Beinahe 1’000 Tage Magnin – die Analyse, Teil 1

Nach nicht einmal 100 Tagen Ludo Magnin erschien im Daléo eine erste Analyse seines Wirkens als damals neuer Cheftrainer beim FC Zürich. Nach beinahe 1’000 Tagen Magnin schauen wir nun zurück auf die von ihm getätigten Aussagen und prüfen mit Beobachtungen und Statistiken, ob und wie er seine damaligen Ideen umgesetzt hat. Und warum die sportliche Bilanz seiner Trainer-Ära in der 1. Mannschaft durchzogen ausfällt.

Das Team unter Uli Forte – anfänglich eine Defensivwand

Wie kam Magnin überhaupt zu seinem ersten Trainerjob im Profibereich? Wie die meisten Super League-Aufsteiger war auch der FCZ unter Uli Forte mit der Aufstiegseuphorie im Rücken gut in die Saison 17/18 gestartet. Das Team begann aber ab November stark abzubauen. Dies war bereits in der Vorsaison in der Challenge League passiert. Nun wirkte es sich aber aufgrund der stärkeren Gegner sofort auf die Resultate aus. Die Zitrone wirkte ausgepresst. Trotzdem lag man aufgrund der in der Anfangsphase der Saison erkämpften Punkte immer noch auf dem Dritten Platz, als im Februar der Trainerwechsel stattfand.

Eine klar positive Tordifferenz hatte der FCZ in der Super League 05/06, 06/07, 07/08, 08/09, 10/11 und 12/13, eine klar negative 15/16 und 19/20. Tendenziell war man gemessen an Toren und Gegentoren im Vergleich mit dem Ligaschnitt in den letzten zwei Jahrzehnten defensiv besser unterwegs als offensiv. Selbst in den drei Meistersaisons lag der Vorteil gegenüber dem jeweiligen Zweitplatzierten (Basel, YB) bei den weniger erhaltenen Gegentoren. Uli Fortes Aufsteigermannschaft ging in der Saison 17/18 diesbezüglich noch einen Schritt weiter. Es lief ein auf Physis, Kampf und Laufbereitschaft ausgerichtetes Team auf. Taktisch und von der Spielanlage her gings in erster Linie darum, Tore zu verhindern. Spielerische Elemente musste man mit der Lupe suchen.

Im Tor stand mit Andris Vanins an Stelle von Eigengewächs Yanick Brecher ein erfahrener Keeper mit bescheidenen fussballerischen Attributen. Davor wurde eine «Wand» gestellt – mit fünf zentralen technisch eher limitierten Verteidigungshaudegen in Dreierabwehr und Doppelsechs: Nef, Palsson, Brunner (oder Thelander), Sarr und Rüegg, flankiert auf der Seite von den ebenfalls vor allem kämpferisch mit Defensivaufgaben beschäftigten Pa Modou und Winter. Dazu vorne die lauffreudigen Frey und Rodriguez, die ebenfalls viel gegen den Ball arbeiteten. Mit Dwamena (oder Koné) stand üblicherweise nur ein Spieler mit gewissen defensiven Defiziten auf dem Platz. Das Zwischenresultat: nach einem Saisonviertel nur fünf Gegentore! Das war sogar deutlich besser, als in den drei Meistersaisons! Die defensive Stabilität bröckelte dann aber mit zunehmendem Saisonverlauf exponentiell, ohne dass dies offensiv kompensiert werden konnte. Zu Beginn der Rückrunde kassierte man in vier Partien elf Gegentore.

Magnin kriegt die Aufgabe, drei fundamentale Probleme zu lösen

Abgesehen davon, dass die Mannschaft unter Forte ab November zum wiederholten Male stark nachliess (man sei «zu ausrechenbar» geworden, liess Präsident Ancillo Canepa verlauten), entsprach Fortes Spielweise, Personalpolitik und Ausrichtung nicht der Vereinsphilosophie. Und drittens gab es unter anderem aus diesem Grund Probleme mit der Integration der besten Talente in die 1. Mannschaft. Der Fokus von Junioren-Scouting und -Ausbildung war mit «Forte-Fussball» unvereinbar. Das heisst: man befürchtete, dass ein Grossteil der Ausbildungsarbeit «für die Katz» sein würde.

Dies zeigte sich damals akut an der Situation des hoffnungsvollen 98er-Jahrganges. Vasilije Janjicic hatte schon zu Beginn der Forte-Zeit das Weite gesucht. Der grossgewachsene, aber eher schlanke Innenverteidiger Arbenit Xhemajli und der leicht ältere spielstarke André Ribeiro wechselten zu Xamax und Braga, als sie nicht in die 1. Mannschaft hochgezogen wurden. Maren Haile-Selassie blieb aussen vor und auch mit Toni Domgjoni konnte Forte gar nichts anfangen – für seine Vorstellungen eines Zentralen Mittelfeldspielers wohl zu schmächtig. Izer Aliu testete Forte eher alibimässig mal als linker Aussenläufer. Und Kevin Rüegg stellte er aufgrund dessen Physis ins Zentrale Mittelfeld, wo der später als Rechtsverteidiger zum U21-Nati Captain aufsteigende Jungspund wegen seiner beschränkten Technik auf engem Raum spielerisch wenig beitragen konnte – was für Forte ein sekundärer Aspekt war.

Für alle drei fundamentalen Probleme – die Ausrechenbarkeit, die abweichende Spielphilosophie und den ungenügenden Einbau der eigenen Talente versprach Magnin die richtige Trainerwahl zu sein. Und dies obwohl er damals im April 2018 gegenüber Daléo unter anderem äusserte:

«Ich habe überhaupt kein Problem, eine Mannschaft mit lauter Routiniers aufzustellen.»

Ludovic Magnin im April 2018

Letzteres ist schlussendlich nie passiert. Der von vielen befürchtete «Jugendwahn» allerdings auch nicht. Die jüngste von Magnin aufs Feld geschickte Mannschaft war in der Anfangszeit bei einem 1:1-Auswärtsunentschieden in Sion im Schnitt genau 23 Jahre alt. Mit Rüegg, Rohner, Domgjoni und dem trotz 99-er Jahrgang ebenfalls zu dieser Spielergeneration gehörenden Aliu setzte er gleich vier «98er» in der Startformation ein und äusserte sich nach der Partie dahingehend, dass dies wohl zu viele aufs Mal gewesen seien und der Punktgewinn nur mit Glück erspielt worden war. Zum Vergleich: Sowohl Lucien Favre wie auch Bernard Challandes, Urs Fischer, Urs Meier und Rolf Fringer schickten beim FCZ jüngere Startformationen auf den Platz. Im Vergleich zu Uli Forte hingegen, dessen Mannschaftsaltersschnitt sich häufig in Gilbert Gress-Sphären der Saison 00/01 bewegte, war die Verjüngung der Mannschaft eklatant. 

Entscheidende Rolle des 98er-Jahrganges

Dies bedeutet aber nicht, dass Forte grundsätzlich nicht mit jungen Spielern arbeiten kann. Der Brüttiseller gehört zu der Sorte Trainer, die sich den Prioritäten und Anforderungen eines Vereins anpassen können. Verlangt die Klubführung eine Jugendstrategie, dann arbeitet er mit Jungen – wie er dies bei GC und YB gemacht hat. Soll hingegen mit einer erfahrenen Equipe der sofortige Wiederaufstieg angestrebt werden wie beim FCZ, dann macht Forte auch das. Das Projekt Forte war beim FCZ aber von vornherein auf das kurzfristige Ziel Super League ausgelegt. Dies manifestierte sich spätestens, als man wieder zurück im Oberhaus war. Just zu diesem Zeitpunkt klopfte mit dem 98er-Jahrgang die stärkste FCZ-Juniorengeneration seit sechs Jahren (92er um Rodriguez, Buff, Drmic) vehement an die Türe zur 1. Mannschaft und Forte machte diese nur einen kleinen Spalt weit auf – weil er für seine Art von Fussball andere Spielertypen benötigt.

Ein Klub, der sich so stark in der Academy engagiert, kann sich sportlich, finanziell und ideell aber schlichtweg nicht leisten, eine solche Generation zu verlieren. Aus dieser Warte war es im Februar 2018 höchste Eisenbahn für einen Trainerwechsel. Denn schon wenige Monate später hätte es passieren können, dass auch noch der Rest der vielversprechenden Spielergeneration einen Wechsel anstrebt. Es ging im Frühling 2018 darum, einem Domgjoni, Aliu, Rohner oder Rüegg zu zeigen, dass man auf sie setzt – und dies vor allem auch auf denjenigen Positionen, auf welchen sie ihr grösstes Potential haben.

Die Aufgabe für Magnin gestaltete sich knifflig. Denn normalerweise nutzen Absteiger im Unterhaus die Gelegenheit für eine grosse Blutauffrischung. Servette, Lausanne, GC und selbst St. Gallen verjüngten ihr Kader stark und gaben in der Challenge League auch denjenigen Junioren eine Chance, die im Oberhaus nicht zum Zug gekommen wären. Sie nahmen dabei in Kauf, den Wiederaufstieg nicht im ersten Anlauf zu schaffen. Nicht so der FCZ! Der sofortige Wiederaufstieg hatte beim Stadtclub oberste Priorität. Das war die Vorgabe aus der Chefetage. Der Generationenwechsel wurde so vertagt. Als dieser dann aber ein Jahr später aufgrund der Inkompatibilität der 98er-Generation mit Fortes Spielstil und Personalpolitik immer noch auf sich warten liess, wurde die Vereinsführung schnell ungeduldig.

Dieser Artikel ist in voller Länge im aktuellen „Daléo“ unter dem von der Redaktion gesetzten Titel „Bilanz eines Versagens“ zu lesen. Hier auf Züri Live wird der zweite von vier Teilen kommende Woche publiziert.

Frage der Woche: Ist das frühe Cup-Ausscheiden gegen einen Unterklassigen für den FCZ Ausgabe 20/21 ein schlechtes Omen?

Von den zehn letzten Absteigern (Vaduz und FCZ ausgenommen) schieden gemäss Statistik von Züri Live-Experte Toni Gassmann die Hälfte in der Abstiegssaison früh gegen einen Unterklassigen aus dem Cup aus.

Toni Gassmann auf Züri Live zur Cup-Statistik der Super League-Absteiger

Frage der Woche: Ist das frühe Cup-Ausscheiden gegen einen Unterklassigen für den FCZ Ausgabe 20/21 ein schlechtes Omen?

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FCZ vor 20/21 – wieder ein Vogel ohne Flügel?

In einem Fussballverein lange dabei zu sein, bringt den Vorteil mit sich, Vergleiche anstellen zu können zwischen erfolgreichen und erfolglosen Saisons. Genau dies hat FCZ-Präsident Canepa in der kurzen Sommerpause gemacht, und dabei ein Muster entdeckt: «Jedes Mal, wenn Anfangs Saison die Mannschaft die Saisonziele selbst festgelegt hat, dann wurden diese auch erreicht!». Folgerichtig ist es sein spezielles Anliegen, vor der kommenden Saison wieder zu dieser Praxis zurückzukehren. Es soll wieder ein Team-Workshop stattfinden, in welchem die Spieler zuerst in Vierer- bis Fünfergruppen und anschliessend im Plenum gemeinsam ausarbeiten, welche Ziele sie als realistisch und gleichzeitig grosse Herausforderung ansehen. Der Ansatz hat durchaus seine Logik: schlussendlich sind es allein die Spieler, welche das Ziel auf dem Platz dann auch erreichen können – so ein Workshop, richtig umgesetzt, eint die Mannschaft um ein gemeinsames Ziel und schafft intern Verbindlichkeit.

Wenn man sich in Erinnerung ruft, wie die drei zum Titel führenden Cupsaisons, der Wiederaufstieg und gewisse Erfolgserlebnisse im Europacup zustande gekommen sind, dann war dies nie, weil man die besseren Spieler auf seiner Seite hatte. Jedes einzelne Mal war man schlicht hungriger als die jeweiligen Gegner gewesen. Es handelte sich um Willensleistungen, bei welchen das Team spürbar auf einer gemeinsamen Mission war. Letzte Saison gab es zwei Saisonphasen (zweites Saisonviertel, Phase nach dem Lockdown), in welcher sich eine gewisse positive Dynamik eingestellt hatte. Klar besser als der Gegner war man aber auch in diesen Phasen nie. Die positiven Resultate bauten auf einer guten Abschlusseffizienz und einem phasenweise stärkeren Fokus aufs Umschaltspiel auf.

Keine neue Erkenntnis: Konterfussball ist die Stärke des Teams

Schon vor Meisterschaftsstart vor einem Jahr und in der Folge wurde hier auf Züri Live in Artikeln und Live-Übertragungen betont, dass die Mannschaft in dieser Zusammensetzung ihre offensiven Stärken im Umschaltspiel hat. Schnelligkeit ist eine der wenigen Eigenschaften, in welcher dieser FCZ ligaweit überdurchschnittlich ist. Für Ballbesitzfussball sind die Spieler im Kader hingegen fast durchs Band nicht geschaffen. In engen Räumen wirken sie wie ein watschelnder Vogel, der zu wenig Platz hat, um seine Flügel auszubreiten: eine leichte Beute für die Gegner. Das Team verliert aufgrund der motorischen, technischen und teilweise auch mentalen Voraussetzungen seiner Akteure in solchen Situationen zu viele einfache Bälle. Mit der Rückkehr von «Turbo»-Fabian Rohner und Assan Ceesay wird dieses Mannschaftsprofil noch weiter geschärft. Der beste Zürcher Torschütze Blaz Kramer beispielsweise ist ein reiner Konterspieler. Sein «Gerd Müller»-Tor im letzten Spiel gegen Thun gegen einen in dieser Situation indisponierten Nikki Havenaar war eine Ausnahme. Der Slowene konnte sich in den Zweikämpfen und auf engem Raum praktisch nie durchsetzen und ist trotz seiner Grösse schwach in der Luft. Man kann einzig auf seine Lernkurve nach seiner ersten echten Profisaison hoffen.

Der neue sportliche Gesamtverantwortliche Marinko Jurendic räumt dies an der Saisonvorschau-Pressekonferenz gegenüber Züri Live ein: ja, 60% der Tore seien letzte Saison mit Umschaltspiel erzielt worden. Fast alle übrigens aus einer eher tiefen Position heraus mit Ballgewinnen in der Abwehr oder im Mittelfeld, gälte es da noch anzumerken. Zu Saisonbeginn gegen Lugano spielte man im Letzigrund hohes Pressing, welches die Tessiner aushebelten und 4:0 gewannen. Im zweiten Saisonviertel funktionierte das hohe Pressing dann etwas besser. Aber als eine echte Stärke des Teams, wie Trainer Magnin dies sieht, kann man es bisher noch nicht bezeichnen. In der entsprechenden Statistik der letzten Saison liegt der FCZ an fünfter Position hinter St. Gallen und YB, die in dieser Kategorie klar vorne liegen, sowie Servette und Basel. Marinko Jurendic stützt aber trotzdem Magnins Bestreben, mit diesem Team auch Ballbesitzfussball zu spielen. Man müsse beides beherrschen, auch wenn Ballbesitzfussball zu etablieren bei vielen Jungen und personellen Wechseln nicht einfach sei. Auch teilt Jurendic, so wie es aussieht, weitgehend Magnins Haltung, bei einem Spieler stärker auf einzelne herausragende Fähigkeiten zu schauen, als aufs Gesamtpaket. So bringt er gegenüber Kramer, der defensiv bisher ungenügend und offensiv sehr einseitig veranlagt ist, aufgrund dessen Torbeteiligungsquote viel Verständnis entgegen.

Grosser Schritt nach vorne bei Standards und Flexibilität

Aus Züri Live-Sicht muss man bei der Bewertung der letzten Saison einen Unterschied machen zwischen der Entwicklung des Teams insgesamt und der Einzelspieler. Als Team hat man einerseits definitiv Fortschritte bei Standards gemacht – zuerst in der Vorrunde unter anderem mit der Umstellung von Mann- auf Raumdeckung bei Defensivstandards – nach dem Lockdown dann wie aus dem Nichts auch bei Offensivstandards – ein fast schon jahrzehntealtes Problem beim FCZ. Es war wie ein Umdrehen des Spiesses, als hätte man intern eine Liste erstellt mit all den Tricks und Finten, mit welchen die Gegner jahrelang entscheidende Standardtore gegen das Letzigrundteam erzielt hatten – und würde diese Liste nun Punkt für Punkt abarbeiten und in der Offensive glänzend umsetzen.

Ausserdem kann das Team mittlerweile problemlos während eines laufenden Spiels zwischen mehr als einem halben Dutzend Spielsystemen hin und her switchen. Diese Fähigkeit hat der Mannschaft fast jedes Mal geholfen, das Spiel besser in den Griff zu bekommen, und manches Mal dann auch in Sachen Punkteausbeute. Ohne diese Qualität wäre man auf dem Barrageplatz gelandet.

Es fehlt die Qualität für erfolgreichen kontrollierten Spielaufbau

Andererseits fehlte der Mannschaft die Konstanz sowohl über die ganze Saison hinweg, als auch innerhalb eines einzelnen Spieles fast durchgehend. Gut hat der FCZ meist dann gespielt, wenn er mit einer proaktiven Haltung auf den Platz ging – sei es, gegen einen anstürmenden Gegner erstmal stark dagegenzuhalten, oder selbst entschlossen zu attackieren – und immer die erste sich bietende Gelegenheit zu einem Pass, einem Schuss oder einer Balleroberung sofort nutzen zu wollen.

Zu häufig ging man aber mit einer zu abwartenden, zu wenig entschlossenen Haltung auf den Platz. Zu Lucien Favre-Zeiten und weitgehend auch noch unter Challandes war man die spielerisch beste Mannschaft der Schweiz gewesen. Diese Grundhaltung, es zuzulassen, dass der Gegner sich defensiv formieren kann, weil man sich sicher ist, mit der eigenen spielerischen Qualität auch einen solchen Gegner knacken zu können, scheint danach als Erbe zurückgeblieben zu sein. Der Anteil der Spieler im Kader, welche die Kombination von Technik, Beweglichkeit, Antrittsschnelligkeit und Spielintelligenz eines Raffael, César, Alphonse oder Abdi mitbringen, nahm aber mit den Jahren kontinuierlich ab, bis er schliesslich gegen Null tendierte. Einfach nur technisch-spielerisch starke Offensivspieler hatte man mit Chikhaoui, Chiumiento, Buff, Marchesano, Mahi oder Popovic weiterhin immer mit dabei. Aber diesen fehlte allen das eine oder andere wichtige Element, um auf Super League-Niveau mit Ballbesitzfussball eine Überlegenheit etablieren zu können. Der aktuellen Mannschaft geht diese Qualität auf Super League-Niveau bisher fast gänzlich ab. In der Challenge Legue könnte sie auf diese Weise erfolgreich spielen – oder wenn ein eher mässig bestückter Super League-Gegner zusätzlich auch noch einen schlechten Tag erwischt.

Kredit für Omeragic und Sohm wird sich auszahlen

Was die Entwicklung der einzelnen Spieler betrifft, gab es hingegen trotz des Siebten Schlussranges letzte Saison viel Positives zu beobachten. Der zu Saisonbeginn 18-jährige Simon Sohm (2’149 Einsatzminuten) und der damals 17-jährige Becir Omeragic (1’779) wurden zu Stammspielern. Beide zeigten Leistungsschwankungen, aber der FCZ wird in der kommenden Saison davon profitieren, dass man letzte Saison Aufbauarbeit geleistet und auf diese zwei Teenager, die in ihrem Jahrgang zu den talentiertesten der Schweiz gehören, voll gesetzt hat. Man kann erwarten, dass sie das, was sie letzte Saison phasenweise gezeigt haben, nun regelmässiger und mit höherer Konstanz auf den Platz bringen. Bereits eine hohe Konstanz auf den Platz gebracht hat Mittelfeldspieler Toni Domgjoni – was sich schlussendlich auch in seinen Einsatzzeiten niederschlägt (mit 2’599 Minuten die Nummer Eins unter den Feldspielern). Der Dauerläufer und Aggressivleader ist ein Leistungsträger, der nur selten mal einen schlechten Tag erwischt. Wenn es doch mal passiert, erhält er von seinem langjährigen Trainer (abgesehen von ein paar Monaten zwischendurch unter Massimo Rizzo) schon nach zehn Minuten einen Rüffel – und wenn das nicht wirkt, eine kleine Denkpause. Danach ist «die Maschine», wie er auch von gegnerischen Spielern genannt wird, jeweils sofort wieder da.

Der zweite «Toni» im Team, zwar älter und stolzer Vater, aber trotzdem liebevoll «Tonino» genannt, hat sich unter Magnin zur fussballerisch bestmöglichen Version seiner selbst entwickelt. Wer den über weite Strecken seiner Karriere defensivfaulen und deshalb Super League-untauglichen Marchesano in Erinnerung hat, und sieht, wie er heute für die Mannschaft rennt, kämpft und Verantwortung übernimmt, muss davon ausgehen, dass es sich um den von der Mentalität her völlig andersartigen Bruder Marchesanos handeln muss. Dieser Entwicklungsprozess hatte beim Tessiner schon in Biel begonnen, aber erst seit kurzem ist er zu einem Spieler gereift, der in der Super League, Europa League oder in einem Cupfinal die Entscheidung herbeiführen kann. Genauso war die letzte Saison individuell die beste Spielzeit Nathans, seit er in der Schweiz aktiv ist. Er hat in seiner ersten FCZ-Saison an seinen Schwachpunkten gearbeitet, die er bei Servette und GC noch an den Tag gelegt hatte – und spielt heute deutlich zuverlässiger.

Die erstaunliche Wandlung des Benji K.

Der aus Lettland in die Schweiz gewechselte Aiyegun Tosin hat von Anfang an eingeschlagen – ohne Eingewöhnungszeit, welche direkt aus Westafrika zum FCZ transferierte Spieler wie Koné, Britto und teilweise Odey in den letzten Jahren immer wieder gebraucht hatten. Wichtig ist vor allem auch seine defensive Mitarbeit auf der rechten Seite. Nun muss er nach auskurierter Verletzung nur noch seine übliche schwache Viertelstunde, die er in fast jedem Spiel einzieht, noch wegbringen. Die reaktivierten Pa Modou und Kempter schlugen sich über weite Strecken erstaunlich gut. Schönbächler war phasenweise fast wieder «der Alte», Brecher wurde unter Magnin deutlich stabiler – und der aus der Regionalliga in die Super League gewechselte Kramer erzielte mehr Tore, als dies aufgrund seiner Erfahrung und Fähigkeiten hätte erwartet werden können.

Die erstaunlichste Wandlung zum Positiven zeigte aber Benjamin Kololli. So gut, wie zwischen Lockdown und Quarantäne hat der Waadtländer in seiner ganzen Karriere noch nie auch nur annähernd gespielt. Fokussiert! Auch in der defensiven Phase wertvoll! Top-Standards! Schon in den letzten Jahren hatte Magnin den mittlerweile 28-jährigen mehrmals als Sturmspitze ausprobiert: nun setzte er dies endlich regelmässig in der Liga in die Tat um. Damit hatte der FCZ vorne zentral die zuvor vermisste Anspielstation, die den Ball halten kann und gleichzeitig auch noch im Abschluss zu den treffsichersten gehört. Kololli gehört zu denjenigen Spielern, die mit zu viel Zeit und Platz im Spielaufbau schlecht umgehen können – daher tut ihm der erhöhte Druck der Gegenspieler im Zentrum gut. Gegen Saisonende kam mit Henri Koide dann noch ein zweiter Mann, welcher den Ball vorne gut halten kann, hinzu.

Kryeziu & Kryeziu könnens besser

Mimoun Mahi, der nach der Geburt seines zweiten Kindes gemäss Präsident Canepa auf Wunsch der Ehefrau wieder zurück nach Holland gezogen ist, spielte in Zürich eigentlich nicht anders, als davor in Groningen. Nur dass halt seine fehlende Direktheit im Spiel von Anfang an Zweifel geweckt hatte, ob diese Spielweise gegen die im Vergleich mit der Eredivisie defensiv disziplinierteren Super League-Gegner von Erfolg gekrönt sein kann. Wie sich gezeigt hat: eher nicht. Willie Brittos Entwicklung verläuft ebenfalls im erwarteten Rahmen. Nach seiner ersten Saison und 953 Spielminuten im europäischen Fussball kann man erfahrungsgemäss noch keine Wunder erwarten. Der Ivorer bringt bezüglich Dynamik aber gute Voraussetzungen mit. Zum Vergleich: Aiyegun Tosin war schon drei Jahre in Europa mit mehr als 7’000 Spielminuten für Ventspils und unter anderem acht Skorerpunkten in der Europa League-Qualifikation, als er zum FCZ kam. Und Moussa Koné war auch nach mehr als zwei Jahren beim FCZ noch nicht reif und entwickelt genug, um sich einen Super League-Stammplatz zu erkämpfen.

Unzufrieden kann man mit der Entwicklung der beiden Osteuropäer Kharabadze und Popovic sein. Letzterer hat zwar relativ gute Standards geschlagen und seine spielerischen Qualitäten angedeutet, kam aber mit Trainingsrückstand nach Zürich, den er die ganze Vorrunde nie aufzuholen im Stande war. Zudem passte er nicht so gut in die Mannschaft, wie er dies in den Aussenseitermannschaften der Russischen Premier Liga in Orenburg und Samara tut. Levan Kharabadze fand sich auch durch wiederholte Verletzungen kaum mal richtig ins Team und war defensiv auf der Problemseite links keine grosse Hilfe. Dass der Georgier nach seiner vorläufigen Rückkehr nach Tbilisi in Westeuropa nochmal einen zweiten Anlauf nehmen wird, ist trotzdem ziemlich wahrscheinlich. Auch von den beiden «Kryezius» hätte man unter dem Strich eine bessere Entwicklung erwarten können. Bei keinem anderen Spieler braucht es so wenig, um eine starke Leistung in einen schwachen Auftritt zu verwandeln oder umgekehrt, als bei Mirlind Kryeziu. Und Heki ist weiterhin zu stark mit sich selbst beschäftigt, als dass er eine echte Stütze sein könnte. Seine Auftritte in der Zentrale der Dreierabwehr machten aber Hoffnung. Ähnlich wie bei Kololli im Sturmzentrum, ist Kryeziu da in einer rein defensiven Rolle so sehr vom Gegner und den Spielsituationen in seiner Konzentration gefordert, dass er keine Zeit mehr zum Überlegen hat – was sich auf ihn leistungsfördernd auswirkt.

FCZ 20/21 – ein klarer Aussenseiter mit viel Potential

Insgesamt mag der FC Zürich als Klub gut aufgestellt sein und nahm in den letzten Jahren sowohl bezüglich Academy als auch bei den Frauen zusammen mit Basel ein Vorreiterrolle ein. Allerdings haben andere Klubs in beiden Bereichen stark aufgeholt. Der Vorreiter bezüglich Academy und Übergang von der Academy in die 1. Mannschaft ist aktuell Luzern. FCB und FCZ sind immer noch vorne dabei, aber Lausanne, YB, St. Gallen und selbst Aarau machen von hinten diesbezüglich stark Druck. Servette hat das Problem «Alain Geiger», der trotz vorhandenem Reservoir an Talenten die Jungen erst brachte, als es nicht mehr anders ging – und einen Kastriot Imeri, der bei den meisten anderen Super League-Klubs schon vor zwei Jahren Stammspieler geworden wäre, sogar in der Challenge League mehrheitlich auf der Bank beginnen liess. Bei den Frauen hatte Basel schon immer die grössten Mittel, was sich aber nie in Erfolg ummünzen liess. Nun sind sie aber mit einem sehr talentierten Team wieder als echter Meisterkandidat am Start. Von Servette, das ebenfalls mit einer Reihe von Profispielerinnen aufläuft, gar nicht zu sprechen. Die Genferinnen sind Meisterschaftsfavorit. Auch St. Gallen-Staad hat eine gute Entwicklung genommen und macht traditionellen Verfolgern wie Luzern oder YB Konkurrenz. GC hat mit Sascha Müller einen interessanten neuen Trainer, der in der Academy schon viele Junioren stark entwickelt hat. Trotzdem gehören die Frauen des FCZ auch in der neuen Saison zu den Meisterschaftsanwärtern und spielen erneut in der Champions League.

Die FCZ-Profis starten hingegen nach zwei 7. Plätzen hintereinander als klarer Aussenseiter in die neue Super League-Saison. In den letzten neun Jahren hat man in der 1. Mannschaft immer von Qualitäts-Talenten aus der eigenen Academy profitiert, auf welche viele andere Teams nicht zurückgreifen konnten. Bezüglich Reife und Spielanlage war der FCZ aber tendenziell unterlegen – sicherlich teilweise auch dadurch bedingt, dass man weniger Kontinuität im Team hatte, als viele andere Mannschaften. Selbst in der Challenge League-Saison spielte ein Teil der gegnerischen Mannschaften den reiferen Fussball. Das Potential kann man diesem Aussenseiter aber nicht absprechen. Wer einen Omeragic und Sohm mit jeweils einjähriger Stammspieler-Erfahrung, einen Koide, einen Rohner oder Gnonto in seinen Reihen weiss, kann sich über fehlende Perspektiven nicht beklagen! Der 16-jährige Wilfried Gnonto wirkt trotz seines Alters schon Super League-reif und kann auf allen Offensivpositionen eingesetzt werden. Fabian Rohner ist auf der Standardposition für die schnellsten Spieler im modernen Fussball (Aussenverteidiger) vorgesehen, kann aber auch weiter vorne eingesetzt werden.

Problemposition: ungelöst

Am anfälligsten war der FCZ auch in der abgelaufenen Saison über die Seiten. Das ist auch der wichtigste Grund, warum man im Gegensatz zu anderen Teams der Liga gegen YB wirklich so gut wie nie «einen Stich» hat, denn das Spiel über die Seiten ist die grosse Stärke der Berner. Unter anderem während vier Jahren dank Linksverteidiger Loris Benito, welcher in der Saison 13/14 als Nachfolger des Duos Rodriguez / Magnin der letzte konstant gute Linksverteidiger beim FCZ war. Seither ist dies beim Stadtclub eine Problemposition. Zuerst wurde in der Saison darauf mit Dreierabwehr und Schönbächler als linker Aussenläufer gespielt. Dann folgte das Abstiegsjahr mit dem von Lazio ausgeliehenen Brasilianer Vinicius. Voser oder Schättin hinterliessen auch keine grossen Spuren und Muheim sträubte sich damals noch gegen die Umfunktionierung auf diese Position. Mit Kharabadze, Guenouche oder Pedersen wurde die linke Seite auch nicht stabilisiert und Pa Modou war häufig verletzt oder angeschlagen. Daher kam es ziemlich überraschend, als Michael Kempter, der seine Chance nach der Corona-Pause genutzt zu haben schien, auf der SFL-Seite vor rund einer Woche bei den «Abgängen» auftauchte. Man habe mit ihm über einen neuen Vertrag verhandelt, heisst es dazu vom neuen Sportchef Marinko Jurendic, aber die beiden Seiten hätten sich nicht gefunden.

Ebenfalls verlauten liess man, wen der FCZ als nächstes Top-Talent erachtet: Silvan Wallner. Mit dem 18-jährigen soll speziell auch Alain Nef arbeiten, um aus ihm mindestens einen starken Super League-Verteidiger zu formen. Für links hinten wird auf jeden Fall noch ein neuer Mann gesucht. Einen «Führungsspieler» auf gutem Super League-Niveau kann ein Klub wie der FCZ im Normalfall aber weder verpflichten, noch in wenigen Wochen züchten. Weltenbummler Palsson oder der langsamer werdende Popovic, die für solche Rollen vorgesehen waren, waren aus verständlichen Gründen schneller wieder weg, als dass irgendetwas Nachhaltiges hätte entstehen können – es fehlte ihnen zudem auch an der notwendigen Qualität und in vielen Spielen an Leistung, um ein hohes Standing in der Mannschaft zu erhalten. YB und Basel können mit ihren Mitteln einen Lustenberger, Frei oder Stocker aus der Bundesliga verpflichten, Sion einen Kasami. Alle anderen Klubs müssen normalerweise ihr Führungspersonal intern entwickeln. Beim FC St. Gallen hat sich Silvan Hefti hervorragend in diese Rolle eingelebt, in Luzern ein Pascal Schürpf. Der FCZ hat mit Domgjoni, Rüegg, Nathan, Marchesano, Brecher und mittlerweile selbst Kololli oder Omeragic so viele «halbe Führungsspieler» wie kaum ein anderes Super League-Team. Die Krux an der Sache: nur ein Spieler mit einer konstant starken sportlichen Leistung kann glaubwürdig eine Führungsrolle übernehmen. Von obengenanten Kandidaten traf dies letzte Saison nur auf Domgjoni zu, welcher schon bei den Junioren der geborene Captain war. Er könnte analog Silvan Hefti durchaus im Verlauf der kommenden Saison in eine solche Rolle auch in der Ersten Mannschaft noch stärker hineinwachsen.

Saisonstatistik: FCZ schraubt Testspielskore auf 61

Rekordverdächtige 21 Testspiele hat der FCZ in der Saison 19/20 mittlerweile gespielt. Und damit beinahe gleich viele Freundschaftspartien, wie solche um Punkte in der Super League (23). Die Gegner bewegten sich dabei in einem weiten Feld von Borussia Dortmund und RB Leipzig bis Wettswil-Bonstetten. Gegen Vaduz, Wil und Halle wurde dabei je zwei Mal, gegen den letzten Gegner Schaffhausen (6:0) gar drei Mal gespielt. In der ersten Saisonhälfte waren die Testresultate ausgewogen – seit dem 14. Januar hat der Letzigrund-Club aber neun Testspielerfolge in Serie hingelegt. Zugegebenermassen ist dies im Hinblick auf die anstehenden Wettbewerbsspiele jeweils nicht aussagekräftig.

Zumindest werden Tore erzielt. In allen sechs „Corona-Testspielen“ landete der Ball vier bis sechs Mal im Netz des jeweiligen FCZ-Gegners. Zuletzt in Schaffhausen trafen mit Pa Modou Jagne (Foulpenalty), Nils Reichmuth und Mirlind Kryeziu gleich drei Spieler erstmals in der laufenden Saison in einer Testpartie. Für den 18-jährigen Reichmuth, der mit seinem beinahe zwei Jahre jüngeren Bruder Miguel in der U18 spielt, und zudem zum erweiterten U21-Kader gehört, war es das Jungferntor in der Ersten Mannschaft. Und Mirlind Kryeziu (1,98m) gelang seit langer Zeit wieder einmal ein Kopfballtor – genauso wie Antonio Marchesano (1,68m), welcher mit Kopfbällen in den letzten Jahren deutlich häufiger erfolgreich war. Bei beiden Treffern hatte Benjamin Kololli mit jeweils einem Standard seinen Rechten Fuss im Spiel. Der wie schon in Vaduz als Stürmer auflaufende Kosovarische Nationalspieler ermöglichte zudem bereits in der 17. Minute Marchesano das 1:0, als dieser dank dem guten Laufweg Kolollis nach einer Kempter-Flanke fast unbehelligt zum Abschluss kam. Das vierte Tor erzielte Kololli per Handspenalty gleich selbst. Zu einem ersten Teileinsatz in der Super League-Equipe kam dabei der von Ajax zurückgekehrte Filip Frei. Er war in der für ihn verkürzten Saison in Holland in der U19 unter dem ehemaligen Elftaal-Haudegen Johnny Heitinga der älteste Spieler gewesen und auf allen Aussenpositionen (rechts-links, vorne-hinten) eingesetzt worden.

Antonio Marchesano war im Spiel davor gegen Aarau (5:1) wie gegen Schaffhausen an zwei Toren beteiligt – genauso wie Adi Winter und Stephan Seiler mit seinen Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte. Seiler (19) hat in seinen ersten Einsätzen im „Eins“ unter anderem aufgrund von Absenzen auf den Aussenverteidigerpositionen ausgeholfen. Zuletzt wurde er nun aber immer auf seiner angestammten Position im Mittelfeld eingesetzt, wobei dies aktuell auch durch den Ausfall von Simon Sohm bedingt ist. Der klare Sieg des FCZ im Letzigrund gegen Aarau kam erst in der Schlussphase zustande. Die Aargauer stellten in der Zweiten Halbzeit ein Juniorenteam mit einem Durchschnittsalter von 18 Jahren auf den Platz, wenn man von den beiden Routiniers Jérôme Thiesson und Elsad Zverotic absieht. Der FCZ seinerseits hat in dieser Partie mit einem 3-4-3 wieder einmal ein System mit Dreierabwehr getestet, nachdem ein solches in Wettbewerbsspielen letztmals vor Jahresfrist in der Saisonschlussphase unter anderem bei den wichtigen Siegen gegen Sion, Xamax und Thun erfolgreich zum Einsatz gekommen war.

Im ersten Test in Vaduz war der in dieser Saison mit wiedergewonnener Spielfreude offensiv eine wichtige Rolle einnehmende Marco Schönbächler an vier der fünf Treffer direkt beteiligt gewesen (ein Tor, drei Assists). Insgesamt erzielte der FCZ in dieser „Testspielsaison“ 61 Treffer – umgerechnet 2,9 pro Spiel. Davon gingen zwölf auf das Konto von Benjamin Kololli, der in Tests häufig als Sturmspitze eingesetzt wurde. Blaz Kramer erzielte sieben Tore und ist gleichzeitig der erste Spieler seit Beginn der Aufzeichnung der Testsspielstatistiken durch Züri Live vor vier Jahren, welcher in einer einzigen Saison eine vierstellige Minutenzahl im Einsatz war. Dementsprechend ist der Slowene bei der Statistik „Minuten pro Skorerpunkt“ auch „nur“ an siebter Position hinter Assan Ceesay (zuletzt mit muskulären Problemen, nachdem er davor in drei Spielen ebenso viele Skorerpunkte im Abstiegskampf Osnabrücks beigesteuert hatte), Lavdrim Rexhepi, Mimoun Mahi, Benjamin Kololli, Marco Schönbächler und Antonio Marchesano. Betrachtet man die gesamten Testspieleinsatzminuten der Saison, so liegen auf den Positionen Torhüter, Defensiv-Zentrum, Offensiv-Aussen und Offensiv-Zentrum grosso modo die Stammspieler an der Spitze, während Defensiv-Aussen sowie im Mittelfeld-Zentrum eher Spieler aus der zweiten Reihe / im Aufbau zur grössten Anzahl Spielminuten kamen.

Zu den erinnerungswürdigsten Partien gehörten das 3:1 gegen Rapperswil-Jona in der unbarmherzig brennenden Sonne von Eschenbach sowie das 4:1 in der RBL Akademie zu Leipzig, als der FCZ in der Saisonvorbereitung schnellen, direkten Konterfussball auf den Platz brachte. Dazu das 40 Jahr-Jubiläum mit Platzeinweihung des FC Wettswil-Bonstetten, als auf FCZ-Seite aus Personalnot sehr viel improvisiert werden musste. Insgesamt konnten sich 63 Spieler präsentieren. Henri Koide und Kedus Haile-Selassie haben mittlerweile einen Profivertrag beim FCZ unterschreiben dürfen. Von den anderen eingesetzten Talenten vermochten der spielerisch gute „Mittelfeldterrier“ Arlind Dakaj (18) sowie der grossgewachsene Innenverteidiger Andi Hoti (17) am meisten zu überzeugen, wobei letzterer mittlerweile zu Internazionale gewechselt ist. Vom gleichen Klub hat der FCZ umgekehrt im Frühling Wilfried Gnonto (16) verpflichtet, welcher bisher aber noch nicht zu einem Einsatz gekommen ist – genauso wie der beim Berater, Fussball-Accessoires-Händler und ehemaligen Winterthur-Idol Patrick Bengondo unter Vertrag stehende Tessiner Torhüter Thomas Candeloro (20), der seit Januar Teil des U21-Teams ist. Matteo Di Giusto (19) hat mittlerweile den Sprung in die Challenge League zu Vaduz geschafft. Es kamen auch Nachwuchsspieler wie Tanzillo, Fuchs oder Corvalan zum Einsatz, die realistischerweise wenig Chancen haben, sich wirklich aufzudrängen – oder andere wie Catari, Arghandewall oder Rexhepi, die aus unterschiedlichen Gründen stagniert haben.

Wer kann sich noch erinnern, dass William Le Pogam vor der Reaktivierung von Pa Modou Jagne als Linksverteidigerkandidat zu einem Testspieleinsatz (in Leipzig) kam? Heute spielt der ehemalige Servette- und Xamax-Linksverteidiger bei Stade Lausanne-Ouchy. Die Einsätze von Augsburg-Leihspieler Pedersen auf der gleichen Position waren auch in den Testpartien wenig erspriesslich. Levan Kharabadze vermochte verletzungsbedingt in der Rückrunde nicht mehr einzugreifen. Der im Sommer wenig überzeugende Testspieler Erdem Sen hat mittlerweile in der Winterpause beim Türkischen Zweitligisten Istanbulspor angeheuert. Nicht mehr beim FCZ sind mittlerweile neben Andi Hoti auch Denis Popovic (Krylia Sovetov Samara, Premier Liga), Nicolas Andereggen (CA Alvarado, Primera Nacional) und Stephen Odey (KRC Genk, Jupiler Pro League). Hadzikic, Kamberi, Rohner, Aliu, Khelifi und Ceesay sind verliehen. Die „auf dem Abstellgleis“ stehenden und teilweise in der U21 eingesetzten Sangoné Sarr und Yassin Maouche kamen ebenfalls zu wenigen Testeinsätzen in der Ersten Mannschaft. Und dann sind da noch Marvin Graf (24) und Michael Kempter (25). Zwei Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, die sich den grössten Teil ihres längerfristigen und diesen Sommer dem Vernehmen nach auslaufenden Profivertrages mit hartnäckigen Verletzungen herumschlugen. Graf kam neben sechs Teileinsätzen in der U21 diese Saison auch im Test in Wettswil-Bonstetten als Rechtsverteidiger zum Einsatz, holte dabei mit einer Flanke einen Handspenalty heraus, und verursachte gleichzeitig das Kontergegentor des FCWB durch seinen ehemaligen U21-Teamkollegen Philipp Allemann. In der Rückrunde hat er beim FC Kosova Spielpraxis sammeln wollen. Der Philippinische Nationalspieler Michael Kempter hingegen rannte seit der Winterpause auf der „Problemposition“ links hinten während 511 Spielminuten und hat durchaus Einsatzchancen in den kommenden „Englischen“ Super League-Wochen.

Simon Sohm erobert Stammplatz – Saison-Recap, 3. Teil

Nach dem Auswärtsspiel bei YB steht Simon Sohm gegen Thun zum zweiten Mal in Folge in der Meisterschaft in der Startformation und bringt sein Team mit seinem Super League-Premièrentreffer nach 41 Minuten in Führung. Es ist gleichzeitig auch das erste FCZ Super League-Tor der Saison nach einem Standard, welche in dieser Phase Denis Popovic konstant gut in den Strafraum bringt. Bereits seit der 23. Minute kann Zürich erneut in Überzahl agieren. Simon Sohm hat in der gegnerischen Hälfte mit Jagdinstinkt den Ball Miguel Castroman vom Fuss weg und direkt in die Tiefe auf Mimoun Mahi gespitzelt. Der Holländer hat freie Bahn Richtung Tor und zögert trotzdem lange, hat deshalb eher „Glück“, dass er vom nachsetzenden Castroman von hinten getroffen wird. Schiedsrichter Stephan Klossner taxiert die Szene aber nicht einmal als Foul, und wird erst etwas später durch VAR Urs Schnyder auf die Szene aufmerksam gemacht. Klossner zeigt daraufhin dem verdutzten Dennis Salanovic die Rote Karte. Der Liechtstensteiner verweist den Schiedsrichter weiter an den eigentlichen „Sünder“ Castroman.

Matteo Tosetti wird nach seiner Verletzungspause bei Thun nach 70 Minuten eingewechselt und stürzt die Zürcher Defensive sofort in grosse Nöte. Dank der Hereinnahme des Tessiners hätten die Berner Oberländer in der Schlussphase in Unterzahl bei einigermassen durchschnittlicher Abschlusseffizienz noch zwei Tore zum Ausgleich erzielen können oder gar müssen. Das 2:0 hatte in der 52. Minute Super League-Débutant Aiyegun Tosin mit einem Hammer unter die Latte erzielt. Tosin hat zu Beginn der Partie Probleme, steigert sich dann aber vor allem nach seinem Treffer kontinuierlich und trägt dazu bei, dass wie meist die rechte Zürcher Seite besser auftritt als die linke.

Auch im Auswärtsspiel beim FC Basel ist der 18-jährige Sohm als einziger Sechser im 4-1-4-1 der Zürcher MVP und überzeugt mit Einsatz und intelligentem taktischen Verhalten. Die Rotblauen sind zu diesem Zeitpunkt in Topform und bespielen unentwegt die defensiv schwache linke Zürcher Seite mit Mahi und Kharabadze. Ausserdem richten sie ihr Offensivspiel nicht ohne Grund auf ihren grossgewachsenen Stürmer Cabral aus, der sich im Gegensatz zur Mehrheit der Super League-Angreifer in der Luft gegen Mirlind Kryeziu und Bangura durchzusetzen weiss. Auf Zürcher Seite steht Kevin Rüegg nach seiner Verletzungspause erstmals wieder in der Startformation und beginnt die Partie sehr engagiert. Insgesamt ist aber wenig Zunder in der Partie. Es kommt zu fast keinen Foulspielen. Neben demjenigen von Mahi ist auch der Auftritt von Vasilije Janjicic enttäuschend, welcher seine Chance in der Startelf nicht nutzen kann. Andris Vanins (39) überzeugt hingegen mit einer besseren Strafraumbeherrschung als Zürichs Nummer Eins Yanick Brecher, welcher wie ein paar andere Fixstarter im St. Jakob Park aufgrund der „Englischen Woche“ für das Servette-Spiel geschont wird.

Vorentscheidend ist das 2:0 des FCB nach etwas mehr als 50 Minuten. Ex FCZ-ler Kevin Bua müsste nach seiner Attacke von hinten gegen den vorpreschenden Simon Sohm eigentlich Rot sehen, trifft stattdessen nur kurze Zeit später nach einem Konter über halblinks ins Zürcher Netz.

Wie in Basel sorgt Simon Sohm auch in Genf bei Servette mit einem starken Antritt in der 10. Minute für eine Gelbe Karte beim Gegner, und zwar eine folgenschwere. Miroslav Stevanovic ist später in der 37. Minute immer noch der einzige verwarnte Genfer, als er im Zweikampf Assan Ceesay ungestüm mit der Hand im Gesicht trifft und von Schiedsrichter Alessandro Dudic mit Gelb-Rot vom Platz gestellt wird. Sohm gelingt auch im Stade de Genève ein guter bis sehr guter Auftritt, bis er in den Schlussminuten und der Nachspielzeit von einem Moment auf den anderen nachlässt. Es ist bei wunderschönem Frühherbstwetter am Salève mit einer Durchschnittsnote von 6,3 der bis dahin beste Saisonauftritt der Mannschaft. Toni Domgjoni trägt stark dazu bei. Nachdem er gegen Thun und in Basel auf der Bank begann, tritt der junge Mittelfeldspieler bei den Grenats von der Ersten Minute an sehr fokussiert und engagiert auf und überzeugt sowohl spielerisch wie auch kämpferisch. Es ist ein Beispiel, wie das Zürcher Trainerteam nun nach und nach von einem sich lichtenden Lazarett und dem dadurch wiederbelebten Konkurrenzkampf auf einzelnen Positionen profitiert. Sogar der Langzeitverletzte Adi Winter ist zumindest für die Moral des Teams als „Maskottchen“ auf der Ersatzbank wieder mit dabei.

Der FCZ profitiert von einem ungewohnt fehlerhaft agierenden Servette. Die Genfer versuchen es bis zum Platzverweis mit einer Rautenformation im Mittelfeld, wodurch Stevanovic nicht wie gewohnt zu seinen gefürchteten Vorstössen und Flankenbällen über rechts kommt. Nur dank dem immer wieder ausgezeichnet haltenden Torhüter Jérémy Frick fällt bis zum Ende der Partie trotz zahlreicher FCZ-Chancen keine Vorentscheidung in einer Partie, die im Zeichen der Ehrung von Alexandre Alphonse steht. Der heutige U21-Assistenztrainer Servettes beendete seine Karriere in physischer Bestverfassung mit dem Aufstieg in die Super League. Die Teams beider Mannschaften standen der Familie Alphonse vor der Partie Spalier und aus der Zürcher Kurve wurde der Franzose mit Sprechchören und einem Transparent „Merci pour tous les moments inoubliables“ geehrt. Drei Meistertitel holte der vom FC La Chaux-de-Fonds verpflichtete Stürmer mit dem FCZ und erzielte in 211 Wettbewerbspartien gemäss tm.ch 107 und gemäss dbfcz.ch 104 Skorerpunkte. Beim ersten Titel am 13. Mai 2006 war er in der 28. Minute für den angeschlagenen Raffael eingewechselt worden und bereitete mit seinen ersten Ballberührungen das 1:0 durch Alhassane Keita vor. Mit weiteren guten Offensivszenen während der ganzen Partie war Alphonse ein entscheidendes Mosaikstein und nach Einschätzung von Züri Live der beste Zürcher am 13. Mai. Beim zweiten Meistertitel 2007 erzielte Alphonse in der vorletzten Runde in Bern das 2:1 bei einem ausschlaggebenden 3:2-Auswärtserfolg. 2009 erzielte Alphonse ebenfalls in der vorletzten Runde per Kopf den Meistertreffer (1:0) im Comunale von Bellinzona. Und 2011 hätte er mit etwas mehr Fortune in den beiden Frühlingsduellen mit Basel  (Ausscheiden mit Hirnerschütterung bei einem Lattenkopfball im ersten Duell, dann mit Kopfschutz zwei Monate später im zweiten Duell mit zwei Pfostenschüssen) den FCZ sogar noch zu einem vierten Meistertitel geschossen. Der in einem nördlichen Vorort von Paris geborene vierfache Nationalspieler von Guadeloupe und der FC Zürich – das passte einfach zusammen, und tut es auch heute noch.

Ein zweites Merkmal des ersten FCZ-Auswärtssieges der Saison sind die zahlreichen VAR-Unterbrechungen vom in Volketswil seine Arbeit Ernst nehmenden Sandro Schärer. Bei einem leichten Foul von Domgjoni an Rouiller in der 69. Minute sowie einem klaren Handspiel von Christopher Routis in der 82. Minute gab es trotz VAR-Überprüfung auf beiden Seiten keinen Penalty. Ausserdem hätte Schärer in der 48. Minute zusätzlich eingreifen müssen, als Rouiller Marchesano im Strafraum festklammerte, sowie auch bei der klar „Rot“-würdigen Szene von Routis, der in der 72. Minute über einen Laufweg von 10 Metern als letzter Mann Assan Ceesay am Arm vom Ball wegzog. Trotzdem kann nach einem Viertel der Saison als Zwischenbilanz konstatiert werden, dass der FCZ vom VAR profitiert, da zumindest ein Teil der Fehlentscheidungen korrigiert wird. Der VAR greift wie es scheint häufiger zugunsten als zuungunsten des FC Zürich ein, da dies aufgrund der Schiedsrichterentscheidungen häufiger notwendig ist.

Hier gehts zu Teil 1: „Bitte keine Überzahl!“

Hier gehts zu Teil 2: „Not macht erfinderisch“

Not macht erfinderisch – Saison-Recap, 2. Teil

Wie schon in früheren Begegnungen gegen den gleichen Gegner bekundete der FCZ in der 1. Cuprunde bei Black Stars (2:1) Mühe und kam in erster Linie dank den Standards von Denis Popovic (direkt verwandelter Eckball, Nathan köpft Freistoss ins Netz) weiter. Dies obwohl das Letzigrund-Team in den ersten 20 Minuten stark beginnt. Dann nehmen Popovic und Omeragic die Sache einen Moment lang zu locker, Black Stars nutzt die Möglichkeit sofort hoch zu attackieren, Andris Vanins kommt unter Druck und Gomes profitiert zum 1:1-Ausgleich. Von diesem Moment an kehrt die Partie, die Basler glauben an ihre Chance und für den FCZ wird der Schweizer Cup schon früh zum Überlebenskampf.

So wichtig seine Standards sind, aus dem Spiel heraus gelingt Mittelfeldspieler Denis Popovic wenig. Toni Domgjoni hingegen beginnt schlecht. Trainer Ludovic Magnin wird gegenüber seinem ehemaligen U18-Captain früh laut. Dieser reagiert auf den Weckruf vorbildlich, und zeigt in der Folge eine sehr konstante Leistung auf gutem Niveau.

Die personelle Situation beim FCZ ist vor dem Duell in Bern gegen die Young Boys so angespannt wie seit Jahren nicht mehr. Auf die Ersatzbank nachnominiert werden fast ausschliesslich junge Spieler, die noch nie in einem Wettbewerbsspiel für die 1. Mannschaft aufgelaufen sind. Mit Matteo Di Giusto und Ilan Sauter kommen zwei Spieler, die erst gerade im Begriff sind, sich mit der Reserve an das Niveau der Promotion League heranzutasten, früher als geplant nach der Halbzeitpause zu ihrem Début. Diese Situation in Verbindung mit früheren Erfahrungen im Wankdorf haben das Zürcher Trainerteam zu einer aussergewöhnlichen taktischen Aufstellung animiert: 5-2-1-2. Normalerweise hat jedes Team zwei hauptsächliche Defensivlinien – den Mittelfeldriegel und den Abwehrriegel. Der FCZ verzichtet hingegen in Bern in der ersten halben Stunde auf einen Mittelfeldriegel und verteidigt nur mit insgesamt sieben Mann. Marchesano, Kramer und Ceesay machen kaum den Versuch, die Berner Angriffe zu stoppen, sondern bewegen sich von Anfang an in den Rücken des Berner Ballführenden in den Bereich der Mittellinie und warten dort auf Konterchancen.

Die Idee ist einleuchtend. Man geht davon aus, dass in Bern nur eine Chance auf Punkte besteht, wenn man 1:0 in Führung geht und nimmt daher von Beginn weg Risiko. Diese 1:0-Führung soll zudem wenn möglich in der 1. Halbzeit fallen, wenn noch kein „Rookie“ auf dem Platz steht. Die höchsten Erfolgschancen auf den Führungstreffer erhofft man sich von Konterattacken. Darum zieht man sich zurück, lässt YB kommen und betraut drei Spieler mit der ausschliesslichen Aufgabe, das 1:0 per Konter so früh wie möglich zu erzielen. Es entwickelt sich das vom FCZ erwartete Spiel. Man überlässt YB den Ball. Die Berner können mit Ball am Fuss kreuz und quer in der Gegend herumspazieren und bis vor den Zürcher Strafraum vordringen. Da der dortige verstärkte 5 Mann-Abwehrriegel des FCZ aber hält, kommen die Berner trotz klarer Ballbesitzhoheit zu kaum einer Torchance. Stürmer Jean-Pierre Nsamé ist so abgeschnitten vom Berner Spiel, dass er sich in seinem Bedürfnis, auch mal den Ball in die eigenen Füsse zu erhalten, mehrmals ins Mittelfeld zurückfallen lässt, was der Franzose sonst nicht tut.

Die beste Torchance der ersten halben Stunde hat nicht YB, sondern die Gäste aus Zürich mit einem durch Von Ballmoos gut parierten Hammerschuss von Toni Domgjoni in der 25. Minute. Die meisten Dinge laufen für den FCZ also nach Plan, aber etwas Entscheidendes spielt sich nicht wie gewünscht ab: die drei Stürmer machen zu wenig aus ihren Freiheiten und suchen bei den Konterangriffen nicht schnell und direkt genug die Tiefe. Dies trifft vor allem auf Antonio Marchesano und Assan Ceesay zu. Blaz Kramer wiederum ist in den ersten halben Stunde abgesehen von einer knapp verpassten Kopfballchance nach Flanke des stärksten Zürchers Kharabadze (zur Pause verletzungsbedingt ausgewechselt) praktisch unsichtbar. In mehreren Aktionen kann zudem auf Berner Seite speziell Nicolas Bürgy mit ungeahndeten klaren Foulspielen, zum Teil direkt vor der Nase von Schiedsrichter Stephan Klossner, vielversprechende Zürcher Angriffe stoppen. Auf der anderen Seite pfeift Klossner dann in der 28. Minute ein viel weniger gravierendes Zupfen von Ceesay als Foulspiel ab, und dies erst nachdem in der Folge davon YB den Ball verloren hatte. Der daraus resultierende Freistoss Gianluca Gaudinos ist die erste gute YB-Chance und diese verwertet Christian Fassnacht auch gleich per Kopf zum 1:0.

Mit der Berner Führung kann der FCZ nicht mehr in gleicher Weise auf seine Kontertaktik bauen und angesichts der drei Stürmer, die ihren Job offensichtlich nicht wie gewünscht zu erledigen im Stande sind, macht diese sowieso nicht mehr viel Sinn. Eine Minute später stellt Ludovic Magnin daher auf ein 4-1-4-1 um, mit dem als Rechter Innenverteidiger startenden Simon Sohm als Sechser und Blaz Kramer auf dem Rechten sowie Antonio Marchesano auf dem Linken Flügel. Kramer benötigt eine Minute, um die Umstellung mitzubekommen und muss von Nathan nochmal speziell darauf hingewiesen werden. Die Ballbesitzverhältnisse gleichen sich daraufhin sofort aus und dies bleibt für das ganze zweite Drittel der Partie so. Der zur Pause eingewechselte Débutant Matteo Di Giusto macht seine Sache auf dem Rechten Flügel gut, währenddem hingegen Ilan Sauter als Linksverteidiger (eine Position, die er auch in der U21 ab und zu spielt) mit der Qualität seiner Gegenspieler etliche Mühe bekundet. Eine Reihe von gravierenden Fehlentscheiden von Ref Klossner zusammen mit der Doppeleinwechslung von Moumi und Aebischer in der 66. Minute sorgen dann nach rund einer Stunde für die Entscheidung. Die letzten 20 Minuten sind aus Zürcher Sicht nur noch eine Qual. YB, das im Hinblick auf das kapitale Champions League-Qualifikationsspiel in Belgrad gegen den FCZ eine Dreierabwehr und Neuverpflichtung Frederik Sörensen vom 1. FC Köln getestet hat, muss in dieser Phase des Spiels keine Kräfte mehr verpuffen.

Die Personalnot verschärft sich in der darauffolgenden Nationalmannschaftspause durch die verschiedentlichen Aufgebote in die Landesauswahlen noch zusätzlich. Beim Testspiel in Schaffhausen (1:1) tritt der FCZ daher mit einer verstärkten U21 an. Nur noch Schönbächler, Marchesano, Kololli und Kramer sind aus dem engeren Kreis der 1. Mannschaft dabei. Und nachdem Kenith Catari angeschlagen vom Feld muss, kommt Ersatztorhüter Novem Baumann für die letzten zehn Minuten als Rechter Flügelspieler auf den Platz und erspielt sich dabei sogar zwei Torchancen. Beim 40 Jahr-Jubiläum von Üetlibergnachbar Wettswil-Bonstetten (1:1) drei Tage später müssen gar die vier U18-Spieler Andi Hoti, Diego Corvalan, Silvan Wallner und Kedus Haile-Selassie gleich nach ihrem 5:0-Meisterschaftssieg gegen Thun im Heerenschürli auf die andere Seite der Stadt verfrachtet werden, um die 1. Mannschaft etwas mehr als eine Stunde später im Test genauso zu unterstützen, wie die überzähligen Marvin Graf, Doriano Tanzillo, Arlind Dakaj, Osman Hadzikic und Yann Kasai aus der parallel spielenden U21. Goalietrainer Davide Taini wurde diesmal als Ersatzkeeper geführt. Mit diesen zehn Notverstärkungen ergänzend zu Nathan, Marchesano, Schönbächler und Kololli (Kramer hatte sich in der Zwischenzeit auch noch verletzt) kamen so insgesamt 14 Akteure zusammen, die mithalfen, das Jubiläum des Erstligisten in einem auf 2×35 Minuten verkürzten Auftritt vor zahlreichen Zuschauern nicht ins Wasser fallen zu lassen.

Eine Woche später in Wil sind zum Cup-Achtelfinal die (Junioren-)Nationalspieler wieder zurück und Pa Modou gibt auf der Linksverteidigerposition aufgrund des verletzungsbedingten Ausfalles von Levan Kharabadze wohl etwas früher als geplant sein Comeback – und erzielt das entscheidende 2:1 per Kopf, nachdem Kololli einen weiteren stark getretenen Popovic-Eckball am entfernten Pfosten vor den Fünfmeterraum lenkt. Der in der Zwischenzeit zusätzlich verpflichtete Aiyegun Tosin ist hingegen noch nicht dabei. Der FC Wil agiert lange Zeit mindestens ebenbürtig. Schönbächler trifft in der 36. Minute wie aus dem Nichts zum 1:1. Die Führung der Äbtestädter erzielt nach einer Viertelstunde der ehemalige GC-Junior Valon Fazliu vor dem FCZ-Anhang. Entscheidend in der Vorbereitung des Führungstreffers ist der junge FCZ-Leihspieler Bledian Krasniqi, der sich auf der linken Seite mit Mut, Entschlossenheit und viel Ballgefühl gegen Popovic und Bangura durchsetzt. Ausgangspunkt des Wiler Konters ist einer von mehreren unnötigen Ballverlusten Benjamin Kolollis.

Denis Popovic zeigt insgesamt im Vergleich zu den letzten Partien gegen allerdings in vielerlei Bereichen auch noch relativ unerfahrene Ostschweizer eine Steigerung. Allerdings erreicht trotz des Sieges kein Spieler eine höhere Note als „6“ auf einer Skala von 1-10.

 

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„Bitte keine Überzahl!“ – Saison-Recap, 1. Teil

Auf zuerilive.ch begann die Saison mit einer Neuerung: die Analyse der Spiele wurde nochmal stark ausgebaut und rund 20-30-minütige Videopodcasts zu jedem Spiel produziert. Dieses Setting musste nach der fünften Partie gegen St. Gallen aus Zeitgründen vorläufig wieder aufgegeben werden. Auch wenn es im Dezember nach dem 0:5 zu Hause gegen Servette nochmal zu einem weiteren Video-Podcast kam. Dank dem spontanen Entscheid im Sommer konnten Erfahrungen mit dem Format gesammelt werden. Klar ist: neben den üblichen Vorschauen, Live-Übertragungen, Interviews, Audio-Zusammenschnitten der Spiele, Analyse-Artikeln, Pre-Match Artikel zu den Aufstellungen, News, allgemeinen Themen, Testspielen, Organisation etc. auch noch zu jedem Spiel einen Video-Podcast zu erstellen, würde das Projekt Züri Live praktisch zu einem full-time Job machen, was es im ersten Monat der Saison dann auch war.

Für die Zukunft ist als realistischere Variante angedacht: eine monatliche oder zweimonatliche Gesprächsrunde in Form einer Live-Sendung, welche danach sowohl als Audio-Podcast wie (unterlegt mit Statistiken und Bildern) auch als Video-Podcast publiziert wird. Zum Ende der Hinrunde und zu Beginn der Rückrunde wurden die Spiele dann wieder im Detail analysiert und wie in den letzten Jahren üblich Analyse-Artikel publiziert. Dazwischen gab es aber 14 Wettbewerbsspiele, die aus Zeitgründen nicht analyisiert werden konnten. Diese Lücke in den Züri Live-Daten soll nun geschlossen werden, bevor es mit Fussball wieder weitergeht. Erinnert Euch somit nochmal zurück an die verschiedenen Phasen der Vorrunde und die Entwicklung des Teams…

Durch neu verpflichtete Spielertypen wie Mimoun Mahi, Blaz Kramer oder Denis Popovic verschob sich das Stärken-/Schwächen-Profil des Teams noch mehr in Richtung „Kontermannschaft“, was sich im Verlauf des heissen Sommers unter anderem in den Testspielen exemplarisch zeigte. Mehr denn je hatte der FCZ nun eine Mannschaft, deren Offensivleute im Spiel mit dem Ball Platz brauchen. Den fanden Kramer in der Regionalliga und Mahi in der Eredivisie, wo die Teams der unteren Tabellenhälfte im Vergleich zur Super League defensiv nur mässig gut organisiert auftreten, zur Genüge vor. Popovic hatte bereits in Orenburg in einer erfolgreichen Kontermannschaft gespielt. Ähnlich wie Antonio Marchesano kann der Slowene als Ballverteiler in so einem Team aufblühen. Gegen ein Offensiv-Pressing gegen kompakt agierende Gegner sprach zudem die eher niedrig entwickelte Laufstärke der Zürcher Offensivreihe.

Mit Nathan kam nach den Abgängen von Alain Nef und Andreas Maxsö ein Mentalitätsspieler für die Innenverteidigung. Ein weiterer Innenverteidiger wurde nicht verpflichtet, weil der FCZ grosse Stücke auf das ein Jahr zuvor verpflichtete Talent Becir Omeragic hält und somit das Quartett zusammen mit Umaru Bangura und Mirlind Kryeziu komplett war. Dass Willie Britto „erst“ mit 22 Jahren den Weg aus der Ivorischen Liga nach Europa zum FCZ fand, zeigt, dass er nie zu den grossen Talenten seines Landes gezählt hatte. Dafür bringt er viel Wucht in seinen Aktionen und einiges an Abgeklärtheit mit. Mit der Verpflichtung des spielerisch starken Vasilije Janjicic wollte man mit einer Rückholaktion auch einmal selbst von der eigenen Ausbildung profitieren und solche Spieler nicht immer nur der Konkurrenz überlassen. „Hilfreich“ waren dabei sicherlich die Schlagzeilen, die Janjicic in Hamburg neben dem Platz geliefert hatte. Damit wurde er im Gegensatz zu anderen FCZ-Talenten im Ausland für den Stadtclub erschwinglich und der Spieler selbst empfand die Rückkehr zum FCZ als einen persönlichen Schritt nach vorne.

Ganz entgegen der Erkenntnisse aus den Testspielen lief der FCZ dann aber im ersten Saisonspiel im Letzigrund gegen Lugano bei brütender Hitze den Gegner hoch an. Speziell Denis Popovic, welcher nicht die ganze Vorbereitung hatte mitmachen können, rückte jeweils zu spät auf seine Position, was die konterstarken Tessiner (Schlussresultat: 0:4) jeweils gnadenlos ausnutzten. Erschwerend kam hinzu, dass das speziell bei diesen Temperaturen wichtige erste Tor aufgrund eines unrechtmässigen Penaltys (Schwalbe Sabbatini) zustande gekommen war. Beim zweiten Spiel in Luzern (0:0) stand der FCZ deutlich tiefer als in der ersten Partie und kam auf diese Art und Weise einem Auswärtssieg nahe. Der FCZ hielt dabei gegen einen Gegner, mit dessen physischen Qualitäten man in den letzten Jahren häufig Probleme gehabt hatte, kämpferisch gut dagegen und liess kaum eine gegnerische Torchance zu. Drei erfolgsversprechende Umschaltsituationen wurden von Ref Klossner wegen angeblicher Foulspiele zu Unrecht unterbunden – und Marco Schönbächler blieb mit einem tollen Weitschuss der Lucky Punch knapp verwehrt.

In Sion (1:3) erhielt der FCZ beim Stand von 1:1 in der 71. Minute die Chance zum 2:1-Führungstreffer, aber der in der Vergangenheit über die Sion U21 den Sprung in den Profifussball schaffende Benjamin Kololli verschoss den (eher glücklich zugesprochenen) Penalty. Auch von der anschliessenden numerischen Überzahl (Unsportlichkeit des den Penalty „verursachenden“ Abdellaoui) konnte der FCZ nicht profitieren – im Gegenteil. Die Zürcher suchten aufgrund der Überzahl den Auswärtssieg zu hektisch-überhastet und verloren so die Partie durch zwei Treffer des ehemaligen GC-Juniors Kasami.  Gegen Xamax (2:2) hatte der FCZ genau wie in Sion numerische Überzahl und die besseren Torchancen. Schönbächler erzielte zudem zum ersten Mal seit einem Jahr wieder einmal ein Tor. Man vergab aber kurz vor Schluss durch ein „Tor des Jahres“ von Gaëtan Karlen die drei Punkte – auch weil (durch Mimoun Mahi) wie in Sion erneut ein Penalty verschossen wurde. Gegen das von seiner Spielweise her dem FCZ liegende St. Gallen kommt es im fünften Spiel dann zum ersten Saisonsieg (2:1). Böse Zungen behaupten, dass dieser nur zustande kam, weil Zürich nach dem Platzverweis des übermotivierten ehemaligen FCZ-Juniors Miro Muheim (der beim „Rückspiel“ vor der Winterpause zudem den frühen Führungstreffer des Stadtclubs ins eigene Netz ablenkte) nicht lange in Überzahl spielen „musste“, weil kurz darauf Mirlind Kryeziu ebenfalls Gelb-Rot sah. Vor allem aber vermochte man sich gegen den hoch pressenden Gegner gut hintenheraus zu lösen und dann die sich auftuenden Räume mit erfolgreichen Kontern zu nutzen.

 

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