Mehr Gegentore auf Konter und Weitschüsse / Halbzeitbilanz 21/22, Teil 2

Schaut man zur Halbzeit der Saison auf die Defensivleistung, dann sieht die Bilanz bei weitem nicht so gut aus wie es die Tabelle weismacht. Wenn die alte Weisheit „defense wins championships“ stimmt, dann scheint der FC Zürich zur Winterpause noch weit von einem Spitzenteam entfernt zu sein. 26 Gegentore – seit der Abstiegssaison hat das Letzigrund-Team nur einmal zur Winterpause mehr kassiert (19/20). Gegen den FCZ wurden in der Liga mit 276 sogar am meisten Abschlüsse abgegeben. Allerdings haben die FCZ-Verteidiger 88 dieser Abschlüsse geblockt – mit Abstand am meisten der Liga. Bezüglich Abschlüsse, die entweder auf oder nebens eigene Tor kamen, liegt der FCZ in der Mitte der Tabelle. Das Zürcher Mittelfeld und die Angreifer haben also die Gegner zu vielen Abschlüssen kommen lassen, speziell die Innenverteidiger haben dann aber noch einiges davon ausgebügelt. Mirlind Kryeziu fungierte am häufigsten als „Wand“ am und im eigenen Strafraum.

Die gegnerischen Torerfolge kamen ausgeglichen zu je einem Drittel durch Standards, Aufbauspiel und Umschaltspiel zustande – wobei die Standardgegentore leicht überwiegen.

Breitenreiter knüpft defensiv bei Rizzo an

Massimo Rizzo hatte im Verlauf der letzten Saison die Gegentore grundsätzlich in allen drei Bereichen verringern können. Mit Ausnahme des Monats April, als Kololli, Tosin, Doumbia, Domgjoni und Dzemaili eine ganze Serie von haarsträubenden individuellen Fehlern unterliefen, die zu unnötigen Umschalt-Gegentreffern und einer schlechten Punkteausbeute führten. Dieser eine „Katastrophen-Monat“ war sicherlich mitentscheidend für den Trainerwechsel im Sommer. Unter André Breitenreiter startete das Team defensiv in allen drei Bereichen grundsätzlich auf demselben Niveau wie lange Zeit unter Rizzo. Positiv: im zweiten Saisonviertel konnte sich der FC Zürich bei gegnerischem Aufbau- wie Umschaltspiel und auch bei Standards leicht verbessern.

Durchschnittliche Gegentore pro Partie nach Spielsituation seit Sommer 2019

Mehr Gegentore bei hoch stehendem FCZ

Bezüglich Positionierung der Mannschaft wird allerdings ein Unterschied ersichtlich. Während die Gegentreffer bei einem hoch stehenden Gegner (also wenn der FCZ selbst tief steht) weiter abgenommen haben, nahmen sie bei tief stehendem Gegner und hoch stehendem FCZ unter Breitenreiter wieder zu. Dies ist also ein Ansatzpunkt für das Zürcher Trainerteam in der Winterpause: wie können diese Gegentore wieder reduziert werden? Dafür gibt es zwei Ansätze: entweder man schafft es, hoch stehend besser zu verteidigen – oder man sollte weniger häufig hoch stehen.

Zunahme der Standardgegentore im Vergleich zu Rizzo

Standardgegentore wurden unter Rizzo reduziert, vor allem wenn man mitberücksichtigt, dass die Hälfte der Eckballgegentore der letzten Saison in den ersten Saisonpartien noch unter Ludovic Magnin gefallen sind. Unter André Breitenreiter hat dementsprechend diese Art von Gegentoren wieder zugenommen. Auf Einwurf hat es allerdings ein Gegentor weniger gegeben als zuletzt im Schnitt pro Halbserie.

Etwas mehr Gegentore aus Aufbauspiel des Gegners bei hoch stehendem FCZ

Bei Aufbauspiel des Gegners hat sich wenig verändert. Die Gegentore bei einem Hoch stehenden FCZ haben aber auch bei Aufbauspiel des Gegners etwas zugenommen.

Deutlich mehr Kontergegentore

Der grössere Effekt zeigt sich beim Umschaltspiel. Die Kontergegentore gegen einen hoch stehenden FCZ haben deutlich zugenommen. Dafür hat der FCZ in der Vorrunde aus einer tiefen Position bei Pressing und Gegenpressing des Gegners insgesamt nur ein einziges Gegentor erhalten. Eindrücklich! Ein Zeichen dafür, dass die Mannschaft den Ball sicher (und häufig auch schnell) hinten heraus spielt. Die vielen unnötigen Ballverluste in der eigenen Hälfte vom letzten April wurden überwunden und eliminiert.

Problemzone Sechserposition – Guerrero und Aliti machen ihre Seite zu

Zu viele Weitschuss-Gegentore waren lange Zeit ein grosses Problem für den FCZ gewesen. Auch diese konnten unter Massimo Rizzo drastisch reduziert werden auf noch insgesamt ein einziges in der letzten Saison! Nun hat man in einer halben Saison bereits wieder vier erhalten. Es zeigt, dass die Problemzone zentral vor dem eigenen Strafraum wieder aufgebrochen ist. Die Zentralen Mittelfeldspieler haben diese zu wenig im Griff. In einigen Situationen fehlt es an Antrittsschnelligkeit und konsequenter Defensivarbeit in der Rückwärtsbewegung (Dzemaili), am Positionsspiel (Doumbia, Krasniqi) oder an der Bissigkeit (Leitner). Dafür haben die Gegentore auf Flanken stark abgenommen. Einerseits hat in der Liga die Anzahl Flanken der Gegner pro Spiel im Vergleich zu letzter Saison um einen Viertel abgenommen. Andererseits werden diese im Strafraum auch besser verteidigt. Über Rechts (die linke Zürcher Seite) haben die Gegner in dieser Vorrunde aus dem Spielaufbau heraus kein einziges Tor erzielt. Die Dreierabwehr in Kombination mit diszipliniert zurückarbeitenden Aussenläufern hat hier hervorragende Arbeit geleistet, speziell das Duo Aliti / Guerrero auf der linken Zürcher Seite.

Gegen GC, YB, Lugano, Vaduz und St. Gallen (!) vorwiegend Standardgegentore

Züri Live hat sich angeschaut, wie die einzelnen Gegner in den letzten zweieinhalb Jahren vorwiegend ihre Tore gegen den FCZ erzielt haben. Am augenfälligsten ist, dass in den beiden Derbies der Vorrunde alle Gegentore auf Standards erzielt worden sind. Gegen Lugano hat der FCZ die letzten fünf Partien kein Gegentor mehr kassiert – und die einzigen Gegentore, die es seit dem 0:4 im „Backofen“ Letzigrund zum Saisonstart 19/20 gesetzt hat, waren Standards. Nicht überraschend, dass man gegen Vaduz die Gegentore vorwiegend auf Standards erhalten hat. Sehr wohl überraschend hingegen, dass dies gegen St. Gallen ebenfalls der Fall ist – mehr als aus dem Umschaltspiel. Das gleiche gilt für YB. Thun, Basel, Luzern oder Sion hingegen haben ihre Treffer gegen den FCZ vorwiegend mit üblichem Aufbauspiel erzielt. Lausanne und Servette hatten den grössten Anteil ihrer Treffer gegen den FCZ aus dem Umschaltspiel – im Falle von Servette waren es am 8. Dezember 2019 im Letzigrund gleich fünf. Auch dies eher speziell, ist doch Servette allgemein eher für kontrolliertes Aufbauspiel bekannt. Gegen den FCZ waren sie hingegen in den letzten 30 Monaten vor allem im Umschaltspiel erfolgreich.

Basel und YB profitieren am meisten von Lücken bei einem hoch stehenden FCZ

Gegen einen tief stehenden FCZ war es in den letzten zweieinhalb Jahren schwierig, Tore zu erzielen. Nur Sion, Xamax und Vaduz haben in der Liga eher aus einer Hohen Position (Aufbauspiel gegen tief stehenden Gegner, Pressing, Gegenpressing) ihre Tore gegen den Stadtclub erzielt. Alle anderen Teams waren erfolgreicher mit Kontern oder Aufbauspiel gegen einen hoch stehenden FCZ – speziell Basel und YB.

Viel Kampfgeist gegen Ende der Vorrunde

Die Erwarteten Gegentore sind im Gleitenden Durchschnitt in der Vorrunde nie unter 1 pro Spiel gefallen. Nach dem 6:2 gegen Sion im Letzigrund, ein Spiel, das auch auf die andere Seite hätte kippen können, hat man die Erwarteten Gegentore pro Partie zumindest wieder unter 1,5 drücken können. Die Anzahl der summierten Züri Live-Defensivpunkte hatte nach dem Tiefpunkt in der 5. Runde (3:3 in St. Gallen) schon zuvor wieder angezogen gehabt und erreicht in den letzten Partien der Vorrunde, als man nochmal viel Kampfgeist in die Partien warf, einen Wert von über 100 pro Spiel. Auffällig, dass man ganz am Anfang und ganz am Ende der Vorrunde kaum Gegentore zugelassen hat. In diesen Phasen waren zwar auch die Erwarteten Gegentore relativ tief, aber vor allem lag die Anzahl Gegentore weit unter den Erwarteten Gegentoren. Mögliche Erklärungen dafür sind die Leistungen von Torhüter Yanick Brecher und der Abschlüsse aus gefährlichen Positionen blockenden Innenverteidiger oder auch das Wettkampfglück in diesen Saisonphasen.

Halbzeitanalyse, Teil 1 – Erfolgsfaktoren, Folgerungen und Ausblick

Halbzeitanalyse 21/22

Der Klassenerhalt des FCZ ist bereits zur Winterpause so gut wie gesichert! Eine höhere Punktzahl zu diesem Zeitpunkt der Saison hatte der Stadtclub letztmals vor 13 Jahren unter Trainer Bernard Challandes gesammelt! Und ist am Ende jener Saison mit einem Aegerter, „Tico“ Okonkwo, Abdi, Leoni, Tihinen und Djuric auf dem Platz tatsächlich nicht abgestiegen! Erklärungen für die ersten 18 Runden wurden in den letzten Tagen in allen sich mit der Super League befassenden Medien (und auch in einigen, die dies normalerweise nicht tun) gesucht und gefunden. Trainer Breitenreiter habe „fast jeden Spieler besser gemacht“. Der FCZ spiele den „schönsten und erfolgreichsten“ Fussball, „mutig, offensiv, mit viel Drang zum Tor“, die Spiele seien „ein Spektakel“. Die Jungs hätten einen „super Team-Spirit“. Assan Ceesay oder Mirlind Kryeziu hätten eine fast schon „wundersame Wandlung“ genommen. Der Kader sei ausbalanciert und die individuelle Qualität „so gross wie schon lange nicht mehr“.

Was davon stimmt tendenziell? Was nicht? Was muss man relativieren? Und vor allem: welche Gründe wurden vergessen? Zum Start der Halbzeitanalyse nennen wir die aus unserer Gesamtsicht wichtigsten Erfolgsfaktoren der FCZ-Vorrunde. In den kommenden Tagen und Wochen werden wir mit Hilfe von Zahlen und Analysen unsere Einschätzungen und diejenigen der anderen Medien überprüfen und zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen versuchen.

1. Physis

Dieser Punkt wurde in keinem anderen Medium genannt, ist aus Züri Live-Sicht aber der wichtigste Fortschritt im Vergleich zu den letzten Saisons. Mehrere FCZ-Schlüsselspieler sind auf einem physisch deutlich besseren Niveau als noch in der Saison davor. „Marche sano in corpore sano!“ möchte man da ausrufen. Am augenfälligsten sieht man dies bei Assan Ceesay. Viele dachten, der Gambische Stürmer habe einen „Holzfuss“, wenn er wieder mal zehn Meter am Tor vorbeigeschossen hat. Dem ist aber nicht so. Mit einem „Holzfuss“ schiesst man üblicherweise einen Meter daneben, nicht zehn. Ceesay hat grundsätzlich ein gutes Ballgefühl in beiden Füssen. Seine Probleme waren nicht feinmotorisch, sondern grobmotorisch. Es fehlte die Rumpfstabilität und damit die optimale Koordination seiner grossen Bewegungen. Bereits mit einer leichten Berührung konnte man ihn zudem jeweils aus dem Gleichgewicht bringen. Neuerdings wirkt Ceesay wie ein echter Athlet. Die verbesserte körperliche Stabilität hat insbesondere seine Präzision im Passspiel und Abschluss innert kurzer Zeit stark verbessert.

Zweites Beispiel: Adrian Guerrero. Auch der Neuzugang hat sich im physischen Bereich im Vergleich zu seiner Saison bei Lugano enorm verbessert. Seine spielerischen Qualitäten und guten Standards waren schon im Tessin ersichtlich, aber er verlor letzte Saison noch so gut wie jeden Zweikampf. Nun kann der Spanier nicht mehr so einfach zur Seite gedrückt werden und seine Laufleistung nicht nur vorwärts, sondern vor allem auch im Umschalten in die Defensive ist bisher phänomenal. Drittens: Mirlind Kryeziu. Aus physischen Gründen hatte er in der Vergangenheit immer wieder grosse Leistungsschwankungen gehabt. In den letzten sechs Monaten wirkte er erstmals in jedem Spiel topfit und seine Leistungen waren somit sehr konstant.

Etwas erstaunlich sind diese eklatanten Verbesserungen weil es im FCZ-Staff abgesehen von Trainer und Assistent keine wesentlichen Änderungen gegeben hat. Clichés erweisen sich halt eben doch manchmal als wahr. So das Cliché von den typisch deutschen Tugenden. Den stärkeren Fokus auf Physis und stabile Defensive kann man nicht nur im Breitenreiter-Team, sondern auch bei den ebenfalls von einer deutschen Trainerin gecoachten FCZ Frauen-Mannschaft beobachten. Schweizer Trainer und Ausbildner gewichten diesen Aspekt traditionell weniger stark – ganz speziell Trainertypen wie Ludovic Magnin oder Fabio Celestini. Was passiert, wenn man diese Faktoren zu sehr ausser acht lässt, sieht man aktuell beim FC Luzern, welcher in den letzten Monaten in Sachen Wucht und physische Präsenz eine gegenläufige Entwicklung zum FCZ genommen hat und nun mit dem Trainerwechsel diesbezüglich das Ruder wieder herumreissen will. Man kann auch zu viel davon haben, aber nach den letzten Jahren hat dem FCZ dieses „deutsche“ Element auf jeden Fall schon mal gut getan.

2. Taktik

Auch wenn es unpopulär klingt und einige in und ausserhalb des FCZ nicht gerne hören: der Stadtclub spielt nun schon seit rund vier Jahren immer dann am erfolgreichsten, wenn er tief steht und wenig Ballbesitz hat. Ganz speziell gegen die besten Teams der Liga. Ludovic Magnin hat diese Erkenntnis nur in relativ begrenzten Saisonphasen beherzigt und war dann jeweils auch erfolgreich. Zum Beispiel vor der Winterpause vor zwei Jahren, als man sich mit nur noch acht Punkten Rückstand auf Leader YB auf den 4. Platz vorgekämpft hatte. Als Magnin danach wieder auf Ballbesitz spielen wollte, setzte es vorwiegend Niederlagen. Dasselbe bei Massimo Rizzo: mit tief stehen und wenig Ballbesitz konnte er bis zur Winterpause letzte Saison den FCZ stabilisieren und einige schöne Siege einfahren. Nach der Winterpause wollte er schrittweise seinem Team wieder etwas mehr Ballbesitz verpassen, was unter dem Strich zusammen mit den unglücklichen Personalien Sobiech (verletzt) und Dzemaili (nicht parat für die Super League) erneut zu einer Abwärtstendenz führte.

André Breitenreiter erkannte dies und sein FCZ stand daher zu Saisonbeginn noch tiefer und hatte noch weniger Ballbesitz, als unter Massimo Rizzo ein Jahr zuvor. Aber auch der deutsche Trainer konnte der Versuchung nicht widerstehen und liess sein Team Mitte Vorrunde schrittweise immer höher stehen und mehr Ballbesitz übernehmen. Die Resultate wurden auch bei ihm dadurch sofort etwas schlechter. Der Unterschied zu den Vorgängern war dann aber, dass Breitenreiter schnell die Handbremse zog und die taktischen Änderungen rückgängig machte. So kommt es, dass zur Winterpause 21/22 mit dem FCZ das Team mit dem tiefsten Ballbesitz der Liga mit sieben Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze steht.

Starker Start in die Vorrunde mit unter 30% Ballbesitz. dann mit zunehmendem Ballbesitz (bis zu 55% in Runde 12) eine Baisse. Die besten Leistungen gab es in den letzten drei Spielen der Vorrunde mit wieder gesunkenem Ballbesitz von um die 45% (gleitender Durchschnitt).

Dass der FCZ im Vergleich zu den anderen Teams speziell „mutig, offensiv, mit viel Drang zum Tor“ spiele, ist bei ehrlicher Betrachtung falsch. YB, Basel, Servette und aus dem Spiel heraus auch St. Gallen hatten in der Vorrunde mehr Abschlüsse, als der FCZ, welcher vor allem von seiner Effizienz und Standardqualitäten profitierte. Breitenreiter spricht in seinen heimischen Medien davon, dass der FCZ ein sehr Hohes Pressing betreibe und vom Spielstil mit Atalanta oder Leipzig vergleichbar sei. Davon kann aber auch keine Rede sein. Sein Team liegt statistisch beim Hohen Pressing im Mittelfeld der Liga – nicht nur hinter St. Gallen, YB und Basel, sondern auch GC. Zudem wurde unter Ludovic Magnin beim FCZ mehr Hohes Pressing betrieben, als unter Breitenreiter, wenn man die dafür relevante Kennzahl der „Passes Per Defensive Action“ (PPDA) zu Rate zieht. Dessen Mannschaft hat zudem erst drei Tore aus einem Hohen Pressing erzielt, was selbst unter dem Schnitt der Rizzo-Zeit liegt, wo der FCZ weniger Pressing betrieb, dafür sehr effektiv. Mittlerweile hat Ludo Magnin übrigens seine Amtszeit als Trainer der 1. Mannschaft des FCZ analysiert und kommt in einem Interview mit „24 heures“ zum Schluss, dass der Aufschwung unter Breitenreiter in erster Linie damit zu tun habe, dass dieser auf Umschaltspiel setze, was besser zur Mannschaft passe, als Ballbesitz.

Mit Ausnahme der Cupspiele in Solothurn und Yverdon liess André Breitenreiter seinen FCZ immer in einem 3-4-1-2 oder dem sehr ähnlichen 3-3-2-2 auflaufen. Ob man mit zwei Sechsern oder zwei Achtern / Zehnern spielte, hing dabei natürlich immer auch etwas von der Mittelfeldzusammensetzung des Gegners ab. Nicht nur bei der Formation, sondern auch bezüglich Personal setzte Breitenreiter stark auf Kontinuität. Ein eiserner Kern von neun Spielern spielte praktisch die Vorrunde durch. Deutlich variabler war man hingegen bezüglich Spielweise mit unterschiedlicher Spielauslösung, Positionierung, Pressing und Umschaltintensität. Speziell gegen Basel muss man sich für die Rückrunde etwas überlegen. Beinahe hätte der FCZ gegen die Rotblauen nach dem Hinspiel im St. Jakob Park auch noch das Rückspiel im Letzigrund verloren, weil man zu hoch stand. Der Spielweise und den Qualitäten des FCB kam dies schon in den letzten Jahren immer entgegen und es hat sich auch diese Saison nicht geändert, zumal Torhüter Heinz Lindner mit den Füssen gewisse Fortschritte gemacht hat und Akteure wie Tavares, Millar, Kasami, Frei, Zhegrova, Stocker, Males, Ndoye oder Cabral für Angriff- und Konterspiel gegen einen hoch stehenden Gegner prädestiniert sind. Bei allen sonstigen positiven Entwicklungen muss man sagen: in der Art und Weise wie man gegen den FCB spielen muss, war man letzte Saison unter Massimo Rizzo schon mal einen Schritt weiter.

3. Erfolgsorientiertheit

Eigentlich im Profifussball eine Selbstverständlichkeit, aber nicht unbedingt immer beim FCZ in den letzten Jahren. Unter Trainer Breitenreiter ist der Erfolg das oberste Ziel. Man wählt dementsprechend die erfolgsversprechendste Taktik, Spielweise und Personal. Vor allem werden Ideen, die sich nicht bewährt haben, sofort korrigiert. Der schnelle Lern- und Adaptionsprozess ist eine der grössten Stärken dieses Trainerteams und sicherlich ein Faktor, der zu Optimismus für die kommende Zeit berechtigt. Auch der Aspekt, dass unabhängig von Namen, Alter, Nationalität oder Rendement aufgestellt wird. Eine kleine Ausnahme gibt es dabei mit Blerim Dzemaili. Dieser wird trotz seiner immer noch offensichtlichen Mankos für die Hierarchie im Team ganz offensichtlich als unverzichtbar angesehen und deshalb von Breitenreiter und Co. stark geredet und häufig eingesetzt.

4. Automatismen

In einer Studie des CIES Sports Observatory Neuchâtel vor einigen Jahren wurde herausgefunden, dass personelle Kontinuität bei den Spielern als Erfolgsfaktor eines Fussballteams gelten kann. Der FCZ hatte in dieser Vorrunde eine sehr hohe Kontinuität und damit konnten sich Automatismen etablieren. Dies hat dem FCZ sicherlich im ein oder anderen Spiel gegen einen Gegner mit mehr personellen Wechseln einen mitentscheidenden Vorteil verschafft. Dazu ist der Team-Spirit dieser Mannschaft tatsächlich offensichtlich.

5. Transfers

Seit Sommer 2020 ist die Kaderentwicklung grundsätzlich positiv einzustufen. Spieler, welche die Entwicklung der Mannschaft gebremst haben, konnten abgegeben werden. Gleichzeitig wurden vorwiegend Spieler dazugeholt, die das Team weiterbringen. Eine hundertprozentige Trefferquote hatte man aber auch in dieser Zeit nicht. Namen wie Schättin, Dzemaili, Gogia, Leitner, Buschman oder Pollero sind zumindest mit Fragezeichen zu versehen. Schon seit 2018 hatte sich Auswahl, Qualität und Entwicklung der Leihen von Talenten in die Challenge League stark verbessert und funktioniert seither tadellos. Der FCZ war der erste Super League-Klub, der diesbezüglich das richtige Rezept gefunden hat. Mittlerweile hat YB nachgezogen.

Züri Live-Durchschnittsnoten in der Saison (Sommertransfers) oder Halbsaison (Wintertransfers) vor dem Abgang / nach dem Zugang

6. Abschlusseffizienz

Weiter verbesserte Abschlusseffizienz (der FCZ war letzte Saison schon effizient gewesen) hat einen grossen Teil zu den 40 Punkten der Vorrunde beigetragen. Pro Partie hat der FC Zürich ein halbes Tor durch Abschlusseffizienz erzielt – 2,4 Tore pro Spiel statt der erwartbaren 1,9 Treffer. Ein Teil der Abschlusseffizienz hat mit der Spielweise zu tun: kommt man durch einen Konterangriff vors gegnerische Tor, hat man mehr Platz und Zeit für den Abschluss. Ein weiterer Aspekt speziell im Fall des aktuellen FCZ ist die Torquote bei Standards. Dazu kommt die oben erwähnte verbesserte Physis (Kondition, Rumpfstabilität), die für einen präziseren Abschluss sehr hilfreich ist. Wie wichtig eine gute Abschlusseffizienz ist. zeigt der Vergleich mit den Saison-Rangierungen in untenstehender Grafik.

7. Detailarbeit

Die Analyse der FCZ-Partien der letzten Monate vermittelt den Eindruck, dass noch mehr als früher an Details gearbeitet wird – von Einwürfen über ballferne Bewegungen bis zur Schusshaltung und verfeinerten Zuteilungsregeln bei Defensivstandards.

Folgerungen und Ausblick

Während man beim Ausscheiden im Cup auch Pech hatte, ist in der Meisterschaft einiges für den FCZ gelaufen. Partien, die normalerweise Unentschieden ausgehen, kippten häufig noch auf die Seite des FCZ – dank Mentalität und (erarbeitetem?) Glück. Der erste Meisterschaftssieg seit Jahren gegen YB war ein Meilenstein – trotz Personalsorgen beim Gegner. Der FC Zürich hat denselben Personalaufwand und etwas tiefere Erträge wie der FC St. Gallen und ist wie dieser vor zwei Jahren zur Halbzeit vorne sehr gut mit dabei. Wie damals trafen diese beiden Teams im letzten Spiel vor der Winterpause aufeinander – beide Male gewann der FCZ. In der Anfangsphase waren die vielen direkt verwandelten Freistösse (in erster Linie von Marchesano) ein wichtiges Element, gegen Ende der Vorrunde die Rückkehr von Tosin und Leistungsexplosion Wilfried Gnontos. Letzteres kompensierte die schon seit Jahren traditionelle Ladehemmung Assan Ceesays in den Wintermonaten. Die nach dem Züri Live-Notenschnitt des Teams besten Spiele der Vorrunde waren die Heimsiege gegen Luzern und YB gegen Ende der Vorrunde und die beiden „Dreier“ gegen Lausanne. Das „schlechteste“ Spiel war der glückliche Heimsieg im ersten Derby.

Nach dem guten Start gegen die drei „L“ (Lugano, Lausanne, Luzern) kam eine Baisse. Angefangen bei der Auswärtsniederlage in Basel gings wieder aufwärts.

„Angesichts der Voraussetzungen das Maximum herausgeholt“ klingt im ersten Augenblick etwas nach: „besser kanns gar nicht mehr werden“. Dem ist nicht so. In verschiedenen Bereichen sind in den letzten ein bis zwei Jahren Prozesse in Gang gesetzt worden, bei deren Stossrichtung man sich heute noch nicht mal auf halbem Weg der Entwicklung befindet. Zum Beispiel bei der Kaderentwicklung, den Verbesserungen im physischen Bereich, den Automatismen, der Taktik oder der Detailarbeit auf verschiedensten Gebieten. Der FCZ hat in all diesen Bereichen braches Potential und die Entwicklungsprozesse gehen in die richtige Richtung. Und man lässt sich nicht durch kurzfristigen Aktionismus oder dem Schielen auf die Konkurrenz vom Weg abbringen. Dies alles stimmt zuversichtlich. Dazu kommt der Bezug des neuen „Home of FCZ“ im Heerenschürli.

Sehr gute Vorrunde in der Challenge League 16/17, deutlich schlechtere Rückrunde – trotzdem aufgestiegen. Gutes erstes Saisonviertel 17/18 und 18/19. Dazu gab es im letzten Saisonviertel 18/19 und 19/20 eine Leistungssteigerung. Stark sinkender Notenschnitt 20/21, vor allem in der Rückrunde. In der ersten Saisonhälfte 21/22 geht der Notenschnitt wieder stark rauf in Richtung der Challenge League (und Europa League) Vorrunde 16/17.

Im Sturm hat der FCZ neuerdings wieder Alternativen auf der Bank, was gerade auf dieser Position unabdingbar ist. Die Stürmer „Nummer 5 und 6“ Pollero und Koide haben ihre Super League-tauglichkeit bisher allerdings noch nicht nachweisen können. Das 3-4-1-2 nutzt die Laufstärke und Polyvalenz von Nikola Boranijasevic und vor allem Adrian Guerrero optimal aus, denn es ermöglicht immer wieder Überzahlsituationen im Zentrum, sowohl in der Spielauslösung wie in der gegnerischen Platzhälfte. Fabian Rohner, der Alternative zu Nikola Boranijasevic auf rechts ist durch die Detailarbeit unter Breitenreiter durchaus eine interessante Entwicklung zuzutrauen. Seine Einsätze in der Vorrunde waren allerdings noch nicht immer eine Empfehlung. Links steht als Alternative der offensiv von vielen unterschätzte Fidan Aliti bereit. Bezüglich Spielweise bietet sich an, weiterhin tief zu stehen mit wenig Ballbesitz und schnellem direktem Umschaltspiel – gepaart mit situativem Hohen Pressing und Gegenpressing, um den Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen. Breitenreiter bringt zudem gerade gegen Gegner aus der hinteren Tabellenhälfte immer mehr Rhythmuswechsel und Ballbesitzphasen ins Zürcher Spiel ein. Speziell in den Partien gegen Basel sollte man die Lehren aus den Vorsaisons aber beherzigen und wieder tiefer stehen, als man dies in der Vorrunde praktiziert hat.

Die grösste Problemzone der Vorrunde war in einigen Spielen das Zentrale Mittelfeld. Und dies obwohl man hier quantitativ sehr gut bestückt ist. Neben den gesetzten Ousmane Doumbia und Antonio Marchesano kam in diesem Mannschaftsteil Bledian Krasniqi am meisten zum Einsatz. In seiner Entwicklung scheint dieser nun langsam aber sicher bereit zu sein, als echter Stammspieler Verantwortung zu übernehmen. Blerim Dzemaili hat auf der 6-er Position deutlich besser gespielt, als weiter vorne. Er könnte typischerweise bei Rückstand oder unentschiedenem Spielstand für Ousmane Doumbia hereinkommen und mit seinen langen Bällen und Seitenwechseln von hinten heraus für verstärkten Druck sorgen – während weiterhin Marc Hornschuh bei einer Führung als zusätzliches defensives Gewissen einen Bledian Krasniqi ersetzten würde. Moritz Leitner ist aus seiner nach unten zeigenden Leistungskurve der letzten Jahre nicht herausgekommen, Ante Coric hat grosse Schwankungen – beide sind für das Team bisher in der defensiven Phase tendenziell eine Hypothek. Vasilie Janjicic wird wohl auch in der Rückrunde physisch noch nicht bereit für die definitive Rückkehr in die Super League sein. Stephan Seiler und allenfalls Miguel Reichmuth aus der U21 bieten sich hingegen immer mehr als valable Alternativen an.

Wichtig in der Rückrunde kann auch werden, dass man intern auf Eventualitäten der Pandemie-Entwicklung gefasst und vorbereitet ist. Angefangen von der Teilnahme von Assan Ceesay am Afrika-Cup bis zu Entwicklungen mit möglichen vielen Quarantänen und improvisierten Teamzusammenstellungen beim eigenen Team und/oder den Gegnern, die andere Ligen aktuell durchmachen. Einerseits muss man auf der administrativen Ebene im direkten Zusammenspiel mit der Liga und anderen Klubs natürlich versuchen, das Beste für das Team herauszuholen, während man in der Kommunikation nach aussen und die Mannschaft selbst vor allem bereit sein muss, jede Situation als sportlichen Challenge und Chance wahrzunehmen.

Wegweisend für die Personalpolitik / Yverdon-Sport – FCZ in der Züri Live-Analyse

Der grösste Misserfolg einer ansonsten starken Vorrunde des FCZ war die Cup-Niederlage in Yverdon. Die Züri Live-Durchschnittsnote ist mit 5,4 die zweittiefste der Vorrunde ex aequo mit dem 2:2 zuhause gegen Servette – und nur um 0,1 besser als dem schlechtesten (wenn auch am Ende sehr glücklichen) Auftritt im ersten Derby. Wie in der 1. Cup-Runde gegen Solothurn setzte Trainer Breitenreiter auf ein 4-3-3 mit offensiver Ausrichtung, und gab Spielern aus der zweiten Reihe eine Chance. Diese konnten sie aber nicht nutzen. In den ersten sieben Minuten startete die ganze Mannschaft schlecht. Die etablierten Spieler konnten sich danach mehr und mehr fangen – im Gegensatz zu denjenigen aus der 2. Reihe (mit Ausnahme von Marc Hornschuh). Der Auftritt im Waadtland war dementsprechend richtungsweisend für die Personalpolitik der restlichen Vorrunde.

Rodrigo Pollero als „Chancentod“

Auch wenn es sich nach dem episch langen Penaltyschiessen so anfühlte, als habe Yverdon auf dem sandigen Platz verdient gewonnen, sammelte bei näherer Betrachtung der FCZ mehr Gründe für ein Weiterkommen. Erstmal: ein klares Chancenplus. Das Expected Goal-Verhältnis war 2,84 : 0,96 zugunsten des FCZ – das Resultat aber 2:2 statt 3:1 nach Verlängerung. Selbst auf 90 Minuten runtergerechnet hatte der FCZ nur gegen Solothurn, Luzern (4:0) und in den beiden Partien gegen Basel mehr Abschlüsse als in Yverdon. Speziell Rodrigo Pollero sündigte mit gleich acht ungenutzten Chancen – klarer FCZ-Saisonrekord. Zum Vergleich: den zweithöchsten Wert an ungenutzten Abschlusschancen hatte Blaz Kramer mit fünf beim 4:0-Heimsieg gegen Luzern. In der letzten Minute der Verlängerung parierte Mirko Salvi den Kopfball Bledian Krasniqis nach hervorragender Balleroberung und Flanke Fabian Rohners von rechts mirakulös.

Einwechselspieler bringen frischen Wind

Neben Krasniqi und Rohner brachten auch Aliti und vor allem Wilfried Gnonto nach ihren Einwechslungen viel Schwung und deutlich mehr Torchancen ins Zürcher Spiel, nachdem der FCZ in der 1. Halbzeit ziemlich schlecht in die Partie gestartet war. Rohner brauchte zwar zu Beginn seines Einsatzes etwas Anlaufzeit, drehte mit Verlauf des Spiels aber vor allem auch defensiv mit vielen Ballgewinnen und sogar gewonnenen Luftduellen immer mehr auf, und verwandelte auch seinen Penalty souverän. Zwar hatte Yverdon vor seinem 1:0-Führungstreffer in der 43. Minute keine Torchance gehabt, aber der FCZ lud den Gegner durch seine zu wenig konkrete Spielweise geradezu zu einer Überraschung ein.

FCZ war nach „Kriens“ gewarnt

In der 1. Cuprunde hatte man in Solothurn davon profitiert, dass der Gegner zu diesem Zeitpunkt noch keine Spielpraxis hatte und kam auch dank einer fokussierten Startphase zur schnellen Vorentscheidung. Die 2. Runde lief gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten der Challenge League, SC Kriens, bereits ziemlich harzig. Das Breitenreiter-Team kam dank einem der vielen direkt verwandelten Freistosstore in der Startphase der Saison und der durch den ehemaligen FCZ-Junior Albion Avdijaj vergebenen Topchance in der 86. Minute weiter.

Uli Forte sehr gut über FCZ-Aufstellung und -Taktik informiert

In Yverdon fiel auf, wie gut Ex FCZ-Trainer Uli Forte sowohl vor der Partie wie auch in der Halbzeitpause über die FCZ-Formation und -Taktik informiert war (beziehungsweise sie vorausgesehen hat). Sowohl zu Beginn der ersten wie der zweiten 45 Minuten war die Yverdon-Formation defensiv exakt auf den FCZ ausgerichtet. Dem Zürcher 4-1-2-3 begegnete Forte mit dem entsprechenden defensiv ausgerichteten Gegensystem, dem 4-2-3-1. Er erwartete den FCZ ganz offensichtlich mit jeweils zwei Spielern auf der Seite, was davor in dieser Saison einzig in Solothurn der Fall gewesen war.

Yverdon heimstark wie der FCZ

Yverdon hatte mit Toptorschütze Koro Koné und dem aus der Meisterschaft mit einer 5 Spiele-Sperre (doppelter Tritt gegen den Kopf von Roberto Alves in Winterthur) belegten Miguel Rodrigues die gewichtigeren Ausfälle zu verkraften, war dafür durch das abgesagte Spiel gegen Stade Lausanne-Ouchy vom Wochenende etwas erholter. Nach dem Amtsantritt von Uli Forte im August hat das Team vom Neuenburgersee die ersten zwei Heimspiele gegen Xamax und Aarau unentschieden gespielt und danach inklusive dem Cup-Spiel gegen den FCZ im Stade Municipal acht Mal in Folge gewonnen.

Malula und Silva eliminieren den FCZ zum zweiten Mal hintereinander

Das Hauptziel des Forte-Teams in der 1. Halbzeit war erstmal die linke FCZ-Seite mit Guerrero und Ceesay aus dem Spiel zu nehmen, was gut gelang. Forte setzt in solchen Fällen immer auf Physis. So stellte er den bulligen Zentralen Mittelfeldspieler Christian Zock an den Rechten Flügel, um die Kreise von Adrian Guerrero zu stören. Den von links häufig zur Mitte ziehenden Ceesay übernahm in der Regel der topmotivierte rechte Innenverteidiger Breston Malula. Der ehemalige YB-Junior hatte genauso wie der Brasilianer Silva bereits vor Jahresfrist mit Chiasso den FCZ aus dem Cup kegeln können. Malula hatte damals kurz vor Schluss mit einem Energieanfall im Mittelfeld gegen Simon Sohm den Freistoss herausgeholt, aus dem dann der entscheidende Handspenalty entstand. Auch Silva (damals allerdings noch nicht im Matchkader) erinnerte sich gut daran und provozierte während dem Penaltyschiessen die zahlreich mitgereisten FCZ-Fans. Von den YB-Leihspielern blieb der spielstarke Eberhard eher blass, Vladi spielte einen entscheidenden Pass in die Tiefe beim 1:0 und vor allem Blum, der gute Perspektiven auf die Super League hat, gelang eine formidable Leistung. Dem Führungstreffer Yverdons kurz vor der Pause ging einer von mehreren unnötigen Ballverlusten Gogias voraus, den das Heimteam zu einem erfolgreichen Konter nutzte bei welchem Kryeziu Nebenmann Guerreros Chancen den Torschützen Beleck noch einzuholen überschätzte, und deshalb falsch stand.

Andy Gogia nutzt seine Freiheiten nicht

U17-Weltmeister Sead Hajrovic hatte im ersten Durchgang Rodrigo Pollero weitgehend im Griff. Rechtsverteidiger Lewin Blum agierte vorwiegend als Feuerwehrmann. Das Thema Feuerwehrmann war ein weiterer wichtiger Baustein für Yverdons Erfolg. Blum, Malula, Ninte und Co. blockten enorm viele Zürcher Abschlüsse – mehrmals in höchster Not. Ausserdem machte die rechte Zürcher Seite, vor allem Andy Gogia, viel zu wenig aus den gewährten Freiheiten in den ersten 45 Minuten. Da Yverdon unter anderem mit einer leicht nach rechts verschobenen Viererkette sehr viel in die Blockade der linken Zürcher Angriffsseite investierte, hatte Zürich über rechts Platz und auch häufig den Ball. Mehrmals konnte der Deutsche Zuspiele aber nicht stoppen, wartete am Ball wahlweise zu lange oder zu kurz und ging im Spiel ohne Ball naiv ins Pressing und in die Zweikämpfe. Von den fünf Partien, in welchen Gogia in dieser Vorrunde in der Startformation stand, erhielt er von Züri Live vier Mal eine ungenügende Note.

Ante Coric zu passiv und unkonzentriert

Der viel zu passive und unkonzentrierte Ante Coric war ein weiterer Akteur, der sich mit einem ungenügenden Auftritt im Stade Municipal einen Ausbau seiner Einsatzzeiten im Verlauf der Vorrunde verbaute. Schon in den ersten Minuten unterliefen ihm zwei schwerwiegende Fehlpässe und er liess nach einem Hajrovic-Fehler alleine vor Salvi eine Topchance leichtfertig liegen. In der 2. Halbzeit regte sich Trainer Breitenreiter an der Seitenlinie lautstark über Coric auf, als dieser den richtigen Zeitpunkt verpasste, im Hohen Pressing Torhüter Salvi zu attackieren.

Kostadinovic schien fürs Penaltyschiessen nicht parat

Torhüter Zivko Kostadinovic vermochte sich ebenfalls nicht zu profilieren. In der regulären Spielzeit kriegte der Waadtländer kaum etwas zu tun und musste in der 92. Minute erstmals eingreifen. In der Verlängerung war sein Positionsspiel mehrmals ungenügend (ähnlich wie manchmal beim Nummer 1-Torhüter Brecher). Vor allem aber wiegt in seinem Fall das Penaltyschiessen schwer. Der 29-jährige hat vor und während dem Spiel die Gegenspieler ganz offensichtlich in ihrem Passspiel und Abschlussverhalten nicht gut studiert – sonst hätte er die richtige Ecke deutlich häufiger geahnt. Mit zunehmender Dauer des Penaltyschiessens wurde Kostadinovic immer verzweifelter und machte es dem gegnerischen Schützen mit zu frühem Bewegen in fast immer die gleiche Ecke zu einfach. So konnte selbst Gegenpart Mirko Salvi seinen schlecht gechossenen Penalty im Netz zappeln sehen. Der aus Yverdon stammende Salvi spielte in seiner bisher besten Karrierephase in Lugano, wo er im Cupfinal 2016 gegen den FCZ im Letzigrund den entscheidenden Fehler beging und einen Ball vor die Füsse von Torschütze Sangoné Sarr fallen liess.

Pollero, Krasniqi und Doumbia im Fokus

Antonio Marchesano und Rodrigo Pollero vergaben ihre jeweils ersten Penaltys deutlich. Davor hatte sich Pollero in der Luft nie durchsetzen können, war im Antritt immer langsamer als seine Gegenspieler und antizipierte darüber hinaus viele Situationen zu spät. Immerhin legte er beim 1:1-Ausgleich nach Idealzuspiel Kryezius gut mit der Brust für Gnonto auf. Bledian Krasniqi, welcher beim fünften Penalty Nerven aus Stahl bewiesen hatte und souverän verwandelte, verschoss seinen zweiten. Kurz vor diesem hatte die hinter dem Tor postierte Zürcher Kurve, die zuvor angespannt das Shootout mitverfolgt hatte, plötzlich zu singen und zu hüpfen begonnen. Krasniqi wurde vor diesem zweiten Schuss sichtlich aufgeregter, als vor dem ersten, und befasste sich damit, Dreck zwischen den Stollen wegzuwischen. Bezeichnenderweise traf nach diesem Fehlschuss auf Yverdon-Seite Ninte mit seinem zweiten Penalty, nachdem sein erster der einzige der 22 Schüsse in diesem Elfmeterschiessen gewesen war, der von einem der beiden Torhüter gehalten werden konnte. Ousmane Doumbia ist Yverdon bis heute dankbar, dass er nach dem Abgang bei Servette ein paar Monate in der Promotion League unter Trainer Anthony Braizat Spielpraxis erhalten konnte. Der Ivorer begann das Cup-Spiel bei seinem Ex-Klub stark, baute dann aber mit zunehmender Spieldauer ab und kam bis zur 100. Minute gar auf eine ungenügende Note.

Guerrero profitiert von Yverdons taktischer Umstellung zur Pause

Situativ positionierte sich der FCZ zwar schon in der 1. Halbzeit zwischendurch im Spielaufbau im üblichen 3-4-1-2 mit Marchesano als Aufbauer auf der rechten Innenverteidigerposition. Auf die 2. Halbzeit hin wechselte man dann definitiv wieder auf diese Formation. Yverdon hatte dies wie erwähnt schon antizipiert und lief nun dementsprechend in einem 3-3-2-2 auf. Ninte kam für Eberhard rein und Zock wechselte auf die zweite Achterposition neben Kabacalman. Vladi bildete mit Beleck ein Sturmduo. Das physische Element verlagerte sich mit Ninte und Zock nun stärker auf die linke Yverdon-Seite. Der in der 1. Halbzeit noch relativ blass gebliebene Adrian Guerrero blühte daher nach der Pause auf – Boranijasevics Leistungskurve verlief dementsprechend umgekehrt.

Dudic verwehrt dem FCZ zwei Penaltys

Letztendlich hatte neben all den anderen Faktoren auch die Spielleitung Einfluss auf den Ausgang der Partie. Yverdons Fouls von hinten wurden durch Ref Dudic lange Zeit etwas zu wenig strikt geahndet. Von drei heiklen Szenen im Yverdon-Strafraum hätte zudem zwei Mal auf Penalty für den FCZ entschieden werden müssen. In der 69. Minute, als Silva am nahen Pfosten den nach einem Guerrero-Corner aufsetzenden Ball mit dem Oberarm nicht nur berührte, sondern regelrecht spielte – und in der 99: Minute, als Malula Guerrero zu Fall brachte.

Telegramm

Yverdon- Sport – FCZ 2:2 (1:0, 1:1, 2:2), 11:10 i.P.
Tore: 43. Beleck (Vladi) 1:0; 71. Gnonto (Pollero) 1:1; 94. Beleck (Ninte) 2:1, 104. Hornschuh (Gnonto) 2:2.
Yverdon – Salvi; Blum, Malula, Hajrovic, Gétaz (101. Jaquenoud); Silva, Eberhard (46. Ninte); Zock (101. Fargues), Kabacalman (79. Lusuena), Vladi (79. Eleouet); Beleck.
FCZ – Kostadinovic; Boranijasevic (67. Rohner), Hornschuh, Kryeziu, Guerrero; Doumbia (100. Krasniqi); Marchesano, Coric (67. Leitner); Gogia (46. Aliti), Pollero, Ceesay (46. Gnonto).


Stärkstes Pressing der Saison nutzt Luzerner Verunsicherung / FCZ – Luzern in der Züri Live-Analyse

Zum dritten Mal in Folge geht der FCZ nach einem Tor aus dem Hohen Pressing oder Gegenpressing mit 1:0 in Führung. Die Zürcher überliessen zu Beginn Luzern den Ball und praktizierten das bisher stärkste Pressing dieser Saison, noch stärker als beim Auswärtsspiel in Basel (mit einer der zwei bisherigen Vorrundenniederlagen). Vorausgegangen waren dem Treffer zügige Kombinationen mit zwei Seitenwechseln der Zürcher. Dies nachdem der FCZ zuvor über Wochen kaum mehr solche Treffer erzielt hatte.

Den Assist zum 1:0-Führungstreffer gegen den FC Luzern erhält bei Züri Live Nikola Boranijasevic gutgeschrieben. Dies obwohl er als Viertletzter am Ball war. Sein Zuspiel auf der rechten Seite versuchte Tosin erfolglos als Steilpass für Marchesano weiterzuleiten und erlief dann höchstselbst den verunglückten Querpass in den eigenen Strafraum des Luzerners David Domgjoni. Der Grund sind die Regeln, die bei der Bestimmung von Assists, Pre-Assists, Vorlagen und Pre-Vorlagen bei Züri Live seit langer Zeit angewendet werden. 
1. Die Vorlagenkette wird nur unterbrochen, wenn der Gegner mehr als eine Ballberührung hintereinander hat (egal ob durch einen oder mehrere Spieler). Eine einzelne Ballberührung gilt nicht als Ballkontrolle des Gegners. Daher zählt die FCZ-Passfolge vor dieser Ber¨ührung als Assist und Pre-Assists. 
2. Pro Tor oder Torchance wird jeder beteiligte Spieler nur einmal gezählt. Torschütze Tosin wird also nicht auch noch zusätzlich ein Assist gutgeschrieben, sondern dem Spieler vor ihm in der Vorlagenkette (Boranijasevic). Dies unter anderem, um die Anzahl Torbeteiligungen und Chancenbeteiligungen korrekt eruieren zu können. 
3. Bei direkt abgeschlossenen Penaltys und Freistössen wird die Vorlagenkette zur Entstehung des Penaltys oder des Freistosses berücksichtigt -  bei direkt abgeschlossenen Cornern oder indirekt abgeschlossenen Standards nicht. 

Chieffo macht den Tramezzani – mit komplett anderer Wirkung

Wie in der Vorschau beschrieben traf im Letzigrund ein bezüglich Personal und Grundformation eingespieltes Team auf einen Gegner mit vielen Veränderungen. Der neue Trainer Sandro Chieffo versuchte es im Vergleich zu seiner Auftaktniederlage gegen Basel mit weiteren personellen und taktischen Wechseln. Er passte das System dem Gegner an. Ein Vorgehen, welches Sion-Coach Tramezzani mit seinem Team zuletzt durchaus erfolgreich umgesetzt hatte, um seine Mannschaft zu stabilisieren. In Luzern scheint dieselbe Methode hingegen vor allem das eigene Team zu verwirren.

Luzern fehlen Automatismen / FCZ lässt nicht locker

Beim Aufbau hinten heraus fand die Luzerner Hintermannschaft die üblichen Anspielstationen auf den Flügeln nicht mehr. Nicht nur aus taktischen Gründen, sondern auch weil aus der Verunsicherung heraus mehrere Spieler beim FCL sich nicht exponieren wollten und im Zweifelsfall versteckten. Gleichzeitig versuchte der neu reingekommene Lorik Emini als alleiniger Sechser das Spiel an sich zu reissen. Er und Holger Badstuber standen sich mehrmals im Spielaufbau gegenseitig im Weg. Kosovo-Verteidiger David Domgjoni spielte beim 1:0 des FCZ Tosin den Ball in die Füsse. Der Nigerianer feierte sein Startelfdébut nach langer Verletzungspause und einer Reihe von gelungenen Joker-Einsätzen mit der frühen Führung.

Tosin an allen vier Toren beteiligt / Marchesano wieder „der Alte“

Domgjoni muss auch das 3:0 durch seinen Gegenspieler und Nationalteamkonkurrenten Mirlind Kryeziu auf seine Kappe nehmen. Tosin ist auch an diesem Treffer und damit an allen vier Zürcher Toren entscheidend beteiligt, denn er ist der Mann, der Domgjoni ohne eine Obstruktion zu begehen den Weg versperrt, wodurch Kryeziu entwischen kann. Auch nach diesem 3:0 in der 20. Minute liess das Team von Trainer Breitenreiter dem Gegner kaum Möglichkeiten zum Verschnaufen und eroberte weiterhin Bälle durch Pressing hoch in des Gegners Hälfte. FCZ-Angriffe durch die Mitte waren am gefährlichsten. Die frühe Auswechslung gegen YB (wenn auch wegen Gelb-Rot Gefährdung) könnte für Antonio Marchesano ein kleiner Weckruf gewesen sein. Gegen Luzern war der Tessiner nach einer zwischenzeitlichen kleinen persönlichen Baisse wieder überragend wie zu Beginn der Saison!

Kein Super League-Fussball mehr in 2. Halbzeit

Luzern kam durchaus zu seinen Chancen. Yanick Brecher stand bei einem Weitschuss von Filip Ugrinic in der 7. Minute falsch und rettete dafür in der 34. Minute gegen Marvin Schulz, als der FCZ erstmals ungenügend in die Defensive umgeschaltet hatte und zusätzlich für einmal Kryeziu und Aliti im eigenen Strafraum indisponiert waren. In der Zweiten Halbzeit gab sich Luzern dann zunehmend auf. In der Pause hatte Trainer Chieffo mit seinen Wechseln die Defensive gestärkt. Das sah dann in den zweiten 45 Minuten nicht mehr wirklich nach Super League-Fussball aus. Etliche Spieler konnten sich ohne allzu viel Gegenwehr durch die gegnerischen Reihen durchdribbeln. Trotz in dieser Phase FCZ-Konterchancen im Minutentakt stand es am Ende in der Expected Goals-Statistik nur 3:1 für den FC Zürich.

Telegramm

FCZ – Luzern 4:0 (3:0)
Tor: 2. Tosin (Boranijasevic) 1:0, 12. Marchesano (Tosin) 2:0, 20. Kryeziu (Guerrero) 3:0; 57. Tosin (Ceesay) 4:0.
FCZ – Brecher; Omeragic, Kryeziu, Aliti; Boranijasevic (78. Rohner), Dzemaili (88. Kamberi), Doumbia (78. Seiler), Guerrero; Marchesano; Ceesay (59. Kramer), Tosin (59. Gnonto).
Luzern – Müller; Burch, Badstuber, Domgjoni (46. Grether); Schulz, Emini (62. Tasar), Frydek; Gentner (79. Rupp), Ugrinic; Sorgic (46. Ndenge), Ndiayé (67. Cumic).

Mit Demut und Pragmatik den Bann gebrochen / FCZ – YB in der Züri Live-Analyse

Nach sieben langen Jahren ist der Bann gebrochen. Der FCZ gewinnt erstmals wieder in der Super League gegen YB. In dieser ganzen Zeit hatte man nie wirklich aus den Misserfolgen gegen die Berner gelernt. Eine solche Partie auf Züri Live in voller Länge zu kommentieren, welche trotz „guten Ansätzen“ zum dutzendsten Mal auf das übliche 0:4 zusteuerte, wurde mit der Zeit qualvoll. Man fragte sich immer wieder: Warum kann der FCZ nicht mal gegen YB so aufspielen, wie dies Servette immer wieder zustande bringt? Oder zumindest einen Punkt ermauern wie Lugano oder GC?

FCZ verwickelt YB in viele Zweikämpfe

Nur die Formbaisse YB’s hätte auch diesmal nicht gereicht. Es brauchte wirklich die davor jahrelang in solchen Spielen fehlende Pragmatik und Demut des Trainerduos Breitenreiter / Scholtysik, um die unheilvolle Serie zu brechen. Die Idee, der FCZ müsse auch gegen einen Gegner wie YB mitspielen, wurde hochkant über Bord geworfen. Der verführerische Stolz überwunden. Der FCZ stand deutlich tiefer als noch im mit 0:4 verlorenen Hinspiel im Wankdorf und verteidigte auf allen Positionen Eins zu Eins, Mann gegen Mann – und dies fokussiert sowie diszipliniert. Dies war auch notwendig, denn bei Aussenläufern, welche die gegnerischen Aussenverteidiger angreifen und einer Dreierabwehr, die sich Mann gegen Mann um den YB-Dreimannsturm kümmert, war in der Regel keine Absicherung vorhanden. Hefti und Garcia versuchten jeweils mit Vorstössen mit Ball am Fuss Richtung Zentrum die Blockade zu brechen, ihre Doppelpässe seitlich in der Angriffszone waren aber nicht erfolgreich. Viele Zweikämpfe, Fouls und Einwürfe brachen den Rhythmus des Spiels, was Aussenseiter FCZ zugute kam. Der Spitzenkampf wurde so schlussendlich zu einem der ereignislosesten Super League-Spiele der letzten Jahre. Normalerweise füllen die Notizen von Züri Live zu einem analysierten Spiel fünf bis sechs A4-Seiten – diesmal knapp anderthalb.

Ein Spiel für Fidan Aliti

Beide Mannschaften kamen kaum zu Abschlüssen. Die mit Abstand beste Torchance der 1. Halbzeit hatte Adrian Guerrero alleine vor YB-Keeper Guillaume Faivre nach Vorarbeit von Ceesay, Dzemaili, Doumbia und Aliti. Es war eine Abwehrschlacht mit 140 Top-Defensivaktionen, eine Partie, in welcher ein Fidan Aliti wieder mal so richtig in seinem Element war – so wie es letzte Saison häufiger der Fall gewesen war. Szenenapplaus erhielt der Linksfuss in der 38. Minute, als er im eigenen Strafraum auf dem Hintern rutschend Meschack Elia gezielt den Ball wegstibitzte. Mirlind Kryeziu hatte seinen Gegenspieler Jordan Siebatcheu fast komplett im Griff – so eng wurde in dieser Saison wohl noch kein Gegenspieler vom FCZ gedeckt. Becir Omeragic setzte zusätzlich zu seiner guten Defensivarbeit Offensivakzente.

Ante Coric desorientiert und unkonzentriert

In der 1. Halbzeit hatte das Zürcher Mittelfeldzentrum defensiv grosse Probleme. Dzemaili und Doumbia hatten ihre Positionen vor der Abwehr gegen Aebischer und Sierro nicht im Griff und waren in der Rückwärtsbewegung zu langsam. Antonio Marchesano musste nach zwei hohen Beinen gegen Christopher Martins vorsichtshalber schon vor der Pause ausgewechselt werden. Sein Ersatz Ante Coric wirkte desorientiert. Seine lasche Körpersprache setzte sich nahtlos fort in unüberlegte Aktionen. In der Nachspielzeit war das schlechte Zweikampfverhalten des Kroaten hauptverantwortlich dafür, dass Aebischer zu seinem Pfostenschuss (beste YB-Chance der Partie) kam und anschliessend nach einem unnötigen Foul Corics an Fabian Lustenberger nochmal einen Freistoss in Strafraumnähe treten durfte.

Probleme im Zentrum und „Maskottchen“ Kramer

Offensiv wurde das Zürcher Mittelfeldzentrum sowieso in der Regel mit Hohen Bällen aus der Hintermannschaft auf die Forwards überspielt und “innen vor“ gelassen. Dzemaili mit seinen Schwankungen zwischen Übermotivation und Passivität war erneut einer der fehlerbehaftetsten Spieler beim FCZ – diesmal wurde dies aber durch überdurchschnittlich viele gelungene Defensivaktionen (mehr als) kompensiert. Nach der Pause konnten sich Dzemaili und Doumbia dann steigern, ohne allerdings ihre Fehler ganz abstellen zu können. Bei Blaz Kramer verlief die Formkurve umgekehrt: mit mehreren engagierten und effektiven Defensivsprints und guten Kopfballweiterleitungen in die Partie gestartet, baute der Slowene nach der Halbzeitpause stark ab. Die Trainer scheinen ihn auch etwas als das „Maskottchen“ des Teams zu sehen – 6 Einsätze, 6 Siege. Mit weniger Einsätzen eine hundertprozentige Siegquote haben bisher auch Tosin, Kamberi und der zur Zeit zwischen Ersatzbank und Militärdienst pendelnde Seiler.

Joker Tosin nutzt Berner Schwachstelle

Wie so häufig in der Super League kam der FCZ in einem typischen 0:0-Spiel schlussendlich durch die Ausnutzung der Schwachstelle des Gegners zum Erfolg. Die Aussenverteidiger-Backups Lefort und Maceiras vermögen mit dem Niveau des Restes der gelb-schwarzen Mannschaft nicht mitzuhalten. Der zum dritten Mal eingewechselte Comebacker Tosin brachte zum dritten Mal entscheidende Impulse, stibitzte Maceiras im Pressing den Ball weg, bediente erst Doumbia, dann Boranijasevic, dieser liess ebenfalls Maceiras aussteigen und brachte mit dem schwächeren linken Fuss eine butterweiche für die Berner Abwehrreihe nicht zu verteidigende Flanke auf den mit idealem Timing startenden Wilfried Gnonto. Der 18-jährige Italiener feierte sein zweites Super League-Kopfballtor.

Telegramm

FCZ – YB 1:0 (0:0)
Tor: 83. Gnonto (Boranijasevic) 1:0.
FCZ – Brecher; Omeragic, Kryeziu, Aliti; Boranijasevic, Dzemaili (65. Hornschuh), Doumbia, Guerrero; Marchesano (42. Coric); Ceesay (82. Tosin), Kramer (65. Gnonto).
Young Boys – Faivre; Hefti, Bürgy (86. Lustenberger), Lauper, Garcia (62. Maceiras); Martins (84. Kanga); Aebischer, Sierro (62. Rieder); Elia (62. Mambimbi), Siebatcheu, Moumi.

Mut, Effizienz und des Gegners Ungeduld / Servette – FCZ in der Züri Live-Analyse

Im Stade de Genève präsentierte sich der FCZ von seiner effizienten Seite und holte aus einem relativ chancenarmen, ausgeglichenen Spiel einen 2:1-Auswärtssieg. Mit Mirlind Kryeziu gelang bereits dem dritten FCZ-Akteur in dieser immer noch relativ jungen Saison ein direktes Freistoss-Tor – das sechste insgesamt.

Dzemaili erneut besser auf der 6-er Position

Da Servette im Zentrum standardmässig mit zwei „Achtern“ spielt, agierte beim FCZ Blerim Dzemaili weiter hinten als zuletzt üblich auf einer Doppel-Sechs mit Ousmane Doumbia. Und nicht zum ersten Mal war seine Leistung auf dieser Position deutlich besser, als wenn er weiter vorne agiert. Dies gilt auch für seine zwar selteneren, aber dafür konkreteren Offensivaktionen.

Mutig hohes Pressing des FCZ wird belohnt

Der FCZ ging von Beginn weg ins Pressing mit den beiden Aussenläufern Guerrero und Boranijasevic, welche in sehr hoher Position die gegnerischen Aussenverteidiger anliefen. Die drei Verteidiger hinten spielten somit alle Eins-gegen-Eins und rückten bei einer Rückfallbewegung ihres Gegenspielers zudem weit ins Mittelfeld vor. Die mutige Spielweise wurde mit einer 2:0-Pausenführung belohnt, wobei das Breitenreiter-Team beim 1:0-Führungstreffer das für einmal hoch stehende Servette mit einem exzellent gespielten Aufbau von hinten heraus überwinden konnte. Entscheidend war dabei die hervorragende direkte Ablage Blaz Kramers aus vollem Lauf auf Adrian Guerrero, als der Slowene sich noch zwischen Ball und den verdutzten Anthony Sauthier zu stellen vermochte.

Servette nutzt kleine Pressingpausen beinahe aus

Die wenigen gefährlichen Offensivaktionen Servettes entstanden jeweils in Phasen, in welchen der FCZ eine kurze „Pressing-Verschnaufpause“ einlegte. Imeri und Clichy nutzten dies zu Vorstössen im Halbfeld in die gegnerische Hälfte, um von dort ihre gefährlichen weiten Flanken hinter die Abwehr zu spielen.

Exzellentes Comeback Tosins

Abgesehen von der einen, allerdings mitentscheidenden Aktion, war das Comeback Kramers nicht überzeugend verlaufen und er wurde wie schon vor der Partie abgemacht zur Pause für Wilfried Gnonto ausgewechselt. Dieser musste im Verlauf der Zweiten Halbzeit wegen Gelb-Rot-Gefährdung dem zweiten Comebacker Aiyegun Tosin Platz machen, welchem sowohl defensiv wie offensiv einige exzellente Aktionen gelangen. Exemplarisch in der 90. Minute, als der Nigerianer im eigenen Strafraum eine gefährliche Cornerflanke per Kopf vor dem einen Kopf grösseren Rodelin klärte und dann höchstselbst den darauffolgenden Pass hintenheraus von Ousmane Doumbia mit einem Sprint im Höchsttempo an der Mittellinie erlief und mit einer Ballberührung Aussenrist mit dem schwächeren linken Fuss ideal in die Mitte weiterleitete, wo Assan Ceesay dadurch alleine auf Torhüter Frick zulaufen konnte.

Servettes taktische Vorteile durch eigene Ungeduld zunichte gemacht

Im letzten Spielviertel stellte Servette-Coach Alain Geiger auf ein 4-1-2-1-2 (Rhombus-System) um. Diese Umstellung funktionierte zu Beginn ausgezeichnet. Der FCZ kam im Mittelfeld ins „Schwimmen“, weil der Gegner im Zentrum nun häufig in Überzahl war und sich sowohl horizontal wie vertikal nun vorwiegend in Zwischenräumen bewegte. Zum Glück für den FCZ verlor ein Teil der Genfer Mannschaft dann aber viel zu früh die Geduld. Anstatt weiterhin die Zwischenräume im Mittelfeld zu besetzen und den FCZ vor Probleme zu stellen, rannten die offensiv orientierten Spieler bereits ab einer Viertelstunde vor Schluss vermehrt alle nach vorne und warteten auf Hohe Bälle, während gleichzeitig die Aufbauer hintenheraus händeringend immer noch Anspielstationen fürs Kombinationsspiel suchten. Die individuelle Qualität des sich in der bisherigen Form seines Lebens befindlichen Kastriot Imeri reichte so zu nicht mehr als dem Anschlusstreffer.

Telegramm

Servette – FCZ 1:2 (0:2)
Tor: 28. Ceesay (Marchesano) 0:1, 44. Kryeziu (Freistoss, Ceesay) 0:2; 66. Imeri (Rodelin) 1:2.
Servette – Frick; Sauthier (59. Diallo), Rouiller, Severin, Clichy; Douline (90. Mendes); Imeri, Valls (59. Rodelin); Stevanovic, Kyei, Schalk (79.Antunes).
FCZ – Brecher; Omeragic, Kryeziu, Aliti; Boranijasevic (90.+2 Kamberi), Dzemaili (72. Hornschuh) Doumbia, Guerrero; Marchesano (72. Krasniqi); Ceesay, Kramer (46. Gnonto, 83. Tosin).

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