Schafft der FCZ den Sprung in die nächste Runde? / FCZ – Qarabag Vorschau

Von den ersten drei Wettbewerbspartien der Saison haben die Spieler des FCZ sowohl in der Offensive wie auch in der Defensive gegen Qarabag am meisten gute Aktionen gehabt. In der 2. Halbzeit war in Baku wegen der Müdigkeit von Qarabag der FCZ das optisch dominierende Team. Nach „Expected Goals“ hätte der FCZ die Partie mit 2:1 gewinnen müssen, verlor aber 2:3. Die Mannschaft war fokussiert, konnte aber den vor allem in den ersten 20 Minuten mit viel Energie angreifenden Gegner trotzdem nicht bändigen. Schafft Aussenseiter FC Zürich im Rückspiel den Sprung in die Dritte Runde der Champions League-Qualifikation?

Beeindruckende europäische Bilanz von Qarabag

In den bisherigen drei Champions League-Qualifikationsspielen gegen Lech Poznan und den FC Zürich hat Qarabag mit einer jeweils fast identischen Mannschaft gespielt. Einzig zwischen dem Hin- und Rückspiel gegen den Polnischen Meister hatte Trainer Qurban Qurbanov im Mittelfeld Qarayev und den Portugiesen Leandro Andrade durch den Montenegriner Jankovic und den in Aserbaidschan assimilierten Kroaten Ozobic ersetzt. Immer von Beginn an spielte als dritter zentraler Spieler im Bunde der ebenfalls für Aserbeidschan auflaufende Brasilianer Richard Almeida.

In der heimischen Meisterschaft tritt Qarabag hingegen fast nie in Bestformation an. Die aus dem Ausland stammenden Spieler rotieren und laufen nur in etwa der Hälfte der Partien auf. So kommen die heimischen Talente zu viel Spielzeit in einer Liga, die Qarabaq in den letzten neun Jahren mit einer Ausnahme jeweils mit klarem Vorsprung gewonnen hat – üblicherweise vor dem Konkurrenten Neftchi Baku. Letztendlich ist der Kräftehaushalt und das Teambuilding ganz auf die internationalen Qualifikationsspiele im Sommer ausgerichtet. Und in den europäischen Wettbewerben hat der Klub aus dem mittelgrossen Land am Kaspischen Meer (Fläche und Einwohnerzahl vergleichbar mit Österreich) grosse Erfolge feiern dürfen. Seit 2009 hat man Jahr für Jahr immer mindestens zwei Gegner aus dem Wettbewerb geworfen und seit 2014 ununterbrochen immer eine Gruppenphase erreicht.

Trainerlegende Qurban Qurbanov: 25 Jahre nach der „DeBaku“-Revanche wieder in Zürich

Die Erfolge sind eng verknüpft mit dem 50-jährigen Einheimischen Qurban Qurbanov, einem der amtsältesten Trainer im europäischen Fussball. Qurbanov stand beim legendären „DeBaku“ der Schweiz 1996 gegen das Team von Neo-Nationalcoach Rolf Fringer auf dem Platz (1:0-Sieg Aserbeidschans) und ein Jahr später dann auch bei der Revanche im Hardturm (5:0 für die Schweiz, drei Tore von Kubilay Türkyilmaz). Von daher stammt wohl auch etwas die Verwunderung bei den Gästen über den Spielort Letzigrund und die anfänglichen Verwechslungen des FCZ mit GC bei deren Fans, die zuhause in zwei Lager gespalten die Mannschaft aus zwei unterschiedlichen Fansektoren anfeuern und sich dabei gegenseitig konkurrenzieren.

Nach 14 Toren in 68 Länderspielen und einer Klubkarriere in Aserbaidschan, Georgien sowie in der Zweiten und Ersten Russischen Liga machte Qurbanov als 34-jähriger bei Neftchi Baku den direkten Schritt vom Spieler zum Trainer. Zwei Jahre später, 2008, kam er als neuer Coach zu Qarabaq, qualifizierte sich mit der zuvor jahrelang wenig erfolgreichen Mannschaft gleich im ersten Jahr für den Europacup – und damit begann die oben beschriebene erfolgreiche internationale Geschichte des Vereins. Nun bereits 14 Jahre im Amt, ist der aktuelle Vertrag Qurbanovs bis 2025 datiert.

Qarabag: taktisch flexibel, aber auch mit Einschränkungen

In Zürich wird Qurbanov von einem Heer an Staff-Mitgliedern begleitet und unterstützt, welches eine ähnliche Grösse wie das Spielerkader selbst annimmt. Im Verlauf des laufenden Wettbewerbes haben sich Qurbanov und sein Staff taktisch gewieft und anpassungsfähig gezeigt. Nachdem die Aseris von Lech Poznan in Polen ausgekontert worden waren, wurden zwei Umstellungen getätigt und im Rückspiel der polnische Meister von Beginn weg mit einem intensiven Gegenpressing unter Druck gesetzt. In beiden Partien liess Qurbanov seine Mannschaft über die Seiten angreifen: im Hinspiel war der Linke Flügel Zoubir am auffälligsten, im Rückspiel der Rechte Flügel Kady. Gegen den FCZ wählte Qurbanov hingegen eine taktische Marschroute mit Angriffen durch die Mitte, womit Mittelstürmer Wadji (zwei Tore) eine Schlüsselrolle zukam. Zudem passte sich Qurbanov relativ schnell an den Wechsel des FCZ zur Pause von Manndeckung auf Raumdeckung an und zog Schlüsselspieler Kady vom Flügel ins Zentrum, von wo der Brasilianer zwischen den Zürcher Linien mit einer Klasseaktion das 3:1 vorbereitete.

Bei der Pressekonferenz vor dem Rückspiel im Letzigrund ist Qurbanov zuversichtlich, dass seine Mannschaft hier die Qualifikation für die nächste Runde klar machen wird – und zwar schon nach 90 Minuten. Er sieht den Vorsprung von einem Tor als grossen Vorteil für sein Team zu Beginn der Partie. Sein Gegner ist gezwungen, etwas zu kreieren. Zwei Stunden davor im Presseraum des Heerenschürlis hatte Franco Foda gemahnt, dass man nicht gleich zu Beginn in Führung gehen und ins offene Messer laufen muss.

Qurbanov hat seinem eigenen Vernehmen nach nicht vor, personell Wesentliches an seiner Mannschaft zu ändern. Taktisch hingegen sind beide Coaches und Teams sehr variabel. Ein sich nur hinten hineinstellendes und auf Konter lauerndes Qarabaq kann man sich allerdings nicht vorstellen. Dies auch weil das Verteidigen von Flanken und Standards eher ein Schwachpunkt der Mannschaft ist. Sie scheinen fast dazu gezwungen zu sein, das Spiel zu dominieren und mit Gegenpressing den Gegner an der Lancierung von Konterangriffen zu hindern. Angesprochen auf den Vergleich zum letzten Jahr mit den Duellen gegen den FC Basel meinte Qurbanov, dass die Champions League (-Qualifikation) eine andere Liga sei als damals die Conference League, und deshalb auch der Gegner besser. Da war es dann doch wieder: das übliche Grossreden des Gegners im Vorfeld solcher Begegnungen.

Mets oder Aliti, Rohner oder Okita, 3-er oder 4-er Abwehr, Mann- oder Raumdeckung?

Der FC Zürich muss wohl auf Blerim Dzemaili verzichten, der im Hinspiel eine ungenügende Züri Live-Note hatte, als Einwechselspieler gegen das im Vergleich zu Qarabag schwächere Luzern dann aber MVP war. Die gegen Luzern geschonten Kryeziu und Aliti könnten wieder in die Startformation zurückkehren. Mets wurde defensiv gegen Luzern weit weniger gefordert, als Aliti zuvor in Aserbeidschan, und sah trotzdem in der potentiell entscheidenden Szene („hundertprozentige“ Torchance Ardaiz) mit seinem verlorenen Kopfballduell im Mittelfeld nicht gut aus. Mets ist im Antritt nicht schneller als Aliti, auf weitere Distanzen im Rückwärtssprinten allerdings schon. Ausserdem spricht für Mets, dass er bei Offensivstandards gefährlicher ist, was aufgrund der Schwäche von Qarabag in solchen Situationen ein entscheidender Faktor werden könnte. Aliti ist dafür im Passspiel präziser. Im Sturm könnte Trainer Foda wie in Baku erneut auf das schnelle Duo Rohner / Gnonto setzen. Okita ist ebenfalls eine Option, wohl noch vor dem weiterhin formschwachen Tosin. Santini und Selnaes sind vermutlich noch nicht bereit, um 60 und mehr Minuten auf diesem Niveau zu spielen. Trainer Foda bedauert in dieser Hinsicht, dass zur Zeit keine Testspiele möglich seien, wo man solche Spieler bedenkenlos mal 90 Minuten laufen lassen könnte.

Umfrage: schafft der FCZ den Sprung in die 3. Runde Champions League?

Kommt der FCZ heute abend in der Champions League gegen Qarabag eine Runde weiter?

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Aktuell sind 20 Mannschaften in der 2. Runde des „Champions-Weges“ der Champions League engagiert. Vier dieser zwanzig Mannschaften sind die möglichen Gegner des FC Zürich in der 3. Runde. Bei einem Weiterkommen gegen Qarabag würde man nächste Woche Dienstags oder Mittwochs zuhause in der nächsten Champions League-Runde gegen den Sieger des Duells Slovan Bratislava – Ferencvaros antreten. Bei einer Niederlage würde in der 3. Runde der Europa League-Qualifikation zuerst auswärts der Verlierer der Begegnung Bodö/Glimt – Linfield warten. Das Resultat von Bodö/Glimt – Linfield wird in der Pause (oder bei Verlängerung / Penaltyschiessen im Verlauf der 2. Halbzeit) der Partie FCZ – Qarabag feststehen. Slovan – Ferencvaros wird später am Abend gespielt. Spannend ist, dass in beiden Duellen die Aussenseiter Linfield und Slovan im Hinspiel mit einem knappen Sieg vorgelegt haben.

Condé bereits MVP / Qarabaq – FCZ in der Züri Live-Analyse

Der FCZ kennt solche Spiele. Vor zwei bis drei Jahren lief es jeweils gegen St. Gallen so wie nun in Baku. Zu Beginn überrollt der Gegner den FC Zürich wie ein Tsunami, so dass man das Gefühl bekommt: diese zwei Mannschaften gehören eigentlich nicht in die gleiche Liga. Wenn die Kräfte des Gegners nach der anfänglichen Parforce-Leistung dann aber nachlassen, schlägt der FCZ zurück. Der Unterhaltungsfaktor solcher Spiele ist hoch. Da St. Gallen am Ende aber mehrheitlich auf der Verliererseite stand, sah dessen Coach Peter Zeidler irgendwann von solchen Matchplänen wieder ab. Sein Team hatte jeweils in der Hochenergiephase schlichtweg weniger Tore erzielt, als es danach im „übersäuerten“ Zustand kassierte. Im Unterschied zu St. Gallen vermochte Qarabaq auch in der 2. Halbzeit in vereinzelten Aktionen nochmal das Tempo zu erhöhen und Nadelstiche zu setzen, so dass der FCZ nach dem 2:3-Anschlusstreffer nicht mehr allzu viel riskieren wollte.

Qarabaq mit grosser taktischer Flexibilität

Wer die Leistung oder Taktik des FCZ in Baku beurteilen will, muss daher berücksichtigen, dass in den zwei Halbzeiten zwar personell der gleiche, vom Energie-Level her aber ein komplett unterschiedlicher Gegner auf dem Platz gegenüberstand. Natürlich hat der Auftritt des Letzigrund-Teams in der 2. Halbzeit optisch deutlich besser gewirkt, aber der Unterschied bezüglich Leistung war nicht so gross, wie es auf den ersten Blick scheint. In Problemen steckten in den besonders intensiven ersten 20 Minuten Qarabaqs beim FCZ viele. Bei Marc Hornschuh handelte es ich aber nicht nur um ein paar Probleme, sondern er war im Mittelfeldzentrum mit dem Tempo des Gegners überfordert. Und dass der sehr beständige Fidan Aliti in der Super League sein oberes Limit ausreizt und kaum Luft nach oben hat, war auch schon immer klar. Aber auch er machte natürlich sofort wieder eine bessere Figur, als Qarabaq die Puste ausging.

Dass die Aseris das Spiel schlussendlich gewannen, hat viel mit den Einzelleistungen von Ibrahima Wadji zu tun. Der 27-jährige Senegalese war vor einem Jahr als einer der besten Torschützen der Norwegischen Liga ans Kaspische Meer gezogen und in den Europacupduellen mit dem FC Basel die auffälligste Figur. In der 1. Runde der diesjährigen Saison gegen Lech Poznan lief das Spiel hingegen an ihm vorbei, auch weil Qarabaq jeweils über die Flügel spielte. Gegen den FCZ änderte Coach Qurban Qurbanov die Taktik. Das intensive Pressing / Gegenpressing aus dem Lech-Rückspiel wurde beibehalten, aber es wurde vorwiegend durch die Mitte angegriffen.

Selnaes-Début, Condé MVP, Marchesano und Guerrero steigern sich

In der 1. Halbzeit spielte der FC Zürich wie letzte Saison im 3-4-1-2 mit Manndeckung auf dem ganzen Platz. Der im Vergleich zum YB-Spiel verbessert auftretende Antonio Marchesano deckte im Spiel ohne Ball Jankovic, Dzemaili folgte Almeida auf Schritt und Tritt, und Hornschuh hätte Ozobic neutralisieren sollen. Die Lösung Qurbanovs gegen die Manndeckung: einer der beiden Flügel (Kady oder Zoubir) bot sich jeweils zusätzlich zentral an und trieb den Ball nach vorne, die Vier gegen drei-Überzahl ausnutzend. Nachdem der FCZ zur Pause auf ein 3-4-3 mit Raumdeckung umgestellt hatte, verlegte sich Qarabaq sofort darauf, die typischen Schwachstellen der Raumdeckung auszunutzen: die sich bietenden Lücken zwischen den Linien. Dazu stellte Qurbanov seinen besten Mann Kady vom Flügel auf die Zehnerposition, wo der Brasilianer nun häufig Raum vorfand und so das 3:1 vorbereiten konnte.

Der zur Pause für Hornschuh eingewechselte Cheikh Condé bestätigte die positiven Eindrücke seiner Spiele in Tschechien, der Vorbereitung und in Bern. Bereits in seinem zweiten Wettbewerbsspiel wird er zum Züri Live-MVP. Mit dem Guineer verbesserte sich schlagartig die Balance zwischen Offensive und Defensive. Mirlind Kryeziu und Blerim Dzemaili wirken (noch) fitter als letzte Saison. Als Qarabaq nicht mehr so intensiv ins Pressing ging, lancierte Kryeziu mit langen Bällen und Seitenwechseln das Zürcher Spiel und verwandelte den Foulpenalty zum 2:3 sicher. Offensiv war er der beste Spieler des FCZ in Baku. Bei Marchesano und Guerrero war bereits eine klare Steigerung im Vergleich zum Auftakt in Bern erkennbar. Fabian Rohner sorgte als Stürmer in der 1. Halbzeit immer wieder für Entlastung und provozierte Szenen, die zu einem Penalty oder Platzverweis des Gegners hätten führen können.

Ole Selnaes kam als Letzter der vier Neuzugänge und trotzdem überraschend früh zu seinem Wettbewerbsdébut für den FCZ – nicht überraschend mit guten Offensivaktionen und defensiven Defiziten. In der Match-Vorschau stand, dass das Duell zwischen Boranijasevic und Linksverteidiger Dzafarguliyev entscheidend werden könnte. Letztendlich führten zwei Fehler des für Dzafarguliyev eingewechselten Bajramov, der nach Krasniqi-Steilpass Boranijasevic im Strafraum zu Fall brachte, das späte 2:3. Insgesamt entsteht nach der Auswärtspartie in Aserbaidschan das Gefühl, dass die Mannschaft auf einem guten Weg ist und schon in den kommenden Partien die ersten positiven Resultate folgen werden.



Qarabaq FK – der FCZ-Gegner der 2. Runde unter der Lupe

Der Gegner des FC Zürich in der 2. Runde der Champions League 2022-23 steht fest. Der aufgrund des Konfliktes mit Armenien seit Jahrzehnten in der Hauptstadt Baku beheimatete aserbaidschanische Serienmeister Qarabaq Futbol Klubu will genauso wie der Fussballclub Zürich die Gruppenphase erreichen. Beide Teams stehen damit einem der für sie in dieser Runde schwierigstmöglichen Kontrahenten gegenüber. Die Ölfelder von Baku spielten vor rund 2’300 Jahren eine wichtige Rolle in der alten monotheistischen Religion Zoroastrismus und im 20. Jahrhundert dann für die Deviseneinnahmen der Weltmacht Sowjetunion.

Qarabaq FK: Favorit mit Erfahrung, aber auch Schwachstellen

Was erwartet das Foda-Team in Baku? In der Saison 2015-16 schied YB gegen Qarabaq mit zwei Niederlagen in den Europa League-Playoffs aus. Letzte Saison waren die Aseris in den Conference League-Gruppenspielen gegen den FC Basel zwei Mal eher die bessere Mannschaft, hatten aber viel Pech und holten daher nur einen Punkt und den 2. Gruppenplatz (danach Ausscheiden gegen Marseille im Sechzehntelfinal). Und den Polnischen Meister Lech Poznan hat man soeben mit einem 5:2-Gesamtskore aus dem Wettbewerb geworfen. Das für die Auslosung dieser Runde gesetzte Qarabaq hat international sicherlich den bekannteren Namen als der ungesetzte FCZ – und ist auf dem Papier der Favorit. Aus Züri Live-Sicht wird es aber ein Duell auf Augenhöhe. Der FC Zürich braucht sich nach der Entwicklung, die die Mannschaft zuletzt genommen hat, nicht zu verstecken.

Qarabaq hat in den letzten Jahren im Europacup zu Hause und auswärts etwa gleich gute Resultate erzielt. Man ist also auswärts eher überdurchschnittlich gut. Qarabaq kann auf seiner personellen Kontinuität der letzten Jahre aufbauen, in welcher das eingespielte Team viel Europacuperfahrung gesammelt hat. Von den individuellen Qualitäten her ist das Team von Qurban Qurbanov hingegen nicht besser aufgestellt als der FCZ. Es gibt keinen Spieler mit einer besseren Technik als Marchesano und auch keinen, der schneller ist als Rohner. Torhüter Magomedaliyev bringt ebenfalls nicht mehr Qualität mit als Brecher. Es gibt für den FCZ genügend Ansatzpunkte zum Ausnutzen von Schwachstellen. So sind die Akteure im defensiven Zentrum wie Medvedev, Medina oder Almeida nicht sehr flink / beweglich – sowohl ohne, als auch mit Ball. Rechtsverteidiger Vesovic unterlaufen unter Druck relativ viele Fehlpässe und Linksverteidiger Jafarguliyev ist zwar offensiv dynamisch, vernachlässigt dadurch aber auch immer etwas seine Defensivaufgaben. Das Duell zwischen ihm und Boranijasevic könnte ein entscheidendes werden.

Qarabaq gegen Lech Poznan dominant mit Spiel über die Flügel

Mitentscheidend wird sein, dass der FCZ unabhängig vom Resultat in Bern als Mannschaftsgefüge möglichst rasch zusammenfindet – im Speziellen im Mittelfeldzentrum: Condé ist neu, Dzemaili war zuletzt angeschlagen, Krasniqi und Seiler manchmal schwankend in ihren Leistungen und Selnaes scheint noch weit von der benötigten Wettkampfverfassung entfernt zu sein. Gegen Lech Poznan hat Qarabaq in beiden Partien das Spiel gemacht. Die Polen zogen sich zurück und verlegten sich auf Konterangriffe. Diesbezüglich war Lech durchaus gefährlich. Im Rückspiel vermochte Qarabaq aber mit intensiverem Pressing und deutlich konsequenterem Gegenpressing den Druck von der 1. Minute an hochzuhalten. Die Aseris liessen sich zudem vom Blitz-Gegentreffer bereits nach wenigen Sekunden überhaupt nicht beeindrucken.

Letztendlich brachte Qarabaq insgesamt mehr Energie auf den Platz. Lech ging das Tempo zu Beginn mit, baute etwa ab der 30. Minute aber ab. Qarabaq legte zudem Lechs defensive Defizite offen. Der Qarabaq-Aufbau verlief fast immer gleich. Einer der Mittelfeldspieler (Almeida oder Garayev) lässt sich auf die Höhe der Innenverteidiger zurückfallen und sucht mit einem flachen langen Ball auf der Seite einen der beiden Flügel – Zoubir (links) oder Kady (rechts). Da Zoubir Rechtsfuss und Kady Linksfuss ist, sind direkte Flanken von der Grundlinie selten. Sie legen sich den Ball erst auf den starken Fuss, bevor sie nach innen ziehen oder spielen.

Qarabaqs Hintermannschaft mit Mankos im Kopfballspiel und Antritt

Die zentralen Lech-Offensivspieler Amaral und Ishak taten so gut wie nichts, um Qarabaq im Spielaufbau zu stören – selbst auf Höhe der Mittellinie nicht. Das könnte theoretisch auch eine taktische Vorgabe gewesen sein, um den Gegner noch weiter rauszulocken. So etwas funktioniert aber nur, wenn die Hintermannschaft zweikampfstark ist und bei Ballgewinn schnell und sauber hinten herausspielen kann – was mit zunehmender Dauer der 1. Halbzeit nicht mehr der Fall war. In Baku erlebte Lech einen Gegner mit einer Intensität im Gegenpressing, die sie sich aus der Ekstraklasa nicht gewohnt sind. In diesem Moment wäre es wichtig gewesen, dass Lech-Trainer Van den Brom zur Pause taktisch reagiert. Nicht ganz untypisch für Holländische Trainer wollte er aber stur sein Konzept durchziehen. Franco Foda würde in so einer Situation ziemlich sicher flexibler reagieren. Dass für eine personelle Reaktion aber wohl auch etwas die valablen Alternativen fehlten, zeigten die aus polnischer Sicht enttäuschenden Auftritte ihrer Einwechselspieler.

Die Qarabaq-Hintermannschaft ist also mit langen hohen Bällen, Druck machenden Stürmern und auch über die Seiten verwundbar. Die Stärke der Verteidiger und Defensiven Mittelfeldspieler ist generell ihre Erfahrung und „Ausgebufftheit“ – sie sind aber nicht besonders kopfballstark und mit Ausnahme von Linksverteidiger Jafarguliyev auch nicht übermässig beweglich / schnell. Dies alles würde umso mehr für ein Sturmduo Tosin / Gnonto sprechen. Okita scheint im Spiel ohne Ball (noch) nicht auf dem gleichen Level zu sein. Ausserdem hat Qarabaq Probleme bei Eckbällen des Gegners, teilweise mit der Zuteilung, speziell aber auch wenn diese nahe aufs Tor in einen dicht gedrängten Fünfmeterraum gezogen werden.

Zürcher Sechserposition und Energiemanagement entscheidend

Defensiv muss sicherlich ein Fokus darauf liegen, Qarabaq in der Mittelzone besser am Spielaufbau zu stören als dies Lech tat, selbst dann, wenn man sich zurückziehen sollte. Weiter geht es darum, die beiden Flügel Zoubir und Kady in den Griff zu bekommen. Das ist grundsätzlich sicherlich möglich. Im Hinspiel in Poznan hatte Zoubir zwar viel den Ball, vermochte damit aber wenig anzustellen und Kady erwischte ganz generell einen schlechten Tag. Die Zone der Zürcher Sechserposition vor dem eigenen Strafraum wird wohl defensiv am wichtigsten sein. Condé hat sich schon sehr gut eingeführt, überlässt aber als Neuling in verschiedenen Situationen noch den Mitspielern den Lead, wenn er eigentlich bereits selbst mehr das Szepter übernehmen sollte. Wer spielt daneben? Selnaes kommt kaum schon in Frage. Bei Seiler und Krasniqi hängt es zur Zeit immer noch etwas von der Tagesform ab. Ideal wäre wohl einen der beiden zum Meisterschaftsauftakt auf Kunstrasen in Bern zu bringen und Dzemaili dann (sofern wieder fit) in Baku.

Die kurze Abfolge von Spitzenkampf zum Auftakt in Bern und drei Tage später das für die Europacupsaison bereits etwas vorentscheidende Spiel in Baku ist „nicht ohne“, auch wenn zum Saisonstart in der Regel die möglicherweise noch fehlende Eingespieltheit die grössere Herausforderung darstellt, als der Energiehaushalt. Lech Poznan reiste auf jeden Fall vor allem auch darum mit einer klaren Niederlage aus Baku ab, weil es über 90 Minuten nicht die gleiche Intensität auf den Platz bringen konnte, wie der Gegner. Und dies obwohl sie am Wochenende zwischen den zwei Europacupduellen mit Qarabaq im Supercup gegen Rakow Czestochowa (0:2) den grössten Teil ihrer Stammformation geschont hatten. Für Qarabaq beginnt die Meisterschaft noch lange nicht. Sie haben zur Zeit Europacuppartien im Wochentakt und können vor ihrer dritten Wettbewerbspartie der Saison in Baku bleiben.

Baku – Bild: Dr. Matthias Ripp (bearbeitet) CC BY 2.0

Anspruchsvoller Gegner für den FCZ in der Champions League-Qualifikation

Nach 11 Jahren (Royal Standard de Liège, Bayern München) ist der FCZ erstmals wieder in der UEFA Champions League-Qualifikation mit dabei. Dies hat sich die Mannschaft mit einer tollen Super League-Saison 21/22 erspielt, erlaufen und erkämpft. Schon vor der Auslosung der 2. Qualifikationsrunde der Champions League 2022/23 war klar, dass der Kontrahent des FCZ eine anspruchsvolle Hürde werden wird. Denn der Letzigrundclub geht als ungesetztes Team in die Affiche. Und so ist es auch herausgekommen: man trifft Mitte Juli zuerst auswärts entweder auf Qarabaq Agdam oder Lech Poznan.

Qarabaq Agdam ist der politische Prestigeklub aus dem erdölreichen Staat Aserbaidschan am Kaspischen Meer, der in den letzten neun Jahren acht Mal Meister seines Landes geworden ist. Qarabaq ist im Gegensatz zum FCZ international äusserst erfahren und hat sich in den letzten acht Jahren ausnahmslos immer für eine Europacup-Gruppenphase qualifiziert: sechs Mal Europa League, ein Mal Champions League und ein Mal Conference League. Aberdeen, Molde, APOEL oder Sheriff Tiraspol sind die Kaliber, die dabei gegen Qarabaq jeweils das Nachsehen hatten. Gegen Club Atletico de Madrid gab es 17/18 in der Champions League-Gruppenphase zwei Unentschieden und letzte Saison wurde in der Conference League der Sechzehntelfinal erreicht (Ausscheiden gegen Olympique de Marseille). Der FC Basel hatte dabei in der Gruppenphase grosse Probleme mit den Aseris. Im Hinspiel in Baku (0:0) hielt Heinz Lindner für den FCB hinten die Null und im Rückspiel im St. Jakob Park war Qarabaq zu Beginn beider Halbzeiten die bessere Mannschaft – und ihnen wurde vom Schiedsrichtertrio der verdiente Führungstreffer „geklaut“ (Ball klar hinter der Linie, kein VAR). Am Ende gewann Basel dank Cabral deutlich zu hoch mit 3:0.

Einerseits spielt die halbe Aserbaidschanische Nationalmannschaft bei Qarabaq, andererseits sind die ausländischen Verpflichtungen mit denjenigen des FCZ mindestens vergleichbar. Während der FCZ beispielsweise mit Tosin einst einen der besten Torschützen der Lettischen Liga verpflichtete, holte Qarabaq mit Wadji einen Top-Torschützen der Norwegischen Liga.

Spitzenteams der Polnischen Liga wie Lech Poznan waren in den letzten Jahren besser als der FCZ. Nehmen wir hingegen den FC Zürich Ausgabe 21/22 zum Massstab, dann bewegt sich dieser auf Augenhöhe. Auf Transfermarkt liegt der Marktwert von Lech mit 44,85 Mio Euro leicht über demjenigen des FC Zürich. Der wertvollste Spieler von Lech, Jakub Kaminski, wechselt diesen Sommer für 10 Mio Euro zu Wolfsburg. Beim FCZ sind die wertvollsten Spieler Gnonto und Omeragic ebenfalls begehrt beziehungsweise im Fall von Omeragic zusätzlich auch noch angeschlagen. Im Wintertrainingslager hatte der FC Zürich Mühe mit dem letztendlich Drittplatzierten der Polnischen Ekstraklasa, Pogon Szczecin (1:1). Lech Poznan hat schon seit zwei Jahrzehnten den grössten Support im polnischen Fussball. Im 41’000 Zuschauer fassenden Heimstadion kommen in der Liga im Schnitt 22’600 Fans an die Spiele. Beim UEFA Cup-Qualifikationsspiel 2008 in St. Gallen gegen GC war der ganze Auswärtssektor voll. Die polnischen Fans zeigten dem praktisch leeren Rest des Stadions eine Choreographie unter dem Motto „Why so serious?“ (Joker, Dark Knight).

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