Olé, olé – jetzt schaltet sich der Schiedsrichter-Fanklub in die Penaltydiskussion ein

Es ist das Thema der Woche: nach 2012 fühlt sich erneut ein Unterklassiger im Cup-Halbfinal um den lange ersehnten Finaleinzug (letzter Cupfinal 1975 gegen…den FCB) betrogen – wieder ist es der beim FCZ-Anhang mit grossem Abstand beliebteste Kantonsrivale Winterthur. Und wieder gegen den FC Basel. Dies nachdem Winterthur auch diesmal die Partie ausgeglichen halten konnte, und dann durch zwei angezweifelte Standards mit zwei Toren in Rückstand geriet. Der Freistoss vor dem 0:2 ist aus Sicht von Züri Live korrekt gepfiffen, auch wenn Renato Steffen im Zweikampf mit Tobias Schättin viel Theatralik walten lässt.

Anders sieht es beim wegweisenden Penalty vor dem 0:1 aus, der in den Gazzetten und im Internet hauptsächlich das Thema war. Die Anhänger der beiden Klubs beurteilen die Szene naturgemäss so wie es Fans halt eben tun: «Basel wird noch von jedem Schiri in der Schweiz bevorteilt», «Janko wälzt sich wie ein Schwerverletzter», «Liebe Winterthurer, es war ein Penalty!». Neu ist, dass sich neben Winterthurern und Baslern noch eine dritte Fanfraktion in die Diskussion einmischt. Der Schweizerische Fussballverband (SFV) supportet auf seiner Website vehement den die Verbandsfarben vertretenden Schiedsrichter Sascha Amhof.

«Zu 100%» sei der Pfiff ihres Schützlings korrekt gewesen, schreibt der Autor des im Nachgang des turbulenten Cup-Halbfinals publizierten Artikels auf der SFV-eigenen Webpage, basierend auf einer Analyse des hauseigenen «Ressorts Spitzenschiedsrichter». Ganz im Boulevard-Stil wird dabei in eindrücklicher Grossaufnahme der Moment gezeigt, wo FCB-Stürmer Marc Janko die Berührung seines Gegenspielers Schuler spürt, und sich dabei theatralisch ins Kreuz wirft.

Belehrend wird weiter konstatiert: «die in einer breiten Öffentlichkeit verbreitete Meinung, wenn (auch) der Ball gespielt worden sei, liege auch kein Foul vor» sei falsch. Ob diese Erkenntnis «die breite Öffentlichkeit», zu welcher auch 280’000 SFV-Mitglieder gehören, wohl tatsächlich in Erstaunen versetzt hat? Sind alle aktiven und fussballinteressierten Schweizer bisher in corpore davon ausgegangen, in diesem Sport sei alles erlaubt, wenn nur nebenbei auch noch der Ball berührt wird?

Entscheidend ist vielmehr der darauffolgende Abschnitt des Pamphlets. Gemäss dem Autor auf der SFV-Webseite war es «kein saubereres Tackling, sondern ein fahrlässiges oder rücksichtsloses Einsteigen» von Patrick Schuler. Daher habe Sascha Amhof gemäss Regelwerk von «FIFA und UEFA» zu «100 Prozent korrekt» entschieden. Abgesehen davon, dass der «breiten Öffentlichkeit» bisher wohl tatsächlich entgangen sein dürfte, dass die UEFA ein separates Fussball-Regelwerk führt, wirft die undifferenzierte Aussage dann doch einige Fragen auf.

Geht Schuler wirklich «fahrlässig» oder gar «rücksichtslos» Richtung Ball? Eines kann man vorab schon mal festhalten: um diese Frage zu beantworten, wäre es zweifelsohne sinnvoller gewesen, an Stelle des effekthascherische Photos auf der SFV-Seite den Moment zu zeigen, wo Schuler tatsächlich «Richtung Ball geht». Wir liefern dieses Standbild nach.  Man sieht zwei Spieler, die im 150 Grad-Winkel auf den Ball gehen. Schulers Tackling gilt dem Ball – und nur dem Ball. Janko steht nicht zwischen Schuler und dem Ball, sondern kommt nach seinem abrupten Richtungswechsel aus einer völlig anderen Richtung.

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Natürlich nehmen beide Spieler gleichermassen in Kauf, dass sie NACH dem Spielen des Balles zusammenprallen werden, was dann ja auch passiert. Aus neutraler Warte eine solche Szene zu beurteilen, bedeutet aber, nicht zu berücksichtigen, wer Verteidiger ist und wer Stürmer, wer Winterthurer und wer Basler, und auch nicht dass sich die Szene im Strafraum abspielt. Wie wird eine solche Szene also im Normalfall gepfiffen? Wenn zwei Spieler, die im 90, 180 oder 150 Grad-Winkel im Kampf um den Ball nach dem Spielen des Balles aufeinanderprallen, wird nach unserer Erfahrung häufig gar nicht gepfiffen. Und wenn doch gepfiffen wird, dann ist jeweils derjenige Spieler «im Recht» und erhält den Freistoss zugesprochen, welcher zuerst am Ball war.

Dass sich der SFV im Nachgang nun so aussergewöhnlich offensiv und undifferenziert aus dem Fenster lehnt, («Amhof war 100 Prozent korrekt») weckt daher unser Erstaunen. Nicht zuletzt auch, weil das «SFV-Team» auf dem Platz eine spezielle Rolle einnimmt, welches sich mit fanatischer und einseitiger Unterstützung durch dessen «Fans» nur schlecht verträgt. Denn in der Sequenz der Ereignisse ist zu sehen, dass zuerst Schuler den Ball spielt, dann Janko den Ball verfehlend dem Winterthurer ins Bein tritt – und erst als drittes Schuler mit dem nachgezogenen Bein den Basler am Fuss trifft. Tendenziell also, wenn überhaupt gepfiffen wird, eher ein Foul des Österreichers. Zumindest ist es keine „100-prozentige“ Situation. Und ein interessantes Gedankenspiel bietet sich an: wie wäre alles inklusive Reaktion des SFV abgelaufen, wenn Schuler Suchy und Janko Silvio gewesen wäre?

So viele Testspiele wie seit 24 Jahren nicht mehr: Update Spielerstatistik

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Der FCZ hat am Donnerstag in Luzern sein 18. Testspiel der Saison gespielt. Auf der Basis der Daten von dbfcz.ch ist dies die höchste Zahl seit der Saison 1992/1993. Damals gab es 20 Freundschaftsspiele unter anderem mit einem Trainingslager in Österreich im Juni und eines in den USA im Februar, wo Grassi, Sesa, Mazzarelli und Co. gegen eine „Auswahl Los Angeles“, „LRI Malev SC“, die „USA“ und „San Diego Surf“ spielten. Die 20 Testspiele waren so bereits im Februar erreicht. Im Frühling gab es keine solche Partien mehr – wie im Schnitt in etwa zwei von drei Jahren ebenfalls nicht.

In den 18 Testspielen der aktuellen Saison gab es 13 Siege, 5 Niederlagen und noch kein einziges Unentschieden. Drei der fünf Niederlagen wurden zu Beginn der Sommervorbereitung innerhalb von sechs Tagen gegen Altach, Schaffhausen und Regensburg hingenommen, die vierte zum Ende der Sommertestphase gegen Galatasaray, und die fünfte im Wintertrainingslager gegen Bundesliga-Aufstiegskandidat Dynamo Dresden. Von den 18 Gegnern kamen acht aus der Schweiz, fünf aus Deutschland, drei aus Österreich, einer aus der Türkei und einer aus Rumänien. Bei den Schweizer Gegnern (sieben Siege, eine Niederlage) waren drei Super League-Teams dabei (Vaduz, St.Gallen, Luzern). Bei den Gegnern aus Deutschland (drei Siege, zwei Niederlagen) war von der 1.Bundesliga bis Regionalliga alles vertreten. Gegen Schaffhausen (auf der Breite und im LIPO Park) und Rapperswil-Jona (Allmend Brunau und Grünfeld) konnte zwei Mal gespielt werden.

Moussa Koné ist auch Stand März in allen statistischen Kategorien vorne anzutreffen: 8 Tore, 11 Assists und 994 Spielminuten sind klare Spitzenwerte. Auch bei den Anzahl Minuten pro Skorerpunkt ist Koné von den regelmässig eingesetzten Spielern der Beste. Die in dieser Wertung vor dem Senegalesen liegenden Shpetim Sulejmani (drei Skorerpunkte gegen Dietikon, dazu ein weiterer Kurzeinsatz gegen Vaduz) und Khalil Elnouby (eine Halbzeit gegen Vaduz) haben weniger als eine Stunde gespielt. Koné gehört zusammen mit Armin Alesevic, Nicolas Stettler und Michael Kempter zu einer Gruppe von Spielern, bei welchen sich die Spielminuten in Pflichtspielen und Testspielen in etwa die Waage halten, mit zur Zeit jeweils noch etwas mehr Einsatzzeit in Freundschaftspartien. Die drei Spieler mit den meisten Testspielminuten sind die FCZ-„Joker“ direkt hinter der Stammelf. Sie sind bei der Anzahl Einwechslungen in Wettbewerbsspielen unter den ersten vier. Moussa Koné wurde bisher 15 Mal eingewechselt, Marco Schönbächler 13 Mal und Antonio Marchesano 10 Mal. An zweiter Stelle in der Einwechselstatistik ist Dzengis Cavusevic (14), der in der Sommervorbereitung erst relativ spät zum Team stiess, und später auch noch teilweise verletzt war.

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Im Fahrplan – grosse Halbzeitbilanz der Challenge League, 3.Teil

Die Rückrunde hat begonnen. Nach der Hälfte der absolvierten Meisterschaft in der Challenge League können die zehn beteiligten Clubs in folgende drei Kategorien eingeteilt werden, je nachdem ob sie über, unter oder den Erwartungen entsprechend klassiert sind:

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Im Ersten Teil haben wir auf die drei Teams geschaut, welche in der Vorrunde die Erwartungen übertroffen haben. Im zweiten Teil waren die „Underachievers“ dran. Der dritte und letzte Teil behandelt die Teams, welche die Erwartungen erfüllt haben.

FC Chiasso – die Grenzstädter im ständigen Balanceakt

Der angeblich notwendige Zusammenschluss von mehreren Tessiner Traditionsvereinen zu einem Retortenklub «FC Ticino» war eine Zeit lang ein beliebtes Thema vor allem in der Deutschschweizer Presse. Es war die Zeit, als mit Bellinzona, Locarno, Lugano und Chiasso gleich vier Mannschaften aus dem 350’000-Einwohnerkanton (4% der Schweiz) in der Swiss Football League spielten, und damit 20% der Super League und Challenge League ausmachten. Es war damals gemessen an den engräumigen Schweizer Verhältnissen zwar «zeitraubend», aber eben auch schön, häufig ins sonnige Tessin zu fahren. Mittlerweile sind noch Lugano und Chiasso übriggeblieben, und die Sache mit dem Zusammenschluss hat sich wenig überraschend ebenfalls erledigt. Denn kommen tatsächlich «zu viele» Klubs aus einer bestimmten Region, dann hat sich ein solches «Problem» bisher noch immer mit der Zeit automatisch gelöst, ohne dass Traditionsklubs zerstört werden mussten. So auch diesmal.

Lugano spielt in der Super League, Chiasso ist als einzige Mannschaft in der Challenge League verblieben. Locarno ist mittlerweile in der comunale-chiasso-floodlights-hellviertklassigen 1.Liga angelangt, wo es um den Klassenerhalt bangen muss und in der Gruppe Ost hinter den Tessiner Konkurrenten Bellinzona und Mendrisio liegt. Das mit einigen ehemaligen Challenge League- und Super League-Spielern bestückte Bellinzona könnte Chiasso mittelfristig als Nummer 2 des Kantons ablösen. Aktuell halten sich die Grenzstädter aber trotz grossen sportlichen und finanziellen Herausforderungen weiter tapfer in der zweithöchsten Liga – bereits in der siebten Saison hintereinander. Wird es die verflixte siebte? Ein grosser Spielerumschlag sowohl im Sommer wie auch im Winter verheisst nichts Gutes. Es kommen praktisch nur noch junge Talente aus der Dritt- und Viertklassigkeit. Mit Milosavljevic und Lurati musste das «Tafelsilber» an Sion abgegeben werden. Dazu setzt Trainer Giuseppe Scienza die erfahrenen Regazzoni, Monighetti und Guatelli auf die Ersatzbank. Und erstmals seit dem Aufstieg zeigt der Marktwert-Trend auf transfermarkt.ch wieder abwärts.

Auswärts hat Chiasso in der Vorrunde nur zwei Mal verloren und im Vergleich zu den Heimspielen nur halb so viele Gegentore kassiert. Nur den Spitzenteams FCZ und Xamax konnte man in der Fremde keine Punkte abknöpfen. Vor der Winterpause haben die Rossoblu in Schaffhausen beim letzten Wettbewerbsspiel auf der altwehrwürdigen Breite einen grandiosen 2:1-Erfolg feiern können. Ob man die verstärkten und im neuen LIPO Park hausierenden Munotstädtern bei deren Ansturm aus dem Tabellenkeller aufhalten kann, ist fraglich. Also müsste man ein weiter vorne liegendes Team überholen, um den Abstieg zu verhindern – zum Beispiel Wohlen oder Winterthur. Oder wieder einmal mit Ach und Krach selbst die Lizenz für die kommende Saison erhalten, gleichzeitig aber vom Rückzug (Le Mont) oder Konkurs (Wil) eines Konkurrenten profitieren.

Servette FC – grosse Ambitionen und vergeudetes Talent

Der Genfer Traditionsklub (17 Meistertitel, 7 Cupsiege) hat sich das klare Ziel gesteckt, im Sommer 2018 nach zwei Challenge League-Jahren in die Super League aufzusteigen. Und teilt dieses Ziel unter anderem mit dem FC Aarau. Die Ambitionen wurden in der Winterpause mit dem Trainerwechsel von Anthony Braizat zu Meho Kodro unterstrichen, und nach drei Runden steht dessen Team als einziges noch verlustpunktlos da. Natürlich profitieren sie dabei auch von der Treffsicherheit ihres Kamerunischen Stürmers Jean-Pierre Nsamé (18 Tore in 17 Partien), der ohne einen privaten Schicksalsschlag niemals in der Challenge League gelandet wäre.

stade-de-geneve-vs-fcz-negativ-bildDas Zuschauerinteresse in der Calvinstadt ist volatil und stark vom Erfolg abhängig. Im September kamen im Heimspiel gegen den FCZ über 8’000 Fans. Als die Zürcher dann aber im Februar mit einem grossen Punktevorsprung im Gepäck erneut in die Calvinstadt reisten, waren nur noch 2’600 vor Ort. Nach dem 2:1-Heimspielerfolg gegen den Leader war die Euphorie aber sofort wieder da – in Winterthur waren am darauffolgenden Wochenende so viele Servette-Fans vor Ort wie schon lange nicht mehr an einem Auswärtsspiel. Der Stamm der Mannschaft ist immer noch der gleiche, welcher letzte Saison in der Promotion League den Aufstieg geschafft hat, als man im Heerenschürli gegen die 2.Mannschaft des FCZ antrat, anstatt im Letzigrund gegen das Fanionteam.

Etwas überraschend wurde das Stürmertalent Adler Da Silva zuletzt gleich zwei Ligen tiefer zu Etoile Carouge verliehen. Zwar ist Carouge ein Partnerklub von Servette und im Abstiegskampf, aber der Entwicklung des Juniorennationalspielers wird dies kaum guttun. Dies nachdem Servette in den letzten Jahren seine Toptalente wie Lorenzo Gonzalez (Manchester City), Jeremy Guillemenot (Barcelona), Dereck Kutesa (Basel) und Denis Zakaria (YB) einer nach dem anderen sehr früh verloren hat.

FCZ – ein Halbjahr reich an unvergesslichen Momenten

Der Herbst 2016 wird in Erinnerung bleiben – so viel ist sicher! Und am Ursprung von allem stand die vorhergende Saison mit dem Misserfolg in der Liga und gleichzeitig starken Leistungen im Cup. Der FCZ ist zum zweiten Mal innert zwei Jahren im Madrigal von Villarreal zu Gast und bereits nach 70 Sekunden dreht Armando Sadiku jubelnd ab. Nach 70 Sekunden traf Züri in dieser Vorrunde gleich mehrmals. Fortes Mannen waren in den meisten Spielen von der ersten Minute an parat. Der Herbst 2016 ist die Geburtsstunde für so vieles: vor allem ist es die Geburtstunde des Kantonsderbys. 13’000 Fans kommen zum Auftakt gegen Winterthur bei Regenwetter in den Letzigrund und auf einer übervollen Schützenwiese versuchen kaum weniger Fussballinteressierte im Dezember die Spieler durch den Nebel zu erspähen. Es war mehr als ein Fussballspiel mit Fussballfans – es war ein gesellschaftlicher Anlass.

Im Herbst 2016 spielt sich auch die Wiedergeburt von Marco Schönbächler ab. Der Urdorfer, schon seit 10 Jahren in der 1.Mannschaft, kehrt letzigrund-scho-mal-gschlage-nomal-schlah-comicnach anderthalbjähriger Verletzungspause Anfang August gegen Wohlen als noch 30 Minuten zu spielen sind zurück – Gänsehautstimmung im Letzigrund! Aus der Gänsehaut wird im ersten Europa League-Heimspiel als Zweitligist gegen Osmanlispor eine Eruption – Schönbächlers Tor nach einem Solo über den halben Platz ist schon früh das Tor des Jahres – bis ein 18-jähriger Testspieler mit Namen Khalil Elnouby beim Freundschaftsspiel gegen Vaduz an der Churer Ringstrasse mit einem spektakulären Fallrückzieher nach einer flüssigen Kombination über die rechte Seite Schönbis Treffer zumindest starke Konkurrenz machte.

Nur wenige Tage nach dem Osmanlispor-Spiel: ein Bild für die Ewigkeit. Sonnyboy Moussa Koné nach seinem 5:0 in der Niedermatten mit einem «Stage Dive» mitten in die Fans. Überhaupt: die Fans. Die Unterstützung der Mannschaft ist in der Challenge League im übertragenen Sinne auf Champions League-Niveau. Im übertragenen Sinne deshalb, weil in der Realität die Stimmung bei vielen Champions League-Partien nicht an diejenige von FCZ-Spielen in der Challenge League herankommt. Die Kreativität und der Aufwand bei den Choreos ist Extraklasse wie eh und je.

Es ist ein vertrautes Bild – einerseits. Sechs Busse vollbepackt mit Fussballfans werden von Polizeiautos Richtung Stadion eskortiert. Man kennt solche Bilder aus Rom, Paris, Amsterdam. Nicht aber aus Vuiteboeuf. Nicht auf einer schmalen Landstrasse quer durch die lieblichen Matten des Waadtländer Jurasüdfusses. Im fernen Baulmes füllten die FCZ-Fans den gesamten Fansektor komplett und konnten Schönbächlers schönes Weitschusstor bestaunen – sein Premierentreffer nach dem Comeback. Die Südkurve reagierte aber auch grossartig, als der auch auf den Strassen von Zürich ausgetragene innertürkische Konflikt ins Letzigrundstadion überschwappte: sie machte klar, dass im Letzi Fussball und der FCZ regiert, und sang die ganze Pause des Spiels gegen Osmanlispor durch. Sie dämpfte damit die politisch erhitzten Gemüter, und erstickte die Eskalation im Keim.

61 Millionen Transfererlös – Schweizer Klubs werden zu Spielerhändlern

Der FC Basel stösst mit dem Geschäftsjahr 2016 finanziell für Schweizer Verhältnisse in neue Dimensionen vor. An der gestrigen Bilanzpressekonferenz präsentierte der Verwaltungsrat Finanzen Stephan Werthmüller eine Umsatzzahl von 132 Millionen Schweizer Franken! Dies sind nochmal 27 Millionen mehr als beim bisherigen Rekordergebnis vor zwei Jahren, welches Werthmüller damals noch für nicht mehr übertreffbar hielt. Zum Vergleich: der FCZ hat 2015 einen Umsatz von 22,5 Millionen ausgewiesen. Das sind nicht 20, 30 oder 50% weniger, sondern es geht um den Faktor 6. Für den FCZ ist ein FC Basel zur Zeit genauso in einer anderen finanziellen Dimension wie in die andere Richtung ein FC Schaffhausen oder der nach dem Abgang des Türkischen Besitzers redimensionierte FC Wil. Winterthur, Xamax, Servette oder Aarau sind hingegen näher beim FCZ als der FCB.

Welche Schlüsse können Schweizer Klubs aus diesen Zahlen ziehen? Das Rekordergebnis verdankt der FCB den kürzlich abgeschlossenen TV-Verträgen in Deutschland und England. Durch diese stossen die dortigen Klubs finanziell in neue Sphären vor. Ein Teil dieses Geldes landet durch den «trickle down»-Effekt über den Transfermarkt in der Schweiz und anderen kleineren und mittleren Fussballländern. Die Transfereinnahmen machen für das Jahr 2016 rekordhohe 61 Millionen aus! Damit ist die auf Züri Live vor 8 Monaten berechnete Kennzahl von 1/3 bezüglich dem Anteil der Transfereinnahmen am Umsatz bei den Schweizer Topausbildungsklubs FCZ, GC und FCB zumindest für letzteren bereits wieder obsolet. Es ist nun beinahe die Hälfte! Auch die Transferausgaben des FCB sind mit 23 Millionen (für Spieler wie Balanta, Sporar, Elyounoussi und auch Bua vom FCZ) im Jahr 2016 so hoch wie noch nie gewesen.

Die Schweizer Fussballklubs werden de facto noch mehr als bisher zu Spielerhändlern und Spielerentwicklern. Auch wenn mercato-transfersdie Haupttätigkeit immer noch aus dem Bestreiten der nationalen und internationalen Wettbewerbe besteht, hat die wichtigste Quelle des Umsatzes wie in jeder anderen Branche natürlich einen wesentlichen Einfluss auf die getroffenen Entscheide – auch in sportlichen Belangen. Für die jungen Talente ist das gut. Die Trainer werden von ihrer Klubführung noch mehr dazu angehalten werden, im Zweifelsfall auf die Jungen zu setzen, weil nur diese die den Klub finanzierenden Transfersummen generieren können. Der sportliche Erfolg in Form von Meisterschaften und Cupsiegen wird in Zukunft noch mehr als bisher davon abhängen, wie gut es die Klubleitungen schaffen, an den Milliarden-Umsätzen der Top 5-Ligen direkt oder indirekt zu partizipieren. Dass die Wichtigkeit der Spielertransfers weiter zunimmt, ist für den FCZ positiv. Denn in diesem Bereich ist der Letzigrundklub erfolgreicher, als Konkurrenten wie St.Gallen oder Luzern.

Das Timing spielt bei den Abgängen nicht nur aus Spieler-, sondern auch aus Klubsicht eine entscheidende Rolle. Wechselt der Spieler zu früh, kann man weder sportlich noch finanziell die Früchte von dessen Ausbildung in angemessenem Ausmass ernten. Wechselt er zu spät, verstopft er die «Pipeline» für nachrückende Talente. Dass ein grosser «Talente-Umschlag» nicht zwingend schlecht für die sportlichen Resultate sein muss, beweisen seit Jahren Klubs wie Porto oder Benfica. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Talente-Pipeline gut gefüllt, und die 1.Mannschaft hervorragend geführt ist.

Die Transfereinnahmen werden zunehmend auch erst Jahre nach dem eigentlichen Verkauf des Spielers generiert. Dank «gut formulierten Verträgen», wie sich Werthmüller ausdrückt, hat der FC Basel diesen Sommer mit den Weiterverkäufen von Aleksandar Dragovic von Dynamo Kiev zu Bayer Leverkusen, und vor allem Granit Xhaka von Borussia Mönchengladbach zu Arsenal geschätzt 15-20 Millionen Franken verdient. Es hilft zusätzlich, wenn sich am anderen Ende der Transferkette ein professionell geführter internationaler Grossklub wie Arsenal befindet. Bei solchen Klubs muss man manchmal als Schweizer Verein nicht einmal seine Ansprüche anmelden. Diese nehmen sogar von sich aus Kontakt mit Ex-Vereinen auf, um die in der Vergangenheit von Drittparteien ausgehandelten Vertragsklauseln zu erfüllen, wie Werthmüller ausführt. Zudem habe er in seiner ganzen Amtszeit nur ein einziges Mal bei einem Klub Druck machen müssen, damit das Geld überwiesen wird. Die allfälligen Sanktionsmöglichkeiten über die FIFA oder UEFA seien gross, was international die Zahlungsmoral hochhält.

Die in der Schweiz auf die nächste Saison hin erhöhten TV-Gelder werden vor allem kleineren Klubs helfen, über die Runden zu kommen, bleiben für die grösseren Vereine hingegen weiterhin nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Die Zuschauer im Stadion hingegen sind in der Schweiz trotz steigender Transfererlöse nicht nur moralisch, sondern auch finanziell ultimativ wichtig. Nicht nur wegen der Ticket-, Catering- und Merchandisingeinnahmen, sondern auch aufgrund der positiven Zusatzeffekte aufs Sponsoring. In diesem Bereich macht beispielsweise YB mit seinen zahlreichen Aktionen und Aktivitäten zur Gewinnung und Pflege der verschiedenen Zuschauergruppen vieles richtig. Die Stadionzuschauer sind neben der Talententwicklung und guten Führung der 1.Mannschaft die Basis für künftige Erfolge von Schweizer Fussballklubs. 

Graphik: Khalil-aich7 (CC BY-SA 4.0) 

„Underachievers“ – grosse Halbzeitbilanz der Challenge League, 2.Teil

Die Rückrunde hat begonnen. Nach der Hälfte der absolvierten Meisterschaft in der Challenge League können die zehn beteiligten Clubs in folgende drei Kategorien eingeteilt werden, je nachdem ob sie über, unter oder den Erwartungen entsprechend klassiert sind:

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Im Ersten Teil haben wir auf die drei Teams geschaut, welche in der Vorrunde die Erwartungen übertroffen haben. Nun sind die „Underachievers“ dran.

FC Wil: Vom Hauptkonkurrenten zum Sanierungsfall

Die Fragestellung zum FC Wil bei der Vorrunden-Rückschau auf Züri Live am 12. Dezember war: „Neue Kontinuität unter Martin Rueda?“. Gleichentags wurde im Bergholz Rueda beurlaubt, und die Realität des Unstetigen hatte das Thema bereits wieder obsolet gemacht. Der Aargauer war ein Trainer gewesen, welcher die Liga bestens kennt. Er richtete kurz nach seiner Anstellung selbstbewusst kämpferische Worte nach Zürich. Der FC Wil könne noch aus eigener Kraft aufsteigen, da man noch dreimal gegen den FCZ spielen würde. Das galt schon nicht mehr nach der 0:3-Niederlage in Ruedas erstem Spiel in der 7. Runde beim FC Winterthur. Wieder wurde dort, wie schon in Neuenburg, in einem wichtigen Moment ein Penalty verschossen, diesmal beim Stand von 0:0 durch Samir Fazli, der zu Beginn der Zweiten Halbzeit innerhalb von 15 Minuten nach übermotivierten Fouls auch noch zweimal die Gelbe Karte sah – und so vom Platz gehen musste.

Drei Lattentreffer zeigen auf, dass Wil nicht schlechter, aber weniger effizient war. Danach holten die Ostschweizer aber aus 5 Spielen das bergholz-silhouette-hagelMaximum von 15 Punkten und verkleinerten den Rückstand auf den FCZ tatsächlich. In den folgenden sieben Spielen führten aber nur noch vier tor- und trostlose Unentschieden zu Punkten, am Schluss der Vorrunde daheim gegen Neuchâtel Xamax, und zu Beginn der Rückrunde auch zu Hause gege Le Mont. Der Punkt gegen Xamax kam glücklich zustande. Kein Wunder! Rueda liess gleich sechs regelmässig eingesetzte Spieler auf die Reservebank oder gar Tribüne setzen. Diese Aktion verdeutlichte bereits frühe Abnützungserscheinungen. Die sportlichen Verantwortlichen um Verwaltungsrat Abdullah Cila und Sportdirektor Roland Koch reagierten auf die mässige Phase und auf das letzte, ungenügende Spiel mit der erneuten Entlassung des Cheftrainers. Während unter Ugur Tütüneker 1,33 Punkte pro Spiel gewonnen wurden, kam Rueda auf einen knapp besseren Schnitt von 1,5.

Zu allen 9 Vorrundenheimspielen des FC Wil kamen zusammengezählt weniger Personen in die IGP-Arena als zum Startspiel des FCZ gegen den FC Winterthur an einem regenreichen Montagabend in den Letzigrund, 12’590 vs. 13’704. Realistisch gesehen hatte der FC Wil schon vor dem Rückrundenstart mit 22 Punkten Rückstand keine Chance mehr, in die Super League aufzusteigen. Im Wochentakt folgten daraufhin die wenig Hoffnung erweckenden Meldungen von den Abgängen von Captain Egemen Korkmaz, Murat Akin, Paul Papp und Gjelbrim Taipi, dann die ausstehenden Januarlöhne, und schliesslich die Meldung vom Rücktritt aller türkischen Verwaltungsräte und dem Verkauf der Mehrheit des Aktienpaketes an eine offenbar illiquide Türkische Gesellschaft. Die in diesem Zusammenhang erläuterten Zahlen von Wils verbliebenen Verwaltungsräten bestätigten die Vermutung, dass Wil in dieser Saison mehr Geld für die 1.Mannschaft ausgab, als der FCZ. Zu hoffen bleibt, dass die Ostschweizer die nächsten Wochen überleben und wie in der Vergangenheit als gut geführter Challenge League-Klub weiterexistieren werden. Jeder solche Klub ist wichtig als Stütze des Schweizer Fussballs.

FC Aarau: harte Spielweise als Bumerang

Schon der Start in die neue Saison im heimischen Brügglifeld gegen den FC Chiasso verlief für den FC Aarau harzig. So kann auch diese Vorrunde beurteilt werden. Zwei direkte Rote Karten gegen Olivier Jäckle und Geoffrey Tréand in der Schlussphase dieses Spiels zeigten ein grundsätzliches Problem, der von Trainer Marco Schällibaum eingestellten Mannschaft: überbordender, teilweise kurzzeitig unkontrollierter Einsatz über der Grenze von gesunder, aggressiver Härte. Sechsmal musste ein Aarauer Spieler das Feld vorzeitig verlassen, durchschnittlich in jedem dritten Spiel. Stephane Bèsle verursachte eine solche Situation gleich zwei Mal. Da einzelne Schlüsselspieler so wegen Sperren zusätzlich fehlten, mangelte es bei Aarau etwas an der Feinabstimmung.

aarau-bruegglifeld-gegentribuene-negativDabei holten die Aargauer aus den ersten 5 Spielen noch 11 Punkte. Der Bruch kam in der 9. Runde im heimischen Brügglifeld in der 94.Minute, als dem über weite Strecken überlegenen FCZ in letzter Sekunde in einem emotionalen Spiel doch noch der verdiente Ausgleich gelang, wobei ein Schuss von Kecojevic durch Sandro Burki entscheidend abgelenkt wurde. Danach folgten 5 Spiele mit nur einem erst noch etwas glücklich erkämpften Punkt daheim gegen den FC Winterthur. Wie schon in der Abstiegssaison vor zwei Jahren war das herbstliche Heimspiel gegen den FCZ der Aarauer Knackpunkt und Beginn einer Negativserie. Der Geist von Sandro Wieser scheint immer noch im Brügglifeld herumzuspuken. Das 3:6 gegen den gleichen Gegner im Letzigrund war immerhin ein Torspektakel, bei welchem Aarau einen guten Anteil am unterhaltsamen Spiel hatte. Die letzten kleinen Aufstiegshoffnungen gingen dann in der 16.Runde daheim gegen Neuchâtel Xamax verloren.

Der Gast wendete einmal mehr in der 2. Halbzeit ein Spiel und gewann nach vorherigem Rückstand durch ein Tor von Raphaël Nuzzolo in der 88. Minute mit 2:3. Der 4. Rang ist das weniger Schlechte in der bisherigen Saisonbilanz. Schlimmer ist der desillusionierende Rückstand von 22 Punkten auf den FC Zürich. Der FC Aarau wollte länger im Rennen um den Aufstieg dabei bleiben. Das Ziel für den restlichen Saisonverlauf muss vor allem sein, mehr Konstanz und mehr Disziplin ins Spiel zu bringen und so einen Boden zu legen für die kommende Saison. Immerhin kamen durchschnittlich 3’990 Zuschauer zu den Heimspielen.

FC Winterthur: Derbystimmung kontrastiert mit Alltagssorgen

Das erste und das letzte Spiel bildeten den Rahmen für den FC Winterthur in dieser ersten Saisonhälfte. Der gemeinsame Nenner waren jeweils besondere klimatische Bedingungen, der Gegner, das Resultat und die überragenden Saisonrekordzuschauerzahlen in den jeweiligen Stadien, verbunden mit der Stimmung auf den Rängen. Während der FC Winterthur im Letzigrund chancenlos war, und etwas zu wenig mutig agierte, hätte der Club daheim bei besserer Chancenauswertung einen Punkt erreichen können. Genau dieses letzte Spiel zeigte aber schuetzi-sulzer-christmas-tree-foliedie Gefahr auf, in der sich der FC Winterthur befindet. Der mittlerweile durch das interne Duo Romano/Zuffi ersetzte Trainer Sven Christ musste wohl keinen Spieler speziell dazu motivieren, in einem solchen Kantonsderby alles zu geben. Man bekam vom favorisierten Gegner grossen Respekt und Anerkennung für die umsichtige Durchführung des Anlasses, verlor am Ende das Spiel aber nach aufopferndem Kampf dennoch.

Anders sieht es aus, wenn der FC Winterthur beispielsweise in Baulmes antritt, wo die Spieler oft mangelhaft auftreten, ungenügende Leistungen und Resultate erbringen, auch wenn es in dieser Vorrunde bei einem Chancenplus in der Nachspielzeit durch Ex FCZ-Stürmer Silvio immerhin zu einem 1:1 reichte. Silvio erzielt einen grossen Teil der Tore der nach Le Mont zweitschlechtesten Offensive der Liga. Zu viele Spieler scheinen in der sogenannten „Wohlfühloase“ Winterthur zu stagnieren und der Sprung von der Juniorenabteilung mit gutem Ruf in die 1.Mannschaft funktioniert auch nicht mehr so reibungslos wie auch schon. Die Zeiten, als an den Olympischen Sommerspielen von London 2012 mehr als die Hälfte der Schweizer Stammformation ehemalige Winterthurer Junioren waren, sind vorläufig vorbei. Auswärts stehen die Eulachstädter immer noch bei nur einem Sieg und sind mitten im Abstiegskampf angelangt.

FC Schaffhausen: Neues Stadion, neues Glück? 

Schaffhausen geriet nach gutem Start in eine Ergebniskrise mit nur einem Punkt aus elf Spielen. Es ist aber möglich, dass sich Schaffhausen vom Tabellenende noch klar wird lösen können. Bisher war die schwache Defensive zu sehr von den Toren von Demhasaj abhängig. Neu neues-stadon-von-aussen-bwwerden nun die Heimspiele im neuen Stadion im Herblingertal auf Kunstrasen ausgetragen. Dort soll es dann im Gegensatz zur Vorrunde mehr als nur einen Heimsieg geben. Beim letzten Heimspiel auf der altehrwürdigen Schaffhauser Breite Anfang Dezember setzte es im Direktduell mit Chiasso vor 2‘000 Fans eine 1:2-Pleite ab. Der langjährige Schaffhausen-Mäzen und -Präsident Aniello Fontana konnte krankheitshalber nicht dabei sein.

Mit dem neuen Trainer Murat Yakin, der 2010 schon den FC Thun zum Aufstieg in die Super League geführt hat, soll es wieder aufwärts gehen. In jener Aufstiegssaison wie auch in den folgenden drei Super League-Jahren war Mittelfeldspieler Muhamed Demiri ein wichtiger Baustein der Berner Oberländer gewesen. Nun hat ihn Trainer Yakin in Basel bei den Old Boys in der Promotion League wieder ausgegraben. Dazu kamen sechs weitere Neuzugänge, davon vier von Super League-Klubs. In den Wintertestspielen konnten die Munotstädter YB und St.Gallen besiegen.

Von Toni Gassmann und Lukas Stocker

 

Lehren aus dem Fall „Wil“: Nachfolgeregelung ist die Königsdisziplin des Klubverantwortlichen

Der Fall „FC Wil“ wirft für die Schweizer Fussballgemeinde wieder einmal die Frage nach Besitzverhältnissen und Nachhaltigkeit auf. Wieder hat es nicht geklappt mit einem auswärtigen Mäzen! Es darf dabei aber nicht ausser Acht gelassen werden: jeder dieser Personen und Fälle der letzten Jahre hat seine eigene Geschichte – keiner ist wirklich mit dem anderen vergleichbar. Trotzdem gibt es Gemeinsamkeiten und wiederkehrende Muster.

Bei Mehmet Nazif Günal gab es nicht wie bei einem Bulat Chagaev, Igor Belanov oder auch Carlo Häfeli die in solchen Fällen häufig auftretende Unprofessionalität, und auch nicht das verzweifelte Streben nach dem (Wieder-)Einstieg in das Rampenlicht des Profifussballs für eine Person mit wenig Kredit. Keine skurrile Suche nach Einfluss im fernen Tschetschenien durch einen gefallenen (Schwieger-)Sohn der alten Nomenklatura, keine Partnerschaften mit halbseidenen Figuren als Verzweiflungstat, keine unrealistischen Visionen vom schnellen Aufstieg im Fussball-Business durch schwungvollen Spielerhandel.

Beim Einstieg Günals hiess es von einzelnen Kommentatoren, „Fussballbegeisterung“ als Begründung für dessen Motivation klinge verdächtig. Das ist Unsinn. Verdächtig wäre viel mehr, wenn Günal als einziger von über 40 Millionen Türkischen Männern keine Fussballbegeisterung mitbringen würde. Sein Unternehmen MNG realisiert weltweit parallel Dutzende grosser Bauprojekte. Der Ausbau des Bergholz-Stadions und der Bau eines Trainingszentrums für insgesamt 70 Millionen Franken wäre in diesem Kontext ein eher kleines Projekt gewesen, welches für Günals Unternehmen aber durchaus als Pilotvorhaben in der Schweiz und im Stadionbau einen Vorzeigeeffekt hätte haben können.

Trotz Professionalität, viel Geld und Fussballbegeisterung: es reichte nicht für ein nachhaltiges Engagement. Neuste Entwicklungen in der politisch instabilen Türkei mögen vielleicht eine Rolle gespielt haben. Jeder kann jederzeit die Gunst der Machthaber verlieren, auch ein gut vernetzter Milliardär wie Günal. Er hätte es sich auch niemals ohne schwerwiegende Folgen leisten können, nach dem Haftbefehl gegen den damaligen Wil-Trainer Ugur Tütüneker wegen dessen angeblicher Beteiligung am „Putschversuch“ diesen nicht sofort freizustellen.

Aus Sicht der Schweizer Fussballfreunde entscheidend ist aber eine andere Erkenntnis. Durchs Band schnell verschwunden sind jeweils diejenigen Klubbesitzer, die auch schnell aufgetaucht sind. Easy come, easy go. Nachhaltig engagiert bleiben hingegen diejenigen, die schon vorher da waren – bevor sie die volle Verantwortung als Präsident und/oder Eigentümer übernahmen.

Markus Lüthi kam wegen seines fussballspielenden Sohnes Benjamin zum FC Thun und war erst jahrelang Vizepräsident, bevor er die Hauptverantwortung übernahm. Dölf Früh (FCSG) war schon vor der Übernahme des Präsidiums 2010 sechs Jahre lang einer der wichtigsten Sponsoren des Klubs gewesen – Ancillo Canepa schon immer FCZ-Supporter und immerhin ein Jahr im Verwaltungsrat vor der Wahl zum Präsidenten. Bernhard Heusler (FCB) wurde ebenfalls vom Vizepräsidenten zum Präsidenten und Eigentümer. Stephan Anliker (GC) war drei Jahre im Verwaltungsrat bevor er Präsident wurde. Und in Lausanne haben vor dreieinhalb Jahren der bisherige Präsident Jean-François Collet und Vizepräsident Alain Joseph gar die Rollen getauscht. Kaufangebote aus dem Ausland, auch von einem Grossklub, der Lausanne als Farmteam etablieren wollte, wurden wegen der fehlenden Nachhaltigkeit abgelehnt.

Das Zauberwort lautet „Nachfolgeregelung“. Vor allem in Familienunternehmen immer wieder ein grosses Thema, aber grundsätzlich für jede Organisation von eminenter Wichtigkeit – gerade auch für Profifussball-Klubs. Sven Hotz, Gigi Oeri und Co. haben es vorgemacht. „Nachwuchsförderung“ ist nicht nur auf dem Platz wichtig, sondern auch daneben. Früh genug müssen potentielle Kandidaten für die zukünftige Übernahme des Klubs eingebunden und aufgebaut werden. Nicht die Liga ist dafür verantwortlich. Es ist die ureigene Verantwortung jedes einzelnen Klubs – und wohl die wichtigste und nobelste Aufgabe eines Klubverantwortlichen.

Die Frage des Timings kann aber delikat sein. Sven Hotz hat erst relativ spät, aber gerade noch rechtzeitig seine Nachfolge zu regeln begonnen. Bernhard Heusler behielt das ihm von Gigi Oeri übertragene Mehrheitspaket der FCB Holding so lange komplett für sich, bis der Klub auf finanziell stabilen Füssen stand – mit Dutzenden von Millionen an Reserven. Um in einer allfälligen finanziellen Schieflage in der Lage zu sein, das Mehrheitspaket an einen potenten Mäzen verkaufen zu können. Nun da dies nicht mehr nötig scheint, hat Heusler angefangen, einen Teil seines Mehrheitspaketes an andere Verwaltungsratsmitglieder zu verteilen.

Als Nachhaltigkeitskriterium entscheidend ist nicht die Nationalität der Übernahmeinteressenten, sondern die Dauer und Intensität des Engagements für den Klub VOR der Übernahme. Plötzlich aus dem „Nichts“ auftauchende Mäzene haben Schweizer Fussballklubs noch kein einziges Mal etwas gebracht. Das sollte der erneute Fall „Wil“ definitiv bewiesen haben. Es gibt daher nur zwei sinnvolle Varianten: entweder kann aus den eigenen Reihen heraus eine gute Nachfolgeregelung aufgebaut und entwickelt werden – oder der Klub muss deutlich kleinere Brötchen backen. Ganz entscheidend dabei ist, zu verhindern, in Bezug auf die Nachfolge unter Zeitdruck zu geraten, wie dies beim FC Wil vor der Übernahme Günals aufgrund der neuen UEFA-Regelung bezüglich „Third Party Ownership“ von Spielern offenbar der Fall gewesen war.

Statistik der Woche: Leistungsentwicklung Vorrunde 16/17

Moussa Koné erreicht in der Vorrundenwertung von Züri Live den höchsten Notenschnitt von 7,6 auf einer Skala von 1-10. Der junge Senegalese wurde in 16 von 27 Spielen eingesetzt, dabei aber insgesamt „nur“ 730 Minuten oder rund 46 Minuten pro Einsatz. Damit gehört er nicht zu den 12 FCZ-lern, die in der Vorrunde mehr als 1’000 Minuten in Wettbewerbspartien im Einsatz standen. Torhüter Andris Vanins spielte das Maximum von 2’430 Minuten – jede einzelne Minute in Liga, Cup und Europacup. Kein anderer Torhüter kam beim FCZ im Herbst zum Einsatz.  Von den am meisten eingesetzten Spielern hatte Oliver Buff mit 7,4 den besten Notenschnitt, wobei in der Liga Adrian Winter noch leicht besser abschnitt.

notenschnitte-vorrunde-fcz-1617Zur Analyse der Leistungsentwicklung der einzelnen Spieler und Mannschaftsteile hat Züri Live die 27 Spiele der Vorrunde in neun Abschnitte à drei (wettbewerbsübergreifenden) Spielen aufgeteilt und für jeden Spieler die Durchschnittsnote des jeweiligen Abschnittes ausgerechnet. Dies ergibt dann eine Leistungskurve für die ganze Vorrunde.

1617-vorrunde-spitze-leistungsentwicklungArmando Sadiku, mit 4,3 im Schnitt notenschwächster Spieler der Vorrunde, begann die Saison nach erfolgreicher EM gut. Richtung Schliessung des Transferfensters fielen seine Leistungen dann aber rapide in den Keller, mit Ausnahme des Auftrittes in Villarreal mit seinem Führungstor in der 2.Minute. In zwei Abschnitten kam von den Sturmspitzen insgesamt zu wenig, und zwar in Abschnitt 2 im August (Le Mont, La Chaux-de-Fonds, Xamax) und Abschnitt 9 im Dezember (Wil, Osmanlispor, Winterthur). Mit einer besseren Stürmerleistung hätte der FCZ in der Türkei eine Chance gehabt, sich für die K.O.-Runde zu qualifizieren. Die anderen fünf Spiele konnten dank offensiv starken Spielern aus der zweiten Reihe trotz allem (zum Teil „mit Ach und Krach“, und dank formschwacher Gegner) gewonnen werden. Moussa Koné zeigte konstant gute Leistungen, baute aber im Dezember auch leicht ab. Dzengis Cavusevic schien die Aufmunterung der Teamkollegen nach dem verschossenen Penalty gegen Osmanlispor gut getan zu haben. Der Slowene erzielte danach nicht nur im selben Spiel noch ein Tor, sondern steigerte seine Leistungen im darauffolgenden Monat markant, konnte diese Pace im Dezember aber nicht mehr halten.

1617-vorrunde-zentral-offensiv-leistungsentwicklungOliver Buff zeigte konstant gute Leistungen bis er durch die in Genf erlittene Verletzung in den letzten Partien der Vorrunde nur noch mit Schmerzen spielen konnte. Bis Ende September war der Zürcher auf der zurückhängenden Position im Offensivzentrum unangefochten, danach machte aber Antonio Marchesano immer mehr auf sich aufmerksam, und hatte einen leicht höheren Notenschnitt. Davide Chiumiento konnte sich nicht aufdrängen.

1617-vorrunde-fluegel-leistungsentwicklungAdrian Winter, Marco Schönbächler und Roberto Rodriguez spielten eine relativ konstante Vorrunde. Winter brachte zu Beginn und am Schluss seine besten Leistungen, Schönbächler im Oktober, nachdem ihm sein Traumtor gegen Osmanlispor Ende September Auftrieb gegeben hatte. Als einziger eine kurze ungenügende Phase hatte Rodriguez in den zwei Heimspielen gegen Steaua und Aarau Anfang November.

1617-vorrunde-zentrales-mittelfeld-leistungsentwicklungDas Zentrale Mittelfeld lief während der ganzen Vorrunde immer etwas auf dem letzten Zacken. Gilles Yapi fiel praktisch den ganzen Juli und August aus, und nach seinem Unterarmbruch in Bukarest erneut von Ende Oktober bis zum Jahresende. Sangoné Sarr zog sich in Spanien einschussbereit fünf Meter vor dem gegnerischen Tor bei einem penaltyreifen Foul eines Villarreal-Verteidigers eine Schulterverletzung zu, die er daraufhin die ganze Vorrunde mitschleppte, und erst nach Vorrundenende operieren liess. Seine häufig eher mässigen Leistungen sind auch unter diesem Blickwinkel zu betrachten. Neben Yapi, der in Bukarest beinahe die ganze Partie mit gebrochenem Unterarm spielte, biss auch der Senegalese für das Team auf die Zähne. Burim Kukeli spielte in besagtem Auswärtsspiel in Villarreal so gut, dass er sich die Bestnote „10“ verdiente – was in der ganzen Vorrunde nie ein anderer Spieler schaffte. Aber auch der Solothurner musste zwischendurch im Oktober fast einen ganzen Monat pausieren. Ansonsten war Kukeli aber die Konstanz in Person. Vasilije Janjicic (damals 17) kam zu Beginn im Sommer zu einem, Izer Aliu (damals 16) zu zwei Kurzeinsätzen. Janjicic wechselte in der Folge nach Hamburg und war in der Regionalliga Nord Stammspieler, während Aliu in der Promotion League beim FCZ II meist in offensiver Rolle gesetzt war. In der 1.Mannschaft mussten aus all diesen Gründen daher immer wieder Oliver Buff oder Antonio Marchesano im Zentralen Mittelfeld aushelfen.

1617-vorrunde-aussenverteidiger-leistungsentwicklungKay Voser spielte eine konstante Vorrunde und war der erhoffte Rückhalt – zusammen mit Andris Vanins wohl der Spieler mit der geringsten Fehlerquote beim FCZ. Cédric Brunner hatte vor allem in den beiden Spielen gegen Steaua Probleme gegen William De Amorim und Adi Popa. Mit relativ grossen Schwankungen versehen waren die Performances der beiden jungen Michael Kempter und Nicholas Stettler. Kempter startete in La Chaux-de-Fonds eher mässig, steigerte sich dann bei seinen sporadischen Einsätzen bis zur Winterpause, als er im Heimspiel gegen Wil der beste Mann war. Stettler war gegen St.Gallen und bei Xamax top, hatte gegen Ende auswärts in Chiasso aber auch einen „Abschiffer“ dabei. Auffallend bei beiden, dass sie gegen stärkere Gegner bessere Leistungen zeigten.

1617-vorrunde-innenverteidiger-entwicklungAlain Nef und Ivan Kecojevic gehörten beim Notenschnitt zu den Top 6 der Vorrunde. Am stärksten waren ihre Auftritte in der Europa League. Sie konnten auch gegen Klasse-Stürmer gut bestehen. Beide hatten in der ganzen Vorrunde jeweils nur ein Spiel mit einer ungenügenden Note. Armin Alesevic zeigte bis und mit dem Cupspiel gegen St.Gallen Ende Oktober in der Innenverteidigung oder auch als Linksverteidiger erfreuliche Leistungen, fiel in der Folge aber bis zur Winterpause etwas aus dem Tritt. Der notenmässig schwächste Innenverteidiger war Umaru Bangura. Vier seiner zehn Auftritte waren ungenügend. Kurz vor der Winterpause in Winterthur gab es gar nur eine Note „2“. Diese Note wurde ingesamt nur fünf Mal verteilt (3x Sadiku, 1x Sarr, 1x Bangura) – eine „1“ gab es übrigens bisher noch nicht in dieser Saison.

1617-vorrunde-torhueter-leistungNur Adrian Winter und Andris Vanins wurden in allen 27 Partien der Vorrunde eingesetzt und Torhüter Vanins ist der einzige, der die maximal möglichen 2’430 Minuten spielte. Dementsprechend war der Lette der einzige eingesetzte Torhüter. In der Europa League hat Vanins die beste Durchschnittsnote, weil er sich dort mehr auszeichnen konnte.

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