Kerzhakov gesetzt

Zentrale Offensive (1-2 Positionen):

Neuverpflichtung Aleksandr Kerzhakov wird voraussichtlich gesetzt sein. Er hat in der Vorbereitung durch konstant gute Leistung und seinen Einsatzwillen überzeugt. Sein erstes Tor für den FCZ mit der Hacke gegen den SV Ried nach Kopfballverlängerung von Alain Nef war standesgemäss. Der Russische Rekordschütze weicht auch gerne auf die Seiten aus, und schlägt gute Flanken auf aufgerückte Mitspieler.

Das erste Tor von Kerzhakov für den FC Zürich im Testspiel gegen den SV Ried

Designierter Sturmpartner in einem Zweimannsturm wäre Franck Etoundi, welcher sich von den Qualitäten her mit Kerzhakov gut ergänzt, da der Russe auch hängende Spitze spielen kann. Ausserdem ist Etoundi für die Balleroberung und –behauptung an vorderster Front wichtig. Allerdings haben die beiden in der Vorbereitung gerade mal 45 Minuten zusammenspielen können. Für die Rolle als zurückhängende Spitze hinter Etoundi oder Kerzhakov ist zudem der torgefährliche Techniker Oliver Buff prädestiniert. Mit Kerzhakov, Etoundi und Buff werden drei Spieler mit unterschiedlichen Stärken für die zentrale Offensive zuständig sein.

Artjom Simonyan oder Kevin Bua können ebenfalls vorne im Zentrum eingesetzt werden. Maxime Dominguez hingegen, der ebenfalls hängende Spitze spielen kann, ist läuferisch und physisch noch nicht ganz auf Super League-Niveau. Für die Stoss-Stürmerposition macht Aldin Turkes Fortschritte, braucht aber ebenso noch Zeit, wie Moussa Koné. Diese Offensivkräfte müssen sich über das Training, Kurzeinsätze und Spiele in der 2.Mannschaft empfehlen.

Startformation oder Herausforderer: wer hat zum Rückrundenstart die Nase vorn?

Mit Sami Hyypiä ist seit September ein von aussen gekommener Trainer für die Mannschaft verantwortlich, der ohne Vorurteile (seien es negative oder positive) jedem Spieler im Verlauf der Vorrunde eine Chance gegeben hat, sich zu beweisen. Durch so einen Prozess rückt natürlich die aktuelle Leistung in den Vordergrund, vergangene Meriten oder Fehler spielen eine untergeordnete Rolle.  Ausserdem setzt Hyypiä bei den Anforderungen an Spieler auf bestimmten Positionen etwas andere Prioritäten. Dies zusammen mit den personellen Veränderungen führt zu einer neuen Dynamik und Rollenverteilung im Team. Wie sieht das neue Gesicht des FCZ aus?

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Kerzhakov soll neu die FCZ-Vorderreihe anführen, und wird dabei von Buff und allenfalls auch noch Etoundi unterstützt. Im System mit vier Verteidigern liegt der Fokus stärker auf dem Flügelspiel mit dem Vorrunden-Aufsteiger Kevin Bua und wenn möglich dem wiedergenesenen Marco Schönbächler in der Offensive. Spielt der FCZ mit Dreierabwehrkette, liegt der Fokus mehr auf der Verhinderung und Kreierung von Torchancen durchs Zentrum – von einer 3-5-2 Formation können Spieler wie Brunner oder Etoundi profitieren. Das Duo Yapi/Grgic hat sich im Zentrum bewährt, hinten kämpft Neuverpflichtung Sanchez um einen Platz in der Startelf, und auf den aussen macht der wiedergenesene Mike Kleiber dem Brasilianer Vinicius das Leben schwer. Wer im Tor stehen wird, ist noch nicht entschieden.

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Armin Alesevic, Burim Kukeli und Artjom Simonyan konnten verletzungsbedingt keines der vier Vorbereitungsspiele bestreiten. Auch Gilles Yapi musste nach einem Schlag im ersten Spiel gegen Qäbälä für die nächsten drei Partien passen. Marco Schönbächler wird mit zwei 45 Minuten-Einsätzen langsam wieder an die 1.Mannschaft herangeführt. Am meisten Testspielminuten spielte Alain Nef vor Ivan Kecojevic, Anto Grgic und Sangoné Sarr.

Spielminuten Wintertests

Der FCZ vor dem Rückrundenstart – Sion im Fokus

Sion ist im Fokus für den FCZ. Der Cup-Halbfinal im Wallis am 2.März ist ein grosser Challenge: es lockt der Cupfinal im eigenen Stadion. Nach 90 Jahren kehrt des Endspiel um den Schweizer Pokal an seinen ersten Austragungsort zurück! Das Hauptaugenmerk liegt aber erst mal auf der Meisterschaft, wo der erste Gegner am kommenden Sonntag ebenfalls Sion heisst. An attraktiven Herausforderungen fehlt es in den nächsten vier Monaten wahrlich nicht.

Zwar ist durchaus noch ein Europa League-Platz möglich, aber auch die Konkurrenten im Abstiegskampf wie Lugano, Vaduz oder Thun hinter sich zu lassen, wird in dieser Saison nicht einfach. Die Mannschaft braucht auf jeden Fall in dieser kritischen Phase weiterhin die Unterstützung seiner Supporter und Fans. Denn gerade auch die Eigengewächse aus der Academy werden in der Rückrunde eine noch wichtigere Rolle als bisher einnehmen. Und diese Talente müssen auch mal einen Fehler machen können. Das Vorbereitungsprogramm des FCZ nimmt ganz generell wenig Rücksicht auf Testspielergebnisse – diesmal war dies aber noch etwas konsequenter der Fall, als sonst.

Der mittlerweile 19-jährige Anto Grgic wurde noch unter den Trainern Meier und Rizzo zu Beginn der Vorrunde gepusht und hat sich mit seinem Spielverständnis und mit Präzision im Umgang mit dem Ball später auch bei Sami Hyypiä nachhaltig für einen wichtigen Platz im Team empfohlen. Auch von Cédric Brunner hält der Übungsleiter aus Finnland einiges, und nach dem Trainingslager in der Türkei dürfen sich sicherlich auch Mike Kleiber, Vasilije Janjicic, Maxime Dominguez oder Aldin Turkes Hoffnungen auf Einsätze machen – nicht zu vergessen der lange verletzt gewesene Armin Alesevic.

Sangoné Sarr und Artjom Simonyan sind über die zweite Mannschaft an die Super League herangeführt worden. Oliver Buff ist im Begriff, den Schritt vom guten Spieler zum Leistungsträger zu machen. Diese Stufe hat Marco Schönbächler vor zwei bis drei Jahren  erklimmen können, und konnte nun in der Vorbereitung nach seinen langwierigen Leistenproblemen immerhin wieder zwei Mal 45 Minuten eingesetzt werden.

Sami Hyypiä hat in der Vorbereitung gleichberechtigt zwischen zwei Systemen hin- und hergewechselt: dem Standardsystem mit einer Viererabwehr, zwei hoch stehenden Flügeln und einer Sturmspitze, welches je nach Spielsituation und Gegner als 4-5-1 oder auch als 4-3-3 beschrieben werden kann – mit einem oder auch mit zwei „Sechsern“ vor der Abwehr. Das zweite Grundsystem, welches Hyypiä auch schon in der Vorrunde in einigen Partien eingesetzt hat, und welches zuvor unter Trainer Urs Meier eine Weile das Standardsystem gewesen war, ist das 3-5-2. In diesem System hat man hinten wie vorne mehr Präsenz im Zentrum, wo die Tore erzielt und verhindert werden – es bedingt aber ein grosses Laufpensum der beiden Flügelläufer und intelligentes Verschieben im Abwehrverbund.

Letztendlich ist das 3-5-2 aber nicht nur aus taktischen, sondern auch aus personellen Gründen wieder in den Vordergrund gerückt. Denn wirklich den Trainer zufriedenstellende Qualitäten für die Rolle auf dem offensiven Flügel  haben bisher nur Kevin Bua und Marco Schönbächler. Wobei Hyypiä die Qualitäten von letzterem bisher gar noch nie live erleben konnte. Bua seinerseits war zuletzt leicht angeschlagen. Verschiedene andere Spieler wurden in der Vorbereitung auf dieser Position getestet, unter anderem der polyvalente Sangoné Sarr. Moussa Koné zeigte in der zweiten Halbzeit gegen Ried auf dem rechten Flügel einiges an Dynamik, allerdings auch seine taktischen Defizite. Ausserdem ist der Senegalese zur Zeit wieder leicht angeschlagen, und wäre keine dritte Option auf dem Flügel, da sein Einsatz bedeuten würde, dass gleichzeitig Schönbächler aus reglementarischen Gründen in der Rückrunde nicht mehr zum Zug kommen könnte.

Als kleiner Gewinner der ansonsten eher ernüchternden Partie in Kaiserslautern kann aus Zürcher Sicht wohl Stürmer Aldin Turkes gelten. Zu Beginn hatte er gegen die robusten Abwehrspieler der Pfälzer keine Chance, gab aber nicht auf, und kam mehr und mehr über den Kampf ins Spiel. Sturmpartner Aleksandr Kerzhakov wiederum war in den vier Testspielen praktisch der einzige Zürcher, welcher nie unter ein gewisses Niveau fiel. Wille, Einstellung und Spielfreude des Russen sind top. Über ihn muss man sich keine Sorgen machen.

Franck Etoundi wiederum hat auch in der Vorrunde mal für mal bewiesen, wie wichtig seine unermüdliche Arbeit vorne im Sturm ist, um dem Rest der Mannschaft den notwendigen Raum und Zeit zu verschaffen, die sie für ihre Spielweise benötigt. Bezüglich Torgefährlichkeit war der Kameruner zuletzt gerade wieder richtig in Schwung gekommen – die Winterpause kam für ihn im falschen Moment.  Dazu kommt der im November 17 Jahre alt gewordene Vasilije Janjicic, welcher mit seinen zwei Einsätzen in der Vorbereitung bestätigt hat, dass man ihn bereits jetzt jederzeit in der Super League bringen kann. Der vielseitig einsetzbare Mittelfeldspieler wusste mit Spielintelligenz und Ballsicherheit zu überzeugen.

 

Marchesano: „Am liebsten hängende Spitze“

Antonio Marchesano vom FC Biel wurde bereits Anfang September vom FCZ als Neuzugang für die Saison 2016/17 vorgestellt, und gleichzeitig nochmal für eine Saison an die Seeländer verliehen. Der neue Mehrheitseigner des FC Biel, Carlo Häfeli, und dessen Vorstand haben das Budget des Klubs signifikant erhöht. Mit Transferaktivitäten sollen in der aktuellen Spielzeit CHF 700’000.- erwirtschaftet werden. Mit dem Marchesano-Transfer zum FCZ wurden CHF 230’000.- an Transfereinnahmen früh in der Saison ein Drittel davon realisiert.

Der Tessiner ist zweifellos schon seit Jahren einer der technisch und spielerisch besten Spieler der Challenge League, welchem aber in Sachen Laufvermögen, Qualitäten im Spiel ohne Ball und selbst bezüglich Torgefährlichkeit auch für Verhältnisse der zweithöchsten Liga einiges an Qualität fehlte. Im Sommer vom FC Winterthur zu einem runderneuerten FC Biel gewechselt, wirkte Marchesano nun aber fitter, als die Jahre zuvor. Vor allem wurde er von Trainer Patrick Rahmen auf seiner Lieblingsposition als hängende Sturmspitze eingesetzt, und hatte so einen kürzeren Weg zum Tor. Die Folge waren 10 Tore in den ersten sieben Runden.

Kaum aber hatte der 1.67 m grosse Offensivmann den Vertrag beim FCZ unterschrieben, zeigte seine Leistungskurve stark nach unten – und es folgte nur noch ein einziges Tor bis zur Winterpause, was parallel den ganzen FC Biel in eine sportliche Krise stürzte – auch wenn in diese Phase wegen muskulären Problemen im linken Oberschenkel drei verletzungsbedingt verpasste Spiele fielen. Wegen seiner nachlassenden Torgefährlichkeit und der Rückkehr der zweiten Sturmspitze Gaëtan Karlen wurde Marchesano von Trainer Patrick Rahmen zudem häufiger wieder zurück ins Mittelfeld beordert, wo der aus Bellinzona stammende Offensivmann aber noch schlechter agierte.

Der Tessiner war im Sommer neben dem höheren Jahreslohn (inklusive Zusatzleistungen im tiefen sechsstelligen Bereich) vor allem auch deshalb von Winterthur zu Biel gewechselt, weil ihm dort Einsätze auf seiner Lieblingsposition versprochen wurden. Im Gespräch mit Züri Live äusserte sich Antonio Marchesano Ende Oktober über seine Lieblingsposition, den FCZ und die Möglichkeit eines vorgezogenen Wechsels im Winter:

Unter dem Strich konnte Marchesano seine Super League-tauglichkeit in der Vorrunde nicht unter Beweis stellen. Sami Hyypiäs taktisches Konzept kommt Marchesano entgegen, da der Finne mit einem torgefährlichen Techniker als hängende Spitze hinter Franck Etoundi spielen will. Allerdings gibt es für diese Position aktuell mehr als genug Alternativen. Es ist bereits die Idealposition von solch wichtigen Spielern wie Oliver Buff, Mario Gavranovic und Davide Chiumiento. Hinzu kommen Christian Schneuwly und Artjom Simonyan, die ebenfalls am liebsten und besten in dieser Rolle agieren. Den Sprung von der U20- in die U21-Nationalmannschaft hat Antonio Marchesano in Jugendzeiten nicht geschafft – ob ihm der Sprung in die Super League doch noch gelingt, ist offen. Er wird aber aus athletischen und taktischen Gründen eher noch etwas mehr Anpassungsschwierigkeiten zeigen, als beispielsweise sein Tessiner Offensivkollege Patrick Rossini.

Aleksandr Kerzhakov – für den FCZ ein Risikotransfer

Kurz vor der Winterpause schien sich alles wieder einzurenken. Es war in der zweiten Halbzeit in Thun eine Mannschaft auf dem Platz zu sehen, die auf technisch gutem Niveau schnell nach vorne spielte, und solidarisch für einander kämpfte. Es wirkte wie ein Befreiungsschlag. Cabral stand da bezeichnenderweise nicht mehr auf dem Platz. Der Waadtländer hatte seit seiner Ankunft im Sommer mit seiner Egozentrik und Selbstüberschätzung nicht nur einen schlechten Einfluss auf den Teamgeist gehabt, sondern auch im Spiel mit seiner Behäbigkeit und den vielen Fehlpässen einem schnellen und erfolgreichen Fussball im Weg gestanden. Und so wie er häufig im Mittelfeld wenig inspiriert umherirrte und den Zweikämpfen manchmal richtiggehend aus dem Wege ging, war er auch defensiv mehr ein Leck, als die erhoffte Barriere. Genauso nicht auf dem Platz stand mit dem Anpfiff zu Halbzeit zwei der technisch und taktisch limitierte Sadiku mit welchem das Team zuvor immer wieder an Kompaktheit und spielerischer Qualität verloren hatte.

Eine Mannschaft hatte sich gefunden

Stattdessen im Zentrum an der Radnabe des Zürcher Spiels agierte Anto Grgic neben Gilles Yapi. Der 18-jährige zog die gegnerischen ersten Pässe im Mittelfeld wie magisch an, stand immer richtig, und konnte dank seiner Technik und Handlungsschnelligkeit schnell auf Gegenangriff umschalten – genau die Art von Spiel, welche Trainer Sami Hyypiä vorschwebt. Vorne hat zudem der lange Zeit divenhaft agierende Mario Gavranovic in den letzten Monaten eine positive Entwicklung zum Teamspieler genommen. Zudem ergänzt sich der Tessiner immer besser mit Stoss-Stürmer Franck Etoundi, und macht Oliver Buff in der Rolle als zurückhängender Stürmer Konkurrenz. Der Weg, wie man in der Rückrunde dem Abstiegsgespenst erfolgreich entkommen kann, war somit klar vorgezeichnet.

Man nehme die Mannschaft der zweiten Halbzeit in Thun, und addiere den von Trainer Hyypiä gewünschten zweiten schnellen Flügel (neben Kevin Bua) in der Form von Marco Schönbächler, Marvin Graf oder Moussa Koné. Als allfällige Verstärkung in der Winterpause hätte man sich am ehesten einen Verteidiger oder sogar Torhüter vorstellen können. In Idealformation kann die FCZ-Abwehrreihe nach der Rückkehr von Kecojevic zwar einigermassen bestehen, aber fällt nur ein Spieler daraus wegen Verletzung oder Sperre aus, ist die vorhandene Qualität für Super League-Verhältnisse ungenügend.

Kerzhakov ist kein Källström

Eine Basis war aber gelegt, um wieder auf den von Lucien Favre initiierten Weg zurückzufinden, und mit technisch gut ausgebildeten, handlungsschnellen und solidarischen Spielern moderneren und damit erfolgreicheren Fussball zu spielen. Einen Fussball, welcher die Gegner in der Super League vor Probleme stellt. Es sollte wieder ein Herkulesaufgabe werden, gegen den FCZ antreten zu müssen.

Und jetzt Kerzhakov. Noch ein Stürmer. Für die viertbeste Offensive der Liga. Und dass er vorne als erster Verteidiger mit aller Kraft hilft, die Defensive zu stabilisieren, ist eher nicht zu erwarten. Etoundis wertvolles Pensum an Pressingarbeit wird Kerzhakov kaum leisten können. Schon bei den deutlich jüngeren Halbstars wie Gavranovic oder Chermiti dauerte es Jahre, bis sie sich endlich mehr an der Defensivarbeit beteiligten. Kerzhakov ist zudem sicherlich ein Akteur, welchem zuzutrauen ist, das nun mühsam wieder zusammengeflickte Teamgefüge eher zu stören, als noch mehr zu kitten. Einer, der den jungen Spielern Flausen in den Kopf setzen und ein schlechtes Vorbild abgeben kann. Nicht, was den Einsatzwillen betrifft – aber in Bezug auf das Verhalten im Team. Ein zweiter „Kim Källström“ ist Kerzhakov auf keinen Fall. Källström hat in seiner ganzen Karriere in allen Teams immer integrativ gewirkt, Kerzhakov eher das Gegenteil davon. Vielleicht kommt ja alles gut, die individuellen Qualitäten Kerzhakovs sind unbestritten – aber ein Risiko ist es auf jeden Fall, in einer so kritischen Phase einen solchen Spieler mit ins Boot zu nehmen. Kann sich der FCZ dieses Risiko leisten?

„Forward to the Past“ für den FCZ und Kerzhakov

Nach der Verpflichtung von Spielern wie Sadiku, Schneuwly, Cabral oder Marchesano ist der russische Rekordtorschütze ein weiteres Puzzleteil in der neuen FCZ-Transferpolitik, welche immer mehr an die irrationalen späten 80-er und 90-er Jahre erinnert. Mit dem steigenden Einfluss von Ancillo Canepa auf die sportlichen Entscheidungen ist dies auch nicht erstaunlich, denn dieser erinnert in vielen Belangen durchaus stark an den unverwüstlichen Sven Hotz. Der Stadtclub ist so auf direktem Weg nicht „Back to the Future“, sondern „Forward to the Past“, in die Zeit eines Tomas Brolin, John Jairo Trellez oder Adrian Illie, welche alle im heutigen gnadenlos schnellen und taktisch geprägten Spitzenfussball keine Chance mehr hätten, mitzuhalten.

Sollte sich Kerzhakov mit seinem neuen Klub und der Liga identifizieren können, hätte er als kämpferischer Wirbelwind, welcher immer auf seine Chance lauert, und keinen Ball per se verloren gibt, durchaus Potential, ein bei den Fans beliebter Stürmer zu werden. Das primäre Ziel von Aleksandr Kerzhakov ist es allerdings, sich in Zürich fit zu halten, um anschliessend zu Zenit St.Petersburg zurückkehren zu können. Denn sein Erzfeind, Trainer André Villas Boas, wird den Klub aus der nördlichsten Millionenstadt der Welt aller Voraussicht nach spätestens im Sommer verlassen. Einen Wechsel Kerzhakovs innerhalb Russlands liess Zenit nicht zu. Offiziell meldete Kerzhakov zudem Ambitionen auf die Teilnahme an der EM 2016 an, wobei seine Chancen darauf wohl als eher gering einzuschätzen sind, zumal aktuell der Trainer von Zenits Rivalen ZSKA Leonid Slutski gleichzeitig in Personalunion auch für das Nationalteam verantwortlich ist.

Kerzhakovs Kulturschock steht noch aus

Auch über weitere Gründe für Kerzhakovs Wechsel in die Schweiz wird spekuliert. So soll er für die Zeit nach Beendigung seiner Karriere bereits vom Russischen Fussballverband und von Zenit ein Angebot haben, sich strategisch um die Entwicklung des Russischen Fussballs zu kümmern. In dieser Funktion war Kerzhakov dieses Jahr bereits einmal in Spanien auf Erkundungstour. Er schaute sich bei seinem ehemaligen Klub Sevilla und bei Real Madrid die Infrastrukturen an, und auch die Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen (Trainer 1.Mannschaft, Juniorentrainer, Sportdirektor, Präsident…). In der Schweiz soll Kerzhakov erkunden, wie es der hiesige Fussballverband schafft, mit einer so kleinen Bevölkerungszahl so viele gute Fussballer zu produzieren. Seine Bezugsperson Vitali Mutko war früher Präsident von Zenit, der Russischen Profiliga und des Fussballverbandes, und ist heute in einer eher unüblichen Kombination gleichzeitig Russischer Minister für Sport, Tourismus und Jugendpolitik – und Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees.

Dazu kommen als dritter Faktor allenfalls auch noch private Gründe. Mit seiner zweiten Lebensabschnittspartnerin ging es im November in St.Petersburg vor Gericht in einer weiteren Runde um das Sorgerecht für den zweijährigen Sohn Igor (welches zum wiederholten Male Kerzhakov zugesprochen wurde). Die Angelegenheit wurde auf dem ersten Kanal des staatlichen russischen Fernsehens in einer 70-minütigen „Diskussionssendung“ mit Involvierung von Ex-Partnern, Freunden, Bediensteten und Anwälten ausführlich und lautstark breit getreten. Kerzhakov hat zudem eine Tochter, welche bei seiner ersten Frau lebt. Gemäss dem Russischen Boulevard steht es zudem um die dritte Ehe des Russischen „Bombardirs“ zur Zeit nicht zum besten.

Der Trainingsstart am 4.Januar in Zürich wird für den Zenit-Star dann sicherlich zu einem kleinen Kulturschock werden, wenn er erstmals Ivan Kecojevic in dessen Smart und Alain Nef auf dem Velo vorfahren sieht – und sich mit den schmucklosen, einfachen städtischen Infrastrukturen in der Saalsporthalle und der angrenzenden Allmend Brunau bekannt machen wird. Kein abgegrenzter klubeigener Campus, wie es Kerzhakov sein ganzes Sportlerleben lang gekannt hat, und wie es auch schon zu Sowjetzeiten üblich war, sondern ein Training mitten unter Freizeitsportlern, Spaziergängern, Hunden, Skatern und Besuchern des nahen Einkaufszentrums. Selbst der bestverdienende FCZ-Akteur erhält einen Klacks im Vergleich zum Salär Kerzhakovs, welches mit Sicherheit weiterhin (grösstenteils) von Zenit überwiesen wird. In diesen Momenten wird sich wohl mitentscheiden, ob die Leihe für Kerzhakov und den FCZ zum Erfolg wird – oder nicht.

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Thun – FCZ 1:4 Highlights

FC Thun – FC Zürich 1:4 (1:0)

Stockhorn Arena – 4917 Zuschauer – SR Erlachner

Tore: 11. Wittwer (Schirinzi) 1:0, 50. Etoundi (Bua) 1:1, 57. Grgic (Koch) 1:2, 71. Etoundi (Kecojevic) 1:3, 79. Koch (Buff) 1:4

Thun: Faivre; Joss, Reinmann, Sulmoni,Wittwer; Zarate, Wieser (75. Lauper), Hediger, Schirinzi (64. Trachsel); Buess, Munsy (85. Peyretti).

Zürich: Favre; Koch, Nef, Kecojevic, Vinicius;Buff (80. Schneuwly), Cabral (46. Grgic), Yapi, Bua; Gavranovic, Etoundi (88. Sadiku).

Vom Allianz Suisse-Stadion in die Stockhornarena – der FCZ im Cup 15/16

Der FCZ hat seine Cupsaison am 16.August in Tramelan begonnen. Züri Live war begeistert ob der Gastfreundschaft im Dorf und beim Fussballklub, wo im „Allianz Suisse Stadion“ extra eine mindestens 10 Meter lange LAN-Leitung für das FCZ Live-Radio gelegt wurde. Höchste Zeit, mal nachzuschauen, was unsere Freunde aus dem Berner Jura denn mittlerweile im Dezember so treiben.

Kurz gesagt: es geht ihnen sehr gut! Der Aufsteiger in die 2.Liga Interregional liegt zur Zeit an 5.Stelle im Klassement der Gruppe 3, neun Punkte hinter Leader SC Dornach, und mit sieben Punkten Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz, welcher zur Zeit durch den SV Muttenz besetzt wird. Im Cup haben sie sich zudem bereits wieder in der 1.Vorrunde gegen den regionalen Konkurrenten Bassecourt im Penaltyschiessen durchgesetzt und erwarten nun im März den ehemaligen NLA-Klub Chênois (wo damals unter anderem Rolf Fringer gespielt hat) bei sich zu Hause auf dem Hauptsportplatz „Stade d’Orange“ in Tavannes.

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Auch das Vereinsleben kommt keineswegs zu kurz. Vor ein paar Tagen gab es die traditionelle „Vente de vins 2015“ im Stade d’Orange – mit Erbsensuppe und Samichlaus. Wir zitieren: „N’hésitez pas à remplir votre cave en passant commande au moyen du formulaire sous Le Club/les documents ou en cliquant sous le lien ci-dessous. Bonne dégustation.“

Eine 4:0-Führung bereits nach 24 Minuten hat es beim FCZ in den letzten Jahren nie gegeben. Beim Blitzstart in die Cupsaison unter dem Trainergespann Rizzo/Kern in Tramelan machte das Flügelduo Bua/Simonyan Lust auf mehr, und die Sturm-Sorgenkinder Sadiku (3) und Chermiti (2) konnten sich vor dem gegnerischen Kasten austoben. Für den negativen Höhepunkt sorgte Cabral mit seinem egomanischen Auftreten gegen Simonyan, welches auch die einheimischen Zuschauer mit Pfiffen quittierten.

In der zweiten Runde in Wohlen wars bis zum Schlusspfiff spannend. Der FCZ hatte viele gute Chancen, Gavranovic und Sadiku brachten auch „hundertprozentige“ nicht über die Linie. So war es Oliver Buff, in dieser Vorrunde zweitbester Zürcher Torschütze nach Sadiku, der das entscheidende Tor schoss, und dabei von der Vorarbeit von Bua und Gavranovic profitieren konnte. Der Sieg war zwar verdient, aber Wohlen hatte ebenfalls die eine oder andere gute Torchance auf seiner Seite gehabt, noch bevor das Team des neuen Trainers Sami Hyypiä in Führung gehen konnte.

Der 3:1 Achtelfinal-Sieg im Wankdorf gegen YB war sicherlich das bisher beste Spiel unter Hyypiä, und eines der besten der Vorrunde – zusammen mit dem Heimspiel gegen YB zum Auftakt der Saison und der Auswärtspartie in St.Gallen.  Es war eine solidarische und aufopferungsvolle Defensivleistung, mit Ausnahme allerdings wieder einmal von Cabral, welcher unter anderem Zakaria beim Gegentor geradezu einlud, durchs Zentrum zu marschieren. Züri Live zählte auf Seiten des FCZ herausragende 25 Top-Defensivaktionen (Brunner 6, der eingewechselte Djimsiti 4, Koch 3, Favre 3,…). Die Partie war gleichzeitig der Höhepunkt einer starken Vorrunde von Neuverpflichtung Kevin Bua, welcher bei allen drei Zürcher Treffern der entscheidende Mann war.

Im Viertelfinal wartet Thun – und aufgrund der Vorrundenleistungen und des Heimvorteils sind die Berner Oberländer sicherlich leicht favorisiert. Hyypiä’s Boys haben gerade im Stadion an der Oberland-Autobahn einiges gut zu machen nach der kollektiv schlechten Leistung bei der 1:5-Niederlage in der Meisterschaft am gleichen Ort. Das letzte Aufeinandertreffen im Cup ist gerade mal zwei Jahre her, und ging im Halbfinal im Letzigrund ins Penaltyschiessen. „Piu“ Da Costa hielt gleich den ersten Ball von….Christian Schneuwly – danach trafen alle Schützen auf beiden Seiten, inklusive Pedro Henrique zur Entscheidung.

Thun mit den Trainern Ciriaco Sforza und später Jeff Saibene konnte sich in den ersten drei Runden mit einem klaren 4:0 in Solothurn und knappen Siegen in Lausanne (1:0) und Wettswil-Bonstetten (2:1) durchsetzen. Beim FCZ hat sich der anfängliche Cup-Goalie Anthony Favre mittlerweile auch als Nr.1 für die Meisterschaftsspiele durchgesetzt (oder spielt im Cup nun Yannick Brecher?), Thun setzt diese Saison mit Francesco Ruberto bisher ebenfalls auf einen Cup-Keeper. Der aus dem YB-Nachwuchs stammende Torhüter war zudem in der Meisterschaft zwei Mal im Einsatz, darunter beim 5:1-Heimsieg gegen den FCZ. Über die vollen 270 Minuten hat in dieser Cup-Saison neben Ruberto nur Verteidiger Marco Bürki gespielt – beim FCZ ist wegen Favres Verletzung gegen YB gar nur Kevin Bua in allen drei Runden von Anfang bis zum Schluss auf dem Rasen gestanden. Die besten Cup-Skorer der beiden Teams sind bisher Kevin Bua (FCZ) und Gianluca Frontino (Thun) mit je zwei Toren und Assists, sowie Ridge Munsy (Thun) mit vier Treffern.

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