Einzig Schönbi gut in Mittelfeld und Sturm / FCSG – FCZ 1:1 in der Züri Live-Analyse
Spiel, Gegner und Taktik
St. Gallen-Trainer Peter Zeidler erinnerte sich vor der Partie ganz offensichtlich daran, dass sein Team zuletzt gegen den FCZ immer verloren hat, wenn es von Beginn weg Vollgas vorne drauf ging, und andererseits mit einer abwartenden Spielweise und wenig Ballbesitz im Dezember im Letzigrund 2:1 gewinnen konnte. So sprang er nach zehn Gegentoren in den drei Spielen davor über seinen Schatten, und liess die Grünweissen auch diesmal wieder sehr zurückhaltend spielen. Die Pressinglinie lag in der Regel nicht allzu weit von der Mittellinie entfernt, und bei Angriffen wurde auf die nachrückenden Mitspieler gewartet. Auch fehlte beim Umschalten mit Kwadwo Duah (Ersatzbank) der schnelle Zielspieler, welcher handlungsschnell aggressiv die Tiefe attackiert, in der Startformation. Lukas Görtler war nach dem wegen einer Knöchelverletzung verpassten Spiel in Lausanne (3:4) sichtlich noch nicht ganz im Vollbesitz seiner Kräfte. Zeidlers Strategie, auf alle in der EM-Gruppenphase in Slowenien beanspruchten U21-Nationalspieler (Guillemenot, Muheim, Stergiou) in der Startaufstellung zu setzen, ging zudem nicht auf. Es war ein ungewohntes Bild: man hatte von der Spielart her das Gefühl, einen FC St. Gallen aus den 90er-Jahren vor sich zu haben – einfach ohne die damalige kämpferische Intensität.
Man hatte als Beobachter nie den Eindruck, dass hier mit Haken und Ösen um den Klassenerhalt und auch noch ein bisschen um Europacupplätze gekämpft würde. Das von Blue-Kommentator Michael Fritschi herbeigeredete „Kampfspiel“ fand nicht statt. Der FCZ beispielsweise beging total nur gerade 10 Fouls. Dass es auf beiden Seiten trotzdem je vier Gelbe Karten plus eine Gelb-Rote setzte, lag an der erratischen Spielleitung durch Alessandro Dudic, die eher einem Zufallsprinzip als einer Logik zu folgen schien. Bei den mit Gelb-Rot vom Platz gestellten Jordi Quintilla sowie Ousmane Doumbia muss man je eine der beiden Verwarnungen (die erste bei Quintilla, die zweite bei Doumbia) als äusserst fragwürdig bezeichnen. Schon Mitte der Ersten Halbzeit wurde es offensichtlich, dass Dudic in einem weder allzu schnellen noch gehässigen Spiel zielstrebig auf ein bis zwei Gelb-Rote Karten zusteuerte. Tatsächlich musste dann der 27-jährige Jordi Quintilla zum ersten Mal in seinem Profileben vom Platz – und Ousmane Doumbia wird nun schon wieder gegen seinen Ex-Klub Servette gesperrt fehlen.
Dafür pfiff Dudic je eine penaltyreife Szene auf beiden Seiten nicht, und gab schon früh bei einem harten Foul von Muheim gegen Schönbächler dem Gefoulten (!) die Gelbe Karte – Muheim hatte von unten in Schönbis Wade gehauen und sich dabei weh getan. Unter der fast schon endlosen Liste an Fehlentscheidungen war natürlich auch wieder eine klassische Guillemenot-Schwalbe. Der U21-Nationalspieler checkt Rohner im Laufduell um. Guillemenot steht dann dem auf dem Bauch liegenden Rohner aufs Bein und lässt sich wie immer mit ausgebreiteten Armen fallen. Skurril, dass Dudic selbst auf so etwas hereinfiel. Glücklicherweise war es „nur“ eine Freistosssituation an der Eckfahne. Dies nachdem derselbe Guillemenot eine Runde davor in Lausanne zwei weitere klare Schwalben im gegnerischen Strafraum produziert – und einmal davon den Penalty sogar zugesprochen erhalten hatte. Es ist erstaunlich, dass ein Spieler mit solch kontinuierlichen Unsportlichkeiten Woche für Woche während nun mehr als zwei Jahren ohne Disziplinarstrafe davonkommt.
In den ersten 30 Minuten gelangen dem FCZ verschiedenste gute Offensivszenen, unter anderem ein „Luzerner Kreisel“ auf der rechten Seite mit Rohner, Kololli und Dzemaili. Danach war aber Ende Feuer und das FCZ-Spiel vor allem geprägt vom Unvermögen der zurückgekehrten Dzemaili, Tosin (beide mit Comeback) sowie Kololli – bei Kololli und Dzemaili kam viel Passivität hinzu. Speziell ab der 30. Minute stellte Blerim Dzemaili seine Laufarbeit weitgehend ein, und begann stattdessen ausgiebig mit Mitspielern und dem Schiedsrichter zu lamentieren. Der FCZ war ab da zwar nicht faktisch aber effektiv mit einem Mann weniger auf dem Platz – und wirkte auch so. In Mittelfeld und Sturm spielten alle Starter ausser MVP Marco Schönbächler ungenügend bis schlecht. Dieser hatte nach dem 1:0-Sieg in Lugano einen zweiten sehr guten Einsatz als Marchesano-Ersatz auf der 10er-Position. Schönbächlers Hauptverdienst in dieser Partie war seine fleissige Defensivarbeit, mit der er immer wieder Lücken schloss, welche die fehlende Präsenz von Dzemaili (und teilweise Doumbia) auf der Sechserposition immer wieder gerissen hatte. Auch die Flügelspieler mussten zur Unterstützung des Zentrums häufig einrücken. So wurde man, speziell in der 2. Halbzeit, immer mehr hintenrein gedrückt und konnte sich selten lösen – selbst in Überzahl. Und eine leichte Tempoerhöhung des FCSG um die 70. Minute genügte bereits, um den FCZ richtig vor Probleme zu stellen.
Personalien
Fabian Rohner (5) – Mit abwechselnd Tosin und Kololli vor ihm fokussiert sich Rohner auf solide Defensivarbeit. Dies geht so lange gut, wie von St. Gallen wenig kommt. In der Druckphase der Ostschweizer in der 2. Halbzeit erinnerte die rechte Zürcher Seite phasenweise wieder etwas an die 1. Halbzeit gegen Luzern. Hat Glück, dass sein Foul an Duah im eigenen Strafraum nicht mit einem Penalty bestraft wird. Rohner haut dabei am Ball vorbei und trifft des gegnerischen Angreifers Bein. Die Szene ging im Trubel der (tendenziell unberechtigten) Reklamationen der St. Galler um ein vermeintliches Penaltyfoul von Hekuran Kryeziu an Miro Muheim wenige Momente davor unter. Bei seinem einzigen Vorstoss nach vorne legt sich Rohner den Ball zu weit vor.
Ousmane Doumbia (3) – Beginnt das Spiel mit gutem direktem Spielaufbau, fängt dann aber im Verlauf der 1. Halbzeit parallel mit Nebenmann Dzemaili an, stark abzubauen – und auch im zweiten Durchgang wurde es nicht mehr besser. Hilft in eigener Strafraumnähe zu wenig den Kollegen auf der Seite gegen eine St. Galler Überzahl aus. Nach drei guten Spielen in Folge wieder mal ein ungenügender Auftritt. Macht das Zentrum somit noch etwas vulnerabler.
Blerim Dzemaili (1) – Profitiert zu Beginn davon, dass St. Gallen deutlich vorsichtiger als normal auftritt. So fällt seine Langsamkeit weniger schwer ins Gewicht. Spätestens nach 30 Minuten fällt sein Spiel aber wieder komplett auseinander: Ballverluste am Laufmeter, selten auf seiner Position, überfordert selbst mit dem in dieser Partie eher tiefen Super League-Tempo, läuft immer wieder „wie ein Schuljunge“ ins Leere und bleibt viel stehen, statt umzuschalten. Gleichzeitig beginnt sein kontinuierliches Lamento bei Schiedsrichter und Mitspieler. Nach der Einwechslung von Seiler wechselt Dzemaili auf Schönbächlers 10er-Position, holt dabei gleich die Gelb-Rote Karte gegen Jordi Quintilla heraus, vergibt aber gleichzeitig zwei, drei ausgezeichnete Situationen zum Ausbau der Führung durch ungenügende Handlungsschnelligkeit. Schlägt seinen ersten Corner seit der Rückkehr nach Zürich (bisher nur Freistösse) – es ist auch gleich der Einzige für den FCZ in dieser Partie. Fidan Aliti mutet er mit seinem halbhohen Ball an den nahen Pfosten dabei etwas gar viel Akrobatik zu.
Aiyegun Tosin (1) – Erstaunlich spritzig bei seinem ersten Einsatz nach der Verletzungspause. In einer Szene in der 15. Minute dribbelt er sich im Stile eines Weltklasse Alpin-Slalomfahrers der Mittellinie entlang quer durchs Mittelfeld – spielt dann aber einen viel zu gefährlichen Querpass, der von Ruiz abgefangen und zum schnellen Gegenstoss wird. Tosins beste Aktion ist die gute Flanke aus dem Halbfeld auf Ceesay, die kurz vor der Pause zum Penalty führt. Der Nigerianer präsentiert sich grundsätzlich durchaus bemüht, auch defensiv, verursacht aber über die ganze Partie hinweg viel zu viele Ballverluste und unnötige Foulspiele. Im Gegensatz zu Dzemaili und Kololli ist die Note „1“ von Tosin eine „knappe 1“, beziehungsweise „beinahe 2“.
Marco Schönbächler (9) – Schönbächler hat schon weit in der Vergangenheit auf der Zehnerposition oder als hängende Spitze gut gespielt, beispielsweise bei einem 4:0-Heimsieg gegen YB im Jahr 2013 oder einem 1:1 gegen Villarreal drei Jahre später. Nach dem Auswärtssieg in Lugano spielt Schönbi erneut als Ersatz für Antonio Marchesano auf dieser Position und ist auch diesmal der beste Zürcher. Bei seinen Einsätzen auf dem Flügel Schnitt er hingegen seit der Winterpause jeweils mit einer Züri Live-Note zwischen 1 und 5 ab. Vor allem defensiv verrichtete Schönbi in St. Gallen enorm viel Arbeit und stopfte die vor allem durch Blerim Dzemaili verursachten Lücken bis zurück an den eigenen Strafraum. Schönbächler hat dadurch wenig Szenen nach vorne, aber wenn, haben sie Hand und Fuss. Von Tosin und Rohner wurde er mehrmals zu steil angespielt. In der 62. Minute macht Schönbächler vor einer St. Galler Eckballvariante Fabian Rohner darauf aufmerksam, den zusätzlich sich in den Strafraum schleichenden Jordi Quintilla am nahen Pfosten in Manndeckung zu nehmen, was ein entscheidender Hinweis ist – Quintilla wird tatsächlich angespielt und hätte mit weniger Bedrängnis das Tor erzielen können. Mit 1:0 in Führung liegend wurde Schönbächler ausgewechselt.
Benjamin Kololli (1) – Vom Anpfiff weg erneut ein viel zu passiver Auftritt. Einer seiner zahlreichen Fehlzuspiele und Unaufmerksamkeiten führt zur ersten guten St. Galler Chance durch Jérémy Guillemenot. Ein Grund für seine vielen Ballverluste: beschäftigt sich in den Zweikämpfen viel zu sehr mit dem Gegenspieler und viel zu wenig mit dem Ball – eine schlechte Angewohnheit, die Kololli schon seine ganze Karriere mit sich herumschleppt – und einer der Gründe, warum der Waadtländer trotz seinen Anlagen nie den Sprung in eine Top-Liga geschafft hat. Zum dritten Mal in Folge eine deutliche Note „1“ – trotz des verwandelten Penaltys.
Assan Ceesay (4) – Ist auf der Mittelstürmerposition nicht so extrem auf verlorenem Posten wie zuletzt in Genf, weil er von St. Gallen mehr Freiheiten erhält. Zu Beginn nach seinem Erfolgserlebnis in der Nationalmannschaft etwas übermotiviert in seinen Aktionen. Wieder holt der Gambier in St. Gallen einen Penalty heraus, bleibt aber nach drei Saisonvierteln bei ganzen zwei selbst erzielten Treffern.
Blaz Kramer (1) – Wie bei Tosin eine „knappe 1“. War mit Slowenien in der Startaufstellung bei der 0:1-Niederlage auf Zypern und wurde beim 1:0-Sieg gegen Vizeweltmeister Kroatien eingewechselt. Verliert weiter fast alle Bälle, wenn Brecher diese hoch spielt. Mit einer starken Aktion (allerdings begünstigt durch ein Stürmerfoul) bereitet Kramer die Top-Chance des FCZ durch Benjamin Kololli (freie Schussbahn aus 15m) in der 75. Minute vor.
Stephan Seiler (4) – Zwei Balleroberungen gleich zu Beginn und ein wichtiger Block im Strafraum gegen Stillhart – hat aber insgesamt mehr schlechte als gute Phasen in seinem Teileinsatz. Mit Elan auf den Platz gekommen, lässt er sich schon nach 10 Minuten von der Passivität Dzemailis und Kolollis zu stark anstecken.
Wilfried Gnonto (8) – Einer der wenigen im Team mit klar aufsteigender Tendenz. Scheint seine Schwächephase überwunden zu haben – seit dem Luzern-Heimspiel vor einem Monat immer zufriedenstellende bis gute Leistungen. In der 87. Minute legt er den Ball an Stillhart vorbei in den gegnerischen Strafraum. Der St. Galler geht nur auf den Mann – der fällige Foulpfiff (Penalty oder Freistoss) bleibt aber unverständlicherweise aus.
Telegramm
St. Gallen – FC Zürich 1:1 (0:1)
Tore: 45.+3 Kololli (Foulpenalty, Ceesay) 0:1; 76. Duah (Ruiz) 1:1.
St. Gallen – Zigi; Lüchinger (46. Youan), Stergiou, Fazliji, Muheim; Quintilla; Görtler, Ruiz (81. Cabral); Stillhart; Adamu, Guillemenot (46 Duah).
FCZ – Brecher; Rohner, H. Kryeziu, Nathan, Aliti; Doumbia, Dzemaili; Tosin, Schönbächler (65. Seiler), Kololli (81. Gnonto); Ceesay (65. Kramer).
(Standbilder: Blue)