Was für Qualitäten muss eine gute Nr.10 haben? Derjenige Spieler, der zentral direkt hinter der einen, zwei oder drei Spitzen agiert? Die Antwort auf diese Frage hat sich mit dem zunehmenden Tempo und Athletik im Fussball wesentlich verändert. Die Zeit der „Maestros“, die mit Ball am Fuss lange cdurch die gegnerische Hälfte spazieren konnten, um dann irgendwann den entscheidenden Pass aus dem Fussgelenk spielen zu können, ist vorbei. Dazu fehlt heute die Zeit und der Raum, auch in der Super League. Gerade gegen enorm laufstarke und taktisch disziplinierte Gegner wie Thun kann man heutzutage nur bestehen, wenn konsequent der Ball laufen gelassen wird. Denn der Ball ist alleine immer schneller, als wenn er am Fuss eines Spielers klebt.

Manchester United-Trainer Louis Van Gaal hat dies zuletzt wieder zum Ausdruck gebracht, in dem er den allgemein als „defensiven Mittelfeldspieler“ schubladisierten Belgischen Nationalspieler Marouane Fellaini auf die offensivste Position im zentralen Mittelfeld gestellt hat, und damit besser fährt, als zuvor mit Juan Mata oder Angel di Maria. „Wir haben Spieler im Kader, die sind zu kreativ und zu emotional sind für die Rolle direkt hinter der Spitze“. Fellaini ist ein Spieler, der den Ball so schnell und direkt wie möglich nach vorne weiterleitet. Er bleibt selten lange in Ballbesitz. Ohne seinen auffälligen Haarwuchs würden ihn viele Fans und Journalisten gar nicht richtig wahrnehmen.

Dieses schnelle und schnörkellose Spiel ist heutzutage gerade in der Zone des Angriffsdrittels entscheidend, um zu guten Torchancen zu kommen. Beim FCZ beherrscht Christian Schneuwly diese Spielweise am besten. Der in der Winterpause verpflichtete Freiburger hat seine bisher besten Leistungen jeweils auf einer zentralen offensiven Position als einer von zwei 8-ern gezeigt, so zum Beispiel in den beiden Partien gegen den FC St.Gallen. Schneuwly kann sowohl mit dem Gesicht wie auch mit dem Rücken zum Tor den Ball direkt nach vorne in den Lauf eines Mitspielers lenken und direkt aus dem Lauf heraus flanken. Vielen Beobachtern fällt er kaum auf, weil er den Ball selten lange am Fuss hat, er ist aber bisher zusammen mit Franck Etoundi wohl der effektivste Zürcher Offensivspieler der Rückrunde. Bei einem grossen Anteil der guten Torchancen hat Schneuwly seinen rechten Fuss im Spiel.

Wo sollen denn die manchmal eher etwas verspielten Techniker agieren, wenn einer wie Schneuwly im offensiven Mittelfeld aufläuft? Eine vielversprechende Variante sah man in Sion, wo Davide Chiumiento nicht zum ersten Mal als zweiter Stürmer neben Franck Etoundi auflief und seine Sache gut machte. Mit seiner Technik und Wendigkeit kann er vorne mit dem Rücken zum Tor den Ball halten und schnell für Etoundi oder einen nachrückenden Mittelfeldspieler auflegen, oder aus der Drehung mit seiner Schussqualität selbst abschliessen. Einzig die Abstimmung mit dem Kameruner klappte noch nicht optimal. Auch Francisco Rodriguez ist ein Spieler, der vorne im Sturm mit Etoundi sehr gut harmonieren könnte. Die Zeiten ändern sich im Fussball, und damit auch die Positionen, auf welchen bestimmte technische, physische, spielerische oder taktische Qualitäten am besten zur Geltung kommen.

Christian Schneuwly vor dem Rückrundenauftakt zur Taktik des FCZ und seine Rolle:

Statistik:

Tore: 0

Torchancen: 5  – Nef (2), Chikhaoui, Schneuwly, Rikan

Vorlagen (zu Toren und Torchancen):  Gavranovic, Rikan, Schneuwly

Top-Aktionen: 1 – Kleiber

Noten (Skala 1-10):

Präsenz: 3

Spielfreude: 5

1 vs. 1: 4

Solidarität: 4

Zielstrebigkeit: 2

Standards: 5

Best Player: Mike Kleiber

Brecher (6); Elvedi (6), Nef (5), Djimsiti (5); Schneuwly (8), Sarr (5), Rikan (4) (84. Rodriguez (5)), C.Brunner (5) (78. Buff (5)), Kleiber (8); Chikhaoui (5), Gavranovic (4) (73. Chermiti (3)).

Trainer Urs Meier setzt mit einer Aufstellung im 4-4-2 System neue Impulse, Chiumiento und Etoundi laufen an der Stätte, wo sie vor fünf Monaten beim 3:1-Auswärtssieg getroffen hatten, als Sturmduo auf, Djimsiti spielt Rechtsverteidiger, Philippe Koch auf der linken Seite. Die Mannschaft kommt nach einer harzigen Anfangsphase immer besser in die Partie, Spielfreude und Siegeswillen sind klar erkennbar. Die Pausenführung durch den Handspenaltytreffer von Avi Rikan ist verdient.

Auch wenn im Wallis die Fans nur noch vom Cupfinal reden auch mit den entsprechenden Gesängen während der Partie, will ihre Mannschaft das Spiel gegen den FC Zürich unbedingt gewinnen, um sich die Chancen auf die Europa League-Qualifikation auch über die Meisterschaft noch zu wahren, und zieht eine enorme Schlussoffensive auf, aus welcher der FCZ mit Mann und Maus verteidigend und einer starken kämpferischen Leistung schlussendlich glücklich, aber sicherlich nicht unverdient, als Sieger hervorgeht.

FC Sion – FC Zürich 1:2 (0:1)

Tourbillon – 4700 Zuschauer – SR Klossner

Tore: 30. Rikan (Handspenalty) 0:1, 53. Rikan (Foulpenalty) 0:2, 56. Follonier 1:2

Sion: Vanins; Ziegler, Zverotic, Vanczak, Rüfli (81. Perrier); Kouassi, Fernandes (88. Herea); Assifuah, Carlitos, Follonier (84. Akolo); Konaté

Zürich: Brecher; Nef, Kecojevic, Djimsiti; Schneuwly, Buff, Rikan, Philippe Koch (63. Kleiber); Chiumiento (76. Chermiti), Rodriguez (85. Elvedi); Etoundi

Fünf Monate ist es her, und doch scheint es wie eine Ewigkeit: am Samstag 22.November bezwang der FCZ im Tourbillon den FC Sion mit 3:1 durch zwei Tore von Franck Etoundi und eines durch Davide Chiumiento – an dessen 30.Geburtstag. Es war an einem für diese Jahreszeit im Rhonetal ausserordentlich warmen Tag der erste Sieg im Tourbillon seit dreieinhalb Jahren.

Der Kameruner Etoundi war gerade von der erfolgreichen Qualifikation für den Afrika-Cup zurückgekommen, Schönbi war noch voll dabei, Da Costa im Tor, Koch schlug mehrere gute Flanken mit seinem schwachen linken Fuss, Rodriguez agierte schlitzohrig, der FCZ spielte zielstrebig und mit Selbstbewusstsein, lag nur zwei Punkte hinter Basel auf dem zweiten Platz. Trainer beim FC Sion war Admir Smajic, Moussa Konaté noch keine Tormaschine und Salatic hatte in seiner Beziehung mit GC immer noch den Facebook-Status „schwierig“ und noch nicht „getrennt“.

Zwei Wochen zuvor hatte vor der Länderspielpause in Aarau Sandro Wieser die Saison von Gilles Yapi beendet. Die Mannschaft lief in Sion geschlossen mit Trikots mit der Nummer 37 auf den Platz und wollte unbedingt für Gilles gewinnen. Sein Ersatz Kajevic schoss einen Freistoss an den Pfosten, und noch ein letztes Mal spielte das Team beinahe als wäre Yapi gar nicht weg. Dies vor allem aber auch weil Sion zu jenem Zeitpunkt von der Qualität her unter anderem mit Torhüter Steven Deana zwischen den Pfosten noch ein deutlich schlechteres Team war und dem Tabellenzweiten aus Zürich mit gehörigem Respekt begegnete. Zwei schmerzvolle 0:1-Niederlagen im Letzigrund später reist der FCZ zum zweiten Mal ins Wallis.

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Gut möglich, dass Chiumiento nach seiner Sperre an der Stätte in die Startformation zurückkehrt, wo er sein letztes von sechs Toren geschossen hat – wohl wieder als Captain. Der zweifache Torschütze vom 22.November und einzige Zürcher Goalgetter der letzten siebeneinhalb Wochen Franck Etoundi ist wohl weiterhin fraglich, was allenfalls Chermiti wieder einmal ein Auflaufen in der Startformation ermöglichen würde. Chikhaoui und Cédric Brunner sind gesperrt. Es ist zu erwarten, dass Mike Kleiber, beim eher enttäuschenden 0:0 in Aarau zusammen mit Schneuwly noch der beste Zürcher, auch im Wallis wieder in der Startformation steht.

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Beim FC Sion ist Salatic nach seiner Gelben Karte in der Nachspielzeit in Thun gesperrt, Torhüter Vanins ist fraglich. Sorgen hat Trainer Didier Tholot aber vor allem in der Innenverteidigung, wo sowohl Lacroix wie auch Ndoye ausfallen. Möglich deshalb, dass neben Vilmos Vanczak Beg Ferati nach seiner längeren Verletzungspause ein Comeback geben könnte. Am Weekend stand er in der Startaufstellung bei Sion U21, und verlor in Savièse gegen FCZ U21 mit 1:5 (Tore: 2x Nsiala, Salija, Dominguez und Simonyan).

Nach sechs Niederlagen in Folge gab es für den FCZ erstmals wieder einen Punkt auf dem Konto. Von allen vier Direktbegegnungen dieser Saison war dies aber der schlechteste FC Aarau. Die Aarauer in der Verfassung vom Samstagabend hätte der FCZ besiegen müssen. Der FCZ hatte in Aarau mehr vom Spiel und ein Chancenplus, Ansätze zu erfolgreichem Angriffsspiel waren da, es fehlte aber der unbedingte Wille zum Sieg und vor allem in den Abschlusssituationen war einmal mehr die grosse Verunsicherung zu spüren. Auch in guter Schussposition wurde alibimässig noch ein Nebenmann gesucht, selbst dann, wenn weit und breit keiner da war. Ohne Etoundi – keine Tore? Zur Zeit scheint es so. Hoffen wir, dass sich die anderen Stürmer von einer solchen Schlussfolgerung im positiven Sinne provoziert fühlen.

Die Maske ist ab. Die Karten liegen offen auf dem Tisch. Aarau am Samstag 25.April 2015 hat definitiv gezeigt, was von den immer wiederkehrenden Beteuerungen zu halten ist, die im Zuge des interkantonalen Hooligan-Konkordates verabschiedeten Gesetze würden „massvoll“ angewandt: Nichts! Ohne jede Rechtsgrundlage wurden Personen, von denen man vermutete, sie könnten FCZ-Fans sein, beim Aussteigen aus dem Zug in Aarau in Empfang genommen, gefesselt und in ein Wartehäuschen gesperrt. Es handelt sich hier um Personen, die keine einzige Gesetzesübertretung begangen haben. Auch ein Rayonverbot oder ähnliches liegt nicht vor. Diese Personen dürfen sich Kraft unserer Bundesverfassung in der ganzen Schweiz auf öffentlichem Grund frei bewegen.

Der FC Aarau hat wie jeder Veranstalter das Hausrecht, bestimmte Besucher seiner Veranstaltung abzuweisen, auch ohne Begründung. Mit den neu verabschiedeten Gesetzen ist auch die von der Kantonspolizei Aargau verfügte Blocksperre im Brügglifeld wenn auch nicht sehr klug, so doch rechtens. Hingegen eine Person. die sich nichts zu Schulden kommen lassen hat, festzunehmen, einfach nur weil sie Aarauer Boden betreten hat, ist schlichtweg ein Skandal, und eines demokratischen Rechtsstaates nicht würdig. Kommt noch dazu, dass viele der Festgenommenen nicht einmal FCZ-Fans waren. Kriterien wie Alter (14-30), Geschlecht (männlich) und Fahrtrichtung (mit dem Zug aus Richtung Zürich ankommend) waren offenbar für die örtliche Polizei völlig ausreichend, um unbescholtene Bürger kommentarlos zu fesseln und festzusetzen.

Auf unsere Nachfrage legitimierte einer der Gruppenleiter der Kantonspolizei Aargau vor Ort sein Vorgehen mit der Aufforderung der FCZ-Führung im Internet, nicht nach Aarau zu kommen, welchem sich die Fans „widersetzt“ hätten. Dass dies eigentlich keine Rechtsgrundlage darstellt, konnte er nicht verneinen und flüchtete sich in die doch ziemlich erhellende Phrase „das ist nicht so klar, das müsste dann halt im Streitfall ein Richter entscheiden“. Aha! Wäre es nicht die Pflicht der Polizei, einzig und allein Aktionen durchzuführen, von welchen sie sich sicher ist, dass sie legal und legitim sind? Na ja, immerhin war der sich offensichtlich in guter Stimmung befindliche Mann höflich und diskussionsbereit. Ist auch schon etwas.

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Es kam dann aber noch „besser“: auf die Nachfrage, warum es Festnahmen und Anzeigen wegen „Landfriedensbruch“ gegen auf dem Vorplatz vor dem Stadion und unterwegs angehaltene und eingekesselte mutmassliche FCZ-Fans gegeben habe, erläuterte der Gruppenleiter, dass die Polizei grundsätzlich das Recht habe, jedwelche Gruppe „mit gleicher Gesinnung“, die gemeinsam unterwegs sei, festzunehmen und wegen Landfriedensbruch anzuzeigen. – Aha? Also auch Menschen, die alle auf einem Trottoir gleichzeitig unterwegs zu einer Zirkusvorstellung oder einem Konzert sind? – Antwort: Ja, die Polizei könnte diese Menschen alle rein theoretisch festnehmen und wegen Landfriedensbruch anzeigen. Man mache das in solchen Fällen natürlich normalerweise nicht. Aber das Recht dazu hätte die Polizei jederzeit…. Buuumm!

Dann soll aber bitte ja nie mehr ein Bundesrat nach China oder Russland reisen und der dortigen Staatsführung Vorträge über Menschenrechte halten…. Sonst antwortet dann der Chinese: „Und was ist mit Ihlem Hooligan-Konkoldat?“.

Das Verhalten der Polizeikräfte in Aarau kommt einer Kriegserklärung gleich. Die Einsatzkräfte vor Ort gaben offen zu, dass das Ziel war, friedliche Fans zu „bearbeiten“, um über diese an die gewaltbereiten Fans heranzukommen. Wir reden hier also von Methoden, wie sie vielleicht zwischen verfeindeten Mafia-Clans oder Geheimdiensten im Bürgerkrieg praktiziert werden. Die Kriegserklärung ist bei den Betroffenen angekommen: am Tag darauf solidarisierte sich die Basler Muttenzerkurve mit ihren Zürcher Kollegen, mit denen sie sich zwei Wochen davor noch Scharmützel geliefert hatte, und richtete eine klare Message an die Hardliner unter den Politikern und in den Polizeikorps: „Massnahmen wie Sektorsperren führen zu mehr als friedlichem Protest“.

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Dass diese unrechtmässige Polizeigewalt in Aarau völlig ohne Gegenwehr der Opfer ablief ist eine schier unglaubliche Leistung an Selbstdisziplin von hunderten von jungenMenschen. Ähnlich repressive Polizei-Massnahmen an einem Open Air-Festival, an der Fasnacht oder an einer Aktionärsversammlung würden garantiert in einen Krawall münden. Die KaPo klopft sich nun sogar teilweise selbst auf die Schulter für einen „erfolgreichen“ Einsatz. Inwiefern erfolgreich? Es wurde erneut an der Gewaltspirale gedreht, indem junge Fussballanhänger unrechtmässig festgesetzt wurden. Das Radikalisierungsrisiko ist bei diesen Jugendlichen nun sehr hoch. Dass es „ruhig“ geblieben ist, liegt einzig und alleine daran, dass Gewalt einseitig ausgeübt wurde (von der Polizei), und die andere Seite sich davon nicht provozieren liess.

Warum nicht? Ganz einfach: weil die gewaltbereiten Fans gar nicht erst nach Aarau gekommen waren. Diese haben sich schon immer hauptsächlich auf die „Rosinen“ im Kalender (Derbies, Spiele gegen FCB, Cupfinal) fokussiert. Von den gewaltbereiten Fans hat wenn überhaupt meist nur ein kleines Kontingent Lust, nach Aarau zu reisen. Und für so ein kleines Kontingent war das riesige Polizeiaufgebot diesmal dann wohl doch auch abschreckend genug.

Vergleicht man die verschiedenen Ereignisse miteinander, kommt man nun zu einem ziemlich verstörenden Ergebnis: immer wenn gewaltbereite Fans vor Ort sind, gibt es praktisch keine Festnahmen. Die Polizei beschränkt sich darauf, die Fans so schnell wie möglich (zurück) in den Extrazug zu drängen und schickt sie ab nach Hause. Sind hingegen keine gewaltbereiten Fans vor Ort, dann kommt es zu Einkesselungen und massenhaften Festnahmen von friedlichen Fussballfans wie im Februar in Zürich oder jetzt im April in Aarau. Die Adler fasst man mit Handschuhen an, auf die Spatzen schiesst man mit Kanonen. Und ist danach auch noch Stolz auf die grosse Anzahl an Festnahmen. Jeder kann und wird da seine eigenen Schlussfolgerungen daraus ziehen.

Wäre es nicht eigentlich die verdammte Aufgabe der Polizei, echte Straftäter zu identifizieren und einem Strafverfahren zuzuführen? Wofür bezahlen wir sie denn sonst? Die hochbezahlten, hochgerüsteten und straff organisierten Ordnungskräfte kuschen vor den gewaltbereiten Fans in der Kurve, gleichzeitig werden 14-jährige friedliche Fans zur Verantwortung gezogen mit der Begründung, sie seien selbst Schuld, da sie nichts gegen die gewaltbereiten Gruppen in der Kurve unternähmen. Eine Bankrotterklärung! Und dafür dann auch noch die Frechheit haben, für diese „Leistung“ den populären lokalen Fussballklub eigenmächtig finanziell zu ruinieren?

In den Schweizer Fankurven gibt es sehr wohl Selbstregulierung. Da gibt es viele junge Leute, die haben viel mehr Zivilcourage, als all die grossmauligen Politiker, Journalisten und Leserbriefschreiber zusammengenommen. Selbstregulierung ist gut und wichtig, von aussen dies aber quasi im Befehlston (subito!) von jungen Menschen zu verlangen, die weder die Verantwortung dafür tragen, noch dafür bezahlt werden oder ausgerüstet sind, ist völlig absurd. Die Fankurven sind im Gegensatz zur Polizei keine straffe Organisation, sondern eine bunte Mischung aus Einzelpersonen und kleinen Grüppchen von Kollegen und verschiedenen Fanklubs, die völlig unabhängig voneinander Tickets für den günstigsten Bereich des Stadions kaufen und als einzigen gemeinsamen Nenner haben, dass sie ihr Team unterstützen wollen.

Der FC Aarau ist nach dem Sieg in Vaduz in einem emotionalen Hoch. Mehr als sechs Monate hatten die Spieler nicht mehr gewusst, wie sich dies anfühlt, zu gewinnen. Beim FCZ hielt die Niederlagenserie gegen den FC St.Gallen trotz weitgehend guter Leistung und erneut deutlich mehr Torchancen als der Gegner weiterhin an. Immerhin traf Franck Etoundi nach dem Basel-Match gleich noch ein zweites Mal hintereinander.

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Von den Gesperrten kehren Rikan und Kajevic zurück, von welchen Rikan wohl die besseren Einsatzchancen hat. Buff ist zudem wieder spielbereit, wird aber wohl nicht von Beginn weg eingesetzt. Gemäss Trainer Urs Meier wird ein Teil der Jungen, welche gegen St.Gallen in der Startformation standen, dies auch in Aarau tun.

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Der FC Aarau hat nach langer erfolgloser Suche nach einem Ersatz für Artur Ionita beziehungsweise Sandro Wieser im zentralen Mittelfeld neben Sandro Burki in Vaduz kurzerhand auf ein 4-1-4-1 umgestellt und damit Erfolg gehabt. Züri Live-Experte Christoph Schär geht darum davon aus, dass der wiedergenesene Sandro Wieser so oder so nicht in der Startformation gestanden hätte. Daniel Gygax kann nicht spielen, Dusan Djuric hingegen schon. Dante Adrian Senger gelang in Vaduz ein sensationelles Tor zum  1:0, und musste gleich danach ausgewechselt werden. Der Argentinier ist fraglich und könnte durch Petar Sliskovic ersetzt werden.

Christoph Schär, Sportjournalist aus der Region Aarau, ist wie schon im November als Experte auf Züri Live beim Spiel Aarau – FCZ dabei. Im Vorschaugespräch spricht er über die voraussichtliche Taktik Aaraus, warum Raimondo Ponte Sandro Wieser nicht von Beginn weg bringen will, die Reaktionen beim FC Aarau auf die Massnahme der Kantonspolizei Aargau, die FCZ-Fans auszuschliessen, und mögliche Sicherheitsszenarien rund um die Partie.

 

Die Kantonspolizei Aargau verfügt die Sperre des Gästeblockes im Fussballspiel FC Aarau gegen den FC Zürich von heute Samstag und behauptet, dies mit dem Ziel zu tun, die öffentliche Sicherheit zu wahren. Die Meldung kommt unerwartet, aber keineswegs überraschend. Man braucht kein Hellseher zu sein, um vorauszusehen, dass diese Massnahme grosses Potential hat, genau das Gegenteil von öffentlicher Sicherheit hervorzubringen. In den letzten Jahren war es rund um Fan-Randale an Fussballspielen in der Schweiz ziemlich ruhig geworden. Experten der Materie meldeten einen Rückgang der Vorfälle, in Basel beispielsweise war man drauf und dran, die Polizeikontingente für Einsätze an Fussballspielen wieder zu reduzieren.

Offenbar war es verschiedenen Verantwortlichen im Polizeiapparat nun zu ruhig geworden. Denn im Zuge des berühmt-berüchtigten „Hooligan-Konkordats“ waren den „Ordnungshütern“ ja weitreichende Ermächtigungen in die Hand gegeben worden, und dieser neugewonnenen Macht wollte man sich nun natürlich betätigen. Dies ist alles keine Überraschung. Denn es braucht schon sehr viel Naivität in Kombination mit einem Fensterplatz im Geschichtsunterricht, um den salbungsvollen Beteuerungen eines Staatsapparates vom „massvollen“ Einsatz solcher Machtmittel glauben zu schenken. Ebenfalls alles andere als ein neues Phänomen ist, dass die Staatsmacht massive Einschnitte in die Freiheits- und Menschenrechte zuerst gegen eine in der breiten Bevölkerung unbeliebte Gruppe, im aktuellen Fall die „Fussball-Fans“, einsetzt. Dies dient sowohl der Rechtfertigung wie auch der Gewöhnung der Bürger an verfassungswidrige Mittel, welche im Normalfall nie und nimmer mehrheitsfähig wären.

Der relativen Ruhe rund um Schweizer Fussballspiele wurde am 21.Februar mit dem im voraus geplanten Überfall der Zürcher Stadt- und Kantonspolizei auf 800 (!) friedlich Richtung Stadion ziehende FCZ-Fans und der anschliessenden sechsstündigen (!) Einkesselung ein Ende gesetzt. Wie an dieser Stelle damals vermutet, hat dieses Ereignis in der Südkurve ganz offensichtlich zu einer Radikalisierung geführt. Man braucht nicht Psychologie studiert zu haben, um zu verstehen, dass solche Ungerechtigkeiten und Kollektivbestrafungen, und dann noch von Seiten der mit besonderen Vollmachten ausgestatteten Ordnungshüten, selbst bei ansonsten eher harmoniebedürftigen Gemütern starke Ressentiments wecken. Die radikalsten Elemente einer Fangruppierung erhalten so massiv Auftrieb, weil sie nun auch bei den Gemässigten zumindest teilweise auf Verständnis stossen.

Ganz in der Tradition ihrer Zürcher Kollegen eskaliert nun die Aargauer Kantonspolizei das Problem einer kleinen gewaltbereiten Gruppe innerhalb der Fanszene und schliesst gleich alle FCZ-Fans vom Spiel aus. Selbst Kinder dürfen nicht mit FCZ-Fanutensilien ins Stadion. Der lokale TV-Sender TV M1 schliesst daraus: „Zürcher Fans wollen wir nicht“. Nun heisst es also plötzlich ganz allgemein „Zürcher“ gegen „Aargauer“ – als Folge davon werden natürlich die radikalsten Strömungen in beiden Fanlagern starken Zulauf erhalten. Die ziemlich kurzfristig verhängte Massnahme der Aargauer KaPo wird heute zudem gewaltbereite Jugendliche aus der ganzen Schweiz wie die Motten zum Licht nach Aarau ziehen. Diese Entwicklungen müssen die Polizeistrategen voll und ganz auf ihre Kappe nehmen.

Im Brügglifeld-Stadion hatte es mit den FCZ-Fans in den letzten Jahren nie wesentliche Probleme gegeben. Im November war im Gegenteil der Zürcher Spieler Nico Elvedi von einem Wurfgeschoss aus dem Aarauer Sektor am Kopf getroffen worden. Und im Stadion randaliert wurde in den letzten Jahren nur ein einziges Mal, und dies durch Basler Fans nach dem Gewinn der Meisterschaft. Ansonsten gab es jeweils ausserhalb des Stadions wesentlich häufiger Probleme, als innerhalb –  zuletzt während und nach dem Heimspiel gegen St.Gallen, als die Gästefans ebenfalls angereist waren, aber aus Protest gegen die Preispolitik nicht ins Stadion hineingingen.

In einer Strassenumfrage eines VJ’s der Aargauer Zeitung äusserten gestern mehrere Aarauer Passanten, dass sie sich im Stadion jeweils sicher fühlen, in der Innenstadt aber nicht immer. Kein Wunder nehmen die Zuschauerzahlen in der Super League seit Jahren konstant zu. Die regelmässigen Stadionbesucher wissen, wie die Situation tatsächlich ist, während die Abwesenden durch die Medien-Hysterie rund um das Thema „Fussball-Fans“ eine andere Realität aufgetischt erhalten.  Man fühlt sich beim Lesen vieler Zeitungsartikel und Online-Kommentare über Fussball-Fans an Tacitus erinnert, welcher zu Zeiten Julius Cäsars die nördlich des Rheins lebenden Völker aus Propagandagründen rundweg als Barbaren beschrieben hat.

Die Polizeistrategen betreiben derweil Arbeitsbeschaffung für ihre Mitarbeiter. Es ist nicht immer klar, was als Grundlage ihrer Entscheidungen jeweils überwiegt: der böse Wille oder schlicht und einfach Ignoranz und Inkompetenz. Vor Jahresfrist bereits hatten die Zürcher und die Aargauer Kantonspolizei in einem gemeinsamen Effort mit absurden Sicherheits- und bürokratischen Hürden ein Testspiel zwischen dem FC Zürich und dem FC Biel untersagt, bei welchem vielleicht ein Dutzend Rentner und ein oder zwei Journalisten als Zuschauer anwesend gewesen wären. Die gleichen Stellen sind nun offenbar der Meinung, ein Aussperren aller Zürcher Fans würde in Aarau zur öffentlichen Sicherheit beitragen.

In Tat und Wahrheit werden hingegen sogar im Stadion selbst durch diese Massnahme die Risiken eher erhöht, denn normalerweise lassen sich die Ultras bereitwillig in ihren Fansektor einpferchen. Nun ist ein Stadionsturm nicht ausgeschlossen. Dies wäre im Brügglifeld von allen Seiten problemlos möglich. Und dies alles nur, weil es laut Mediensprecher Bernhard Graser offenbar das oberste Ziel der Kantonspolizei Aargau ist, „ein Zeichen zu setzen“. Genauso wie ein Teil der Zürcher Südkurve in den letzten Partien mit ihren Böllern „ein Zeichen setzen“ wollte gegen die Degradierung ihres Lieblingstorhüters David Da Costa, oder wie ein Teil der Basler Muttenzerkurve mit ihrem Sturm der Haupttribüne „ein Zeichen setzen“ wollte gegen das aus ihrer Sicht freche Auftreten der Gästefans. Die Polizei übernimmt bewusst oder unbewusst die Denk- und Handlungsweise der Ultras – es geht offenbar auch den Uniformierten in erster Linie darum, Präsenz zu markieren, Macht zu demonstrieren, Ohnmacht zu therapieren, zu zeigen, dass man „da“ ist, und sich nicht alles gefallen lässt. Die Polizeistrategen sollten sich vielleicht nochmal klar darüber werden, was eigentlich ihr Ziel ist. Kämpfen sie gegen die Hooligans oder gegen den Hooliganismus? Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe und erfordern völlig unterschiedliche Arten von Massnahmen. Im einen Fall wird eskaliert, im anderen deeskaliert.

Ausgerechnet in der Woche vor dem Spiel in Aarau trainiert Gilles Yapi wieder mit Ball! Der Ivorer kämpft sich auf dem Nebenplatz unterstützt von Athletiktrainer Tobias Powalla wieder an die Mannschaft heran, bereits auch mit leichten Übungen mit Ball zusammen mit dem zu Beginn der Saison so kongenialen Mittelfeldpartner Burim Kukeli. Dies sechseinhalb Monate nachdem Gegenspieler Sandro Wieser Yapis Karriereende mutwillig in Kauf genommen hatte.

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In derselben Partie hatte Nico Elvedi per Kopf das bisher einzige Tor in den drei Duellen zwischen dem FC Zürich und dem FC Aarau in dieser Saison erzielt. Elvedi war in jenem Spiel bei der Ausführung eines Einwurfes von einem Gegenstand aus dem Aarauer Fansektor am Kopf getroffen worden. Gesperrt ist aber nun am Samstag im Brügglifeld der Sektor der FCZ-Gästefans. Ob eine solche Massnahme wirklich zielführend ist, vor allem für die Situation ausserhalb des Stadions, wo wie immer am meisten Gefahr droht? Im Stadion selbst hatten in den letzten Jahren ja einzig die FCB-Fans einmal für Tumulte gesorgt gehabt.

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Zurück zum FCZ-Training vom Donnerstag: Marco Schönbächler ist der dritte im Bunde auf dem Nebenplatz – begleitet vom medizinischen Leiter Stefan Rausch versucht er einige Schüsse aufs Tor zu bringen, muss diese Übung aber bald abbrechen. Der „Flügelflitzi“ ist noch mitten in der Leidenszeit, während Yapi nach seinen Übungen bereits am Spielfeldrand sehnsuchtsvoll den Kollegen beim Training zuschaut, und den Tag herbeisehnt, wann er wieder voll im Mannschaftstraining dabei sein kann. So wie Oliver Buff, welcher wieder voll mittun kann. Die lange Verletzten- und Gesperrtenliste auf Urs Meiers Kaderliste lichtet sich langsam wieder. Dieser drängt seine Mannen in den Übungen immer wieder darauf, auch im Training im Abschluss voll fokussiert zu sein. Denn wer im Training nicht trifft, trifft häufig danach auch im Spiel nicht…

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