesten und defensiv schwächsten Flügel der Liga ablegen kann, muss sich erst noch weisen.

Wilfried Gnonto (1) – Ein fast völlig verunglückter mehr als zwanzigminütiger Auftritt. Verhält sich sowohl offensiv wie defensiv zu passiv sowie unaufmerksam und fällt mehrheitlich die falschen Entscheidungen.

Fabian Rohner (10) – Wie schon gegen Vaduz holt er ein Maximum aus seiner viertelstündigen Einsatzzeit heraus und trägt vor allem mit seinen beherzten Läufen und Tacklings in der Rückwärtsbewegung wesentlich dazu bei, dass St. Gallen zu keinem echten Schlussspurt mehr ansetzen kann.

Toni Domgjoni (10) – Zeigt sich erneut in ausgezeichneter Verfassung und verhindert in noch vielfältigerer Art und Weise als Rohner mit seiner konsequenten Laufarbeit, Spielintelligenz, gewonnenen Zweikämpfen und feiner Technik auf engem Raum ein St. Galler Aufbäumen in der Schlussphase. Nicht unwesentlich dank den eingewechselten Domgjoni und Rohner, die schon seit Juniorenzeiten gut zusammen agieren, bringt der FCZ die drei Punkte nach Hause.

Trivia

Der früher zu den schlechteren und vor allem einseitigsten Schiedsrichtern der Liga gehörende Lukas Fähndrich scheint sich in den letzten Monaten gesteigert zu haben, wie sich auch in St. Gallen wieder zeigt. Als Torhüter hätte es der FIFA-Referee (seit 2019) hingegen wohl nicht weit gebracht. Obwohl der Luzerner bei Freistössen seinen Butanspray generös einsetzt und einen langen Streifen auf den Boden malt, liegt der 36-jährige mit seiner Einschätzung der Positionierung der Mauer durch die Torhüter mehrmals kolossal daneben. Das Bild der wiederholt deutlich neben der temporär eingezeichneten weissen Linie stehenden Mauer entbehrt nicht einer gewissen Komik.

Eine weitere Flugstudie von „Air Jérémy“ Guillemenot nach einem berührungsfreien blitzsauberen Tackling durch den staunenden Ousmane Doumbia (Standbild: Blue)

Telegramm

FC ST. Gallen – FC Zürich 2:3 (2:3)
Tore: 2. Duah (Stillhart) 1:0, 10. Stillhart (Quintilla) 2:0, 16. Marchesano (Penalty. Ceesay) 2:1, 38. Marchesano 2:2, 45.+2 Khelifi (Dzemaili) 2:3.
FCZ – Brecher; Winter, Nathan, M. Kryeziu, Aliti; Dzemaili (83. H. Kryeziu), Doumbia; Tosin, Marchesano (70. Gnonto), Khelifi (76. Rohner); Ceesay (83. Domgjoni).
St. Gallen – Zigi; Kräuchi (80. Ribeiro), Stergiou, Fazliji, Cabral (76. Staubli); Quintilla; Görtler, Ruiz (46. Diarrassouba); Stillhart; Guillemenot (46. Babic), Duah (46. Youan).

Dzemaili noch sehr fehlerhaft: FCB – FCZ 1:4 in der Züri Live-Analyse

Spiel und Gegner

Selbst in den letzten Jahren, als der FCB seinen Status als Liga-Krösus verloren hat, trat er selten so blutleer an, wie zum Auftakt 2021. Und dies mit sieben Schweizer und einem Österreichischen A-Nationalspielern in der Startaufstellung. Selbst von Fabian Frei, der sich in den letzten Duellen mit dem FCZ immer als der spielentscheidende Leader auf dem Platz hervorgetan hatte, kam diesmal wenig bis nichts. Valentin Stocker hätte vielleicht in der Zweiten Halbzeit noch etwas bewegen können, aber der Captain wurde zur Pause ausgewechselt. Für ihn kam Edon Zhegrova rein, der Inbegriff des unkonstanten und unsolidarischen Spektakelspielers schlechthin. Der Mann für einzelne Momente, aber für die Belgische Liga nicht zu gebrauchen. Mit Heinz Lindner hat der FCB einen in den Medien vielgelobten Torhüter mit chronisch schlechten Statistiken. Der verletzungsbedingte Ausfall von Linksverteidiger Jorge fällt stark ins Gewicht – Ersatzmann Raoul Petretta ist ein Schwachpunkt im Basler Spiel. Und Jorges Landsmann Cabral, eigentlich der vom Potential her beste Stürmer der Liga, kommt weiter nicht auf Touren.

Der FCZ hatte in der 1. Halbzeit ebenfalls mit Problemen zu kämpfen. Immerhin stand man kompakt und einzelne solide Akteure wie Nathan, Doumbia oder Aliti reichten, um mit ein wenig Glück die „Null“ zu halten. Zu Beginn der 2. Halbzeit erhöhte das Gastteam dann die Pace und vermochte trotz verletzungsbedingtem Ausfall von Becir Omeragic in der 67. Minute in Führung zu gehen. Dass man sich auch durch den zwischenzeitlichen Anschlusstreffer Cabrals nicht aus der Ruhe bringen liess, lag neben dem in den letzten Monaten erarbeiteten Selbstvertrauen vor allem am an diesem Abend vergleichsweise wenig PS auf den Platz bringenden Gegner. Antonio Marchesano und Lasse Sobiech waren an je drei Toren zum 1:4-Auswärtssieg beteiligt. Letztmals mit drei Toren Unterschied gewann der FCZ in Basel im Jahr 1995 in der Nationalliga A-Qualifikationsrunde im alten St. Jakob Park vor 13’500 Zuschauern (Torschützen zum 0:3: Güntensperger, Gambino, Castillo).


Taktik

Erstmals seit siebeneinhalb Jahren gelingen dem FCZ zwei Siege in Folge gegen den FCB. Über viele Jahre hinweg waren beide Teams bestrebt, das Spiel zu machen, was schlussendlich fast immer Basel zugute kam – dank der besseren Qualität der Einzelspieler und meist grösserer Eingespieltheit / Teamgeist. Die Rotblauen hatten gerade auch deswegen in ihren besten Zeiten gegen kaum einen Super League-Gegner so eine gute Bilanz, wie gegen den FCZ. Mit Teams, die aus einer sicheren Defensive agierten, bekundeten sie mehr Mühe.

Ein erster Bruch in dieser Entwicklung war der Trainerwechsel zu Raphael Wicky. Seither ist das Spiel des FCB deutlich stärker auf schnelle Gegenstösse ausgerichtet. YB übernahm den spielbestimmenden Stil des früheren FCB. Mit der neuen Ausrichtung konnte Basel einerseits grossen Favoriten im Europacup ein Bein stellen, aber es wurde schwieriger, über eine 36 Spiele andauernde Meisterschaft hinweg genügend Punkte für den Meistertitel zu sammeln. Gegen den defensiv unkompakten FCZ zu gewinnen – dazu reichte es trotzdem allemal.

Zuletzt in einzelnen Partien unter Ludo Magnin und vor allem jetzt mit Massimo Rizzo, begann aber auch der FCZ defensiv kompakter zu stehen und sich stärker aufs Konterspiel zu fokussieren, welches besser den Stärken der aktuellen Mannschaft entspricht. Man sieht heute ein völlig anderes Spiel zwischen den beiden Teams als man es sich aus dem Jahrzehnt davor gewohnt war, mit vielen langen hohen Bällen auf beiden Seiten. Die Resultate sind nun ausgeglichener – 3:2 Siege zugunsten des FCZ in den letzten fünf Duellen.

Basel versuchte wie üblich über die Rechte Seite Druck zu machen, wo mit Silvan Widmer nicht nur der beste Aussenverteidiger, sondern auch einer der offensiv stärksten Spieler der Liga insgesamt für die Differenz sorgen will. Ein erneut solider, aber keineswegs überragender Fidan Aliti genügte aber zusammen mit der allgemein kompakten Formation bereits, um gegen einen weit von seiner Bestform entfernten Widmer vergleichsweise wenig zuzulassen.

Man sieht es dem Spiel des FCZ an, dass der neue Trainer weniger und einfachere taktische Anweisungen gibt. Er greift auf altbewährte Rezepte zurück, die schon zu Urs Fischers Zeiten praktiziert worden sind. Alte Rezpte haben den Vorteil, dass sie schon unzählige Male den Realitätstest bestanden haben und dies auch heute noch tun.

Was die Verteidigung von Eckbällen anbelangt, hat der FCZ diese Saison auf eine Mischung aus Raum- und Manndeckung umgestellt. Dies nachdem man lange Jahre eher erfolglos Manndeckung praktiziert und dann auf Raumdeckung umgestellt hatte, was eine gewisse Zeit lang sehr gut funktionierte. Gegen Basel hatte man zu Beginn allerdings auch das Glück, dass der sich zur Zeit ausser Form befindliche Luca Zuffi zum Corner antrat. Mit dem zur Pause ausgewechselten Valentin Stocker wurden die Eckbälle des FCB zwischenzeitlich gefährlicher.


Personalien

Nathan (7) – Sprüht nur so vor Energie und Einsatzwillen, enorm aufmerksam, Ist wieder der Fels in der Abwehr.

Lasse Sobiech (5) – Insgesamt ein eher unterdurchschnittliches Spiel, es fehlt in vielen Situationen das richtige Timing – ausser bei zwei ganz entscheidenden: seinem Kopftor zum 2:0 und einer enorm wichtigen Rettungsaktion im Fünfmeterraum vor der Pause im Anschluss an einen Dzemaili-Stellungsfehler.

Ousmane Doumbia (8) – Hatte in der Vorrunde schon bessere Auftritte und in einzelnen Szenen klappte die Abstimmung mit Dzemaili noch nicht gut. Es reichte aber trotzdem dazu, in einer Equipe in der keiner über 90 Minuten konstant gut spielte, der Best Player zu sein. Verhindert mit seiner für Super League-Verhältnisse überdurchschnittlichen Antizipation und Laufbereitschaft mehrmals, dass potentiell gefährliche Zweite Bälle beim Gegner landen. Das macht gegen ein in den letzten Jahren immer sehr konterstarkes Basel einen wesentlichen Unterschied.

Blerim Dzemaili (3) – Im Comeback-Spiel gleich ein Auswärtssieg beim FCB: klar wurde da nach der Partie Dzemailis „Präsenz“ zum geflügelten Wort und das Resultat in erster Linie mit ihm in Zusammenhang gebracht – je weniger jemand das Spiel gesehen hatte, desto mehr. Wie schon in der Vorbereitung ersichtlich, hat Dzemaili aber bezüglich Spritzigkeit und Kondition noch sehr viel Rückstand. Ausserdem hat er Probleme mit dem Knie. Dies vermag der Zürcher im St. Jakob Park teilweise mit seiner Erfahrung wettzumachen – aber bei weitem nicht in jeder Spielsituation. In der ersten halben Stunde hat Blerim zudem Mühe, ins Spiel zu kommen. In der 29. Minute gelingt ihm dann bei einem Freistoss im Mittelfeld sein erster guter Ball und in der 35. Minute blockt er einen Abschluss von Kasami an der Strafraumgrenze. Nur eine Minute später aber steht Dzemaili völlig „im Schilf“ und nimmt seine Sechserrolle nicht war, als er Cabral unbehelligt vor dem Strafraum zu einem gefährlichen Aufsetzer ansetzen lässt, der den FCB ins Spiel bringt.

Neben dem ein oder anderen (physisch bedingten) Stellungsfehler unterlaufen Dzemaili vor allem aber die meisten gefährlichen Abspielfehler im Team – wie zum Beispiel in der 60. Minute mit einem Fehlpass auf kurze Distanz in der eigenen Platzhälfte. Auch seine Auslösung der Konterangriffe ist zu langsam. In Laufduellen hat Dzemaili zur Zeit meist keine Chance und im eigenen Strafraum ist er für die Teamkollegen keine Hilfe. Von den Mitspielern werden Dzemaili immer wieder Bälle für Weitschüsse aufgelegt, die ihm aber allesamt deutlich misslingen. In der 63. Minute wirft er sich dann bei einem Cömert-Freistoss zum zweiten Mal generös in einen gegnerischen Distanzabschluss. Ausserdem ist der Zentrale Mittelfeldspieler an diesem Abend der einzige Zürcher, welchem gute Offensivstandards gelingen, einen davon zum 2:0-Kopfball Lasse Sobiechs. Dzemaili war auf jeden Fall bereits bei seinem ersten Einsatz im Zentrum des Zürcher Spiels – mit vielen Hochs und Tiefs, wobei die Tiefs (nicht überraschenderweise nach einem Jahr Absenz von Wettbewerbspartien) vorläufig überwogen.

Aiyegun Tosin (4) – Läuft weiterhin seiner Form hinterher. Speziell auf der Flügelposition hat der Nigerianer schon lange keine überzeugende Leistung mehr gebracht. Zwar bei einem Konter eine gute Flanke auf den alleine vor dem Gehäuse auftauchenden Marchesano, aber in anderen Gegenstoss-Situationen zu ungenau und zudem mit potentiell gefährlichen Ballverlusten.

Marco Schönbächler (5) – Er trägt dazu bei, dass der FCZ auf seiner Seite im Hohen Pressing mehrere Bälle gewinnt, in den Einzelaktionen aber eine schlechte 1. Halbzeit: verliert enorm viele Bälle und Zweikämpfe, nichts scheint zu gelingen. Aus der Kabine kommt Schönbi nach der Pause dann wie verwandelt, dreht sowohl offensiv wie defensiv auf. Gut möglich, dass seine Auswechslung in der 70. Minute geplant war und er sich auch deshalb in den 25 Minuten bis voll verausgaben konnte.

Blaz Kramer (5) – Beginnt in wenig erbaulicher Art und Weise das Spiel, kommt dann aber mit zwei für seine Verhältnisse erstaunlich gelungenen Kopfballweiterleitungen im Mittelfeld nach 15-20 Minuten besser ins Spiel. Auf und Abs wechseln sich ab, köpft freistehend am Tor vorbei und erwirkt mit seinem Lauf an den nahen Pfosten nach starker Marchesano-Flanke das wichtige Führungstor. Deutet gleich nach dem Torjubel dann aber bereits an, dass er ausgewechselt werden muss. Entweder wegen seines Zusammenstosses mit Timm Klose einige Minuten zuvor – oder möglicherweise verlorenen Kontaktlinsen.

Blaz Kramer und seine Kontaktlinsen

FC Basel – FC Zürich 1:4 (0:0)
Tore: 67. Kramer (Marchesano) 0:1, 73. Sobiech (Dzemaili) 0:2, 75. Cabral 1:2, 80. Nathan (Marchesano) 1:3, 90.+4 Marchesano (Penalty, Gnonto) 1:4.
Basel – Lindner; Widmer (70. Padula), Cömert, Klose, Petretta; Frei, Zuffi; Stocker (46. Zhegrova), Kasami (77. Van Wolfswinkel), Pululu (70. Von Moos); Cabral.
FCZ – Brecher; Omeragic (55. Wallner), Sobiech, Nathan, Aliti; Doumbia, Dzemaili (80. Domgjoni); Tosin, Marchesano, Schönbächler (70. Gnonto); Kramer (70. Ceesay).

Wann erzielt Gnonto sein erstes Tor? Aufstellungen FCZ – Servette und Frage zum Spiel

Nach vier Punkten aus zwei Auswärtsspielen bei den beiden „FCL’s“, wo es jeweils defensiv disziplinierte und kampfstarke Auftritte benötigte, um die Punkte zu holen,darf der FCZ nur 18 Tage nach der Last Minute-Niederlage in Genf (Valls in der 94. Minute) im Letzigrund zur Revanche im Städteduell mit der Westschweizer Metropole antreten. Valls erzielte damals den Siegtreffer für die Grenats, nachdem kurz zuvor Wilfried Gnonto den Pfosten getroffen hatte.

Nach dem Ablenker in Vaduz und dem Pfostentreffer in Genf: wird Wilfried Gnonto sein erstes Tor noch im Jahr 2020 erzielen?

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Gnonto ist gegen Servette zu Beginn auf der Tribüne der Ersatzspieler. Zudem fällt beim FCZ Nathan gesperrt aus und kann damit für das letzte Heimspiel gegen Sion nochmal Kräfte tanken. Becir Omeragic wird vor dem Spiel zwar erneut als fraglich gemeldet, ist aber trotzdem in der Startformation. Trotz längeren Ausfällen von Kololli und Janjicic steht der FCZ bezüglich Kadersituation zur Zeit nicht schlecht da.

Servette-Trainer Alain Geiger (Vertragsverlängerung bis 2023) hat mehr Ausfälle zu beklagen. Es stehen zur Zeit nur noch 13-14 „gestandene Spieler“ zur Verfügung. Unter anderem hat Servette daher den 15-jährigen (!) Diogo Monteiro mit nach Zürich genommen. Neben verletzt ausfallenden Spielern wie Imeri, Koné, Sasso, Schalk und Stevanovic ist Steve Rouiller zudem nicht im Aufgebot. Dadurch muss Servette seine Abwehrreihe etwas umstellen und auch die Flügelpositionen werden mit frischen Kräften besetzt.

Gnonto und Wallner stehen in Lugano in der Startaufstellung

Seit dem 1:0-Heimsieg vor zwei Wochen gegen den FC Basel hat Lugano nicht mehr gespielt. Obwohl die Tessiner von allen Super League-Teams am wenigsten Partien (8) absolviert haben, liegen sie als einziges neben YB noch ungeschlagenes Team, auf dem hervorragenden 3. Rang. Die defensive Kompaktheit ist weiterhin auch statistisch gesehen eine Stärke mit weniger als einem Gegentor pro Partie. Gegen den FCZ muss der Berner Trainer Maurizio Jacobacci auf den gesperrten Alexander Gerndt, den verletzten Jonathan Sabbatini sowie die krank gemeldeten Covilo, Daprelà und Macek verzichten.

Abwehrchef Mijat Maric ist damit als einziger verbliebener Teamleader auf dem Platz noch mehr gefordert. Mickaël Facchinetti (bisher erst fünf Minuten in dieser Saison gespielt) ergänzt die Dreierabwehr mit Maric und Kecskés. Das Sturmduo bilden die beiden jungen Lungoyi und Odgaard. Beide haben 20/21 bisher noch kein Tor erzielt. Odgaard (21) ist von Sassuolo ausgeliehen, welches den Dänen vor zweieinhalb Jahren für über 5 Mio Euro von Inter gekauft hatte.

Beim FCZ fehlt der angeschlagene zuletzt gegen St. Gallen zur Pause ausgewechselte Becir Omeragic. Für ihn beginnt Silvan Wallner. Nicht dabei ist ebenfalls Marco Schönbächler. Für ihn kommt Wilfried Gnonto erstmals von Beginn. Der 17-jährige Italiener könnte genauso wie Benjamin Kololli in der Spitze spielen – vermutlich wird aber wieder Tosin zu Beginn diese Rolle übernehmen. Für die Ersatzbank sind neben Kostadinovic, Winter, Ceesay und Kramer auch Tobias Schättin, Fabian Rohner und Stephan Seiler mit ins Tessin gereist.

Zwei Auftaktniederlagen und Feuer unterm Dach

Der FC Aarau gehört zu denjenigen Teams, die in den ersten 10 Tagen nach Trainingsstart ganz auf Testspiele verzichten, weil der Trainer und ehemalige FCZ-Verteidiger Stephan Keller sein Team erst dann gegen einen Gegner auf den Platz schicken will, wenn er vom Trainingsstand her von seinen Spielern das Umsetzen der Vorgaben auch wirklich erwarten kann. Aufgrund der Beobachtungen in und rund um die ersten beiden Tests gegen Schaffhausen (2:5) und Luzern (0:2) wäre das eventuell für den FC Zürich auch eine zu bedenkende Variante gewesen.

Die Trainings unter Ludo Magnin sind generell so intensiv, abwechslungsreich und sehen optisch so gut aus wie unter keinem seiner Vorgänger in den letzten 10 Jahren. Dieser Eindruck wird durch verschiedene Experten bestätigt. Wenn überhaupt, dann sind die Trainings insgesamt eher zu hart und gehen gemäss einzelnen Stimmen zu stark an die Substanz, so dass die Mannschaft kräftemässig in gewissen Phasen der Saison möglicherweise nicht ihr volles Potential ausschöpfen kann. Auch wenn aufgrund des Corona-Regimes Trainingsbesuche nicht mehr ohne weiteres möglich und eine aktuelle Einschätzung darum schwierig ist, kann man davon ausgehen, dass auch in dieser Vorbereitung aktuell die Mannschaft sehr intensiv trainiert.

Gegen Schaffhausen begann man gut, das Tempo war von beiden Seiten in der Startviertelstunde relativ hoch. Dann musste man dem Gegner aber relativ schnell das Szepter überlassen. Ungewöhnlich für von Murat Yakin trainierte Teams haben die Schaffhauser nach den Sommertransfers eine ganze Reihe von gelernten Stürmern im Kader und traten in beiden Halbzeiten mit Prtajin / Pollero sowie Barry / Djoulou mit jeweils zwei „waschechten“ Mittelstürmern an, so dass Hélios Sessolo rechts ins Mittelfeld ausweichen musste. Die Munotstädter vermochten im Gegensatz zu ihrem Gegner über die ganzen 90 Minuten die für ein Testspiel relativ hohe Intensität zu halten. Auch wenn das 4:2 und das 5:2 während einer Pflege von Nathan gegen einen FC Zürich in Unterzahl fielen, war das Ergebnis insgesamt auch in dieser Höhe nicht unverdient.  

Bei regnerischen Bedingungen: Testspielauftakt FCZ – Schaffhausen

Beim FCZ gab der 16-jährige Wilfried Gnonto sein Début im Profiteam – ein ganz ordentliches, auch wenn er speziell gegen den ehemaligen FCZ-Mittelfeldspieler Sangoné Sarr das ein oder andere Mal noch Probleme hatte, sich physisch zu behaupten. Im Goaliedress bei den Gelb-Schwarzen lief in der 1. Halbzeit Piu Da Costa auf. Der Goalie-Routinier hält sich im Team der Yakin-Brüder fit. In einem Team, das mit dem ehemaligen GC-Junior Amir Saipi und den beiden ehemaligen FCZ-Junioren Calvin Heim und Luka Deronjic auf dieser Position sehr talentiert bestückt ist. Ein Transfer in den Lipo Park scheint zum jetzigen Zeitpunkt nicht wahrscheinlich.

Die Erste Halbzeit endete 1:2 – Kololli hatte nach Treffern der beiden neuen Schaffhausen-Stürmer Pollero und Prtajin eine gute Schönbächler-Flanke mit links aus dem rechten Halbfeld noch leicht per Kopf abgefälscht. Derselbe Schönbächler hatte bereits in der 5. Minute mit einer Doppelchance (Lattenkopfball, Da Costa-Parade) die erste gute Einschussgelegenheit der Partie vergeben. Später traf Pollero neben seinem Treffer mit einem schönen Abschluss aus der Drehung auf der anderen Seite auch noch den Pfosten. In der Zweiten Halbzeit erhöhten Sessolo per Penalty, Barry und Kastrati das Skore der Schaffhauser drei Mal. Den Penalty hatte Mirlind Kryeziu verschuldet – und es war nicht sein einziger Schnitzer gewesen.

Nach seinem Fehler vor dem 5:2 Kastratis konnte Präsident Ancillo Canepa seinen Ärger auf der Tribüne nicht zurückhalten. Im Anschluss der Partie führte dieser dann zusammen mit Heliane unverzüglich ein intensives Einzelgespräch mit dem 23-jährigen Verteidiger. Wie zwei wohlgesinnte Lehrer, die einem Schüler klarmachen, dass die nächste Prüfung für seinen Werdegang entscheidend sein wird. In Luzern fehlte Mirlind dann – wohl kaum verletzungsbedingt. Ähnlich einzuordnen eine Szene in der Pause des Luzern-Spiels, als Captain Yanick Brecher Stürmer Blaz Kramer packte und ruppig wegstiess, nachdem dieser etwas salopp und frech auf Brechers Einzelkritik reagiert hatte. Kramer hatte unter anderem kurz vor der Pause nach einer guten Flanke Rüeggs eine hervorragende Kopfballchance ungenutzt gelassen – allerdings weniger wegen fehlender Konzentration, sondern mehr weil es dem Slowenen in solchen Szenen schlicht an Qualität fehlt. Will man die beiden hitzigen Diskussionen am Rande des Spielfelds positiv interpretieren, so dahingehend, dass man einen gewissen Schlendrian von einzelnen Spielern nicht mehr zu tolerieren gewillt ist – selbst in Testspielen nicht.

Gedenkminute für die überraschend verstorbene Luzerner Klublegende Paul Wolfisberg vor dem zweiten Zürcher Testauftritt in der Zentralschweiz

Nicht zielführend war hingegen sicherlich das Reklamieren bei Schiedsrichter San im Luzern-Spiel. Toni Domgjoni hätte den Eckball, der zum 1:0 Luzerns führte, verhindern können, wenn er sich nicht darauf fokussiert hätte, ausgiebig ein Handspiel Ugrinics zu beanstanden. Trainer Magnin nervte sich darüber, dass in der Zweiten Halbzeit bei einem Laufduell mit David Mistrafovic kein Penalty zugunsten von Assan Ceesay gepfiffen worden war. Und Assistenztrainer Alfons Higl ging nach dem Schlusspfiff ziemlich heftig bei Schiedsrichter Fedayi San reklamieren. Pluspunkte bei den Unparteiischen sammeln die Zürcher so schon vor Saisonstart sicherlich nicht.

Einzelne Spieler wussten in den beiden Partien durchaus zu gefallen. Henri Koide macht nahtlos weiter, wo er letzte Saison aufgehört hatte, unter anderem mit einer starken Einzelleistung zum zwischenzeitlichen 2:3 gegen Schaffhausen. Fabian Rohner deutet an, was für einen Wert er mit seinem Speed für die Mannschaft haben kann. Kevin Rüegg und Nathan wirken mental gut drauf und haben sich gegen Luzern im Vergleich zum Schaffhausen-Spiel bereits gesteigert, Hekuran Kryeziu zeigte sich in Luzern ebenfalls verbessert, zumindest in der offensiven Phase.

Gegen Schaffhausen machte das Zentrum hingegen fast durchs Band Fehler im Aufbauspiel: Omeragic, Sohm, Seiler, Heki Kryeziu, Mirlind Kryeziu, Domgjoni, Rüegg. Auch in Luzern liess man Lang, Zivkovic, Arques, Ugrinic, Voca und Co. viel zu viele Freiheiten. Und die Zone vor dem eigenen Strafraum hat man weiterhin nicht im Griff. Von den Flügeln kommt weiterhin zu wenig defensive Unterstützung (Ausnahme: Koide). In beiden Partien tritt der FCZ im 4-2-3-1 an, welches letzte Saison lange Zeit die Stammformation war. Schon in den letzten Meisterschaftspartien der alten Saison war Magnin wieder zu diesem System zurückgekehrt – mit Kololli als linker Flügel, wo dieser weniger effektiv agiert, als in der Sturmspitze. Wilfried Gnonto wird bisher jeweils auf der 10er-Position eingesetzt, wo er als Hängende Spitze auch bei Inter häufig gespielt hat.

Simon Sohm wird zur Zeit (nicht zum ersten Mal) als Innenverteidiger eingesetzt. In Luzern machte er seine Sache bereits etwas besser, als gegen Schaffhausen. Auf dieser Position hat er das Spiel vor sich und kann mit seinen Rushes und langen Bällen möglicherweise mehr bewirken als von weiter vorne aus. Und es besteht die Hoffnung, dass Sohm durch die klarere Rolle seine Schwächen im Positionsspiel und der Rückwärtsbewegung überwinden kann und reifer wird. Denn ohne diesen Prozess wird er es trotz hervorragender Anlagen nicht zu einem Top-Spieler schaffen. Im Zweikampf hat er am Boden Qualität, muss sich in der Luft aber noch stark verbessern.

FC Zürich – Schaffhausen 2:5 (1:2)
Tore: 13. Pollero 0:1, 28. Prtajin 0:2, 40. Kololli (Schönbächler) 1:2; 64. Sessolo (Penalty, Djoulou) 1:3, 71. Koide (Marchesano) 2:3, 81. Barry 2:4, 83. Kastrati 2:5.
FCZ 1.Hz.: Brecher: Britto, Sohm, Omeragic, Winter; H. Kryeziu, Seiler; Schönbächler, Gnonto, Kololli; Ceesay.
FCZ 2. Hz.: Brecher; Rohner, Nathan, M. Kryeziu, Britto; Rüegg, Domgjoni; Koide, Marchesano, Khelifi; Kramer.
Schaffhausen 1. Hz.: Da Costa; J. Krasniqi, I. Bunjaku, Mujic, Alvarez; Lika, Bislimi, Sarr, Del Toro; Prtajin, Pollero.
Schaffhausen 2. Hz.: Saipi; Qollaku, Müller, Padula, Del Toro; Sessolo, Talic, Kastrati, M. Bajrami; Barry, Djoulou.

Luzern – FCZ Zürich 2:0 (1:0)
Tore: 3. Ugrinic 1:0: 89. Hermann (Jashari) 2:0.
Luzern 1. Hz.: Müller; Sidler, Lucas, Knezevic, Bürki; Arques; Emini, Ugrinic; Kakabadze, Schürpf, Lang.
Luzern 2. Hz.: Zibung; Grether, Schulz, Mistrafovic, Sidler (61. Balaruban); Kakabadze (80. Hermann), Arques, Voca, Jashari; Lang, Zivkovic.
FCZ 1.Hz.: Brecher; Rohner, Nathan, Omeragic (37. Sohm), Winter; Rüegg, Domgjoni; Schönbächler, Marchesano, Kololli; Kramer.
FCZ 2. Hz.: Kostadinovic; Rohner (61. Britto), Nathan (61. Wallner), Sohm, Erne; H. Kryeziu, Domgjoni (69. Seiler); Khelifi, Marchesano (69. Gnonto), Kololli (61. Koide); Kramer (61. Ceesay).

FCZ vor 20/21 – wieder ein Vogel ohne Flügel?

In einem Fussballverein lange dabei zu sein, bringt den Vorteil mit sich, Vergleiche anstellen zu können zwischen erfolgreichen und erfolglosen Saisons. Genau dies hat FCZ-Präsident Canepa in der kurzen Sommerpause gemacht, und dabei ein Muster entdeckt: «Jedes Mal, wenn Anfangs Saison die Mannschaft die Saisonziele selbst festgelegt hat, dann wurden diese auch erreicht!». Folgerichtig ist es sein spezielles Anliegen, vor der kommenden Saison wieder zu dieser Praxis zurückzukehren. Es soll wieder ein Team-Workshop stattfinden, in welchem die Spieler zuerst in Vierer- bis Fünfergruppen und anschliessend im Plenum gemeinsam ausarbeiten, welche Ziele sie als realistisch und gleichzeitig grosse Herausforderung ansehen. Der Ansatz hat durchaus seine Logik: schlussendlich sind es allein die Spieler, welche das Ziel auf dem Platz dann auch erreichen können – so ein Workshop, richtig umgesetzt, eint die Mannschaft um ein gemeinsames Ziel und schafft intern Verbindlichkeit.

Wenn man sich in Erinnerung ruft, wie die drei zum Titel führenden Cupsaisons, der Wiederaufstieg und gewisse Erfolgserlebnisse im Europacup zustande gekommen sind, dann war dies nie, weil man die besseren Spieler auf seiner Seite hatte. Jedes einzelne Mal war man schlicht hungriger als die jeweiligen Gegner gewesen. Es handelte sich um Willensleistungen, bei welchen das Team spürbar auf einer gemeinsamen Mission war. Letzte Saison gab es zwei Saisonphasen (zweites Saisonviertel, Phase nach dem Lockdown), in welcher sich eine gewisse positive Dynamik eingestellt hatte. Klar besser als der Gegner war man aber auch in diesen Phasen nie. Die positiven Resultate bauten auf einer guten Abschlusseffizienz und einem phasenweise stärkeren Fokus aufs Umschaltspiel auf.

Keine neue Erkenntnis: Konterfussball ist die Stärke des Teams

Schon vor Meisterschaftsstart vor einem Jahr und in der Folge wurde hier auf Züri Live in Artikeln und Live-Übertragungen betont, dass die Mannschaft in dieser Zusammensetzung ihre offensiven Stärken im Umschaltspiel hat. Schnelligkeit ist eine der wenigen Eigenschaften, in welcher dieser FCZ ligaweit überdurchschnittlich ist. Für Ballbesitzfussball sind die Spieler im Kader hingegen fast durchs Band nicht geschaffen. In engen Räumen wirken sie wie ein watschelnder Vogel, der zu wenig Platz hat, um seine Flügel auszubreiten: eine leichte Beute für die Gegner. Das Team verliert aufgrund der motorischen, technischen und teilweise auch mentalen Voraussetzungen seiner Akteure in solchen Situationen zu viele einfache Bälle. Mit der Rückkehr von «Turbo»-Fabian Rohner und Assan Ceesay wird dieses Mannschaftsprofil noch weiter geschärft. Der beste Zürcher Torschütze Blaz Kramer beispielsweise ist ein reiner Konterspieler. Sein «Gerd Müller»-Tor im letzten Spiel gegen Thun gegen einen in dieser Situation indisponierten Nikki Havenaar war eine Ausnahme. Der Slowene konnte sich in den Zweikämpfen und auf engem Raum praktisch nie durchsetzen und ist trotz seiner Grösse schwach in der Luft. Man kann einzig auf seine Lernkurve nach seiner ersten echten Profisaison hoffen.

Der neue sportliche Gesamtverantwortliche Marinko Jurendic räumt dies an der Saisonvorschau-Pressekonferenz gegenüber Züri Live ein: ja, 60% der Tore seien letzte Saison mit Umschaltspiel erzielt worden. Fast alle übrigens aus einer eher tiefen Position heraus mit Ballgewinnen in der Abwehr oder im Mittelfeld, gälte es da noch anzumerken. Zu Saisonbeginn gegen Lugano spielte man im Letzigrund hohes Pressing, welches die Tessiner aushebelten und 4:0 gewannen. Im zweiten Saisonviertel funktionierte das hohe Pressing dann etwas besser. Aber als eine echte Stärke des Teams, wie Trainer Magnin dies sieht, kann man es bisher noch nicht bezeichnen. In der entsprechenden Statistik der letzten Saison liegt der FCZ an fünfter Position hinter St. Gallen und YB, die in dieser Kategorie klar vorne liegen, sowie Servette und Basel. Marinko Jurendic stützt aber trotzdem Magnins Bestreben, mit diesem Team auch Ballbesitzfussball zu spielen. Man müsse beides beherrschen, auch wenn Ballbesitzfussball zu etablieren bei vielen Jungen und personellen Wechseln nicht einfach sei. Auch teilt Jurendic, so wie es aussieht, weitgehend Magnins Haltung, bei einem Spieler stärker auf einzelne herausragende Fähigkeiten zu schauen, als aufs Gesamtpaket. So bringt er gegenüber Kramer, der defensiv bisher ungenügend und offensiv sehr einseitig veranlagt ist, aufgrund dessen Torbeteiligungsquote viel Verständnis entgegen.

Grosser Schritt nach vorne bei Standards und Flexibilität

Aus Züri Live-Sicht muss man bei der Bewertung der letzten Saison einen Unterschied machen zwischen der Entwicklung des Teams insgesamt und der Einzelspieler. Als Team hat man einerseits definitiv Fortschritte bei Standards gemacht – zuerst in der Vorrunde unter anderem mit der Umstellung von Mann- auf Raumdeckung bei Defensivstandards – nach dem Lockdown dann wie aus dem Nichts auch bei Offensivstandards – ein fast schon jahrzehntealtes Problem beim FCZ. Es war wie ein Umdrehen des Spiesses, als hätte man intern eine Liste erstellt mit all den Tricks und Finten, mit welchen die Gegner jahrelang entscheidende Standardtore gegen das Letzigrundteam erzielt hatten – und würde diese Liste nun Punkt für Punkt abarbeiten und in der Offensive glänzend umsetzen.

Ausserdem kann das Team mittlerweile problemlos während eines laufenden Spiels zwischen mehr als einem halben Dutzend Spielsystemen hin und her switchen. Diese Fähigkeit hat der Mannschaft fast jedes Mal geholfen, das Spiel besser in den Griff zu bekommen, und manches Mal dann auch in Sachen Punkteausbeute. Ohne diese Qualität wäre man auf dem Barrageplatz gelandet.

Es fehlt die Qualität für erfolgreichen kontrollierten Spielaufbau

Andererseits fehlte der Mannschaft die Konstanz sowohl über die ganze Saison hinweg, als auch innerhalb eines einzelnen Spieles fast durchgehend. Gut hat der FCZ meist dann gespielt, wenn er mit einer proaktiven Haltung auf den Platz ging – sei es, gegen einen anstürmenden Gegner erstmal stark dagegenzuhalten, oder selbst entschlossen zu attackieren – und immer die erste sich bietende Gelegenheit zu einem Pass, einem Schuss oder einer Balleroberung sofort nutzen zu wollen.

Zu häufig ging man aber mit einer zu abwartenden, zu wenig entschlossenen Haltung auf den Platz. Zu Lucien Favre-Zeiten und weitgehend auch noch unter Challandes war man die spielerisch beste Mannschaft der Schweiz gewesen. Diese Grundhaltung, es zuzulassen, dass der Gegner sich defensiv formieren kann, weil man sich sicher ist, mit der eigenen spielerischen Qualität auch einen solchen Gegner knacken zu können, scheint danach als Erbe zurückgeblieben zu sein. Der Anteil der Spieler im Kader, welche die Kombination von Technik, Beweglichkeit, Antrittsschnelligkeit und Spielintelligenz eines Raffael, César, Alphonse oder Abdi mitbringen, nahm aber mit den Jahren kontinuierlich ab, bis er schliesslich gegen Null tendierte. Einfach nur technisch-spielerisch starke Offensivspieler hatte man mit Chikhaoui, Chiumiento, Buff, Marchesano, Mahi oder Popovic weiterhin immer mit dabei. Aber diesen fehlte allen das eine oder andere wichtige Element, um auf Super League-Niveau mit Ballbesitzfussball eine Überlegenheit etablieren zu können. Der aktuellen Mannschaft geht diese Qualität auf Super League-Niveau bisher fast gänzlich ab. In der Challenge Legue könnte sie auf diese Weise erfolgreich spielen – oder wenn ein eher mässig bestückter Super League-Gegner zusätzlich auch noch einen schlechten Tag erwischt.

Kredit für Omeragic und Sohm wird sich auszahlen

Was die Entwicklung der einzelnen Spieler betrifft, gab es hingegen trotz des Siebten Schlussranges letzte Saison viel Positives zu beobachten. Der zu Saisonbeginn 18-jährige Simon Sohm (2’149 Einsatzminuten) und der damals 17-jährige Becir Omeragic (1’779) wurden zu Stammspielern. Beide zeigten Leistungsschwankungen, aber der FCZ wird in der kommenden Saison davon profitieren, dass man letzte Saison Aufbauarbeit geleistet und auf diese zwei Teenager, die in ihrem Jahrgang zu den talentiertesten der Schweiz gehören, voll gesetzt hat. Man kann erwarten, dass sie das, was sie letzte Saison phasenweise gezeigt haben, nun regelmässiger und mit höherer Konstanz auf den Platz bringen. Bereits eine hohe Konstanz auf den Platz gebracht hat Mittelfeldspieler Toni Domgjoni – was sich schlussendlich auch in seinen Einsatzzeiten niederschlägt (mit 2’599 Minuten die Nummer Eins unter den Feldspielern). Der Dauerläufer und Aggressivleader ist ein Leistungsträger, der nur selten mal einen schlechten Tag erwischt. Wenn es doch mal passiert, erhält er von seinem langjährigen Trainer (abgesehen von ein paar Monaten zwischendurch unter Massimo Rizzo) schon nach zehn Minuten einen Rüffel – und wenn das nicht wirkt, eine kleine Denkpause. Danach ist «die Maschine», wie er auch von gegnerischen Spielern genannt wird, jeweils sofort wieder da.

Der zweite «Toni» im Team, zwar älter und stolzer Vater, aber trotzdem liebevoll «Tonino» genannt, hat sich unter Magnin zur fussballerisch bestmöglichen Version seiner selbst entwickelt. Wer den über weite Strecken seiner Karriere defensivfaulen und deshalb Super League-untauglichen Marchesano in Erinnerung hat, und sieht, wie er heute für die Mannschaft rennt, kämpft und Verantwortung übernimmt, muss davon ausgehen, dass es sich um den von der Mentalität her völlig andersartigen Bruder Marchesanos handeln muss. Dieser Entwicklungsprozess hatte beim Tessiner schon in Biel begonnen, aber erst seit kurzem ist er zu einem Spieler gereift, der in der Super League, Europa League oder in einem Cupfinal die Entscheidung herbeiführen kann. Genauso war die letzte Saison individuell die beste Spielzeit Nathans, seit er in der Schweiz aktiv ist. Er hat in seiner ersten FCZ-Saison an seinen Schwachpunkten gearbeitet, die er bei Servette und GC noch an den Tag gelegt hatte – und spielt heute deutlich zuverlässiger.

Die erstaunliche Wandlung des Benji K.

Der aus Lettland in die Schweiz gewechselte Aiyegun Tosin hat von Anfang an eingeschlagen – ohne Eingewöhnungszeit, welche direkt aus Westafrika zum FCZ transferierte Spieler wie Koné, Britto und teilweise Odey in den letzten Jahren immer wieder gebraucht hatten. Wichtig ist vor allem auch seine defensive Mitarbeit auf der rechten Seite. Nun muss er nach auskurierter Verletzung nur noch seine übliche schwache Viertelstunde, die er in fast jedem Spiel einzieht, noch wegbringen. Die reaktivierten Pa Modou und Kempter schlugen sich über weite Strecken erstaunlich gut. Schönbächler war phasenweise fast wieder «der Alte», Brecher wurde unter Magnin deutlich stabiler – und der aus der Regionalliga in die Super League gewechselte Kramer erzielte mehr Tore, als dies aufgrund seiner Erfahrung und Fähigkeiten hätte erwartet werden können.

Die erstaunlichste Wandlung zum Positiven zeigte aber Benjamin Kololli. So gut, wie zwischen Lockdown und Quarantäne hat der Waadtländer in seiner ganzen Karriere noch nie auch nur annähernd gespielt. Fokussiert! Auch in der defensiven Phase wertvoll! Top-Standards! Schon in den letzten Jahren hatte Magnin den mittlerweile 28-jährigen mehrmals als Sturmspitze ausprobiert: nun setzte er dies endlich regelmässig in der Liga in die Tat um. Damit hatte der FCZ vorne zentral die zuvor vermisste Anspielstation, die den Ball halten kann und gleichzeitig auch noch im Abschluss zu den treffsichersten gehört. Kololli gehört zu denjenigen Spielern, die mit zu viel Zeit und Platz im Spielaufbau schlecht umgehen können – daher tut ihm der erhöhte Druck der Gegenspieler im Zentrum gut. Gegen Saisonende kam mit Henri Koide dann noch ein zweiter Mann, welcher den Ball vorne gut halten kann, hinzu.

Kryeziu & Kryeziu könnens besser

Mimoun Mahi, der nach der Geburt seines zweiten Kindes gemäss Präsident Canepa auf Wunsch der Ehefrau wieder zurück nach Holland gezogen ist, spielte in Zürich eigentlich nicht anders, als davor in Groningen. Nur dass halt seine fehlende Direktheit im Spiel von Anfang an Zweifel geweckt hatte, ob diese Spielweise gegen die im Vergleich mit der Eredivisie defensiv disziplinierteren Super League-Gegner von Erfolg gekrönt sein kann. Wie sich gezeigt hat: eher nicht. Willie Brittos Entwicklung verläuft ebenfalls im erwarteten Rahmen. Nach seiner ersten Saison und 953 Spielminuten im europäischen Fussball kann man erfahrungsgemäss noch keine Wunder erwarten. Der Ivorer bringt bezüglich Dynamik aber gute Voraussetzungen mit. Zum Vergleich: Aiyegun Tosin war schon drei Jahre in Europa mit mehr als 7’000 Spielminuten für Ventspils und unter anderem acht Skorerpunkten in der Europa League-Qualifikation, als er zum FCZ kam. Und Moussa Koné war auch nach mehr als zwei Jahren beim FCZ noch nicht reif und entwickelt genug, um sich einen Super League-Stammplatz zu erkämpfen.

Unzufrieden kann man mit der Entwicklung der beiden Osteuropäer Kharabadze und Popovic sein. Letzterer hat zwar relativ gute Standards geschlagen und seine spielerischen Qualitäten angedeutet, kam aber mit Trainingsrückstand nach Zürich, den er die ganze Vorrunde nie aufzuholen im Stande war. Zudem passte er nicht so gut in die Mannschaft, wie er dies in den Aussenseitermannschaften der Russischen Premier Liga in Orenburg und Samara tut. Levan Kharabadze fand sich auch durch wiederholte Verletzungen kaum mal richtig ins Team und war defensiv auf der Problemseite links keine grosse Hilfe. Dass der Georgier nach seiner vorläufigen Rückkehr nach Tbilisi in Westeuropa nochmal einen zweiten Anlauf nehmen wird, ist trotzdem ziemlich wahrscheinlich. Auch von den beiden «Kryezius» hätte man unter dem Strich eine bessere Entwicklung erwarten können. Bei keinem anderen Spieler braucht es so wenig, um eine starke Leistung in einen schwachen Auftritt zu verwandeln oder umgekehrt, als bei Mirlind Kryeziu. Und Heki ist weiterhin zu stark mit sich selbst beschäftigt, als dass er eine echte Stütze sein könnte. Seine Auftritte in der Zentrale der Dreierabwehr machten aber Hoffnung. Ähnlich wie bei Kololli im Sturmzentrum, ist Kryeziu da in einer rein defensiven Rolle so sehr vom Gegner und den Spielsituationen in seiner Konzentration gefordert, dass er keine Zeit mehr zum Überlegen hat – was sich auf ihn leistungsfördernd auswirkt.

FCZ 20/21 – ein klarer Aussenseiter mit viel Potential

Insgesamt mag der FC Zürich als Klub gut aufgestellt sein und nahm in den letzten Jahren sowohl bezüglich Academy als auch bei den Frauen zusammen mit Basel ein Vorreiterrolle ein. Allerdings haben andere Klubs in beiden Bereichen stark aufgeholt. Der Vorreiter bezüglich Academy und Übergang von der Academy in die 1. Mannschaft ist aktuell Luzern. FCB und FCZ sind immer noch vorne dabei, aber Lausanne, YB, St. Gallen und selbst Aarau machen von hinten diesbezüglich stark Druck. Servette hat das Problem «Alain Geiger», der trotz vorhandenem Reservoir an Talenten die Jungen erst brachte, als es nicht mehr anders ging – und einen Kastriot Imeri, der bei den meisten anderen Super League-Klubs schon vor zwei Jahren Stammspieler geworden wäre, sogar in der Challenge League mehrheitlich auf der Bank beginnen liess. Bei den Frauen hatte Basel schon immer die grössten Mittel, was sich aber nie in Erfolg ummünzen liess. Nun sind sie aber mit einem sehr talentierten Team wieder als echter Meisterkandidat am Start. Von Servette, das ebenfalls mit einer Reihe von Profispielerinnen aufläuft, gar nicht zu sprechen. Die Genferinnen sind Meisterschaftsfavorit. Auch St. Gallen-Staad hat eine gute Entwicklung genommen und macht traditionellen Verfolgern wie Luzern oder YB Konkurrenz. GC hat mit Sascha Müller einen interessanten neuen Trainer, der in der Academy schon viele Junioren stark entwickelt hat. Trotzdem gehören die Frauen des FCZ auch in der neuen Saison zu den Meisterschaftsanwärtern und spielen erneut in der Champions League.

Die FCZ-Profis starten hingegen nach zwei 7. Plätzen hintereinander als klarer Aussenseiter in die neue Super League-Saison. In den letzten neun Jahren hat man in der 1. Mannschaft immer von Qualitäts-Talenten aus der eigenen Academy profitiert, auf welche viele andere Teams nicht zurückgreifen konnten. Bezüglich Reife und Spielanlage war der FCZ aber tendenziell unterlegen – sicherlich teilweise auch dadurch bedingt, dass man weniger Kontinuität im Team hatte, als viele andere Mannschaften. Selbst in der Challenge League-Saison spielte ein Teil der gegnerischen Mannschaften den reiferen Fussball. Das Potential kann man diesem Aussenseiter aber nicht absprechen. Wer einen Omeragic und Sohm mit jeweils einjähriger Stammspieler-Erfahrung, einen Koide, einen Rohner oder Gnonto in seinen Reihen weiss, kann sich über fehlende Perspektiven nicht beklagen! Der 16-jährige Wilfried Gnonto wirkt trotz seines Alters schon Super League-reif und kann auf allen Offensivpositionen eingesetzt werden. Fabian Rohner ist auf der Standardposition für die schnellsten Spieler im modernen Fussball (Aussenverteidiger) vorgesehen, kann aber auch weiter vorne eingesetzt werden.

Problemposition: ungelöst

Am anfälligsten war der FCZ auch in der abgelaufenen Saison über die Seiten. Das ist auch der wichtigste Grund, warum man im Gegensatz zu anderen Teams der Liga gegen YB wirklich so gut wie nie «einen Stich» hat, denn das Spiel über die Seiten ist die grosse Stärke der Berner. Unter anderem während vier Jahren dank Linksverteidiger Loris Benito, welcher in der Saison 13/14 als Nachfolger des Duos Rodriguez / Magnin der letzte konstant gute Linksverteidiger beim FCZ war. Seither ist dies beim Stadtclub eine Problemposition. Zuerst wurde in der Saison darauf mit Dreierabwehr und Schönbächler als linker Aussenläufer gespielt. Dann folgte das Abstiegsjahr mit dem von Lazio ausgeliehenen Brasilianer Vinicius. Voser oder Schättin hinterliessen auch keine grossen Spuren und Muheim sträubte sich damals noch gegen die Umfunktionierung auf diese Position. Mit Kharabadze, Guenouche oder Pedersen wurde die linke Seite auch nicht stabilisiert und Pa Modou war häufig verletzt oder angeschlagen. Daher kam es ziemlich überraschend, als Michael Kempter, der seine Chance nach der Corona-Pause genutzt zu haben schien, auf der SFL-Seite vor rund einer Woche bei den «Abgängen» auftauchte. Man habe mit ihm über einen neuen Vertrag verhandelt, heisst es dazu vom neuen Sportchef Marinko Jurendic, aber die beiden Seiten hätten sich nicht gefunden.

Ebenfalls verlauten liess man, wen der FCZ als nächstes Top-Talent erachtet: Silvan Wallner. Mit dem 18-jährigen soll speziell auch Alain Nef arbeiten, um aus ihm mindestens einen starken Super League-Verteidiger zu formen. Für links hinten wird auf jeden Fall noch ein neuer Mann gesucht. Einen «Führungsspieler» auf gutem Super League-Niveau kann ein Klub wie der FCZ im Normalfall aber weder verpflichten, noch in wenigen Wochen züchten. Weltenbummler Palsson oder der langsamer werdende Popovic, die für solche Rollen vorgesehen waren, waren aus verständlichen Gründen schneller wieder weg, als dass irgendetwas Nachhaltiges hätte entstehen können – es fehlte ihnen zudem auch an der notwendigen Qualität und in vielen Spielen an Leistung, um ein hohes Standing in der Mannschaft zu erhalten. YB und Basel können mit ihren Mitteln einen Lustenberger, Frei oder Stocker aus der Bundesliga verpflichten, Sion einen Kasami. Alle anderen Klubs müssen normalerweise ihr Führungspersonal intern entwickeln. Beim FC St. Gallen hat sich Silvan Hefti hervorragend in diese Rolle eingelebt, in Luzern ein Pascal Schürpf. Der FCZ hat mit Domgjoni, Rüegg, Nathan, Marchesano, Brecher und mittlerweile selbst Kololli oder Omeragic so viele «halbe Führungsspieler» wie kaum ein anderes Super League-Team. Die Krux an der Sache: nur ein Spieler mit einer konstant starken sportlichen Leistung kann glaubwürdig eine Führungsrolle übernehmen. Von obengenanten Kandidaten traf dies letzte Saison nur auf Domgjoni zu, welcher schon bei den Junioren der geborene Captain war. Er könnte analog Silvan Hefti durchaus im Verlauf der kommenden Saison in eine solche Rolle auch in der Ersten Mannschaft noch stärker hineinwachsen.

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