Offense wins games – Urs Meier 21/22 bei Züri Live

„Offense wins games, defense wins championships“ ist ein geflügeltes Wort aus dem amerikanischen Profisport, welches häufig auch auf den Fussball angewendet wird. Urs Meier war diese Saison schon zwei Mal bei Züri Live (Derby-3:3 und Luzern-4:0) und schwärmte von den Offensivspielern „seiner“ FCZ-Mannschaft. Dieses offensiv-orientierte Team hat tatsächlich auch ein paar grosse Spiele wie den Cupfinal 2014 gegen den FCB oder in der Europa League gegen Villarreal gewonnen. Das Auswärtsspiel hatte der FCZ nach vier Djimsiti-Fehlern in Spanien klar verloren. Im Heimspiel konnte Meier Marcelino, den damaligen Trainer des aktuellen Europa League-Gewinners und zweifachen Champions League-Halbfinalisten, taktisch auf dem falschen Fuss erwischen. Dies trug zu einer frühen 3:2-Führung bei, die bis zum Ende der Partie hielt.

Ohne Defence – kein Championship!

Für die Meisterschaft hat es hingegen dem geflügelten Wort entsprechend nicht gereicht. In jener Saison 14/15 habe die Mannschaft den Titel in den Beinen gehabt, war im Züri Live-Podcast Nummer 2 Davide Chiumiento überzeugt. Man war bis im November an der Spitze dabei, bis zum Foul des ehemaligen FCB-Juniors Sandro Wieser an Gilles Yapi im Brügglifeld. Das zweite defensive Gewissen, Burim Kukeli, spürte zudem nach zwei Jahren Verletzungspause immer noch die Spätfolgen des Fouls des ebenfalls ehemaligen FCB-Juniors Simon Grether in einem Testspiel 2012 und fand nicht mehr auf sein altes Niveau. Ohne gute Defence – kein Championship!

FCZ heute im Gegensatz zur Meier-Ära ohne defensiv unterdurchschnittliche „Offensivstars“

Meier erklärt auch, dass er mit diesem „fast schon Überangebot“ an offensivorientierten Spielern wie Chikhaoui, Chiumiento, Buff, Gavranovic, Etoundi, Chermiti oder Sadiku nicht eine Taktik mit einer sicheren Deckung als Basis habe implementieren können. Im Gegensatz zu André Breitenreiter heute, möchte man anmerken, der ein Team ohne „Offensivstars“ zu einer gerade auch defensiv starken solidarischen Einheit formen konnte – und nahe am ersten Meistertitel seit 2009 steht. Es wäre der 13. bei aktuell 13 Punkten Vorsprung an einem Ort, der für den 13. Mai bekannt ist.

Pechsträhne nach starker Vorrunde 14/15 hängt als Damoklesschwert über dem Saisonstart 15/16

Man muss Urs Meier zustimmen, dass in der Saison 2014/15 wirklich einiges zusammenkam, was gegen den FCZ lief. Meier erwähnt den Afrika-Cup im Januar mit dem Skandalspiel Äquatorialguinea – Tunesien, von welchem sich die mit Titelhoffnungen nach Westafrika gereisten FCZ-Tunesier lange nicht hätten erholen können. Es kam eine beispiellose Serie an Fehlentscheiden hinzu, die in der heutigen VAR-Zeit in dieser Häufung kaum noch denkbar wäre. Trotzdem gelangen dem FCZ in dieser Saison rekordhohe fünf Derbysiege und mit dem 3. Platz erreichte man die Europa League-Qualifikation. Die in vielerlei Hinsicht unbefriedigende Rückrunde trug Meier dann aber als Rucksack über den Sommer mit und als zum Saisonauftakt 15/16 zwar die Leistungen, nicht aber die Resultate stimmten, kam als Folge davon die Freistellung – und ein langes Warten auf den neuen Trainer Hyypiä, was in der Abstiegssaison wertvolle Zeit kostete. „Der Zeitpunkt war schlecht“ meint Meier heute. Er ist aber dankbar, dass er beim FCZ eine tolle Mannschaft habe trainieren dürfen. Heute ist seine Tochter Seraina Piubel Stammspielerin der FCZ Frauen und hat ihr Début in der Nationalmannschaft gegeben.

Meier traut dem FCZ früh den Titel zu

Voll gesetzt hat Meier in seiner FCZ-Trainerzeit auf den eigenen Junior Berat Djimsiti. Kein anderer Spieler hat unter ihm so viele Einsätze gehabt – 158 Wettbewerbspartien. Bei seinem zweiten grossen Förderer Gian Piero Gasperini sind es aktuell mittlerweile 152 Einsätze. Ausserdem sprach Meier bei Züri Live über die Stimmung im Verein, als er auf die Meistersaison 05/06 hin zur FCZ Academy stiess, und dass die Zuzüge von Admir Mehmedi und Innocent Emeghara aus dem Winterthurer Nachwuchs damals auf seine Empfehlung getätigt wurden. Schon beim Derby im Oktober 2021 zeigt sich Meier zudem als einer der ersten auf einen Steilpass von René Borkovic hin öffentlich optimistisch bezüglich FCZ-Chancen auf den Meistertitel in der laufenden Saison 21/22.

Mit der U21 Nati-Achse in den Tabellenkeller / Halbzeitanalyse, Teil 10 (Nachwuchsreport)

Zum Abschluss der Super League-Vorrundenanalyse werfen wir traditionellerweise einen Blick auf die Integration des Nachwuchses in die jeweiligen 1. Mannschaften. Es gibt dabei einige neue Entwicklungen zu beobachten. So hat neuerdings Servette eigenen Nachwuchsspielern im U21-Alter am meisten Einsatzzeit gegeben! Die Genfer waren lange Zeit in dieser Hinsicht eines der grössten Sorgenkinder gewesen. Eigene Nachwuchskräfte wanderten auch deshalb reihenweise ab – unter anderem zum FC Zürich. Nun haben sie reagiert. Der sich immer noch im U21-Alter befindliche Kastriot Imeri schaffte nach langer Anlaufzeit (viereinhalb Jahre, mittlerweile 138 Spiele für die 1. Mannschaft) den Durchbruch zum Leistungsträger und steht nun praktisch immer in der Startaufstellung. Daneben erhielten auch Nicolas Vouilloz, Alexis Antunes und Edin Omeragic jeweils hunderte von Einsatzminuten. Ausserdem kamen Azevedo, Nyakossi und Sawadogo (mittlerweile leider verletzt) zu Super League-Spielzeit. Die Einsatzzeit eigener junger Spieler in der 1. Mannschaft, die seit der Übernahme durch die neue Klubführung um Didier Fischer und zu Beginn auch unter Trainer Alain Geiger in den Keller gerasselt war, zeigt nun nach oben.

Dicht dahinter folgt an 2. Position Lausanne-Sport. Die aus dem eigenen Nachwuchs stammenden Anel Husic (20) und Karim Sow (18) waren über weite Strecken der Vorrunde Stammspieler. Husic legte einen raketenhaften Aufstieg praktisch aus dem Nichts zum Stammspieler der U21-Nationalmannschaft hin und stand diesen Herbst kurzzeitig gar nahe an einem Aufgebot für die A-Nationalmannschaft Murat Yakins. Ebenfalls sowohl in seinem Stammklub und in der U21-Nationalmannschaft profilieren konnte sich Gabriel Barès (21, in der Winterpause Transfer zu Montpellier in die Ligue 1) und der aus der See-Region, aber nicht aus dem Lausanne-Nachwuchs stammende Zeki Amdouni (21). Mehrere Chancen, sich zu zeigen, erhielt auch der aus dem eigenen Nachwuchs stammende Alvyn Sanches (19). Dazu kam der ebenfalls aus dem eigenen Nachwuchs stammende Marc Tsoungui. Und dabei ist ein Cameron Puertas gar nicht mitgerechnet, weil er erstens schon 23 ist und zweitens im Team Vaud nur in der “U21“ (2. Mannschaft) gespielt hat, welche zum Erwachsenenfussball zählt.

Nachdem Lausanne über Jahrzehnte in den Schweizer Nachwuchsauswahlen meist untervertreten war, bildeten diesen Herbst auf einmal Husic, Barès und Amdouni die “Achse“ von Mauro Lustrinellis neuer U21-Nati. Die grosse Mehrheit der Super League-Konkurrenten hat nicht annähernd so viel auf den eigenen Nachwuchs gesetzt, wie die Waadtländer unter Ilija Borenovic. Zusammen mit nicht aus dem eigenen Nachwuchs stammenden jungen Spielern wie den Ivorern N’Guessan, Zohouri oder Ouattara setzte Lausanne mit Abstand am meisten Spieler im U21-Alter ein. Das Beispiel Lausanne zeigt, dass in Klubs mit ausländischen Besitzern nicht automatisch weniger auf den eigenen Nachwuchs gesetzt wird.

Keine einzige Einsatzminute für den Basler Nachwuchs

Im Super League-Mittelfeld bezüglich Einsatz eigener Nachwuchsspieler befinden sich in dieser Vorrunde Luzern, St. Gallen und YB mit Talenten wie Burch, Rupp, Stergiou, Besio, Mambimbi und Rieder. Der FCZ führt hingegen in dieser Wertung nur die hintere Tabellenregion an. Die unter Massimo Rizzo eingesetzte Abwärtstendenz hat sich unter André Breitenreiter noch weiter akzentuiert – nachdem zuvor unter Magnin der FCZ am meisten eigene Junioren eingesetzt hatte. Nur Bledian Krasniqi kam diesen Herbst regelmässig zum Einsatz. Dazu gesellten sich sehr knapp bemessene Kurzeinsätze von Silvan Wallner und Stephan Seiler. Hinter dem FCZ folgt Sion mit Theler und Berdayes. GC (Hoxha, Kacuri) und Lugano (Nikolas Muci) gaben diesen Herbst eigenen Nachwuchsspielern so gut wie keine Einsatzzeit. Noch schlimmer wars beim FC Basel: Null. Nada. Keine einzige Einsatzminute für den eigenen Nachwuchs beim zwischenzeitlichen Vorzeigeverein bezüglich Nachwuchsausbildung der Schweiz! Schaut man hingegen auf die Einsatzzeit von Spielern im U21-Alter ingesamt, dann liegt der FCB hinter Lausanne an zweiter Position.

Freipass für eigenen Nachwuchs wie unter Magnin vorbei

Der FCZ ist in dieser Hinsicht an fünfter Postion. Nur 28% der Einsatzzeit von U21-Spielern ging an Spieler aus der eigenen Academy. Mit den jungen Grgic, Buff, Brunner und Brecher aus dem eigenen Nachwuchs als Stammspieler ist der FCZ 15/16 abgestiegen. Unter Ludovic Magnin kamen jeweils rund ein Dutzend Academy-Spieler zu ihren Wettbewerbs-Einsätzen – in der Corona-geprägten Saison 19/20 waren es gar deren 19. In der aktuellen Saison unter Breitenreiter hingegen bisher erst drei. Über die letzten 10 Jahre gesehen liegt der FCZ bezüglich Einsatzminuten eigener Nachwuchsspieler im Vergleich mit den anderen Vetretern der „Big6“ YB, FCB, GC, Lausanne und Servette immer noch klar vorne. Aber die Zeiten, wo Academy-Spieler einfach weil sie jung sind und in der U21 zwei, drei ansprechende Spiele gemacht haben, zu Super League-Einsatzminuten kommen, sind wohl vorbei.

Wer auf Junge setzt, muss Vollgas-Fussball spielen lassen

Leider ist es nicht von der Hand zu weisen, dass ein Ausbau von Einsatzzeiten für junge Spieler, speziell solche aus dem eigenen Nachwuchs, in den letzten Jahren tendenziell zu Rückschlägen in der Tabelle und anschliessenden Trainerentlassungen geführt haben. Magnin (FCZ) und Borenovic (Lausanne) sind zwei der klarsten Beispiele dafür. Aber auch YB und Basel haben mehr Probleme, eine gewisse Konstanz zu erreichen, wenn sie mehr junge Spieler einsetzen. Die Wende zum Erfolg bei den Bernern kam, als unter Christoph Spycher und Adi Hütter die Einsatzzeiten der eigenen Nachwuchsspieler nach der Bickel-Ära drastisch zurückgefahren wurden. Eine Ausnahme bildet der FC St. Gallen in der Saison 19/20, aber auch dieser konnte seinen zwischenzeitlichen Höhenflug mit einer jungen Mannschaft noch nicht bestätigen. Bezeichnend auch, dass dieses Beispiel vor allem darum funktionierte, weil die Spielweise stark auf die Qualitäten von jungen Spielern (körperliche Belastbarkeit, Schnelligkeit, Aggressivität) ausgerichtet war. Dem gleichen Prinzip folgen auch Klubs wie Salzburg oder Leipzig.

Wilfried Gnonto und Becir Omeragic statt Matteo Di Giusto und Arbenit Xhemajli

Talent ist nicht gleich Talent. Aussschlaggebend ist ein hohes Potential in allen wichtigen Bereichen wie Technik, Physis, Schnelligkeit, Mentalität und Spielverständnis. Nachwuchsspieler vom Level eines künftigen Nati-Stammspielers wie Nico Elvedi oder Ricardo Rodriguez erhöhen die Qualität einer Super League-Mannschaft schon mit 17 oder 18 Jahren. Jeder Trainer, der ein Auge für Qualität hat, setzt sofort auf solche Spieler – nicht nur wenn er ein Herz für den Nachwuchs hat, sondern auch wenn er nichts anderes als Erfolg will. Nur: Talente von diesem Schlage gibt es in den meisten Jahrgängen nicht. Zusätzlich auch weil in der Vergangenheit die Mehrzahl von Talenten, die dem Niveau eines Elvedi oder Rodriguez nahe kamen, zu früh in eine Nachwuchsakademie nach England oder Italien gewechselt sind, und dort dann stagniert haben. Einige von ihnen haben dank ihrem Talent später immer noch einen ordentlichen Werdegang, aber nicht mehr die Top-Karriere, die möglich gewesen wäre.

Zur nächsten Talentstufe könnte man einen Bledian Krasniqi zählen. Talente, die nicht ganz die Voraussetzungen mitbringen, schon mit 17, 18 Jahren in der Super League einzuschlagen, danach aber schon – vorausgesetzt, sie erhalten genug Spielzeit in einer Liga, die von der Qualität her nahe an der Super League anzusiedeln ist. Das könnte beispielsweise die oberste Liga Schwedens oder Polens sein. Oder eben die Challenge League. Dank dem Modus mit zwei Zehnerligen, hat die Challenge League eine Qualität nahe der Super League. Es spielen da die Teams Nummer 11 bis 20 des Schweizer Fussballs. Von Gegenspielern von der Qualität eines Fatkic, Hasler oder Njie werden Talente vom Schlage eines Krasniqi genügend gefordert, ohne dass sie überfordert werden, wie dies mit 17 gegen einen Fabian Frei oder Théo Valls der Fall gewesen ist / wäre. Einem Anto Grgic beispielsweise, der in der Abstiegssaison Stammspieler war, hätten zu dem Zeitpunkt zuerst mal ein bis zwei Jahre Challenge League von denen ein Manuel Akanji (BVB) oder Denis Zakaria (Juve) profitieren durften, für seine Entwicklung wohl gut getan.

Bei allem, was talentmässig hingegen darunter anzusiedeln ist, macht es letztendlich wenig Sinn, Spielzeit in der obersten Liga zu gewähren – ausser man richtet wie St. Gallen die Spielweise voll auf die Jungen aus. Ein wichtiger Faktor dabei ist, dass in der Schweiz und anderswo die Toptalente und deren Umfeld im Vergleich zu vor 10 Jahren deutlich vernünftiger geworden sind und ihre Karriere Step by Step aufbauen. Genauso wie ein Krasniqi zwei Jahre Aufbau in der Challenge League bei Wil gebraucht hat, sind ein Wilfried Gnonto oder Becir Omeragic trotz vieler Angebote von reicheren Klubs aus grösseren Ligen schon früh einen Vertrag in einer Top 5-Liga zu erhalten, den Schritt zum FC Zürich gegangen. Sie nehmen nun die entsprechenden Plätze im Kader der 1. Mannschaft ein. An Stelle von etwas weniger talentierten Spielern aus dem eigenen Nachwuchs wie beispielsweise Arbenit Xhemajli oder Matteo Di Giusto. Für das Niveau und den Erfolg der 1. Mannschaft ist dies positiv. Die Hürde für den Schritt in die 1. Mannschaft ist anspruchsvoller geworden. Das heisst auch: wenn einer jetzt den Schritt schafft, hat dies eine grössere Bedeutung. Man kann es bei weitem nicht mehr einfach „erwarten“.

Halbzeitanalyse, Teil 1 – Erfolgsfaktoren, Folgerungen und Ausblick

Halbzeitanalyse, Teil 2 – Mehr Gegentore auf Konter und Weitschüsse

Ceesay defensiv schon vor zwei Jahren mit Quantensprung / Halbzeitbilanz 21/22, Teil 3

Für welchen Gegner welche Taktik? – Halbzeitanalyse 21/22, Teil 4

Tosin, Marchesano und Gnonto die Offensivstützen – Halbzeitanalyse 21/22, Teil 5

Ende Flaute: Boranijasevic effektiv über rechts – Halbzeitanalyse 21/22, Teil 6

Tosin und Pollero die produktivsten Torschützen, Ceesays Fehlen zum Start kein Nachteil – Halbzeitanalyse, Teil 7

Tosin Notenbester, Plus- / Minusbilanz spricht für Coric – Halbzeitanalyse, Teil 8

Konstanz als Erfolgsfaktor in der Super League – Halbzeitanalyse, Teil 9

Kevin „Capitano“ Rüegg beginnt! FCZ – Lugano Vorschau und Aufstellungen

Im Spitzenkampf gegen Lugano kann man gespannt darauf sein, wie der nächste Schritt des FCZ in seiner Entwicklung aussehen wird. In der 1. Runde der Saison hat man in Lugano einen reinen Konterfussball gespielt, in den letzten Wochen hat man sich hingegen schrittweise ein immer höheres Pressing angeeignet. Wird es ein anderes Spiel als sonst? Personell stellt sich die Frage, ob Becir Omeragic noch Platz findet in der Startformation. Sowohl die Abwehrreihe wie auch das Mittelfeld scheint zur Zeit ohne ihn besser zu funktionieren. Kriegt Ante Coric gegen Lugano eine Chance von Beginn weg? Oder zu einem späteren Zeitpunkt? Kommt vorne Gnonto oder Tosin zum Zug?

Trainer André Breitenreiter entscheidet sich für Becir Omeragic, Bledian Krasniqi und Aiyegun Tosin in der Startaufstellung. Mets, Dzemaili und Gnonto sitzen vorerst auf der Ersatzbank – genauso wie der wiedergenesene Blaz Kramer.

Haile-Selassie profitiert von Systemwechseln

Lugano hat sich zuletzt gegen Luzern und im Cup in Thun viele gute Torchancen erarbeitet. Die Tessiner waren zuletzt unter anderem mit Schüssen von der Strafraumgrenze gefährlich und auch mit dem Ausnutzen von unklaren Situationen bei Einwürfen, vermeintlichen Fouls oder schlecht gestellten Offsidefallen. Es ist ein Trend, der sich vom Ende der Vorrunde her fortgesetzt hat. Eine Ausnahme war die 0:1-Niederlage in Bern zum Auftakt der Rückrunde, als die Tessiner (ähnlich wie der FCZ beim 1:0-Sieg im Letzigrund gegen YB in der Vorrunde) das Spiel möglichst chancenarm zu gestalten versuchten. Ausgerechnet in einer Situation, als Lugano im Wankdorf dann aber ausnahmsweise risikovoll ins Hohe Pressing ging, mussten die Tessiner den entscheidenden Gegentreffer durch einen YB-Konter hinnehmen.

Die Tessiner und ihr Coach Mattia Croci-Torti fahren diese Saison eine Politik der personellen Konstanz – genauso wie der FCZ. Was Lugano vom Letzigrundteam unterscheidet, ist, dass Croci-Torti sehr gerne das System und manchmal auch die Spielweise ändert. In Bern spiegelte er die YB-Formation ebenfalls mit einem 4-4-2 und machte die Seite zu. Dies eröffnete dem in der Winterpause aus Neuenburg gekommenen ehemaligen FCZ-Junior Maren Haile-Selassie einen Einsatz in der Startformation im Linken Mittelfeld. Aufgrund dieses Auftrittes wurde er gegen Luzern und im Cup in Thun ebenfalls jeweils von Anfang an nominiert. Zuerst im Zweimannsturm, dann auf der Zehnerposition – beide Male mit einem Torerfolg.

Was wäre wenn… Ceesay noch bei Lugano spielen würde?

In Thun probierte es Croci-Torti in FCZ-Manier im 3-4-1-2 mit viel Pressing. Beim Stand von 2:2 wechselte er auf ein 4-4-2, um wie gegen YB dem Gegner über die Seiten, wo die Berner Oberländer vor allem mit Schwizer am gefährlichsten wurden, den Raum zu nehmen. Seit der Amtsübernahme Croci-Tortis hat Lugano nur sechs Punkte weniger als der FCZ geholt. Und dies ohne eine wirklich befriedigende Lösung in der Sturmspitze zu haben. Mit ihrem ehemaligen Angreifer Assan Ceesay in seiner jetzigen Form in den Reihen läge Lugano für diesen Zeitraum wohl vor dem FCZ. Croci-Torti will einen Stosstürmer sekundiert durch einen wirbligen Nebenmann. Vom „wirbligen Typ“ haben die Bianconeri mehr als genug im Kader: Bottani, Haile-Selassie, Amoura, Aliseda. Bei der Position des Stossstürmers hapert es hingegen, so dass der ansprechende, aber nicht hervorragende Celar diesen Platz meist auf sicher hat. Abubakar wurde von Croci-Torti auf dieser Position in der Vorrunde erfolglos ausprobiert, Junioren-Nationalspieler Muci war im Gegensatz zu Nati-Teamkollege Besio bisher noch nicht ganz ready für die Super League. Sportchef Da Silva hat daher für diese Position von seinem Ex-Klub Rapperswil in der Winterpause zusätzlich noch Alessandro Casciato verpflichtet.

Gegen den FCZ wird Lugano vermutlich wieder zu seinem Stammsystem und der Stammformation (ohne den angeschlagenen Maric) zurückkehren, auch wenn Adrian Durrer und Kevin Rüegg gute Ansätze gezeigt haben. Am stärksten schwanken könnte Croci-Torti bei der Frage: Bottani oder Haile-Selassie? Bottani ist nicht nur eine Lugano-Institution, sondern macht die Mannschaft mit seinen den Gegner beschäftigenden und Räume aufreissenden Laufwegen auch dann besser, wenn er keine Skorerpunkte für sich verbuchen kann. Croci-Torti hält sehr viel von ihm. Haile-Selassie hat zuletzt aber immerhin in zwei Spielen zwei wichtige Tore erzielt und kann gegen seinen Stammklub antreten, wo sein jüngerer Bruder in der U21 engagiert ist. Falls Croci-Torti Lavanchy eine Pause geben möchte (weniger wahrscheinlich), dann würde Rüegg für ihn zum Zug kommen. Rüegg und der ein Jahr jüngere Haile-Selassie stammen nicht nur beide aus der FCZ Academy, sondern haben dort jeweils jedes zweite Jahr auch zusammen im Team gestanden. In der Meistersaison 15/16 der U18 war Haile-Selassie altersbedingt allerdings jeweils Ersatz und Rüegg fiel verletzungshalber längere Zeit aus.

Auch Mattia Croci-Torti nimmt drei andere Spieler als vermutet in die Startformation. Neuling Ignacio Aliseda darf von Beginn weg für Celar auflaufen. Damit laufen erstmals seit langem zwei „wirblige“ Stürmer vorne auf. Lugano wird dadurch wohl noch mehr auf Konter setzen. Ausserdem laufen auf der Aussenbahn Mickaël Facchinetti und Kevin Rüegg auf.

FCZ unter der Lupe: Vorsprung auf Barrage-Platz so klein wie seit fünf Jahren nicht mehr

Vor der Nationalmannschaftspause tritt der FCZ zu seinem zweiten Saison-Auswärtsspiel gegen den klaren Tabellenführer YB an, der seit dem 2:0-Auswärtssieg in Leverkusen in der Meisterschaft vier Mal Unentschieden gespielt und im Europacup zwei Mal verloren hat. Auf tieferem Niveau ganz ähnlich zuletzt der Verlauf beim FC Zürich. Nach dem 2:0-Heimsieg gegen den FC Basel scheint der Hunger auf Siege wieder etwas nachgelassen zu haben – mit fünf Punkten in ebenso vielen Partien hatten die Zürcher zuletzt einen unterdurchschnittlichen Punkteschnitt und waren damit sogar noch gut bedient, wenn man bedenkt, dass der jeweilige Gegner in jeder dieser Partien ein (teilweise klares, teilweise knappes) Chancenplus aufzuweisen hatte.

Beide Teams treten im Wankdorf also nicht gerade in der Blüte ihres diesjährigen Schaffens an. Die Frage ist: wer schafft es, sich aus dem Sumpf zu ziehen? Nach der eher unverdienten 1:2-Niederlage zum Saisonauftakt in Bern war man im Heimspiel Anfang Februar (1:4) gegen ein YB in Topform praktisch chancenlos gewesen – auch wegen eines völlig missratenen Auftrittes von Blerim Dzemaili. Der Zürcher Torschütze aus dem Auftaktspiel, Benjamin Kololli, ist nach genau dreimonatiger Absenz mittlerweile gegen Lausanne zu seinem ersten Teileinsatz gekommen.

Wegen Personalmangels auf der Innenverteidigerposition hat man Lindrit Kamberi vom FC Winterthur zurückgeholt. Den Eulachstädtern haben Kamberis regelmässige spielentscheidende Konzentrationsmängel in der Meisterschaft viele Punkte gekostet. Nur schon ohne die Hälfte von diesen Schnitzern wäre Winterthur im Aufstiegsrennen noch voll mit dabei. Neu ist dieses Phänomen beim Volketswiler nicht – es hat ihn auch schon durch seine Juniorenkarriere begleitet. Dazu kommt seine für einen Innenverteidiger eher geringe Grösse und Antrittsschnelligkeit. Die gute Ausbildung, die Sprungkraft und die von allen Seiten gelobte sympathische Ausstrahlung alleine reichen langfristig betrachtet wahrscheinlich nicht für eine Super League-Karriere. Auch für eine langfristige Etablierung in der Challenge League muss er noch konstanter werden.

In der Innenverteidigung ist Nathan der verbliebene sichere Wert. Becir Omeragic, auch wenn er mit zunehmendem Saisonverlauf immer aktiver im Spiel nach vorne wird, war in den letzten drei Partien gegen die drei „L“ (Luzern, Lugano, Lausanne) insgesamt ungenügend. Wallner ist komplett in ein Loch gefallen. Aliti verkörpert den so lange gesuchten sicheren Wert als Linksverteidiger – der beste beim FCZ seit Loris Benito. Symbolhaft für seine Qualitäten die Art und Weise wie er und Nathan sich beim enorm wichtigen „Dreier“ in Lugano bei einer „hundertprozentigen“ Lugano-Doppelchance in die Abschlüsse aus kurzer Distanz warfen. Mit Ceesay versteht sich Aliti auf der linken Seite offensiv sehr gut und der Gambier hat defensiv grosse Fortschritte gemacht – allerdings mangelte es ihm zuletzt an Konstanz.

Die rechte Seite war beim FCZ zuletzt eindeutig schwächer als die linke und wurde von Gegnern wie Luzern oder Lugano dementsprechend auch deutlich mehr bespielt – nicht von Servette allerdings, denn die Genfer spielen so oder so immer über rechts, egal wie der Gegner aufgestellt ist. Ein möglicherweise sehr gut harmonierendes Duo für die rechte Seite wären Rohner und Winter. Beide haben sich nach der Winterpause stark verbessert gezeigt, und würden sich als Spielertypen gut ergänzen, da Winter mittlerweile nicht mehr der schnelle Flügelflitzer ist, sondern eher durch Umsichtigkeit positiv auffällt. Vor allem könnten sich die beiden in Bezug auf das Positionsspiel sehr gut komplementieren und je nach Spielsituation flexibel die Rollen tauschen.

Am wenigsten Fragezeichen ergeben sich im Zentrum. Ousmane Doumbia hatte zwar zwischenzeitlich Leistungsschwankungen, ist mittlerweile aber wieder auf dem aufsteigenden Ast. Antonio Marchesano ist mit seiner Laufbereitschaft ein Vorbild, organisiert die Mannschaft und macht mit seinen Direktpässen das Spiel schnell. Toni Domgjoni ist zusammen mit Marchesano der konstanteste Spieler auf gutem Niveau. Und Stephan Seiler hat seine Chancen gegen Servette, Luzern und Lugano alle genutzt. Domgjoni, Stammspieler im Zentralen Mittelfeld der U21-Nati, wird den FCZ mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit im Sommer genauso verlassen wie Hekuran Kryeziu, welcher zuletzt zwar den ein oder anderen Schnitzer in seinem Spiel hatte, dem man aber sein Bemühen, sich für Interessenten in einem möglichst guten Licht zu zeigen, nicht absprechen kann.

Ganz anders sieht es mit der Position der Sturmspitze aus, wo Blaz Kramer technisch und von der Spielintelligenz her die Mindestanforderungen für ordentliches Super League-Niveau weiterhin nicht erfüllt. In der Challenge League hingegen würde Kramer mit seinen physischen und Speed-Vorteilen, und dem was er in den letzten anderthalb Jahren beim FCZ gelernt hat, wohl einer der Topstürmer sein. Sollte Benjamin Kololli es nochmal schaffen, seine Form, die er unmittelbar nach dem Lockdown von MItte Juni bis Mittel Juli 2020 einen Monat lang gezeigt hatte, wieder abzurufen, wäre er auf dieser Position eine Lösung.

Nach 25 Runden hat der FCZ gleich viele Punkte wie vor zwei Jahren auf seinem Konto und zwei Punkte weniger als vor Jahresfrist – trotz bester Tordifferenz in der Super League zu diesem Zeitpunkt der Saison seit 14/15. Der Vorsprung auf den zweitletzten Platz ist vor der 26. Runde in Bern bei acht Punkten – dem geringsten Abstand seit der Abstiegssaison 15/16. Von 19 Punkten Reserve auf den Zweitletzten und 22 Punkte auf den (direkten) Abstiegsplatz wie letztmals in der Saison 14/15 konnte man in den letzten Jahren nur träumen. Auffällig ist, dass in sieben der aufgelisteten zehn Saisons der FCZ zu diesem Zeitpunkt zwischen 32 und 36 Toren erzielt hat. Dank der zu Beginn von Massimo Rizzos Amtszeit und dann wieder zum Restart nach der Winterpause ziemlich zahlreich erzielten Tore liegt man trotz aktuell unterdurchschnittlicher Performance mit Ball Richtung gegnerisches Tor im Saisonschnitt hier etwas über dem Schnitt der letzten Jahre. Dies bei gleichzeitig starker Verbesserung der Defensive im Vergleich zu letzter Saison.

Der Kurzauftritt von Benjamin Kololli gegen Lausanne bietet trotz vieler Fehler und Unzulänglichkeiten auch dank dessen Top-Offensivaktionen beinahe alle drei Minuten Hoffnung. Auch weil beim 28-jährigen nach seinem dreimonatigen verletzungsbedingten Ausfall eine rasche Steigerung der Gesamtleistung realistischer ist, als beim 34-jährigen Blerim Dzemaili nach einem Jahr ohne Spiel. Antonio Marchesano ist nicht nur in der Offensive der Leistungsträger schlechthin beim FCZ. Wilfried Gnonto scheint langsam, aber sicher erlickt zu haben, dass man in der Super League beim Dribbeln den Ball immer abgeschirmt in einer gewissen Distanz zum Gegenspieler halten muss – sonst ist das „Leder“ sofort weg. Auch defensiv macht der junge Italiener Fortschritte, was man von Marco Schönbächler eher weniger behaupten kann. Der Ur-FCZ-ler ist der Mann für einzelne Spiele und Aktionen. Wann diese Spiele aber dann mal stattfinden, ist schwierig vorauszusagen. Mit Schönbi holte der FCZ diese Saison nur 1,11 Punkte im Schnitt – mit Gnonto hingegen 1,42. Für einen Mittelstürmer natürlich viel zu wenig ist die eine Top-Aktion nur alle rund 19 Minuten wie bei Blaz Kramer.

Bei den Top-Defensivaktionen pro 90 Minuten steht Schönbächler sogar an der Spitze der mehrheitlich auf dem Flügel eingesetzten Spieler. Dem gegenüber stehen dann aber eben auch viele Aktionen, wo er nicht auf seiner Position ist, oder die Zweikämpfe verliert. Das Bemühen ist wie bei allen im Sommer noch ohne Vertrag dastehenden Zürcher Akteuren vorhanden. Der von vielen hoch eingeschätzte Lasse Sobiech hat hingegen einen eher tiefen Wert von einer Top-Defensivaktion nur alle 15 Minuten. Fabian Rohner kommt dank seiner Schnelligkeit und seinem Einsatz auf fast doppelt so viele Top-Defensivaktionen, verteidigt aber rechts hinten trotzdem nicht in jedem Spiel souverän – auch etwas in Abhängigkeit seines Neben- und Vordermannes.

Der grosse Nachwuchsvergleich – Beinahe 1’000 Tage Magnin, die Analyse Teil 2

In Teil 1 dieser Artikel-Serie ging es letzte Woche um die drei fundamentalen Probleme, mit denen FCZ-Trainer Ludovic Magnin zu Beginn seiner zweieinhalbjährigen Ära konfrontiert war und die entscheidende Rolle des 98er-Jahrgangs beim Trainerwechsel von Forte zu Magnin: Hier gehts zu Teil 1. Der heutige Zweiten Teil liefert einen grossen Vergleich der Integration von Talenten in die 1. Mannschaft der sechs wichtigsten Schweizer Academies im letzten Jahrzehnt. Wie hat sich der FCZ im Vergleich entwickelt? Welchen Einfluss hatten Trainer, Sportchefs und Präsidenten in den einzelnen Klubs auf die Entwicklung?

Der Generationenwechsel wurde beim FCZ in der Saison 16/17 durch die Strategie des sofortigen Wiederaufstieges vertagt. Als dieser dann aber ein Jahr später aufgrund der Inkompatibilität der 98er-Generation mit Fortes Spielstil und Personalpolitik immer noch auf sich warten liess, wurde die Vereinsführung schnell ungeduldig. Diese Ungeduld übersetzte sich bei Ludovic Magnin nach dessen Berufung zum Cheftrainer in Hektik: der Waadtländer versuchte alles aufs Mal umzusetzen: Generationenwechsel, komplett andere Trainingsgestaltung und Umbau der Spielphilosophie der 1. Mannschaft, so dass diese wieder stärker in Einklang mit der Vereinsphilosophie und der Academy stand. 

Der Cupfinal 2018 als Sinnbild der unterschiedlichen Strategie von FCZ und YB

Dies alles bei laufendem Spielbetrieb und nebenbei dem dramatischen Sieg im unvergesslichen Cup-Halbfinal-Derby und einer grossen Willensleistung im Wankdorf-Final in Unterzahl. Direktbeteiligte erinnern sich heute noch daran, wie heiss und geladen das Team nach einer emotional berührenden Einstimmung in das Duell gegen Meister YB gestiegen war. Abgesehen vom übermotivierten Rotsünder Sangoné Sarr zeigte jeder Spieler seine Bestleistung im FCZ-Dress. Domgjoni beispielsweise gelang bis zu seiner verletzungsbedingten Auswechslung eine Top-Leistung, Palsson wurde urplötzlich als Spezialbewacher von Hoarau zum Kopfballmonster, dem ansonsten eher unsicheren Thelander gelang die entscheidende Rettungsaktion auf der Linie und Marchesano erzielte ein Game Winning Goal, wie es ihm in dieser Art zuvor und danach nie gelungen ist.

Eine einprägsame TV-Szene aus diesem Final war der provokative Jubel des von seinem Stammverein YB «verschmähten» FCZ-Stürmer Michi Frey nach seinem 1:0-Führungstreffer vor seinem ehemaligen Trainer Adi Hütter. Was in diesem Zusammenhang kaum beachtet wurde: Hütter war eigentlich nicht der richtige Adressat für Freys Geste, sondern eher Sportchef Christoph Spycher. Frey ist ein Kind der Ära Fredy Bickel, welcher wie zuvor beim FCZ und zuletzt auch wieder bei GC ein grosses Augenmerk auf Verjüngung und den Einbau eigener Junioren legte. In den Bickel-Jahren schwang sich YB geradezu zu einem Ligavorbild in Sachen Juniorenförderung auf und bot der Spielergeneration rund um den 94er-Jahrgang mit Michi Frey, Leonardo Bertone, Florent Hadergjonaj, Yvon Mvogo und Grégory Wüthrich sehr viel Einsatzzeit.

Hütter, der von Bickel geholt worden war, führte diese Jugendförderung vorerst weiter. Erst mit dem Sportchefwechsel zu Christoph Spycher änderte sich die Berner Personalpolitik radikal. YB verlegte sich nun darauf, 20- bis 24-jährigen Profis mit Qualität, deren Karriere etwas ins Stocken geraten war, eine Plattform für einen zweiten Anlauf zu bieten. Der Erfolg der 1. Mannschaft gibt Spycher recht, aber für die eigenen Junioren war dies der Beginn einer regelrechten Eiszeit. Die grossen Sturmtalente Tushi und Touré sprangen, letzterer mit grossem Getöse, nach Basel und Newcastle ab. Auch ein Kronig, Kasongo oder Malula finden im Kader der Gelbschwarzen keinen Platz. Die Ansprüche sind heute enorm hoch – und der eigene Nachwuchs wird diesem nicht gerecht.

Sinkende Einsatzzeiten für eigene Junioren in den Saisons vor dem Abstieg

In die gleiche Richtung wie YB entwickelte sich in den letzten Jahren Servette. Seit dem Einstieg von Präsident Didier Fischer mit seiner «Fondation 1890» sind die Einsatzzeiten der eigenen Junioren in der 1. Mannschaft dramatisch gesunken. Trainer Alain Geiger hat diese Entwicklung noch akzentuiert. Zwar machte Servette genauso wie YB von den Resultaten her einen Sprung nach oben, aber gleichzeitig haben der Reihe nach Denis Zakaria, Kevin Bua, Dereck Kutesa, Jérémy Guillemenot, Lorenzo Gonzalez, Guillaume Furrer, Christopher Lungoyi, Alexandre Jankewitz und Becir Omeragic den Verein verlassen – unter anderem deshalb, weil sie anderswo bessere Einsatzchancen sahen. Zum Beispiel beim FCZ, der zusammen mit dem FCB, Lausanne-Sport und GC zu denjenigen vier aus den «Big Six» des Schweizer Fussballs gehört, die in den letzten Jahren wieder stärker auf den eigenen Nachwuchs setzen – und damit einen Gegenpol zu YB und Servette bilden. Luzern, St. Gallen, Aarau und andere Vereine haben in den letzten Jahren im Academy-Bereich stark aufgeholt, trotzdem macht langfristig der statistische Vergleich mit den anderen fünf Klubs aus den fünf grössten Schweizer Städten mit dem entsprechenden Einzugsgebiet und besten Palmarès sowohl bei Junioren wie Profis am meisten Sinn.

Und diese Statistik zeigt: unter Trainer Magnin sind die Einsatzzeiten für die FCZ-Nachwuchskräfte stark gewachsen. Innerhalb der letzten drei Saisons ist der FCZ in diesem Bereich zurück auf die Erste Position gesprungen – wieder auf gleichem Niveau wie in der Saison 12/13, als in der Anfangszeit von Trainer Urs Meier Berat Djimsiti, Josip Drmic und Oli Buff Stammkräfte waren und Davide Mariani ebenfalls viel eingesetzt wurde. Meier hatte damals mit Chermiti, Gavranovic, Drmic und Schönbächler ein spielerisch starkes Offensivquartett in guter Verfassung zur Verfügung, von welchem Alle regelmässig Tore erzielten – dazu ein Adis Jahovic als Joker. Bis heute ist es nicht mehr vorgekommen, dass der FCZ wie damals deutlich über dem Ligaschnitt Tore produzierte. Drmic war dabei sicherlich das entscheidende Zünglein an der Waage, der das noch fehlende dynamische Element in diese Sturmreihe brachte. Dieses Offensivquartett nahm mit seiner Präsenz und Ballsicherheit so viel Druck von der Defensive, dass man es sich sogar leisten konnte, mit Gajic und Kukuruzovic (beziehungsweise Mariani) ausschliesslich spielerisch und offensiv starke Sechser einzusetzen. Auch die Aussenverteidiger Benito und Koch hatten ihre Qualitäten in erster Linie im Spiel nach vorne.

Für so ein Szenario war der FCZ seither vorne sowohl qualitativ wie quantitativ zu wenig gut besetzt. Vor allem hat die Nachwuchsabteilung im Sturm seither keinen Josip Drmic mehr hervorgebracht. Die aktuelle U15 und U16 zeigen, dass man das Problem erkannt hat und daran arbeitet. Aber auf die Früchte dieser Arbeit muss man auf jeden Fall noch zwei, drei Jahre warten. Marco Schönbächler hat das Niveau von 12/13 später nicht mehr konstant erreicht. Auch Gavranovics und Chermitis Performance liess zwischenzeitlich nach. In der Abstiegssaison 15/16 war Mittelfeldspieler Buff mit acht Treffern bester Zürcher Torschütze. Jene Spielzeit war auch gekennzeichnet durch sehr wenig Einsatzzeiten der eigenen Junioren. Fehlende Blutauffrischung ist meist kein gutes Zeichen und trägt bei Mittelfeldklubs immer wieder mit zum Absturz bei. Beim FCZ hatte dieser Abwärtstrend bereits unter dem ehemaligen Academy-Trainer Meier eingesetzt und sich unter Hyypiä (und danach Forte) weiter verstärkt. Noch extremere Beispiele dafür waren Lausanne-Sport 17/18 und Servette in der Saison 12/13, die fast gar keine eigenen Junioren mehr einsetzten – und abstiegen.

GC setzt die meisten externen jungen Spieler ein

Eine scheinbare Ausnahme dieser Regel bildet GC, das seinen Eigengewächsen in der Abstiegssaison eine immerhin durchschnittliche Spielzeit zugestand. Dort war aber der auf den ersten Blick erkennbare Zickzack-Kurs das Problem des gesamten Jahrzehnts. Zuerst eine klare Jugendpolitik gepusht unter Trainer Sforza und anschliessend weitergeführt durch Forte mit einem Fast-Abstieg gefolgt von einem Fast-Meistertitel mit der Generation Zuber / Izet Hajrovic / Toko. Dann kam Michael Skibbe – und die Juniorenförderung rasselte in den Keller. Anschliessend übernahm der ehemalige Nachwuchs-Nationaltrainer Pierluigi Tami und fuhr das Ganze wieder hoch. Als nächstes warf Murat Yakin das Steuer erneut um 180 Grad herum. Der ehemalige Nati-Verteidiger ist ein Coach, welcher traditionell wenig auf die Jungen setzt. Daraufhin wurde der massvolle Jugendförderer Thorsten Fink geholt, welcher praktisch vom Nullpunkt aus wieder mehr Academy-Spieler einzubauen begann. Allerdings brachten sowohl die Achse der Routiniers, auf die man setzte, genauso wie der junge Hoffnungsträger Nedim Bajrami ihre Leistung nicht – und GC stieg ab. In der Folge nutzte man anders als der FCZ die Challenge League-Saison, um mit Pusic, Morandi, Dickenmann, Mesonero oder Fehr viele Eigengewächse als Stammspieler zu pushen – und verpasste Ende Saison den Aufstieg.

Neben dem FCZ und GC haben auch Basel und Lausanne einen klaren Kurs in Richtung stärkerem Einbau von Academy-Spielern in die 1. Mannschaft aufgenommen. Bei Lausanne sieht man seit dem Einstieg des neuen Klubbesitzers INEOS beziehungsweise dem Start der Ära Contini ein moderates Wachstum in diesem Bereich. Beim FCB hat hingegen der neue Besitzer Bernhard Burgener den von ihm und seinem damaligen Team mit Marco Streller und Alex Frei bei der Übernahme ausgerufenen Plan in die Tat umgesetzt. Die Rotblauen als ehemalige wichtige Talentschmiede (Shaqiri, Granit Xhaka, Embolo) waren in den Jahren zuvor zum Klub mit den wenigsten Einsätzen von eigenen Junioren abgerutscht, was sich unter Burgener und dessen Trainern Wicky, Koller und nun Sforza radikal geändert hat.

Berücksichtigen muss man bei der Analyse der Statistik der eingesetzten eigenen Junioren, dass diese nicht nur von der Klubpolitik, sondern auch von Schwankungen in der Qualität der Jahrgänge und von Verletzungen beeinflusst wird. So würde die Kurve unter Urs Meier wohl nicht so stark nach unten zeigen, wenn Armin Alesevic und Mike Kleiber nicht chronisch verletzt ausgefallen wären. Insgesamt hat der FCZ über die letzten zehn Jahre seinen im U21-Alter befindlichen eigenen Junioren beinahe 6’000 Minuten Einsatzzeit pro Saison ermöglicht und liegt damit an der Spitze der sechs Vergleichsklubs – vor GC und Lausanne. Am wenigsten gefördert wurde der eigene Nachwuchs in der letzten Dekade bei Servette – und dies trotz grossem Talentreservoir und langen Aufenthalten in der zweithöchsten oder gar dritthöchsten Liga, wo es viel Gelegenheit zum vermehrten Einsatz der Jungen gegeben hätte. Am zweitschlechtesten schneidet YB ab. Die negative Bilanz der letzten Jahre fällt mehr ins Gewicht, als die Juniorenförderung unter Bickel. Der FCZ liegt auch beim Anteil der eigenen Junioren an den im Profiteam eingesetzten U21-Spielern vorne – es waren über zehn Jahre hinweg mehr als zwei Drittel (68%). An zweiter Position in dieser Wertung liegt Lausanne-Sport. GC’s Quote liegt mit 47% deutlich tiefer. Eine leichte Mehrheit der bei den Grasshoppers im letzten Jahrzehnt eingesetzten U21-Spieler stammten also nicht aus dem eigenen Nachwuchs.

Einerseits hatte der Zürcher Stadtrivale speziell im Abstiegsjahr eine ganze Armee von jungen ausländischen Spielern im Einsatz, die sich die Klinke in die Hand gaben und schneller wieder weg waren, als sie überhaupt «Grasshoppers» buchstabieren konnten. Vor allem aber stammte lange Zeit ein Grossteil der in der 1. Mannschaft im Profibereich debütierenden jungen Spielern nicht aus dem eigenen Nachwuchs. Vor allem in der Nachwuchsabteilung des FC Winterthur bediente man sich gerne, aber auch Talente aus der Westschweiz oder zuletzt dem Tessin wurden immer wieder auf den Campus gelockt, wo ein Teil von ihnen auch wohnte. Die Gesamtzahl Spielminuten von U21-Spielern (inklusive externe) ist bei GC mit beinahe 10’000 Minuten deshalb pro Jahr am höchsten – mit dem FCZ an zweiter Position. 

UEFA-Standard: beispielsweise für die Saison 2020/21 höchstens Jahrgang 1999.

Definition „U21-Spieler“

Spieler im U21-Alter, die mindestens in der U18 desselben Klubs eingesetzt wurden. Dementsprechend gilt Fabian Frei als FCB-Junior, Valentin Stocker (SC Kriens) hingegen nicht.  Nassim Ben Khalifa (Lausanne-Sport) oder Moritz Bauer (Winterthur) gelten nicht als GC-Junioren und Philippe Koch (Solothurn) oder Francisco Rodriguez (Winterthur) nicht als solche des FCZ.

Definition „Eigene U21-Spieler“

Dieser Artikel ist in voller Länge im aktuellen „Daléo“ unter dem von der Redaktion gesetzten Titel „Bilanz eines Versagens“ zu lesen. Hier auf Züri Live wird der dritte von vier Teilen Ende Woche publiziert.

Statistiken: Züri Live basierend auf Daten von transfermarkt.ch

Vaduz – FCZ: Vorschau und Frage zum Spiel

Gegen keinen Super League-Klub hat der FCZ eine so gute Bilanz wie gegen den FC Vaduz. Noch nie gab es in einer Wettbewerbspartie eine Niederlage. Selbst in der Saison 15/16 gab es zwei Unentschieden und zwei Siege, darunter ein 3:1 in der letzten Runde vor 16’000 Zuschauern im Letzigrund, welches den Abstieg trotzdem nicht verhindern konnte. Vaduz mit dem ehemaligen FCZ-Stürmer Mario Frick als Trainer und mit den aus dem FCZ-Nachwuchs stammenden Matteo Di Giusto und Gianni Antoniazzi sowie dem ehemaligen Mittelfeldspieler Milan Gajic im Kader ist aber insgesamt besser in die Super League-Saison gestartet, als der FCZ. Unter anderem starteten die Liechtensteiner mit einem 2:2 in Basel und hätten auch in Bern gegen die Young Boys (0:1) einen Punkt holen können. Massimo Rizzo hatte dank der Verschiebung der FCB-Partie nun doch noch auch die Nationalspieler und Neuverpflichtungen eine volle Woche im Training zur Verfügung. Bei seinem Interims-Cheftrainereinsatz vor fünf Jahren in ganz ähnlicher Situation startete der Zürcher in der Meisterschaft mit einem Auswärtssieg in St. Gallen.

Wie schlägt sich der FCZ gegen ein kompaktes und konterstarkes Vaduz?

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Beinahe 1’000 Tage Magnin – die Analyse, Teil 1

Nach nicht einmal 100 Tagen Ludo Magnin erschien im Daléo eine erste Analyse seines Wirkens als damals neuer Cheftrainer beim FC Zürich. Nach beinahe 1’000 Tagen Magnin schauen wir nun zurück auf die von ihm getätigten Aussagen und prüfen mit Beobachtungen und Statistiken, ob und wie er seine damaligen Ideen umgesetzt hat. Und warum die sportliche Bilanz seiner Trainer-Ära in der 1. Mannschaft durchzogen ausfällt.

Das Team unter Uli Forte – anfänglich eine Defensivwand

Wie kam Magnin überhaupt zu seinem ersten Trainerjob im Profibereich? Wie die meisten Super League-Aufsteiger war auch der FCZ unter Uli Forte mit der Aufstiegseuphorie im Rücken gut in die Saison 17/18 gestartet. Das Team begann aber ab November stark abzubauen. Dies war bereits in der Vorsaison in der Challenge League passiert. Nun wirkte es sich aber aufgrund der stärkeren Gegner sofort auf die Resultate aus. Die Zitrone wirkte ausgepresst. Trotzdem lag man aufgrund der in der Anfangsphase der Saison erkämpften Punkte immer noch auf dem Dritten Platz, als im Februar der Trainerwechsel stattfand.

Eine klar positive Tordifferenz hatte der FCZ in der Super League 05/06, 06/07, 07/08, 08/09, 10/11 und 12/13, eine klar negative 15/16 und 19/20. Tendenziell war man gemessen an Toren und Gegentoren im Vergleich mit dem Ligaschnitt in den letzten zwei Jahrzehnten defensiv besser unterwegs als offensiv. Selbst in den drei Meistersaisons lag der Vorteil gegenüber dem jeweiligen Zweitplatzierten (Basel, YB) bei den weniger erhaltenen Gegentoren. Uli Fortes Aufsteigermannschaft ging in der Saison 17/18 diesbezüglich noch einen Schritt weiter. Es lief ein auf Physis, Kampf und Laufbereitschaft ausgerichtetes Team auf. Taktisch und von der Spielanlage her gings in erster Linie darum, Tore zu verhindern. Spielerische Elemente musste man mit der Lupe suchen.

Im Tor stand mit Andris Vanins an Stelle von Eigengewächs Yanick Brecher ein erfahrener Keeper mit bescheidenen fussballerischen Attributen. Davor wurde eine «Wand» gestellt – mit fünf zentralen technisch eher limitierten Verteidigungshaudegen in Dreierabwehr und Doppelsechs: Nef, Palsson, Brunner (oder Thelander), Sarr und Rüegg, flankiert auf der Seite von den ebenfalls vor allem kämpferisch mit Defensivaufgaben beschäftigten Pa Modou und Winter. Dazu vorne die lauffreudigen Frey und Rodriguez, die ebenfalls viel gegen den Ball arbeiteten. Mit Dwamena (oder Koné) stand üblicherweise nur ein Spieler mit gewissen defensiven Defiziten auf dem Platz. Das Zwischenresultat: nach einem Saisonviertel nur fünf Gegentore! Das war sogar deutlich besser, als in den drei Meistersaisons! Die defensive Stabilität bröckelte dann aber mit zunehmendem Saisonverlauf exponentiell, ohne dass dies offensiv kompensiert werden konnte. Zu Beginn der Rückrunde kassierte man in vier Partien elf Gegentore.

Magnin kriegt die Aufgabe, drei fundamentale Probleme zu lösen

Abgesehen davon, dass die Mannschaft unter Forte ab November zum wiederholten Male stark nachliess (man sei «zu ausrechenbar» geworden, liess Präsident Ancillo Canepa verlauten), entsprach Fortes Spielweise, Personalpolitik und Ausrichtung nicht der Vereinsphilosophie. Und drittens gab es unter anderem aus diesem Grund Probleme mit der Integration der besten Talente in die 1. Mannschaft. Der Fokus von Junioren-Scouting und -Ausbildung war mit «Forte-Fussball» unvereinbar. Das heisst: man befürchtete, dass ein Grossteil der Ausbildungsarbeit «für die Katz» sein würde.

Dies zeigte sich damals akut an der Situation des hoffnungsvollen 98er-Jahrganges. Vasilije Janjicic hatte schon zu Beginn der Forte-Zeit das Weite gesucht. Der grossgewachsene, aber eher schlanke Innenverteidiger Arbenit Xhemajli und der leicht ältere spielstarke André Ribeiro wechselten zu Xamax und Braga, als sie nicht in die 1. Mannschaft hochgezogen wurden. Maren Haile-Selassie blieb aussen vor und auch mit Toni Domgjoni konnte Forte gar nichts anfangen – für seine Vorstellungen eines Zentralen Mittelfeldspielers wohl zu schmächtig. Izer Aliu testete Forte eher alibimässig mal als linker Aussenläufer. Und Kevin Rüegg stellte er aufgrund dessen Physis ins Zentrale Mittelfeld, wo der später als Rechtsverteidiger zum U21-Nati Captain aufsteigende Jungspund wegen seiner beschränkten Technik auf engem Raum spielerisch wenig beitragen konnte – was für Forte ein sekundärer Aspekt war.

Für alle drei fundamentalen Probleme – die Ausrechenbarkeit, die abweichende Spielphilosophie und den ungenügenden Einbau der eigenen Talente versprach Magnin die richtige Trainerwahl zu sein. Und dies obwohl er damals im April 2018 gegenüber Daléo unter anderem äusserte:

«Ich habe überhaupt kein Problem, eine Mannschaft mit lauter Routiniers aufzustellen.»

Ludovic Magnin im April 2018

Letzteres ist schlussendlich nie passiert. Der von vielen befürchtete «Jugendwahn» allerdings auch nicht. Die jüngste von Magnin aufs Feld geschickte Mannschaft war in der Anfangszeit bei einem 1:1-Auswärtsunentschieden in Sion im Schnitt genau 23 Jahre alt. Mit Rüegg, Rohner, Domgjoni und dem trotz 99-er Jahrgang ebenfalls zu dieser Spielergeneration gehörenden Aliu setzte er gleich vier «98er» in der Startformation ein und äusserte sich nach der Partie dahingehend, dass dies wohl zu viele aufs Mal gewesen seien und der Punktgewinn nur mit Glück erspielt worden war. Zum Vergleich: Sowohl Lucien Favre wie auch Bernard Challandes, Urs Fischer, Urs Meier und Rolf Fringer schickten beim FCZ jüngere Startformationen auf den Platz. Im Vergleich zu Uli Forte hingegen, dessen Mannschaftsaltersschnitt sich häufig in Gilbert Gress-Sphären der Saison 00/01 bewegte, war die Verjüngung der Mannschaft eklatant. 

Entscheidende Rolle des 98er-Jahrganges

Dies bedeutet aber nicht, dass Forte grundsätzlich nicht mit jungen Spielern arbeiten kann. Der Brüttiseller gehört zu der Sorte Trainer, die sich den Prioritäten und Anforderungen eines Vereins anpassen können. Verlangt die Klubführung eine Jugendstrategie, dann arbeitet er mit Jungen – wie er dies bei GC und YB gemacht hat. Soll hingegen mit einer erfahrenen Equipe der sofortige Wiederaufstieg angestrebt werden wie beim FCZ, dann macht Forte auch das. Das Projekt Forte war beim FCZ aber von vornherein auf das kurzfristige Ziel Super League ausgelegt. Dies manifestierte sich spätestens, als man wieder zurück im Oberhaus war. Just zu diesem Zeitpunkt klopfte mit dem 98er-Jahrgang die stärkste FCZ-Juniorengeneration seit sechs Jahren (92er um Rodriguez, Buff, Drmic) vehement an die Türe zur 1. Mannschaft und Forte machte diese nur einen kleinen Spalt weit auf – weil er für seine Art von Fussball andere Spielertypen benötigt.

Ein Klub, der sich so stark in der Academy engagiert, kann sich sportlich, finanziell und ideell aber schlichtweg nicht leisten, eine solche Generation zu verlieren. Aus dieser Warte war es im Februar 2018 höchste Eisenbahn für einen Trainerwechsel. Denn schon wenige Monate später hätte es passieren können, dass auch noch der Rest der vielversprechenden Spielergeneration einen Wechsel anstrebt. Es ging im Frühling 2018 darum, einem Domgjoni, Aliu, Rohner oder Rüegg zu zeigen, dass man auf sie setzt – und dies vor allem auch auf denjenigen Positionen, auf welchen sie ihr grösstes Potential haben.

Die Aufgabe für Magnin gestaltete sich knifflig. Denn normalerweise nutzen Absteiger im Unterhaus die Gelegenheit für eine grosse Blutauffrischung. Servette, Lausanne, GC und selbst St. Gallen verjüngten ihr Kader stark und gaben in der Challenge League auch denjenigen Junioren eine Chance, die im Oberhaus nicht zum Zug gekommen wären. Sie nahmen dabei in Kauf, den Wiederaufstieg nicht im ersten Anlauf zu schaffen. Nicht so der FCZ! Der sofortige Wiederaufstieg hatte beim Stadtclub oberste Priorität. Das war die Vorgabe aus der Chefetage. Der Generationenwechsel wurde so vertagt. Als dieser dann aber ein Jahr später aufgrund der Inkompatibilität der 98er-Generation mit Fortes Spielstil und Personalpolitik immer noch auf sich warten liess, wurde die Vereinsführung schnell ungeduldig.

Dieser Artikel ist in voller Länge im aktuellen „Daléo“ unter dem von der Redaktion gesetzten Titel „Bilanz eines Versagens“ zu lesen. Hier auf Züri Live wird der zweite von vier Teilen kommende Woche publiziert.

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