Grgic, Brecher und Domgjoni retten matten Zürchern einen Punkt / FCZ – Sion 1:1 in der Züri Live-Analyse

Spiel, Gegner und Taktik

Sion tritt im Letzigrund im gleichen System an wie ihr letzter Gegner St. Gallen (Schlussresultat ebenfalls 1:1), spielt aber einen komplett anderen Fussball, als die Ostschweizer. Statt Direktspiel in die Vertikale lässt man mit möglichst direktem, aber trotzdem kontrollierten Passspiel den Ball von links aussen nach rechts aussen und wieder zurück zirkulieren, um so im gegnerischen Abwehrverbund Lücken aufzureissen. Die Entstehung des 0:1 durch Luca Clemenzas erstes Super League-Tor ist ein Paradebeispiel dafür. Es ist das sechste Saison-Gegentor des FC Zürich in der Startviertelstunde.

Das unter Fabio Grosso entwickelte variable Positionsspiel der Walliser gestaltet sich im Ansatz sehr vielversprechend – es fehlt bloss in vielen Situationen noch an den Automatismen, speziell mit neuverpflichteten Spielern wie Lubomir Tupta. Ähnlich wie beispielsweise beim FC Basel bieten sich bei den Wallisern Zentrale Mittelfeldspieler genauso wie auch einer der Stürmer häufig ganz aussen an der Seitenlinie an, um auch schon im Mittelfeld die ganze Breite für den Spielaufbau zu nutzen. Speziell bei Sion ist, dass sich vor allem in der Ersten Halbzeit der gesamte Mittelfeld-Rhombus stark seitlich verschiebt, was die Walliser Mittelfeldspieler, die nicht zu den laufstärksten der Liga gehören, dann aber nicht über die gesamten 90 Minuten konsequent durchhalten können. Dies versucht der FCZ auszunutzen und spielt häufiger über die Seiten als sonst, vor allem die aktuell starke Linke Seite mit Aliti und Ceesay. Dies wird auch statistisch untermauert durch die bisher höchste von Züri Live in dieser Saison beim FCZ gemessene Anzahl Flanken. Dasselbe gilt für die Anzahl Steilpässe, die fast ausschliesslich ebenfalls über die Seiten gespielt wurden.

Massimo Rizzo schickt dasselbe Team auf den Platz wie beim Heimsieg gegen den FCB. Verschiedene Akteure wie beispielsweise Khelifi, Omeragic oder Aliti wirken gegen Sion aber etwas „müde“ beziehungsweise „überspielt“. Das Spiel illustriert, was für ein Vorteil es sein könnte, einen „zweiten Anzug“ zur Verfügung zu haben, dem man das volle Vertrauen schenken kann. Der FCZ profitiert in dieser Partie stark vom völlig misslungenen Auftritt ihres ehemaligen Juniors Anto Grgic auf der Gegenseite: schlecht getretener Penalty, weitere vergebene sehr gute Torchancen aus kurzer Distanz, und mehrere Ballverluste in der eigenen Platzhälfte – darunter auch diejenigen, welche zum Pfostenschuss Kramers und zum 1:1-Ausgleich führen. Sion verschiesst den zweiten Penalty hintereinander gegen den FCZ und Yanick Brecher hält den zweiten der letzten drei. Es ist ganz wesentlich Toni Domgjoni, der in der Folge die Differenz macht und voller Elan sowie Spielwitz die Partie immer mehr auf die Seite des FC Zürich ziehen kann.

„FCZ lange mit Sion-Gegenpressing nicht zurechtgekommen“ – Audio-Kommentare zum Spiel

Spielszene im Fokus

12. Minute – Luca Clemenza erzielt das 0:1

Im Anschluss an einen Sion-Eckball können die Walliser sich am Zürcher Strafraum installieren. Der FCZ findet zwar in seine Grundordnung zurück, ab einem bestimmten Zeitpunkt lässt aber das ballorientierte Verschieben nach. Omeragic und Doumbia lassen eine relativ grosse Lücke offen. Omeragic kommt dem in den Strafraum eindringenden Clemenza zwar noch halbherzig entgegen, dreht sich bei dessen Schussabgabe aber ab, um sich schmal (anstatt breit) zu machen.

Grösser als in einem Emmentaler erlaubt: das Loch in der Zürcher Defensivformation verursacht durch einen Moment des nachlässigen Verschiebens, welchen Luca Clemenza zu seiner Super League-Torpremière nutzt.

Personalien

Yanick Brecher (7) – Die langen Bälle des Zürcher Torhüters sind auch sonst jeweils besser als der Super League-Durchschnitt, diesmal gelingen sie aber besonders gut. Die 45 Meter-Bälle erreichen wie an einer Schnur gezogen Fidan Aliti oder Assan Ceesay an immer etwa derselben Stelle im Mittelfeld links an der Seitenlinie. Diese bekommen den Ball jeweils so serviert, dass sie ihn präzise in die Tiefe weiterleiten können. Der FCZ nutzt mit dieser Angriffsauslösung auch die taktische Formation des Sion-Mittelfeldes in einem Rhombus (in Deutschland „Raute“ genannt, SFL-Sprachregelung: „Diamant“) aus. Nachdem Yanick Brecher zuvor über Jahre hinweg alle Penalties reingelassen hat, hält er nach Moumi (YB) gegen Grgic (Sion) bereits den zweiten innert kurzer Frist! Mit dem von Serey Dié (ebenfalls Sion) bereits im November verschossenen Elfmeter gingen drei der letzten vier gegen den FCZ nicht rein. Die Zweite Halbzeit beginnt Brecher ungenügend und hat beispielsweise Mühe mit einer “Kerze“ von Omeragic im eigenen Strafraum.

Becir Omeragic (4) – Produziert unter anderem eine gefährliche “Kerze“ im eigenen Strafraum. In der Druckphase der Nachspielzeit wählt der Genfer bei einem vielversprechenden Konter die komplizierte Lösung mit einem Seitenwechsel in eine Zone, wo viele Gegenspieler stehen, anstatt des einfachen Steilpasses auf den völlig frei stehenden Schönbächler. Unverständlich seine Nomination ins „BLICK Team der Runde“.

Toni Domgjoni (9) – Nach dem von Yanick Brecher gehaltenen Penalty, ist es Toni Domgjoni, der stark aufdreht und die Mannschaft regelrecht mitreisst. Der Gesamteindruck von der Mannschaft ändert sich in dem Moment in erster Linie aufgrund eines Spielers. Gewinnt viele Bälle in der gegnerischen Hälfte im Pressing oder Gegenpressing, versteht sich sehr gut mit Fabian Rohner. Spielt sich im Laufe der Partie fast schon in einen Rausch mit zielgenauen Diagonalbällen und einem Dribbling, in welchem er den formstarken Wesley alt aussehen lässt. Im Spiel ohne Ball erschrecken Domgjonis Sprints die Gegenspieler manchmal so stark, dass sie vergessen, den Ball zu stoppen oder zu passen. Spielt ab der 79. Minute wieder auf der 10er-Position.

Ousmane Doumbia (3) – Das Auf und Ab seiner Leistungen geht weiter. Der Unterschied zu seinem Mittelfeldpartner ist: wenn Toni Domgjoni einen schlechten Tag hat, dann ist er Durchschnitt. Wenn Doumbia einen schlechten Tag hat, dann kippt die Bilanz seines Spiels ins Negative.

Salim Khelifi (2) – Nach drei ordentlich bis guten Leistungen hintereinander, stand gegen Sion wieder mal der „alte Khelifi“ auf dem Platz, der in vielen Situationen unkonzentriert wirkt, gedanklich zu wenig schnell von Verteidigen auf Angriff umschaltet und umgekehrt, und von dem man das Gefühl hat, er beherrscht kaum einen Quadratmeter seines Raumes.

Assan Ceesay (6) – Baut in der letzten Viertelstunde ab. Davor eine weitgehend gute Leistung. Seine Defensivarbeit wird immer wertvoller. Zur noch schnelleren Konterauslösung hat sich ein Automatismus eingespielt, dass Ceesay bei einem gegnerischen Eckball schon aus dem eigenen Strafraum heraus zum Gegenangriff startet, wenn der Ball auch nur schon halbwegs unter Kontrolle ist und der Zürcher in Ballnähe Ceesay gar nicht sieht. Durch Zurufen macht sich der Gambier bemerkbar und der Ball, wenn gewonnen, wird sofort in seine Richtung gespielt. Manchmal gelingen ihm gar technische Raffinessen wie ein präziser Absatzpass der Seitenlinie entlang auf Fidan Aliti, mit dem er sich gut versteht.

Blaz Kramer (1) – Birama Ndoye gehört zu den Defensivspielern mit eher beschränkten Qualitäten auf Schweizer Fussballplätzen, aber gegen Blaz Kramer konnte er sich profilieren. Der Slowene sieht kaum Land gegen den Senegalesischen Defensivhünen. Dazu kommt, dass Kramer wieder eine ganze Reihe von ausgezeichneten Umschaltmomenten mit zu geringer Handlungsschnelligkeit und Technik vermasselt und defensiv das ein oder andere Mal unaufmerksam ist.

Marco Schönbächler (1) – Auch wenn er sich zum Ende seines Einsatzes verbessert zeigt: der grösste Teil des Auftrittes ist so schlecht, dass es insgesamt nicht zu mehr als der Tiefstnote reicht. Mit dem Wechsel von Khelifi, der ebenfalls nicht seinen besten Tag erwischt hatte, zu Schönbi, gerät die Rechte Seite des FCZ mit dem offensiven Aussenverteidiger Rohner von einem Moment auf den anderen komplett „ins Schwimmen“. Dies bereits in der ersten Minute zwei Mal – aufgrund zu zaghaften Eingreifens. Sion hat dort nun völlig freie Hand. Auch das Passspiel sowohl als Absender wie als Empfänger ist über weite Strecken ein Graus.

Trivia

Timothy Fayulu beim Abstoss an einem sonnigen Winternachmittag im Letzigrund.
Crash zwischen Schiedsrichter Lukas Fähndrich und Sions José Aguilar abseits des Ballgeschehens.
Chilla will motiviert durch Blaz Kramers Ausgleichstreffer ebenfalls mitspielen und den Sieg für die Weissen holen.
Abstoss Yanick Brecher und Hohes Pressing von Sion aus der Lehrbuch-Perspektive.

Telegramm

„Domgjoni will unbedingt den Sieg“ – Audio-Highlights des Spiels

FC Zürich – Sion 1:1 (1:1)
Tore: 12. Clemenza (Tupta) 0:1, 39. Kramer (Marchesano) 1:1.
FCZ – Brecher; Rohner, Omeragic, Nathan, Aliti; Domgjoni (90. Winter), Doumbia; Khelifi (67. Schönbächler), Marchesano (79. H. Kryeziu), Ceesay; Kramer.
Sion – Fayulu; Wesley, Ndoye, Abdellaoui, Theler; Zock; Aguilar (83. Baltazar), Grgic; Clemenza (83. Tosetti); Karlen (60. Hoarau), Tupta (90.+1 Bamert).

(Standbilder: Blue)

„Bitte keine Überzahl!“ – Saison-Recap, 1. Teil

Auf zuerilive.ch begann die Saison mit einer Neuerung: die Analyse der Spiele wurde nochmal stark ausgebaut und rund 20-30-minütige Videopodcasts zu jedem Spiel produziert. Dieses Setting musste nach der fünften Partie gegen St. Gallen aus Zeitgründen vorläufig wieder aufgegeben werden. Auch wenn es im Dezember nach dem 0:5 zu Hause gegen Servette nochmal zu einem weiteren Video-Podcast kam. Dank dem spontanen Entscheid im Sommer konnten Erfahrungen mit dem Format gesammelt werden. Klar ist: neben den üblichen Vorschauen, Live-Übertragungen, Interviews, Audio-Zusammenschnitten der Spiele, Analyse-Artikeln, Pre-Match Artikel zu den Aufstellungen, News, allgemeinen Themen, Testspielen, Organisation etc. auch noch zu jedem Spiel einen Video-Podcast zu erstellen, würde das Projekt Züri Live praktisch zu einem full-time Job machen, was es im ersten Monat der Saison dann auch war.

Für die Zukunft ist als realistischere Variante angedacht: eine monatliche oder zweimonatliche Gesprächsrunde in Form einer Live-Sendung, welche danach sowohl als Audio-Podcast wie (unterlegt mit Statistiken und Bildern) auch als Video-Podcast publiziert wird. Zum Ende der Hinrunde und zu Beginn der Rückrunde wurden die Spiele dann wieder im Detail analysiert und wie in den letzten Jahren üblich Analyse-Artikel publiziert. Dazwischen gab es aber 14 Wettbewerbsspiele, die aus Zeitgründen nicht analyisiert werden konnten. Diese Lücke in den Züri Live-Daten soll nun geschlossen werden, bevor es mit Fussball wieder weitergeht. Erinnert Euch somit nochmal zurück an die verschiedenen Phasen der Vorrunde und die Entwicklung des Teams…

Durch neu verpflichtete Spielertypen wie Mimoun Mahi, Blaz Kramer oder Denis Popovic verschob sich das Stärken-/Schwächen-Profil des Teams noch mehr in Richtung „Kontermannschaft“, was sich im Verlauf des heissen Sommers unter anderem in den Testspielen exemplarisch zeigte. Mehr denn je hatte der FCZ nun eine Mannschaft, deren Offensivleute im Spiel mit dem Ball Platz brauchen. Den fanden Kramer in der Regionalliga und Mahi in der Eredivisie, wo die Teams der unteren Tabellenhälfte im Vergleich zur Super League defensiv nur mässig gut organisiert auftreten, zur Genüge vor. Popovic hatte bereits in Orenburg in einer erfolgreichen Kontermannschaft gespielt. Ähnlich wie Antonio Marchesano kann der Slowene als Ballverteiler in so einem Team aufblühen. Gegen ein Offensiv-Pressing gegen kompakt agierende Gegner sprach zudem die eher niedrig entwickelte Laufstärke der Zürcher Offensivreihe.

Mit Nathan kam nach den Abgängen von Alain Nef und Andreas Maxsö ein Mentalitätsspieler für die Innenverteidigung. Ein weiterer Innenverteidiger wurde nicht verpflichtet, weil der FCZ grosse Stücke auf das ein Jahr zuvor verpflichtete Talent Becir Omeragic hält und somit das Quartett zusammen mit Umaru Bangura und Mirlind Kryeziu komplett war. Dass Willie Britto „erst“ mit 22 Jahren den Weg aus der Ivorischen Liga nach Europa zum FCZ fand, zeigt, dass er nie zu den grossen Talenten seines Landes gezählt hatte. Dafür bringt er viel Wucht in seinen Aktionen und einiges an Abgeklärtheit mit. Mit der Verpflichtung des spielerisch starken Vasilije Janjicic wollte man mit einer Rückholaktion auch einmal selbst von der eigenen Ausbildung profitieren und solche Spieler nicht immer nur der Konkurrenz überlassen. „Hilfreich“ waren dabei sicherlich die Schlagzeilen, die Janjicic in Hamburg neben dem Platz geliefert hatte. Damit wurde er im Gegensatz zu anderen FCZ-Talenten im Ausland für den Stadtclub erschwinglich und der Spieler selbst empfand die Rückkehr zum FCZ als einen persönlichen Schritt nach vorne.

Ganz entgegen der Erkenntnisse aus den Testspielen lief der FCZ dann aber im ersten Saisonspiel im Letzigrund gegen Lugano bei brütender Hitze den Gegner hoch an. Speziell Denis Popovic, welcher nicht die ganze Vorbereitung hatte mitmachen können, rückte jeweils zu spät auf seine Position, was die konterstarken Tessiner (Schlussresultat: 0:4) jeweils gnadenlos ausnutzten. Erschwerend kam hinzu, dass das speziell bei diesen Temperaturen wichtige erste Tor aufgrund eines unrechtmässigen Penaltys (Schwalbe Sabbatini) zustande gekommen war. Beim zweiten Spiel in Luzern (0:0) stand der FCZ deutlich tiefer als in der ersten Partie und kam auf diese Art und Weise einem Auswärtssieg nahe. Der FCZ hielt dabei gegen einen Gegner, mit dessen physischen Qualitäten man in den letzten Jahren häufig Probleme gehabt hatte, kämpferisch gut dagegen und liess kaum eine gegnerische Torchance zu. Drei erfolgsversprechende Umschaltsituationen wurden von Ref Klossner wegen angeblicher Foulspiele zu Unrecht unterbunden – und Marco Schönbächler blieb mit einem tollen Weitschuss der Lucky Punch knapp verwehrt.

In Sion (1:3) erhielt der FCZ beim Stand von 1:1 in der 71. Minute die Chance zum 2:1-Führungstreffer, aber der in der Vergangenheit über die Sion U21 den Sprung in den Profifussball schaffende Benjamin Kololli verschoss den (eher glücklich zugesprochenen) Penalty. Auch von der anschliessenden numerischen Überzahl (Unsportlichkeit des den Penalty „verursachenden“ Abdellaoui) konnte der FCZ nicht profitieren – im Gegenteil. Die Zürcher suchten aufgrund der Überzahl den Auswärtssieg zu hektisch-überhastet und verloren so die Partie durch zwei Treffer des ehemaligen GC-Juniors Kasami.  Gegen Xamax (2:2) hatte der FCZ genau wie in Sion numerische Überzahl und die besseren Torchancen. Schönbächler erzielte zudem zum ersten Mal seit einem Jahr wieder einmal ein Tor. Man vergab aber kurz vor Schluss durch ein „Tor des Jahres“ von Gaëtan Karlen die drei Punkte – auch weil (durch Mimoun Mahi) wie in Sion erneut ein Penalty verschossen wurde. Gegen das von seiner Spielweise her dem FCZ liegende St. Gallen kommt es im fünften Spiel dann zum ersten Saisonsieg (2:1). Böse Zungen behaupten, dass dieser nur zustande kam, weil Zürich nach dem Platzverweis des übermotivierten ehemaligen FCZ-Juniors Miro Muheim (der beim „Rückspiel“ vor der Winterpause zudem den frühen Führungstreffer des Stadtclubs ins eigene Netz ablenkte) nicht lange in Überzahl spielen „musste“, weil kurz darauf Mirlind Kryeziu ebenfalls Gelb-Rot sah. Vor allem aber vermochte man sich gegen den hoch pressenden Gegner gut hintenheraus zu lösen und dann die sich auftuenden Räume mit erfolgreichen Kontern zu nutzen.

 

Hier gehts zu Teil 2: „Not macht erfinderisch“

Hier gehts zu Teil 3: „Simon Sohm erobert Stammplatz“

Konterstarker FCZ profitiert von St. Galler Abschlussschwäche: FCSG – FCZ 1:3 Analyse

Beim letzten Hurra der Vorrunde beflügelte das ausverkaufte Haus in St. Gallen vor allem das Team von Ludovic Magnin. St. Gallen musste nach sechs niederlagenlosen Heimspielen in Serie erstmals wieder alle drei Punkte an den Gast abgeben. Einen Tag nach der Abdankungsfeier für Köbi Kuhn im Grossmünster und eine Woche nach der Kanterniederlage im Letzigrund gegen Servette zeigte der FCZ in der Ostschweiz sein «Cupgesicht». Der Gegner aus der Gallusstadt schlug wortwörtlich von der ersten Sekunde an ein ausserordentlich hohes Tempo an. Bereits in den ersten 20 Sekunden der Partie nach Anstoss St. Gallen kam es zu nicht weniger als fünf Zweikämpfen. Für den FC Zürich ging es erstmal darum, die anrollende Flut zu stoppen und einzudämmen. Und er schaffte es tatsächlich, die Mehrheit der Zweikämpfe in der Anfangsphase der Partie zu gewinnen. Die Grün-Weissen setzten die Pace, die Blau-Weissen schafften es erfolgreich, sich nicht abschütteln zu lassen. Beide Teams spielten emotional, aber gleichzeitig auch sehr fair. In der letzten halben Stunde ging St. Gallen dann etwas die Luft aus.

Die Rückkehr der gesperrten Kramer und Tosin sowie ein gegenüber dem Servette-Spiel verbesserter Pa Modou waren eminent wichtig für den Zürcher Auftritt. Mirlind Kryeziu stand abgesehen von seinem Foul an Silvan Hefti im eigenen Strafraum hinten wie eine Wand. Alle drei Treffer erzielte der FCZ auf Konterangriffe (darunter ein Penalty als Folge eines Konters). Dies scheint die These von Züri Live zu stützen, dass Konterfussball den individuellen Qualitäten und Neigungen dieser Mannschaft am besten entspricht. Ganz besonders trifft dies auf MVP Antonio Marchesano zu, welcher nicht nur bei allen drei Zürcher Treffern seinen Fuss entscheidend im Spiel hatte, sondern während annähernd seines ganzen Einsatzes eine gute bis sehr gute Leistung auf den Platz brachte.

Vor dem 1:0 offenbarte sich das verbesserte Spielverständnis zwischen «Tonino» und Sturmspitze Blaz Kramer, als der Slowene auf der linken Seite viel geistesgegenwärtiger als zu Beginn der Saison auf Marchesanos Idee einging. Ausgerechnet der ehemaliga FCZ-Junior Miro Muheim, der sich für die Partie speziell viel vorgenommen hatte, fälschte den Abschluss von Marco Schönbächler entscheidend ab. Das 2:1 erzielte Marchesano souverän per Penalty, was in dieser Saison beim FCZ nicht als selbstverständlich gelten kann. Vor dem 3:1 durch Aiyegun Tosin verlangte der Tessiner nach dem Ballgewinn von Sohm und Schönbächler sofort den Ball, liess zielstrebig Quintilla und Letard aussteigen, und lancierte Tosin erfolgreich in die Tiefe.

Zum dritten Mal in dieser Super League-Vorrunde gewann der FCZ eine Partie, obwohl er ein negatives Verhältnis von Expected Goals hatte (den umgekehrten Fall gab es ebenfalls drei Mal). Von St.Gallen konnten in dieser Partie aufgrund der Torchancen 2,69 Treffer erwartet werden, vom FC Zürich nur 1,43. Das Resultat lautete aber am Ende 1:3 zu Gunsten der Gäste. Das Spiel lief komplett für den FC Zürich mit einem frühen Führungstreffer durch einen abgelenkten Schuss, dann ein Penalty kurz vor der Pause und das 3:1 kurz nachdem St. Gallen-Trainer Peter Zeidler mit dem Wechsel „Guillemenot für Stergiou“ in der 71. Minute das Risiko wesentlich erhöht hatte. Der FCZ vermochte im Kybunpark im Vergleich zum 2:1-Heimsieg gegen den gleichen Gegner nur 58% so viele Top-Offensivaktionen zu verzeichnen. Das Eckballverhältnis war 10:3 zugunsten des FCSG. Nach einem Corner entstand dann auch das einzige St. Galler Tor per Penalty. Dieses wäre allerdings wohl irregulär gewesen, denn der im Strafraum von Mirlind Kryeziu gefoulte Silvan Hefti stand beim Zuspiel von Boris Babic mit grosser Wahrscheinlichkeit im Offside.

Allerdings war gleichzeitig auf der anderen Seite auch der Penalty für den FCZ in der 44. Minute sehr streng gepfiffen. Wie wichtig die Rückkehr der im St. Gallen-Spiel gesperrten Blaz Kramer und Aiyegun Tosin ins Team war, zeigte sich unter anderem bei den Toren. Tosin erzielte den dritten, Kramer bereitete sowohl den ersten wie auch den zweiten Treffer vor. MVP Antonio Marchesano war an allen drei Treffern entscheidend beteiligt. Genauso Marco Schönbächler, dem allerdings im Gegensatz zu Marchesano in seinen übrigen Aktionen praktisch nichts gelang und der defensiv auf seiner linken Seite im Mittelfeld Hefti und Görtler so gut wie nie bremsen konnte. Schönbächler, der schon gegen Servette eine Woche davor der schlechteste Zürcher gewesen war, eignet sich somit als Symbolfigur für einen einerseits glücklichen, aber auch dank der richtigen Taktik und Einstellung zustandegekommenen FCZ-Auswärtssieg. Genauso wie in einem anderen Sinne Nathan, der 73% seiner Zweikämpfe gewann, aber nur 36% seiner Pässe zu einem Mitspieler befördern konnte. Etwa das Gegenstück zu Nathan ist beispielsweise der eingewechselte Mahi, welcher 60 Meter-Bälle von Yanick Brecher elegant aus der Luft mitnahm oder weiterleitete, gleichzeitig aber Zweikämpfen, speziell solchen in der Luft, weiterhin konsequent aus dem Weg ging.

In St. Gallen spielte der FCZ so wenige Pässe (241) wie noch nie in dieser Saison und hatte im Vergleich mit den anderen Saisonpartien die mit Abstand schlechteste «Passgenauigkeit» (65.15%) zu verzeichnen. Das lag nicht an mangelnder Konzentration, sondern daran, dass der FCZ bei Ballgewinn jeweils möglichst schnell und direkt umschaltete. Es kam auf FCZ-Seite zu einer Saisonrekordzahl von 146 Ballverlusten, davon ebenfalls rekordhohe 48 Ballverluste im Verteidigungsdrittel. Normalerweise überlebt man solche Statistiken gegen St. Gallen nicht, aber die Grün-Weissen hatten an dem Tag das Zielwasser schlecht eingestellt und brachten nur sechs ihrer 27 Abschlüsse (St. Galler Saisonrekord) aufs Zürcher Gehäuse. Auch die Verhältnisse bezüglich Ballbesitz waren eindeutig – noch nie zuvor in dieser Saison hatte der FCZ das Leder nur zu 33.93%, also halb so lange wie der Gegner, in seinem Besitz gehabt.

St. Gallen – FCZ 1:3 (1:2)

Tore: 3. Schönbächler (Kramer) 0:1, 28. Quintilla (Penalty, S. Hefti) 1:1, 44. Marchesano (Penalty, Kramer) 1:2; 74. Tosin (Marchesano) 1:3.

St. Gallen: Stojanovic; S. Hefti, Stergiou (71. Guillemenot), Letard, Muheim; Quintilla: Görtler, Ruiz; Itten; Babic (84. Staubli), Demirovic.

FCZ: Brecher; Rüegg, Nathan, M. Kryeziu, Pa Modou; Sohm, Domgjoni; Tosin, Marchesano (79. Janjicic), Schönbächler (89. Kololli); Kramer (53. Mahi).

 

 

Marathonprogramm der U18-Jungs – FCZ mit letztem Aufgebot bei FCWB zum 1:1

Die Nationalteam-Aufgebote hatten vor Wochenfrist sicherlich die eine oder andere Augenbraue eines FCZ-Fans nach oben ziehen lassen. Denis Popovic: bisher mit dem FCZ noch überhaupt nicht in die Gänge gekommen – aber Slowenien wollte ihn unbedingt aufbieten. Assan Ceesay: Ladehemmungen beim FC Zürich, aber für Gambia so wie es aussieht unverzichtbar. Pa Modou Jagne: bis vor wenigen Tagen noch vertragslos, trotzdem für die Nati aufgeboten – genauso wie der in der U21 eher zur zweiten Garde zählende Michael Kempter. Willie Britto agierte bisher bemüht, aber Bäume ausgerissen hat der junge Ivorer in Zürich noch nicht: die Elfenbeinküste bot ihn auf. Umaru Bangura natürlich mit Sierra Leone unterwegs.

Auch für das zuletzt aufstrebende Georgien musste trotz zuletzt sehr schwankender Auftritte Levan Kharabadze natürlich mitkommen.  Mirlind Kryeziu feierte auf der Ersatzbank von Kosovo einen historischen 2:1-Sieg gegen Tschechien in der EM-Qualifikation. Sohm, Sauter, Janjicic und Domgjoni sind mit der Junioren-Nati unterwegs. Neben Winter, Rüegg sowie Hekuran Kryeziu werden zudem Kramer, Brecher, Mahi und Omeragic als verletzt gemeldet. Neuverpflichtung Tosin Aiyegun konnte noch nicht aufgeboten werden. Und Izer Aliu mit Lavdim Zumberi verhalfen parallel der U21 im Heerenschürli gegen Köniz (4:2) zum ersten Saisonsieg, womit das Team von Marinko Jurendic über den „Strich“ sprang.

Aus der U21 für das Testspiel gegen Wettswil-Bonstetten abgestellt wurden hingegen mit Marvin Graf, Doriano Tanzillo und Arlind Dakaj drei Spieler, die im Heerenschürli wohl auf der Bank begonnen oder gar überzählig bzw. gesperrt gewesen wären. Graf zeigte sich auf der ungewohnten Rechtsverteidigerposition engagiert und vermochte über rechts mit seiner Geschwindigkeit Druck zu machen. Das Gegentor in der Nachspielzeit durch den aufsässigen ehemaligen FCZ-Junior Philipp Allemann fiel dann aber ebenfalls über seine Seite. In der 1. Halbzeit hatte zudem Routinier Nikola Marjanovic für das Heimteam einen (annullierten) Treffer aus Offsideposition erzielt. Fans von Mihai Tararache werden hoffen, dass es Arlind Dakaj in die 1. Mannschaft schaffen wird, denn seit dem Rumänischen Mittelfeldspieler hatte der FCZ nicht mehr einen Spieler, welcher im Mittelfeld dem Gegner so auf die Pelle rückt, wie Dakaj. Zusätzlich schlug der 17-jährige Defensive Mittelfeldspieler auch die Eckbälle mit Links von der rechten Seite und spielte die vollen 70 Minuten plus Nachspielzeit.

Tanzillo konnte sich hingegen nur in Szene setzen, wenn man ihm Raum liess. Das war aber in der 1. Halbzeit mehrmals der Fall, denn der ehemalige FCZ-Junior Luca Rüegger agierte bei „WB“ für einen Linksverteidiger ziemlich offensiv und konnte seine Seite häufig nicht „zumachen“. Neben Allemann und Rüegger wurde beim die Einweihung des neuen Kunstrasenplatzes und gleichzeitig das 40 Jahr-Vereinsjubiläum feiernden FCWB vor einer schönen Kulisse für die 2. Halbzeit im Sturm auch noch Milos Grujicic eingewechselt, der bis vor zwei Monaten in der FCZ U18 gespielt und den Sprung in die U21 nicht geschafft hatte.

Weder der Tabellenführer der 1.Liga Gruppe 3, noch der Gast von der anderen Seite des Üetlibergtunnels spielte sich, zumal in der 1. Halbzeit. viele Torchancen heraus. Aufgrund der Personalsituation des FCZ wurde die Spielzeit der Partie auf 2×35 Minuten verkürzt. Auf der FCZ-Bank sassen nur zwei Feldspieler – als Ersatzkeeper auf dem Matchblatt als einsatzbereit gemeldet wurde Goalie-Trainer Davide Taini. Anders als unter der Woche in Schaffhausen Novem Baumann wurde Taini in Wettswil aber nicht (als Feldspieler) eingewechselt.

Die verkürzte Spielzeit war vor allem wegen dem Marathonprogramm der vier beim FCZ eingesetzten U18-Spieler Andi Hoti, Silvan Wallner, Diego Corvalan und Kedus Haile-Selassie notwendig. Um 14 Uhr standen die vier im Heerenschürli in der U18-Partie gegen den FC Thun in der Startformation. Nach dem klaren 5:0 blieb weniger als eine halbe Stunde Zeit, um das Quartett quer durch die Stadt und auf die andere Seite des Üetlibergs zu verfrachten und dort angekommen gleich wieder zum Warmlaufen zu schicken. Wallner agierte ansprechend,  der 16-jährige Andi Hoti war bereits in Schaffhausen zum Einsatz gekommen und agierte auch auf dem „Moos“ für sein Alter solide. Mit dem ein Jahr älteren Silvan Wallner (ebenfalls gelernter Innenverteidiger) tauschte Hoti zur Pause die Position, so dass beide eine Halbzeit als Linksverteidiger agierten. Diego Corvalan hatte in der 1. Halbzeit auf rechts relativ viel Ballbesitz, konnte aber weniger überzeugend auftreten, als seine U18-Kollegen, zu welchen Kedus Haile-Selassie gehörte. Der Mittelfeldspieler agierte im Zentrum spielerisch mit guten Ansätzen, ballsicher und wurde seinem Ruf als der „talentiertere Haile-Selassie“ gerecht.

Mit Kedus Haile-Selassie, Corvalan, Dakaj und Tanzillo kamen vier Talente zu ihrem Début in der 1. Mannschaft des FCZ. Von den wenigen eingesetzten arrivierten Spielern kam hingegen wenig Erspriessliches. Marco Schönbächler verlor viele Bälle, Benjamin Kololli agierte gewohnt schlampig, unter anderem in einer vier gegen zwei-Kontersituation nach einem WB-Corner, als sein Pass auf Tanzillo viel zu unpräzise gespielt wurde. Immerhin vermochte der zuletzt angeschlagen gewesene Kosovarische Nationalspieler wieder mal einen Penalty zum 1:0 zu verwandeln, nachdem Claudio Thalmann knapp innerhalb des Strafraums mit ausgetrecktem Arm eine Flanke Marvin Grafs abgefälscht hatte. Antonio Marchesano versuchte immer wieder etwas spielerisches Flair in die Partie zu bringen, allerdings häufiger erfolglos als erfolgreich. Einzig Nathan wurde den Erwartungen gerecht, und bestätigte den Eindruck als aktuell konstantester Zürcher.

Wettswil-Bonstetten – FCZ 1:1 (0:0) – 2×35 Minuten

Tore: 38. Kololli (Handspenalty) 0:1, 70.+2 Allemann 1:1.

FCZ: Hadzikic; Corvalan (36. Graf), Wallner, Nathan, Hoti; Dakaj, Marchesano; Tanzillo (36. K. Haile-Selassie), Schönbächler, Kololli; Kasai.

Fehlende Spritzigkeit und Defensivprobleme in Henau gegen den VfB Stuttgart

Der FCZ verliert beim bereits fünften Vorbereitungsspiel auf die neue Saison zum ersten Mal und dies mit dem klaren Ergebnis von 3:5. Positiv zu vermerken ist, dass mit den weiteren drei Toren bereits 13 Treffer in Testpartien erzielt werden konnten und Stürmer Assan Ceesay in jeder dieser Partien sein Tor beisteuerte. Wie schon in der Rückrunde nutzt der FCZ vermehrt die Schnelligkeit des Gambiers bei langen Bällen hinter die gegnerische Abwehr – das ist sein Spiel, welches gegen einen ziemlich hoch stehenden Gegner wie die neue Ausgabe von Stuttgart natürlich am besten zur Geltung kommt.

Ganz allgemein vermochte der FCZ in dieser Partie so schnell und zielstrebig in die Offensive umzuschalten, wie man es noch selten zuvor von diesem über Jahre hinweg stark ballbesitzorientierten Team gesehen hat. In diesem Bereich hat man ganz offensichtlich gearbeitet. Nach dem erfolgreichen gemeinsamen Mittelfeldpressing wurde der Ball häufig sofort zu Marchesano gespielt und dieser schickte den bereits zuvor startenden Ceesay ebenso schnell und direkt in in die Tiefe. So beim 1:1-Ausgleich, als Omeragic und Zumberi den Ballgewinn Sohms ermöglichten, der sofort Marchesano bediente. Beim 2:2 war es dann Bangura, der im Mittelfeld antizipierte und sofort Marchesano in die Tiefe schickte und dieser vor Torhüter Bredlow cool blieb. Anders als etwa zehn Minuten zuvor Neuzugang Mimoun Mahi, der nach einem von Vanins direkt hinter die Stuttgarter Abwehr gespielten Ball vor dem Schwäbischen Keeper zu überhastet agierte.

Auch der neuverpflichtete Blaz Kramer kam in der Zweiten Halbzeit zur ein oder anderen guten Aktion und holte unter anderem den Penalty zum 3:3 heraus. Es hätten durchaus noch weitere Tore für den FCZ fallen können, so verweigerte der Referee Assan Ceesay in der Ersten Halbzeit einen Elfmeter, den man  hätte pfeifen können, Marchesano setzte in der 43.Minute nach einem Bredlow-Fehler seinen Lupfer Zentimeter am rechten Pfosten vorbei – und zu Beginn der Zweiten Halbzeit vergab Benjamin Kololli nach einem schönen weiten Ball von Bangura eine «Hundertprozentige» alleine vor dem gegnerischen Gehäuse. Die beiden Treffer von Al Ghaddioui zum 2:3 und 3:4 für Stuttgart sind zudem wohl beide aus einer (knappen) Offsideposition erzielt worden.

Sehr viele aus der Schweiz stammende VfB-Fans waren in Henau zugegen bei einem in der 1. Halbzeit bei Wind und leichtem Regen ausgetragenen Spiel. Die Bundesliga-Absteiger traten mit einigen «Stars» wie Castro, Didavi oder Gomez in der Startformation an bei ihrem Zwischenstopp wenige Kilometer vor ihrem Trainingslager-Quartier Abtwil. Auch für den FCZ lag der Spielort auf dem Weg ins Trainingslager – bis zu ihrem Bestimmungsort im Österreichischen Ried im Oberinntal (wenige Kilometer unterhalb des Unterengadins) war für das Team nach der Partie dann aber noch ein schönes Stück zu fahren.

Auch wenn der FCZ einzelne gute Aktionen speziell im Spiel nach vorne hatte, war die Spritzigkeit des Letzigrundteams an diesem Nachmittag insgesamt deutlich tiefer, als diejenige der Stuttgarter. Speziell in der Rückwärtsbewegung war dies am meisten spürbar. In der Abwehrreihe offenbarten Akteure wie Mirlind Kryeziu, Ilan Sauter, Lindrit Kamberi oder Yassin Maouche zudem noch grundsätzliche qualitative Mängel. Bei den ersten beiden Gegentreffern passten die Innenverteidiger Kryeziu (0:1) und Bangura (beim 0:2) nicht auf und brachten so Omeragic jeweils gegen zwei gegnerische Angreifer ini Unterzahl.

Lavdim Zumberi vermochte nicht zum ersten Mal in dieser Sommervorbereitung auf der Sechserposition nur teilweise zu gefallen. Die eingewechselten Domgjoni und Popovic machten ihre Sache allerdings noch schlechter. Der Slowene rannte bei seinem FCZ-Début vier Tage nach seiner Verpflichtung Ball und Gegner erstmal nur hinterher. Der zur Pause hereingekommene Marco Schönbächler agierte bis zur Hereinnahme von Yann Kasai als zweiter Stürmer neben Blaz Kramer, ohne allerdings dabei Torgefahr auszustrahlen und in der Schlussphase mit mehreren Ballverlusten, die zu schnellen Gegenstössen führten. Levan Kharabadze war wie schon gegen Rapperswil-Jona in seinem Einsatz inexistent, zum Beispiel beim Konter über seine Seite, der zum 3:5 führte-

FC Zürich – VfB Stuttgart 3:5 (2:2)

Tore: 9. Gomez (Awoudja) 0:1, 15. Ceesay (Marchesano) 1:1, 21. Didavi (Penalty, Gonzalez) 1:2, 42. Marchesano (Bangura) 2:2; 52. Al Ghaddioui (Mangala) 2:3, 55. Kololli (Penaltynachschuss, Kramer) 3:3, 74. Al Ghaddioui (Klimowicz) 3:4, 82. Coulibaly (Klimowicz) 3:5.

FC Zürich: Vanins; Omeragic (62. Sauter), Bangura (78. Kamberi), M. Kryeziu (46. Kharabadze), Britto (78. Maouche); Zumberi (62. Domgjoni), Sohm (62. Popovic); Khelifi (78. Kasai), Marchesano (46. Schönbächler), Mahi (46. Kololli); Ceesay (46. Kramer).

VfB Stuttgart: Bredlow (46. Kobel); Stenzel, Awoudja (72. Mack), Kaminski (46. Kempf), Grözinger (62. Insua); Karazor (46. Mangala); Castro (72. Massimo), Ascacibar; Didavi (72. Klimowicz); Gonzalez (46. Al Ghaddioui), Gomez (62. Coulibaly).

 

Erfrischender Auftritt, deutlich besseres Mittelfeld / FCZ – St. Gallen 1:1 Analyse

Gegen den FC St. Gallen, der mit drei Siegen (darunter ein 4:1 gegen YB) in den letzten vier Partien zum Ende der Saison 18/19 nochmal in Fahrt gekommen war, war es wie zuletzt immer ein offener Schlagabtausch und eine abwechslungsreiche Partie vor mehr als 12’000 Fans im Letzigrund. Im Vergleich zum 0:3 in Luzern zeigte der FCZ eine deutliche Reaktion, speziell auch folgend auf den 0:1-Rückstand in der 16. Minute durch Jérémy Guillemenot. Letztmals gegen den FCZ getroffen hatte Guillemenot vor vier Jahren gleich drei Mal in zwei Spielen mit der Servette U18 gegen die von Ludovic Magnin trainierte FCZ U18 mit unter anderem Kevin Rüegg, Toni Domgjoni und Mirlind Kryeziu. Ebenfalls ein Tor erzielte in jenen Spielen Guillemenots damaliger wie heutiger Teamkollege Dereck Kutesa, der wie manch anderer St. Galler Akteur gegen Ende der Saison immer mehr in Bestform gekommen ist. An der Seite des neuen Innenverteidigerduos Nuhu/Vilotic vermochte Silvan Hefti über die rechte Seite Druck nach vorne zu machen.

Zum Ende der Partie wurde sogar Stürmer Cédric Itten nach langer Verletzungspause noch kurz eingewechselt, um das 2:1 zu erzwingen, mit welchem aufgrund der Punktverluste Luzerns und Luganos in den Parallelspielen die Ostschweizer die Gruppenphase der Europa League direkt erreicht hätten. Umso mehr soll gewürdigt werden, wie respektvoll sich die St. Galler bei der Auswechslung Alain Nefs und dessen Verabschiedung nach 336 Wettbewerbsspielen im FCZ-Dress (inklusive Testspiele 440 Partien) verhielten. Es war gleichzeitig auch der Moment, als durch den Abpfiff der anderen Partien klar wurde, dass es für den FCZ selbst bei einem Sieg nicht mehr auf einen für die Europa League-Qualifikation berechtigenden Platz reichen würde.

Der Auftritt des Teams von Cheftrainer Magnin und des scheidenden Assistenztrainers Van Eck war erfrischend und engagiert. Speziell das neu formierte Mittelfeld mit Simon Sohm (zum zweiten Mal nach der Auswärtspartie vor drei Wochen in Basel Züri Live-MVP) und Toni Domgjoni im Zentrum wirkte um zwei Stufen besser als dasjenige, welches in Luzern angetreten war. Die beste Durchschnittsnote vom 3:0-Sieg gegen Thun wurde mit 7,6 sogar nochmals übertroffen – 75 Top-Offensivaktionen sind zudem ebenfalls Saisonrekord. Viel dazu beigetragen hat unter anderem Antonio Marchesano, welcher bereits in Luzern zu den wenigen positiven Erscheinungen gehört hatte und zuletzt vier Mal in Folge mehr als 10 Top-Offensivaktionen hatte. Berücksichtigt werden muss allerdings auch, dass St. Gallens Spielstil gerade dem sich immer wieder suchenden Duo Marchesano/Schönbächler deutlich besser entgegenkommt, als derjenige Luzerns.

Wichtig war zudem, dass die Fehlerquote im Vergleich zur Luzern-Partie reduziert werden konnte, auch wenn sie bei Marchesano, Schönbächler, Bangura und vor allem Kharabadze immer noch zu hoch war. Der Georgier war immerhin nach einer schnellen Spielauslösung von Brecher über Sohm mit einer guten Flanke am Ausgleichstreffer Salim Khelifis (starke Direktabnahme) beteiligt. Es war Khelifis siebtes Saisontor – zuletzt hatte er im Februar gegen Luzern und Kriens innerhalb weniger Tage je einmal getroffen. Nach einem Ballverlust Schönbächlers in der gegnerischen Hälfte liess sich Kharabadze aber in der 16. Minute in der Rückwärtsbewegung zu viel Zeit, und schaffte es nicht mehr auf seine Position zurück, worauf Bangura aushalf, aber den Führungstreffer Guillemenots nicht zu verhindern vermochte. Kharabadze und Bangura liessen zudem bei einer sehr guten Torchance St. Gallens bei einem Eckball in der Zweiten Halbzeit ihren Gegenspielern Barnetta und Rapp zu viel Freiraum. Auf der anderen Seite hätte der FCZ nach einem Foul Nuhus an Odey im St. Galler Strafraum einen Penalty erhalten müssen (siehe Standbild). Es war ein weiterer in einer ganzen Reihe von klaren Penaltys, die dem FCZ in dieser Rückrunde im «Südkurven-Strafraum» des Letzigrunds verwehrt worden sind.

FCZ – St. Gallen 1:1 (0:1)

Tore:  16. Guillemenot (Barnetta) 0:1, 50. Khelifi (Kharabadze) 1:1.

FCZ: Brecher; Omeragic (73. Untersee), Nef (90. Pa Modou), Bangura, Kharabadze; Khelifi, Sohm, Domgjoni (79. Kololli), Schönbächler; Marchesano, Odey.

St. Gallen: Stojanovic; Hefti, Nuhu, Vilotic, Wittwer; Quintilla (88. Itten); Sierro, Ashimeru; Kutesa (71. Bakayoko), Guillemenot (71. Rapp), Barnetta.

(Standbild Odey: SRF)

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