Warum der FCZ in zehn Minuten drei Gegentore kassiert. Das Spiel Thun – FCZ (3:2) in der Analyse.

Kommt eine Mannschaft nicht ins Spiel, wie der FCZ in Thun, dann sind die Erklärungen in der Live-Berichterstattung schnell zur Hand: „Sie sind nicht wach“, „Es fehlt der Biss“, „Mit den Gedanken irgendwo anders“. Die Züri Live-Übertragungen sind da keine Ausnahme. Da keiner von uns Lucien Favre heisst, erkennen wir manchmal nicht auf den ersten Blick, was tatsächlich falsch läuft. Dazu ist dann die ausführliche Match-Analyse da, für die wir uns nach jedem Spiel die nötige Zeit nehmen. Diese fördert immer interessante Aspekte zutage: manchmal sind es Details, manchmal stellt sie die LIve-Einschätzung des Spiels aber auch so ziemlich auf den Kopf.

Dass der FC Thun in den ersten 20 Minuten scheinbar mühelos gleich mit 3:0 in Führung gehen konnte, hatte zu grossen Teilen taktische Gründe, wobei „Taktik“ nicht nur die entsprechenden Vorgaben, sondern auch deren Umsetzung auf dem Platz beinhaltet. In der 29. Minute reagierte der FCZ und stellte seine ursprüngliche Taktik um. Ab da bekam man die Partie sofort deutlich besser in den Griff. Schon zwei Minuten später führte dies zum ersten Eckball, ersten Torschuss und Tor zum 1:3. Was war also das Problem der ersten 28 Minuten?

Dafür muss man erstmal etwas Ausholen: Kompakt stehen und dem Gegner wenig Raum zum Spielaufbau geben ist schon seit Jahrzehnten das A und O des modernen Defensivfussballs. Gewisse Abweichungen davon gibt es seit ein paar Jahren mit dem ultraschnellen Umschaltfussball à la St. Gallen und dessen Vorbildern, bei welchem die Reihen automatisch weiter auseinanderrücken, als dies in Partien mit Beteiligung von anderen Teams der Fall ist. Diese grösseren Räume kommen speziell dem FCZ und dessen Qualitäten entgegen, was mit ein Grund ist, warum das Magnin-Team zur Zeit gegen St. Gallen so viele positive Resultate liefert. Unabhängig davon, ob man das Pressing hoch, im Mittelfeld oder tief ansetzt, und ob man schnell in die Offensive umschaltet oder nicht (wie schnell man in die Defensive umschalten muss, hängt im Wesentlichen vom Gegner ab), ist schon seit langer Zeit das Essenzielle jeder Defensivarbeit, den jeweils ballführenden Gegner mit unterschiedlichen Mitteln so unter Druck zu setzen, dass dieser keine gefährlichen Pässe spielen kann, eben, zu „pressen“. Freies Spiel lassen kann man gegnerischen Verteidigern und dem Torhüter höchstens in einer Zone, in welcher unmittelbar gefährliche Pässe in die Tiefe, auf welche die eigenen Verteidiger allenfalls nicht mehr schnell genug reagieren können, nicht möglich oder zumindest sehr unwahrscheinlich sind.

„Die Verteidigung beginnt vorne“ ist nicht nur ein Spruch. Qualitätsunterschiede zwischen der Verteidigungsarbeit der Stürmer sind heutzutage in einer Liga beispielsweise im Vergleich der Mittelfeldteams häufig wegweisender für die defensive Stabilität, als die meist etwa ähnlich guten Verteidigungsreihen. Der FCZ hatte hier lange ein grosses Problem. Kaum ein anderes Team der Liga hatte so schwach verteidigende Vorderleute wie Kramer, Ceesay, Mahi, Kololli, Schönbächler oder Marchesano. Nun ist der FC Zürich auch heute in dieser Kategorie noch nicht top, es ist aber in dieser Saison eine klare Verbesserung festzustellen – angeführt vom sich enorm entwickelnden Antonio Marchesano, welcher das Pressing im 4-4-2 vorne (abgesehen von ein, zwei Momenten pro Spiel) mittlerweile sehr gut steuert. Marchesano sorgt dafür, dass der Zweierblock gut funktioniert, wobei es da je nach Partner noch Unterschiede gibt. Blaz Kramer hat sich zwar auch etwas entwickelt, nimmt sich aber immer noch zu viele defensive Auszeiten. Marchesanos Copain aus Bieler Zeiten Benjamin Kololli erweist sich hingegen speziell seit der Corona-Pause wie ein umgekehrter Handschuh.

Foto: Moritz Wolf

In Thun hatte der FCZ in der ersten halben Stunde nun in der vorderen Reihe zwei entscheidende Probleme. Erstens: Marchesano war abwesend. Die Personaldecke speziell in den vorderen Reihen ist zur Zeit dünn. So kam Adrian Winter im offensiven Zentrum neben Benjamin Kololli zu seinem Startelf-Comeback ausgerechnet in dem Stadion, wo er sich vor mehr als einem Jahr seinen Kreuzbandriss zugezogen hatte. Winter vorne zentral einzusetzen, ist grundsätzlich ein logischer Schritt, denn die auf dem Flügel so entscheidende Antrittsschnelligkeit hat er altersbedingt auf Super League-Niveau nicht mehr in entscheidendem Masse. Im Offensivzentrum für Unberechenbarkeit sorgen, ist hingegen eine Rolle, die ihm auch als Charakter liegt und in der er der Mannschaft immer noch helfen kann, wie dies die Tessiner TV-Kommentatoren Cerone / Tarchini (Ex-FCZ) zuletzt richtigerweise bemerkt haben.

Zweitens wurde gegen den FC Thun von der bisherigen standardmässigen Verteidigungsformation des flachen 4-4-2 leicht, aber entscheidend abgewichen. Thun spielt wie der FC St. Gallen mit einer Raute im Mittelfeld, dies aber mit mehr Präzision / langsamerem Umschalten. In diesem Zusammenhang wurde offenbar vom FCZ der auf der Sechserposition spielende Thun-Captain Leonardo Bertone als entscheidende Relais-Station im Spielaufbau ausgemacht. Adrian Winter und Benjamin Kololli standen daher nicht auf der gleichen Höhe, um auf der ganzen Breite des Spielfeldes Störarbeit verrichten zu können, sondern einer von beiden nahm jeweils auf der 10er-Position Bertone in Deckung und diesen somit aus dem Spiel. Dies bedeutete für den jeweils Anderen (in der Regel Kololli) lange Laufwege, ohne die beiden Innenverteidiger Stillhart und Havenaar wirklich entscheidend beim Spielaufbau behindern zu können. Der Gedankengang aus FCZ-Sicht lässt sich nachvollziehen. Bertone gilt als einer der Liga-Spezialisten für lange Bälle auf der Sechserposition, während die Innenverteidiger Stillhart und Havenaar nicht den gleichen Ruf geniessen. Allerdings: beide haben sich in letzter Zeit in spielerischer Hinsicht klar verbessert und Stillhart, welcher durchaus das Potential hat, zumindest teilweise in die grossen Fussstapfen des zurückgetretenen Thuner Captains Dennis Hediger zu treten, gelang zudem just gegen den FCZ eine der besten Halbzeiten seiner bisherigen Karriere. Aus diesem Grund ging die Rechnung des FCZ trotz Unterzahl in der vordersten Pressing-Reihe gleichzeitig mit der Viererabwehr relativ hoch stehen zu können, nicht auf.

Nikki Havenaar kann ungehindert mit Ball in die Zürcher Hälfte vordringen und hat mit Aussenverteidiger Sven Joss und dem Achter Matteo Tosetti zwei Anspielstationen in kurzer Passdistanz, um einen gefährlichen Angriff über die rechte Seite zu lancieren.

Den Schuss vor den Bug bezüglich der taktischen Marschroute gab es für den FCZ in der 6. Minute. Weil Winter strikt bei Bertone blieb, musste der fleissige Kololli einen sehr langen Weg gehen und konnte Havenaar nicht hindern, mit Ball am Fuss mehr als fünf Meter in die Zürcher Hälfte vorzudringen (siehe Standbild oben). Dies brachte aufgrund der nun kurzen Passwege des Gegners die kompakt im Raum stehenden beiden Zürcher Viererreihen in Verlegenheit und verschärfte zwei zusätzliche Probleme. Einerseits das geschickte sequentielle Positionsspiel Thuns, in welchem die „Achter“ Tosetti und Hasler in der Angriffszone auf den Flügel ausweichen und dann beim Zurücklaufen den gegnerischen Aussenverteidiger Richtung Mitte mitziehen, um dem eigenen Aussenverteidiger Raum nach vorne zu verschaffen. Andererseits die in Thun nach längerer Zeit wieder aufgetretenen Probleme einer hoch stehenden Zürcher Viererabwehrkette mit der Offsidefalle. Das Duo Mirlind Kryeziu / Kempter stand mehrmals deutlich höher als auf rechts Nathan / Britto.

Die Szene endete mit einer gefährlichen scharfen Hereingabe von Joss von der rechten Seite, die Brecher knapp vor Hassane Bandé am nahen Pfosten wegfausten konnte. Die Zürcher Forwards lernten daraus: über Havenaar kann Thun gefährliche Vorstösse lancieren. Fünf Minuten später lief Adi Winter daher den ballführenden Basil Stillhart von der Mitte an, um den Pass zu Havenaar zu verhindern oder zumindest zu erschweren – und gleichzeitig machte sich sogar Kololli noch zusätzlich für den Fall eines Querpasses auf den Weg Richtung Havenaar und liess dafür sogar Bertone vorläufig stehen (siehe Standbild unten).

Adrian Winter läuft Basil Stillhart von der Mitte aus an, um den Querpass auf Nikki Havenaar zu erschweren. Stillhart nutzt den Raum und Platz, um den Angriff über links selbst zu lancieren.

Stillharts Reaktion darauf ist logisch: er macht rechtsumkehrt, nutzt den sich durch die Fokussierung der Zürcher auf Havenaar bietenden Raum selbst und spielt unbedrängt auf seiner Seite einen Traumpass in die Tiefe für Nias Hefti. Der Ball driftet dabei auf seiner Bahn auf dem Thuner Kunstrasen stabil und präzise wie eine Bowlingkugel in den Lauf des offensiven linken Aussenverteidigers. Rapp verwertet dessen ideale Hereingabe zum Thuner 1:0.

Ein Bild des Grauens: Winter und Kololli kriegen vorne in Unterzahl keinen Zugriff auf die Angriffsauslösung, Britto lässt sich von Hasler zu stark nach innen ziehen, Mirlind Kryeziu und Kempter stehen zu weit vorne, um gegen Rapp und allenfalls Bandé noch effektiv eingreifen zu können.

Man kann in der ganzen Szene Willie Britto nicht zum Vorwurf machen, dass er sich in der Nähe von Nicolas Hasler aufhält und nach innen ziehen lässt, aber er müsste aufgrund der Angriffsauslösung auf seiner Seite sich mindestens zwei bis drei Meter weiter nach rechts begeben, um die Distanz zur Aussenbahn nicht zu gross werden zu lassen. Wohlgemerkt: Thun macht es in dieser Situation richtig gut. Die Spielsituation ändert sich enorm schnell. Zu behaupten, Britto würde „schlafen“, wäre ungerechtfertigt. Er ist durchaus aufmerksam und bemerkt Heftis Lauf nur eine Zehntelssekunde nach obigem Standbild. Das Problem des Ivorers wie auch einiger anderer Zürcher Spieler in ähnlichen Situationen ist aber: er ist noch am „bouncen“. Der trabende, leicht hüpfende Schritt hilft Energie und Kräfte sparen, ist aber komplett ungeeignet, wenn Gefahr im Verzug ist, und verhindert die notwendige ultraschnelle Richtungsänderung. Da muss man stattdessen „auf den Zehenspitzen stehen“.

Stillhart leitet mit ähnlichen weiten Bällen auch das zweite und das dritte Tor ein, wobei er bei letzterem den Ball tief aus der eigenen Hälfte in Bedrängnis durch Kololli mit dem linken Fuss spielt – sein Meisterstück. An diesem Abend schien dem Ostschweizer bis zu seinem Ausschluss alles zu gelingen. In der 29. Minute dann die taktische Änderung des FCZ auf eine Dreierkette, die das Spiel veränderte. Man wollte dabei weiterhin Bertone aus dem Spiel nehmen und stellte daher auf ein 3-4-1-2 um. Nun waren die Zürcher vorne im Dreieck des Thuner Spielaufbaus zwischen Havenaar, Stillhart und Bertone nicht mehr die ewig zu spät kommenden Unterzahlspieler. Der linke (Mirlind Kryeziu) und rechte Innenverteidiger (Willie Britto) vermochten zudem sowohl das Mittelfeld gegen die beiden Thuner Achter Tosetti und Hasler, als auch die Aussenspieler besser zu unterstützen. Vorne führte die Präsenz des zentralen Offensivtrios Kololli – Schönbächler – Winter sofort zum ersten Corner und Tor. In der Zweiten Halbzeit rückte Hekuran Kryeziu zurück auf die mittlere Position der Dreierabwehrkette, was für ihn durchaus eine Position mit Zukunft sein könnte.

Sieht viel besser aus! Durch das Pressing im 3-4-1-2 wird der Thuner Spielaufbau empfindlich gestört.

Leider griff das 3-4-1-2 Pressing auch nicht immer ganz reibungslos, dies aber nicht aus taktischen, sondern aus personellen Gründen – Marco Schönbächler erwischte nach einigen guten Leistungen in Thun einen schlechten Tag. Ganz anders Benjamin Kololli, dem trotz Niederlage möglicherweise gar seine bisher beste Leistung im FCZ-Dress gelang. Zu seiner allgemeinen Aufwärtstendenz nach der Coronapause (bisher in jedem Einsatz ein Tor und ein Assist, wichtige Rolle in der Sturmspitze, deutlich verbesserte Defensivleistung) kam die Erholungspause gegen Lugano und der Fakt hinzu, dass die Berner Oberländer sein klarer Lieblingsgegner zu sein scheinen – bei bisher schon sieben Treffern und zwei Assists in elf Begegnungen.

Mirlind Kryeziu gelang in der Stockhorn Arena per Kopf endlich sein erstes Super League-Tor. Auch dies hatte seine Vorgeschichte in den Testspielen, wo er in Schaffhausen ein identisches Tor nach Corner Kolollis von rechts erzielt hatte – ebenfalls via Lattenunterkante. Nathan und Kempter spielten in Thun zwar immer noch solide, aber nicht mehr so zwingend, wie noch in den Partien davor. Rüegg und Winter zeigten grosses Kämpferherz, begingen aber auch viele Fehler. Willie Britto fühlte sich in der Viertelstunde vor der Pause in der Dreierabwehr deutlich wohler als zuvor und war für wichtige Spielauslösungen über rechts zuständig, die über Standards zu den beiden Anschlusstreffern führten. Die Erste Halbzeit bestätigte die aktuell hohe Effizienz und Standardstärke des Letzigrund-Clubs. In der Zweiten Halbzeit war die Mentalität der Mannschaft stark und man spielte deutlich besser, als in vielen Überzahlsituationen der gleichen Saison. Dass man in extremer Weise aufs Tempo drückte und den Gegner kaum noch verschnaufen liess, war richtig, aber es fehlte ein Quäntchen mehr Ruhe und Geduld zwischendurch. Auf jeden Fall bleibt wie schon in den vorangegangenen Partien die halbe Stunde nach der Pause die beste Phase im Zürcher Spiel. Der Energiehaushalt ist auf diese Phase ausgerichtet, während beispielsweise ein Team wie St. Gallen die Entscheidung in der Regel bereits in den ersten 30 Minuten der Partie sucht – und danach abbaut.

Vor der Pause hatte der FCZ etwas Glück, dass Ref Tschudi nach einem Tackling von Basil Stillhart gegen den ballführenden Benjamin Kololli auf Freistoss und Gelb entschied. Das hätten nicht alle Schiedsrichter so gesehen. Der anschliessende Penaltyentscheid und die zweite Gelbe Karte gegen Stillhart war dann aber korrekt. Bei einem leichten Halten von Kempter gegen Bandé und auf der anderen Seite einem unabsichtlichen Ellbogenschlag von Havenaar gegen Kololli im Strafraum war es zudem jeweils nachvollziehbar, dass nicht auf Penalty entschieden wurde.

Thun – FC Zürich 3:2 (3:2)
Tore: 11. Rapp (Hefti) 1:0, 14. Tosetti (Hefti) 2:0, 21. Karlen (Stillhart) 3:0, 31. M. Kryeziu (Kololli) 3:1, 45+5 Kololli (Penalty, Nathan) 3:2.
Thun – Faivre; Joss, Havenaar, Stillhart, Hefti; Bertone; Tosetti (46. Sutter), Hasler; Karlen; Bandé (61. Fatkic), Rapp.
FCZ – Brecher; Britto (46. Domgjoni), Nathan, M. Kryeziu, Kempter (81. Pa Modou); H. Kryeziu, Janjicic (46. Sohm); Rüegg, Winter, Schönbächler (72. Koide); Kololli.

(Standbilder: Teleclub)

Nathan, der Heisse – FCZ entzaubert St. Gallen erneut mit Kampfgeist und Kontern

Letzte Saison hatte der FCZ gegen St. Gallen vorwiegend gute Spiele abgeliefert, aber trotzdem nur zwei Punkte geholt. Nun hat sich dies gedreht: drei Siege in Folge von Ludo Magnins Team gegen Peter Zeidlers Mannen, und dies obwohl die Ostschweizer ansonsten ihre beste Saison seit Jahrzehnten spielen. Was sich wie ein Roter Faden durch diese Partien zieht, ist, dass der FCZ den Hochtempo-Fussball der Grün-Weissen für sich zu nutzen weiss – wie bei einem Tanzpartner, der gut zu einem passt. Die St. Galler lassen dem Gegner kaum Zeit zum Überlegen und dies kommt dem FCZ entgegen, der in den letzten Jahren immer wieder dann besonders schlecht gespielt hat, wenn er zu viel Zeit zum Überlegen hatte und sich vom Gegner „einlullen“ liess.

Die St. Galler lassen dem Gegner kaum Zeit zum Überlegen und dies kommt dem FCZ entgegen

Sich einem mit hohem Tempo agierenden Gegner an die Fersen heften und dann über den Kampf ins Spiel finden, hat in den letzten Jahren nicht nur gegen St. Gallen (Stichworte: Cupfinal YB, Leverkusen) häufig gut geklappt. Das spielerische Element ist sowieso da – um aber auch das notwendige kämpferische Element aus der Mannschaft herauszukitzeln, braucht es häufig eine anspruchsvolle Aufgabe. In den drei Duellen mit St. Gallen hat die Mannschaft von allen Partien abgesehen von der 0:4-Heimniederlage gegen den FCB klar am meisten Top-Defensivaktionen gehabt (79, 72, 77).

FCSG – FCZ Züri Live Matchstatistiken

Herausragend in dieser Hinsicht der wieder ins Team zurückgekehrte Nathan mit gleich 19 Top-Defensivaktionen, was auch gemessen am Schnitt des Brasilianers von 10 Top-Defensivaktionen pro Partie hoch ist. Nathan war der Fels in der Brandung gegen einen Gegner, der einen Grossteil seiner Energie in die ersten 30 Minuten legte und in dieser Phase das Spiel dominierte. Die im ganzen Spiel wichtigste Aktion war Nathans Rettungstat schon nach etwas mehr als einer Minute im Laufduell mit Demirovic, als er den mit Entschlossenheit rechts Richtung nahen Pfosten stürmenden Bosnier an Grinta noch überbot. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wäre da ansonsten schon früh das 1:0 für St. Gallen gefallen. Vor Nathan sorgte der aufmerksame Hekuran Kryeziu für zusätzliche Stabilität.

Simon Sohm wärmt sich in der Pause auf

Der FCZ hatte sich zudem gut auf verschiedene Spezialitäten eingestellt. Zum Beispiel der St. Galler Eigenheit, nach dem Anstoss den Gegner mit Tempo durch die Mitte zu “überrollen“, stellte das Letzigrund-Team jeweils eine gestaffelte Phalanx von vier Mann gegenüber. Gleich nach Wiederanpfiff konnte so Simon Sohm als vierter Mann dieser Phalanx den Ball abfangen und den schnellen Gegenstoss gegen die hinten offenen St. Galler einleiten, der um ein Haar zum 2:0 durch Blaz Kramer wenige Sekunden nach der Pause führte.

FCZ-Phalanx erwartet nach einem Anstoss den St. Galler Angriff durch die Mitte

Oder bei einem Freistoss in Strafraumnähe des zur Zeit ligabesten Freistoss- und Weitschützen Jordi Quintilla, als sich Marco Schönbächler in einem Spreizschritt hinter die Mauer kniete, wodurch diese kollektiv aufspringen und damit die abgedeckte Gesamtfläche vergrössern konnte.

Marco Schönbächler ist bei Freistoss Quintilla für das „Untergeschoss“ zuständig

St. Gallen konnte in der ersten halben Stunde das Spiel aber nicht nur wegen dem eigenen keine 90 Minuten durchzuhaltenden Energieaufwand dominieren, sondern auch, weil beim FCZ viele Spieler zu behäbig in die Partie gestartet waren. Namentlich von Toni Domgjoni, Benjamin Kololli oder Blaz Kramer kam viel zu wenig. Sinnbildlich für Domgjonis mentale und physische „Abwesenheit“ war die Szene, als er sich gar von einem Spieler wie Jérémy Guillemenot im Zweikampf wegdrücken liess. Dass unter diesen Umständen speziell Nathan und Hekuran Kryeziu das Team trotzdem zusammenhalten konnten, war eine Parforceleistung. St. Gallen hatte in der Ersten Halbzeit trotz klarer Überlegenheit nur einen Expected Goals-Wert von 0,7. Die Ostschweizer kamen kaum zu guten Torchancen. Von 24 Schüssen der ganzen Partie fanden nur zwei den Weg Richtung Gehäuse von Yanick Brecher, der trotz grosser St. Galler Angriffslust fast schon einen geruhsamen Abend verbrachte, da die ansonsten typische Effizienz diesmal bei den Grünweissen nicht vorhanden war.

Erste Gratulanten zu Kolollis 3:0

Der FCZ hat hingegen, seit Benjamin Kololli in der Coronapause diesbezüglich „der Knopf aufgegangen“ ist, seit Jahren endlich wieder mal einen starken Standardschützen. In St. Gallen ging der FCZ in der 31. Minute entgegen dem Spielverlauf durch Blaz Kramer nach einem sehr guten Corner Kolollis in Führung. Zwar hatten Kololli und Kramer in den ersten 28 Minuten nichts zustande gebracht, aber unmittelbar vor diesem Eckball hatten beide ihre ersten gelungenen Aktionen gehabt, nachdem Kololli mit Tosin erstmals die Seiten getauscht hatte. Der grösste Unterschied zum 3:1-Sieg gleichenorts im Dezember war, dass der FCZ diesmal in der Zweiten Halbzeit die bessere Mannschaft war, und ein klares Chancenplus zu verzeichnen hatte. Vor Weihnachten war St. Gallen bis kurz vor Schluss am Drücker gewesen und der FCZ konnte erst dank stark erhöhtem Risiko St. Gallens ab der 70. Minute die Entscheidung herbeiführen. In beiden Partien konterte das Letzigrund-Team schnell und konsequent. Man sorgte speziell diesmal bei den vielen langen Bällen für eine hohe Präsenz am und im gegnerischen Strafraum. Dem eingewechselten Mimoun Mahi gelangen mit Steilpässen und Seitenverlagerungen drei Assists zu den Toren der Zweiten Halbzeit. Das Chancenverhältnis lag Ende der Partie klar auf Seiten des FCZ, wenn auch nicht im Bereich von 4:0. Insgesamt hatte der FCZ diese Saison nur in der November-Siegesserie gegen Sion, Luzern und Xamax ein vergleichbares Expected Goals-Verhältnis wie jetzt mit 2.53 : 1.11 in St. Gallen.

40. Minute: Handspiel von Benjamin Kololli auf der Strafraumgrenze

Im Verlaufe der Partie schaffte es der FCZ zeitweise hinten kompakt zu stehen. Selbst Benjamin Kololli arbeitete fleissig nach hinten mit, hatte aber bei einer solchen Aktion am eigenen Strafraum Glück, dass nicht auf Handspenalty für St. Gallen entschieden wurde. In Bezug auf Schiedsrichter Fähndrich rieb man sich als jahrelanger FCZ- und Liga-Beobachter verwundert die Augen und wähnte sich in einem Paralleluniversum. Nachdem dieser seit Jahren zu den drei Schiedsrichtern gehört, die im Zweifelsfall konsequent gegen den FCZ zu pfeifen scheinen, am stärksten in Partien gegen YB und Luzern, regte sich mit St. Gallen erstmals zu Recht ein FCZ-Gegner über seine Entscheidungen auf. Neben Kolollis Aktion hätte sicherlich Hekuran Kryeziu in mindestens einer von zwei Foulaktionen Gelb sehen müssen und in der Schlussphase wurde ein Handspiel vor dem Strafraum von Michael Kempter nicht gepfiffen – ein ähnliches von Vincent Rüfli auf der anderen Seite hingegen schon.

Die Kommunikation und Ordnung scheint sich beim FCZ verbessert zu präsentieren. Nachdem der FCZ begann, konsequent lange Bälle in die Tiefe zu spielen, war Aiyegun Tosin ab der 56. Minute voll in seinem Element und erzielte nach einem sauberen Tackling von Nathan am eigenen Strafraum gegen den eingewechselten ehemaligen FCZ-Junior André Ribeiro und dem schnellen Gegenstoss über Hekuran Kryeziu und Mahi das 2:0. Der Nigerianer feierte den Treffer mit einer kleinen Provokation gegenüber den während der ganzen Partie schon eine kurze Zündschnur aufweisenden 700 St. Gallen-Fans, was diese zusätzlich auf die Palme brachte und gemäss einem später publizierten Video einen davon zu einem rassistischen Ausruf verleiten liess, den auf dem Platz aber niemand mitbekam.

FCSG – FCZ Züri Live Match Performance

Der FC Zürich konnte im Kybunpark auch von der besser besetzten Ersatzbank und der verletzungsbedingten Auswechslung Yannis Letards kurz nach der Pause profitieren. Marco Schönbächler beispielsweise überzeugte erstmals seit längerer Zeit vor allem defensiv. Ausserdem zogen St. Galler Leistungsträger wie Hefti oder Quintilla einen ihrer weniger guten Tage ein. Auf Zürcher Seite vermochte Michael Kempter seinen ordentlichen bis guten Auftritt von Bern in St. Gallen noch zu toppen. Dass der FCZ links mehr Stabilität ausstrahlt als rechts, hat man lange nicht mehr gesehen. Es fing bei den im Vergleich mit seinem Pendant Rüegg besseren Einwürfen an, und setzte sich fort mit disziplinierterem Verteidigen sowie dynamischen Vorstössen über die Seite und durch die Mitte. Der FCZ gewann in St. Gallen 4:0 mit einer Ballbesitzquote von gerade einmal 37%. Was nicht aussergewöhnlich ist: drei der vier Saisonsiege gegen Spitzenteams (2x St. Gallen, 1x Basel) erreichte Zürich mit einer Ballbesitzquote von 30-40%. Das Erfolgsrezept jeweils? Defensive Stabilität, Kampfgeist, schnelle Konter und Nathan in der Startaufstellung.

Schlussresultat im Kybunpark

St. Gallen – FC Zürich 0:4 (0:1)
Tore: 31. Kramer (Kololli) 0:1; 64. Tosin (Mahi) 0:2, 86. Kololli (Mahi) 0:3, 90.+1 Tosin (Mahi) 0:4.
St. Gallen – Zigi; Hefti, Stergiou, Letard (47. Fabiano Alves, 67. Bakayoko), Rüfli (67. Muheim); Quintilla; Görtler, Ruiz (85. Staubli); Guillemenot (46. Ribeiro); Demirovic, Itten.
FCZ – Brecher; Rüegg (88. Britto), Nathan, Omeragic, Kempter; Tosin (82. Janjicic), H. Kryeziu, Domgjoni (46. Sohm), Kololli (87. Winter); Marchesano (60. Mahi), Kramer (60. Schönbächler).

Nur noch ein halbes Geisterspiel in St. Gallen

(Bilder: Züri Live, Standbilder Arena Sport / Teleclub)

„Bitte keine Überzahl!“ – Saison-Recap, 1. Teil

Auf zuerilive.ch begann die Saison mit einer Neuerung: die Analyse der Spiele wurde nochmal stark ausgebaut und rund 20-30-minütige Videopodcasts zu jedem Spiel produziert. Dieses Setting musste nach der fünften Partie gegen St. Gallen aus Zeitgründen vorläufig wieder aufgegeben werden. Auch wenn es im Dezember nach dem 0:5 zu Hause gegen Servette nochmal zu einem weiteren Video-Podcast kam. Dank dem spontanen Entscheid im Sommer konnten Erfahrungen mit dem Format gesammelt werden. Klar ist: neben den üblichen Vorschauen, Live-Übertragungen, Interviews, Audio-Zusammenschnitten der Spiele, Analyse-Artikeln, Pre-Match Artikel zu den Aufstellungen, News, allgemeinen Themen, Testspielen, Organisation etc. auch noch zu jedem Spiel einen Video-Podcast zu erstellen, würde das Projekt Züri Live praktisch zu einem full-time Job machen, was es im ersten Monat der Saison dann auch war.

Für die Zukunft ist als realistischere Variante angedacht: eine monatliche oder zweimonatliche Gesprächsrunde in Form einer Live-Sendung, welche danach sowohl als Audio-Podcast wie (unterlegt mit Statistiken und Bildern) auch als Video-Podcast publiziert wird. Zum Ende der Hinrunde und zu Beginn der Rückrunde wurden die Spiele dann wieder im Detail analysiert und wie in den letzten Jahren üblich Analyse-Artikel publiziert. Dazwischen gab es aber 14 Wettbewerbsspiele, die aus Zeitgründen nicht analyisiert werden konnten. Diese Lücke in den Züri Live-Daten soll nun geschlossen werden, bevor es mit Fussball wieder weitergeht. Erinnert Euch somit nochmal zurück an die verschiedenen Phasen der Vorrunde und die Entwicklung des Teams…

Durch neu verpflichtete Spielertypen wie Mimoun Mahi, Blaz Kramer oder Denis Popovic verschob sich das Stärken-/Schwächen-Profil des Teams noch mehr in Richtung „Kontermannschaft“, was sich im Verlauf des heissen Sommers unter anderem in den Testspielen exemplarisch zeigte. Mehr denn je hatte der FCZ nun eine Mannschaft, deren Offensivleute im Spiel mit dem Ball Platz brauchen. Den fanden Kramer in der Regionalliga und Mahi in der Eredivisie, wo die Teams der unteren Tabellenhälfte im Vergleich zur Super League defensiv nur mässig gut organisiert auftreten, zur Genüge vor. Popovic hatte bereits in Orenburg in einer erfolgreichen Kontermannschaft gespielt. Ähnlich wie Antonio Marchesano kann der Slowene als Ballverteiler in so einem Team aufblühen. Gegen ein Offensiv-Pressing gegen kompakt agierende Gegner sprach zudem die eher niedrig entwickelte Laufstärke der Zürcher Offensivreihe.

Mit Nathan kam nach den Abgängen von Alain Nef und Andreas Maxsö ein Mentalitätsspieler für die Innenverteidigung. Ein weiterer Innenverteidiger wurde nicht verpflichtet, weil der FCZ grosse Stücke auf das ein Jahr zuvor verpflichtete Talent Becir Omeragic hält und somit das Quartett zusammen mit Umaru Bangura und Mirlind Kryeziu komplett war. Dass Willie Britto „erst“ mit 22 Jahren den Weg aus der Ivorischen Liga nach Europa zum FCZ fand, zeigt, dass er nie zu den grossen Talenten seines Landes gezählt hatte. Dafür bringt er viel Wucht in seinen Aktionen und einiges an Abgeklärtheit mit. Mit der Verpflichtung des spielerisch starken Vasilije Janjicic wollte man mit einer Rückholaktion auch einmal selbst von der eigenen Ausbildung profitieren und solche Spieler nicht immer nur der Konkurrenz überlassen. „Hilfreich“ waren dabei sicherlich die Schlagzeilen, die Janjicic in Hamburg neben dem Platz geliefert hatte. Damit wurde er im Gegensatz zu anderen FCZ-Talenten im Ausland für den Stadtclub erschwinglich und der Spieler selbst empfand die Rückkehr zum FCZ als einen persönlichen Schritt nach vorne.

Ganz entgegen der Erkenntnisse aus den Testspielen lief der FCZ dann aber im ersten Saisonspiel im Letzigrund gegen Lugano bei brütender Hitze den Gegner hoch an. Speziell Denis Popovic, welcher nicht die ganze Vorbereitung hatte mitmachen können, rückte jeweils zu spät auf seine Position, was die konterstarken Tessiner (Schlussresultat: 0:4) jeweils gnadenlos ausnutzten. Erschwerend kam hinzu, dass das speziell bei diesen Temperaturen wichtige erste Tor aufgrund eines unrechtmässigen Penaltys (Schwalbe Sabbatini) zustande gekommen war. Beim zweiten Spiel in Luzern (0:0) stand der FCZ deutlich tiefer als in der ersten Partie und kam auf diese Art und Weise einem Auswärtssieg nahe. Der FCZ hielt dabei gegen einen Gegner, mit dessen physischen Qualitäten man in den letzten Jahren häufig Probleme gehabt hatte, kämpferisch gut dagegen und liess kaum eine gegnerische Torchance zu. Drei erfolgsversprechende Umschaltsituationen wurden von Ref Klossner wegen angeblicher Foulspiele zu Unrecht unterbunden – und Marco Schönbächler blieb mit einem tollen Weitschuss der Lucky Punch knapp verwehrt.

In Sion (1:3) erhielt der FCZ beim Stand von 1:1 in der 71. Minute die Chance zum 2:1-Führungstreffer, aber der in der Vergangenheit über die Sion U21 den Sprung in den Profifussball schaffende Benjamin Kololli verschoss den (eher glücklich zugesprochenen) Penalty. Auch von der anschliessenden numerischen Überzahl (Unsportlichkeit des den Penalty „verursachenden“ Abdellaoui) konnte der FCZ nicht profitieren – im Gegenteil. Die Zürcher suchten aufgrund der Überzahl den Auswärtssieg zu hektisch-überhastet und verloren so die Partie durch zwei Treffer des ehemaligen GC-Juniors Kasami.  Gegen Xamax (2:2) hatte der FCZ genau wie in Sion numerische Überzahl und die besseren Torchancen. Schönbächler erzielte zudem zum ersten Mal seit einem Jahr wieder einmal ein Tor. Man vergab aber kurz vor Schluss durch ein „Tor des Jahres“ von Gaëtan Karlen die drei Punkte – auch weil (durch Mimoun Mahi) wie in Sion erneut ein Penalty verschossen wurde. Gegen das von seiner Spielweise her dem FCZ liegende St. Gallen kommt es im fünften Spiel dann zum ersten Saisonsieg (2:1). Böse Zungen behaupten, dass dieser nur zustande kam, weil Zürich nach dem Platzverweis des übermotivierten ehemaligen FCZ-Juniors Miro Muheim (der beim „Rückspiel“ vor der Winterpause zudem den frühen Führungstreffer des Stadtclubs ins eigene Netz ablenkte) nicht lange in Überzahl spielen „musste“, weil kurz darauf Mirlind Kryeziu ebenfalls Gelb-Rot sah. Vor allem aber vermochte man sich gegen den hoch pressenden Gegner gut hintenheraus zu lösen und dann die sich auftuenden Räume mit erfolgreichen Kontern zu nutzen.

 

Hier gehts zu Teil 2: „Not macht erfinderisch“

Hier gehts zu Teil 3: „Simon Sohm erobert Stammplatz“

Einladungen Balarubans erneut nicht ausgeschlagen / wenig aussagekräftiger Testspielsieg in Luzern

Der Höhepunkt des FCZ-Wochenendes waren wohl die beiden direkt verwandelten Freistösse von Shpetim Sulejmani im Testspiel der U21 gegen Rapperswil-Jona (Endresultat – 3:2). Die 1. Mannschaft kam derweil ebenfalls Samstags in einem ausserordentlichen Testspiel in Luzern zum vierten Freundschaftsspielerfolg in Serie und hat in dieser Kategorie nun eine 8S/4U/4N-Ergebnisbilanz. Die Partie war geprägt von einigen “Déjà Vus“. Zum Ligaauftakt nach der Winterpause war der FCZ zu Hause gegen Luzern schon in der 5. Minute durch Marco Schönbächler in Führung gegangen, nachdem FCL-Débutant Ashvin Balaruban einen schnell ausgeführten langen Freistossball Mirlind Kryezius unterlaufen hatte. Der 18-jährige Linksverteidiger wurde daraufhin in der 52. Minute ausgewechselt und seither bei den Innerschweizern nicht mehr eingesetzt. Bis er jetzt im Test gegen den FCZ erneut eine Chance erhielt – und sich noch deutlich schlechter präsentierte, als damals im Letzigrund. Ein schlimmer Fehlpass Balarubans erneut in der 5. Minute führte zum Corner, der die FCZ-Führung brachte. In der 13. Minute verlor Balaruban zudem auf einfache Art und Weise in der gegnerischen Hälfte den Ball an Rüegg und Schönbächler, die den Konter zum 0:2 abschlossen. In der 21. Minute war es dann auf der anderen Seite Sidler, der von Tosin leicht unter Druck gesetzt, einen katastrophalen Fehlpass vor den eigenen Strafraum spielte – Mahi und Kololli machten daraus das 0:3. In der 39. Minute hatte Schönbächler wiederum über Balarubans Seite leichtes Spiel – Mahi verwertete die Hereingabe zum 0:4.

Aussagekräftig ist der FCZ-Sieg in der Innerschweiz nicht. Der FC Zürich spielte nicht besser, als zuletzt in der Meisterschaft – und auch nicht viel schlechter. Es war genau der FCZ, den man von den letzten Super League-Auftritten her kannte. Ganz offensichtlich hatte das Team die Anweisung erhalten, das Spiel wie eine Meisterschaftspartie anzusehen, auch um mental und physisch in dieser für alle Mannschaften nicht einfachen unfreiwilligen Pause im Rhythmus zu bleiben. Dabei waren in Luzern dieselben Schwachpunkte zu beobachten, wie zuletzt im Ligabetrieb auch: Becir Omeragic unterliefen erneut einige Fehler, Mads Pedersen ist defensiv zu instabil, Antonio Marchesano weiterhin sehr bemüht und gleichzeitig wirr agierend, Toni Domgjoni hingegen etwas träge, Kololli in manchen Szenen mit sich selbst beschäftigt und Mimoun Mahi hat im Pressing immer noch nicht ganz das richtige Verhalten und Timing intus. Bestätigt hat sich in Luzern hingegen auch die Topform des eingewechselten Umaru Bangura, der wie in seinen beiden  Meisterschaftsauftritten des neuen Jahres einen tadellosen Auftritt hinlegte. Der Unterschied zu den Ligaspielen war ein Gegner, der das „Testspiel“ eher als „Freundschaftsspiel“ verstand. Während der FCZ versuchte, den Rhythmus hochzuhalten, schien es für Luzern eher eine Veranstaltung zu sein, in der man sich schlicht etwas bewegen wollte. Die Konzentration war von Anfang an nicht da, wohl zusätzlich auch etwas wegen dem Familiendrama von Teamkollege Ibrahima Ndiayé. Auch sonst war alles etwas anders, als im Ligabetrieb. Es war nicht der FCZ, sondern Luzern, das einen Penalty verschoss. Als der FCZ sich wie schon im Letzigrund erneut auf bei einem Margiotta-Corner vor dem Strafraum erwischen liess, knallte Grether den Ball an die Latte, statt der auf der Allmend nicht eingesetzte Idriz Voca ins Tor. Und auch Schiedsrichter Lukas Fähndrich zeigte sich in vielen Szenen gnädiger mit dem FCZ, als sonst.

Einerseits war es natürlich schön, dass dem FCZ durch Nathan per Kopf nach Hereingabe von Schönbächler in der 6. Minute endlich mal ein Eckballtor gelang. Wenn man aber sah, wie lasch der in der Meisterschaft extrem bissige Lucas Nathan in dieser Aktion “bewachte“, darf man sich nicht allzu viel darauf einbilden. Auch Szenen wie Schürpfs generöse Geste, Tosin viel Raum und Zeit zu lassen, den Steilpass auf Schönbächler zu spielen, der zum 0:4 führte, werden sich nicht mehr so abspielen, wenn es wieder “um die Wurst“ geht. Zumindest schien Adi Winter im Vergleich zu den letzten Super League-Auftritten, in welchen er noch überfordert wirkte, etwas verbessert. Wie schon in der Winterpause wurde er im Testspiel als Rechtsverteidiger eingesetzt. Benji Kololli zeigte erneut, dass er in der Sturmspitze dem Team am ehesten einen Mehrwert bringen kann. Denn in dieser Rolle kann das lange Ballhalten des Waadtländers im Gegensatz zur Flügelposition nützlich sein, damit die Mitspieler aufrücken können. Ausserdem gehört er beim Abschluss im Strafraum zu den besten Spielern im Kader. Nicht nur wegen seiner bereits acht Testspieltore scheint Kololli auf dieser Position aktuell die bessere Option als Kramer zu sein. Das Zentrum mit Heki Kryeziu und Kevin Rüegg wurde von den lasch auftretenden Ndenge und Schulz nicht wirklich einer Prüfung unterzogen. Nach der Einwechslung von Pa Modou spielte Pedersen in seinem ersten Testspiel auf den linken Flügel, eine Position, die für ihn sicherlich etwas besser geeignet ist, als links hinten. Der Däne hat im Kombinationsspiel seine Stärken und war so auch an der Entstehung des 0:5 beteiligt, als Marchesano einen langen Ball des 23-jährigen mit der Schädeldecke weiterleitete. In den meisten Bereichen fehlt aber weiterhin der Nachweis seiner Super League-tauglichkeit, das trat auch bei diesem 5:0 in Luzern offensichtlich zutage.

FC Luzern – FCZ 0:5 (0:4)

Tore: 6. Nathan (Schönbächler) 0:1, 13. Schönbächler (Rüegg) 0:2, 21. Kololli (Mahi) 0:3, 39. Mahi (Schönbächler) 0:4, 61. Kololli (Marchesano) 0:5.

FC Luzern: Müller; Sidler, Lucas (64. Burch), Knezevic (64. Bürki), Balaruban (46. Grether); Ndenge (64. Emini), Schulz (46. Mistrafovic); Matos (64. Tia), Males (64. Margiotta), Schürpf (64. Eleke); Demhasaj.

FCZ: Brecher (46. Vanins); Winter, Nathan (64. Bangura), Omeragic (64. M. Kryeziu), Pedersen; H. Kryeziu, Rüegg (64. Domgjoni); Tosin (64. Pa Modou), Mahi, Schönbächler (46. Marchesano); Kololli.

 

 

Nathan, Schönbi und Britto in der Startaufstellung: Vorschau FCZ – Xamax

Die Direktbegegnungen gegen Xamax waren zuletzt immer heissumkämpft mit wechselnden im Mittelpunkt stehenden Protagonisten wie Veloso, Brecher, Dixon, Hekuran Kryeziu, Kololli, Rüegg, Ceesay, Mahi, Di Nardo, Karlen, Minder oder Kramer. Zu den heutigen Protagonisten gehören beim FCZ Nathan und Marco Schönbächler, die nach ihrer Sperre zurückkehren. Dafür fehlt der Zürcher MVP der Partie in Genf vor Wochenfrist, Toni Domgjoni gesperrt. Ausserdem steht auch Willie Britto wieder mal in der Startformation, Hekuran Kryeziu beginnt erneut auf der Bank. Es gibt mit dieser Startelf sowohl die Variante mit einer Viererabwehr oder mit einer Dreierabwehr zu beginnen.

Bei Neuchâtel Xamax fällt mit Musa Araz ebenfalls ein Zentraler Mittelfeldspieler (mit gebrochener Hand) aus. Die Neuenburger mussten in den letzten drei Monaten im Gegensatz zum FCZ nur sehr wenige Gegentore einstecken. Das 1:2 in Unterzahl zum Auftakt der Rückrunde gegen Servette war die einzige Partie, in welcher Torhüter Laurent Walthert zwei Mal hinter sich greifen musste. Der ehemalige FCZ-Junior Arbenit Xhemajli vermochte sich in den letzten Wochen nicht nur aufgrund seines Siegestores in Sion neben Igor Djuric und André Neitzke zu stabilisieren, so dass der bisherige Ausfall von Marcis Oss (Torschütze im Letzigrund in der Vorrunde) nicht so stark ins Gewicht fiel, wie auch schon. Winterneuverpflichtung Geoffroy Serey Dié ist innert kurzer Frist zu einer spielbestimmenden Figur bei den Xamaxiens geworden. FCZ-Leihspieler Maren Haile-Selassie ist in den letzten drei Spielen jeweils in den letzten zehn Minuten eingewechselt worden.

Für FCZ-Trainer Magnin fehlte es in den letzten Begegnungen an “Aggressivität in den Zweikämpfen, die Eins-gegen-Eins Duelle gingen zu oft an den Gegner“. Schaut man auf die Zweikampfstatistik der einzelnen Spieler, dann sieht man allerdings, dass Rüegg, Mirlind Kryeziu, Pa Modou, Domgjoni, Kololli, Tosin und Hekuran Kryeziu im Vergleich zu ihren eigenen Werten der letzten Jahre in Genf überdurchschnittlich viele Zweikämpfe gewonnen haben. Daraus resultierte schlussendlich unter anderem auch die Ballbesitz-Überlegenheit des FCZ im Stade de Genève. Unterdurchschnittlich bezüglich Zweikampfwerten waren mit Mahi, Kramer und Marchesano drei der vier Spieler aus der Offensivreihe, dazu Simon Sohm. Ausserdem verlor der eingewechselte Adi Winter seinen einzigen Zweikampf. Es waren also fast ausschliesslich die Offensivspieler, die sich in Genf in den Zweikämpfen zu wenig durchsetzen konnten.

Frage zum Spiel: Was braucht der FCZ am meisten, um gegen Xamax den ersten Rückrundensieg zu landen??

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Konterstarker FCZ profitiert von St. Galler Abschlussschwäche: FCSG – FCZ 1:3 Analyse

Beim letzten Hurra der Vorrunde beflügelte das ausverkaufte Haus in St. Gallen vor allem das Team von Ludovic Magnin. St. Gallen musste nach sechs niederlagenlosen Heimspielen in Serie erstmals wieder alle drei Punkte an den Gast abgeben. Einen Tag nach der Abdankungsfeier für Köbi Kuhn im Grossmünster und eine Woche nach der Kanterniederlage im Letzigrund gegen Servette zeigte der FCZ in der Ostschweiz sein «Cupgesicht». Der Gegner aus der Gallusstadt schlug wortwörtlich von der ersten Sekunde an ein ausserordentlich hohes Tempo an. Bereits in den ersten 20 Sekunden der Partie nach Anstoss St. Gallen kam es zu nicht weniger als fünf Zweikämpfen. Für den FC Zürich ging es erstmal darum, die anrollende Flut zu stoppen und einzudämmen. Und er schaffte es tatsächlich, die Mehrheit der Zweikämpfe in der Anfangsphase der Partie zu gewinnen. Die Grün-Weissen setzten die Pace, die Blau-Weissen schafften es erfolgreich, sich nicht abschütteln zu lassen. Beide Teams spielten emotional, aber gleichzeitig auch sehr fair. In der letzten halben Stunde ging St. Gallen dann etwas die Luft aus.

Die Rückkehr der gesperrten Kramer und Tosin sowie ein gegenüber dem Servette-Spiel verbesserter Pa Modou waren eminent wichtig für den Zürcher Auftritt. Mirlind Kryeziu stand abgesehen von seinem Foul an Silvan Hefti im eigenen Strafraum hinten wie eine Wand. Alle drei Treffer erzielte der FCZ auf Konterangriffe (darunter ein Penalty als Folge eines Konters). Dies scheint die These von Züri Live zu stützen, dass Konterfussball den individuellen Qualitäten und Neigungen dieser Mannschaft am besten entspricht. Ganz besonders trifft dies auf MVP Antonio Marchesano zu, welcher nicht nur bei allen drei Zürcher Treffern seinen Fuss entscheidend im Spiel hatte, sondern während annähernd seines ganzen Einsatzes eine gute bis sehr gute Leistung auf den Platz brachte.

Vor dem 1:0 offenbarte sich das verbesserte Spielverständnis zwischen «Tonino» und Sturmspitze Blaz Kramer, als der Slowene auf der linken Seite viel geistesgegenwärtiger als zu Beginn der Saison auf Marchesanos Idee einging. Ausgerechnet der ehemaliga FCZ-Junior Miro Muheim, der sich für die Partie speziell viel vorgenommen hatte, fälschte den Abschluss von Marco Schönbächler entscheidend ab. Das 2:1 erzielte Marchesano souverän per Penalty, was in dieser Saison beim FCZ nicht als selbstverständlich gelten kann. Vor dem 3:1 durch Aiyegun Tosin verlangte der Tessiner nach dem Ballgewinn von Sohm und Schönbächler sofort den Ball, liess zielstrebig Quintilla und Letard aussteigen, und lancierte Tosin erfolgreich in die Tiefe.

Zum dritten Mal in dieser Super League-Vorrunde gewann der FCZ eine Partie, obwohl er ein negatives Verhältnis von Expected Goals hatte (den umgekehrten Fall gab es ebenfalls drei Mal). Von St.Gallen konnten in dieser Partie aufgrund der Torchancen 2,69 Treffer erwartet werden, vom FC Zürich nur 1,43. Das Resultat lautete aber am Ende 1:3 zu Gunsten der Gäste. Das Spiel lief komplett für den FC Zürich mit einem frühen Führungstreffer durch einen abgelenkten Schuss, dann ein Penalty kurz vor der Pause und das 3:1 kurz nachdem St. Gallen-Trainer Peter Zeidler mit dem Wechsel „Guillemenot für Stergiou“ in der 71. Minute das Risiko wesentlich erhöht hatte. Der FCZ vermochte im Kybunpark im Vergleich zum 2:1-Heimsieg gegen den gleichen Gegner nur 58% so viele Top-Offensivaktionen zu verzeichnen. Das Eckballverhältnis war 10:3 zugunsten des FCSG. Nach einem Corner entstand dann auch das einzige St. Galler Tor per Penalty. Dieses wäre allerdings wohl irregulär gewesen, denn der im Strafraum von Mirlind Kryeziu gefoulte Silvan Hefti stand beim Zuspiel von Boris Babic mit grosser Wahrscheinlichkeit im Offside.

Allerdings war gleichzeitig auf der anderen Seite auch der Penalty für den FCZ in der 44. Minute sehr streng gepfiffen. Wie wichtig die Rückkehr der im St. Gallen-Spiel gesperrten Blaz Kramer und Aiyegun Tosin ins Team war, zeigte sich unter anderem bei den Toren. Tosin erzielte den dritten, Kramer bereitete sowohl den ersten wie auch den zweiten Treffer vor. MVP Antonio Marchesano war an allen drei Treffern entscheidend beteiligt. Genauso Marco Schönbächler, dem allerdings im Gegensatz zu Marchesano in seinen übrigen Aktionen praktisch nichts gelang und der defensiv auf seiner linken Seite im Mittelfeld Hefti und Görtler so gut wie nie bremsen konnte. Schönbächler, der schon gegen Servette eine Woche davor der schlechteste Zürcher gewesen war, eignet sich somit als Symbolfigur für einen einerseits glücklichen, aber auch dank der richtigen Taktik und Einstellung zustandegekommenen FCZ-Auswärtssieg. Genauso wie in einem anderen Sinne Nathan, der 73% seiner Zweikämpfe gewann, aber nur 36% seiner Pässe zu einem Mitspieler befördern konnte. Etwa das Gegenstück zu Nathan ist beispielsweise der eingewechselte Mahi, welcher 60 Meter-Bälle von Yanick Brecher elegant aus der Luft mitnahm oder weiterleitete, gleichzeitig aber Zweikämpfen, speziell solchen in der Luft, weiterhin konsequent aus dem Weg ging.

In St. Gallen spielte der FCZ so wenige Pässe (241) wie noch nie in dieser Saison und hatte im Vergleich mit den anderen Saisonpartien die mit Abstand schlechteste «Passgenauigkeit» (65.15%) zu verzeichnen. Das lag nicht an mangelnder Konzentration, sondern daran, dass der FCZ bei Ballgewinn jeweils möglichst schnell und direkt umschaltete. Es kam auf FCZ-Seite zu einer Saisonrekordzahl von 146 Ballverlusten, davon ebenfalls rekordhohe 48 Ballverluste im Verteidigungsdrittel. Normalerweise überlebt man solche Statistiken gegen St. Gallen nicht, aber die Grün-Weissen hatten an dem Tag das Zielwasser schlecht eingestellt und brachten nur sechs ihrer 27 Abschlüsse (St. Galler Saisonrekord) aufs Zürcher Gehäuse. Auch die Verhältnisse bezüglich Ballbesitz waren eindeutig – noch nie zuvor in dieser Saison hatte der FCZ das Leder nur zu 33.93%, also halb so lange wie der Gegner, in seinem Besitz gehabt.

St. Gallen – FCZ 1:3 (1:2)

Tore: 3. Schönbächler (Kramer) 0:1, 28. Quintilla (Penalty, S. Hefti) 1:1, 44. Marchesano (Penalty, Kramer) 1:2; 74. Tosin (Marchesano) 1:3.

St. Gallen: Stojanovic; S. Hefti, Stergiou (71. Guillemenot), Letard, Muheim; Quintilla: Görtler, Ruiz; Itten; Babic (84. Staubli), Demirovic.

FCZ: Brecher; Rüegg, Nathan, M. Kryeziu, Pa Modou; Sohm, Domgjoni; Tosin, Marchesano (79. Janjicic), Schönbächler (89. Kololli); Kramer (53. Mahi).

 

 

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